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als erbliches oder bleibendes allodiales oder feudales Besitzthum zustehen könne1) und zwar in der Art, dass es selbst den Rechtstitel zur Ausübung der Regierung für den jedesmaligen Besitzer enthalte 5), während an sich betrachtet, gerade umgekehrt die Verleihung der Regierungsrechte durch den Kaiser den Rechtstitel zur Besitznahme des Territoriums hätte enthalten müssen 6).

II. Die Patrimonial-Theorie beruht aber, insofern sie nicht bloss eine germanisch-historische, sondern eine universell giltige sein will, eben so wie die Theorie der Uebermacht, auf einer an sich richtigen, aber einseitigen Anschauung und blos äusserlichen Auffassung des Staatslebens. So wie kein Staat ohne Territorium gedacht werden kann (§. 15), so ist auch in Bezug auf jeden einzelnen Staat unläugbar derjenige der Staatsherrscher, welcher der Herr des Territoriums ist. Es hat daher auch wirklich das Patrimonialprincip in demselben Sinne eine gewisse Universalität in sich, wie die Theorie der Uebermacht (§. 37): allein gerade wie diese vermag es seiner rein sinnlichen Auffassung des Staatsverhältnisses wegen nur den factischen Grund der Beherrschung eines gewissen Staatsvereines, nicht aber den Rechtsgrund der Staatsgewalt an sich zu erklären. Ueberdies setzt die Innehabung des Staatsgebietes immer den Besitz der Macht voraus: und aus diesem Grunde ist auch philosophisch betrachtet das Patrimonialprincip nichts anderes als nur eine Unterart oder ein Ausfluss und eine einseitige Entwickelung der Theorie der Uebermacht.

III. Die Patrimonialtheorie tritt geschichtlich besonders da hervor, wo das Grundeigenthum in der Gestalt grosser und geschlossener Bezirke an bestimmte Familien oder privilegirte

4) Vergl. über diesen geschichtlichen Entwickelungsgang, meine Alterthümer des deutschen Reichs und Rechts Bd. II (Heidelberg und Leipz. 1860) S. 11. 14 flg. 26 flg. 34. 38. 48 flg.

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5) Sächs. LdR. III. 53. §. 3. Man ne mut ok nen gerichte . . . lien ... de dem it dar belegen is.“

6) Es erhellt hieraus, dass das Patrimonialprincip in Deutschland nur in Bezug auf die landes herrliche Gewalt Bedeutung hatte. Die kaiserliche Regierungsgewalt wurde aus einem anderen Principe abgeleitet. Davon in §. 40.

Ein

Corporationen gekommen und der Grundherr zugleich Gerichts-, Schutz- und Vogteiherr, d. h. politischer Herrscher ist. solches Verhältniss kann sich als etwas Patriarchalisches gestalten und unter einfachen Zuständen befriedigen. Dies war auch im Mittelalter in Deutschland wirklich der Fall, so lange die Bauerngemeinde, welche zu einem Herren-Frohn- oder Dinghof gehörte, auch die Gerichtsversammlung (das Ding) auf demselben bildete und unter dem Vorsitze des Gutsherrn oder seines Vogtes dingte, d. h. Gericht hielt, und selbst oder durch die von ihr gewählten Schöffen das Recht sprach 7). So wie sich aber dieses Verhältniss änderte und die Grundherren ihre ursprünglich geburtsfreien Hintersassen, Zinsleute oder Censualen in die tiefere Stellung von Hörigen oder leibeigenen Leuten hinunter drängten, musste das Patrimonialregiment als eine drückende Despotie empfunden werden, die auf der Landbevölkerung um so schwerer lastete, je kleiner der Herr war.

IV. Als Princip eines monarchischen, sodann vorzugsweise Patrimonialstaat genannten Staates kann das Patrimonialprincip in dem bisher besprochenen Sinne überhaupt nur unter der Voraussetzung aufgestellt werden, dass auch der Landesherr wirklicher Grundherr seines ganzen Landes ist. Dies ist in der älteren Zeit, bei den freien Herrschaften oder Reichsallodien, und überhaupt bei den Territorien in Deutschland, welche nicht ursprüngliche Amtsbezirke, d. h. nicht Grafschaft, Herzogthum oder Fürstenthum waren, häufiger der Fall gewesen, als man insgemein anzunehmen scheint ). Mit der Erweiterung der Gebiete, insbesondere mit der Erwerbung von Gebietstheilen, über welche dem Landesherrn kraft des Erwerbtitels nur Regierungsrechte, aber keine grundberrlichen Rechte zustehen konnten, d. h. mit der Bildung sog. Aggregat- oder Land sassiat-Staaten, so wie auch in Folge der immer häufiger gewordenen Veräusserungen von Liegenschaften aus der landes herrlichen Grundherrschaft an

1) Vergl. meine Abhandlung über die Dinghöfe, in meinen Alterthümern des deutschen Reichs und Rechts, Heidelberg und Leipzig 1860, Bd. I. S. 48 flg. 64 flg. 162 flg.

*) Siehe die Nachweisungen in meinen Alterthümern des deutsch. Reichs und Rechts (1860) Bd. I. S. 123 flg. 324.

Privatpersonen zu freiem Eigenthum"), musste aber die Theorie erschüttert werden, dass das Eigenthum an Grund und Boden der Rechtsgrund der Landesregierung sei 10). Ueberhaupt

konnte die Patrimonialtheorie als Staatsprincip nicht mehr genügen, wo das Verhältniss als Hintersasse aufhörte die gesammte Landesbevölkerung zu umfassen und sich ein mannigfacheres und grossartiges Volksleben zu entwickeln begann. Nachdem man aber vollends unter dem Einflusse des römischen Rechts und der neueren Rechtsphilosophie zu der Einsicht gelangt war, dass das Eigenthum ein rein privat- und sachenrechtlicher Begriff sei, so musste sich auch demgemäss die Ansicht von der Patrimonialität der Landesregierung

umbilden.

V. Diese Umbildung geschah dadurch, dass man den patrimonialen Charakter des Herrscherrechts auf seine Zuständigkeit für ein bestimmtes Subjekt beschränkte, d. h. nur noch diese als patrimonial, nämlich nach der Analogie eines erblichen und Immobiliarrechtes behandelte. Durch die Bezeichnung der Staatsgewalt als patrimonial will somit nunmehr nur noch soviel ausgedrückt werden, dass sie, obschon an sich und ihrer Wirkung nach ein politisches Recht, in gewissen Beziehungen den Charakter eines Eigenthumes, nämlich den Charakter der exclusiven Zuständigkeit und Erblichkeit, wenn gleich nicht mehr, wie man früher häufig annahm, auch den Charakter der Unbeschränktheit an sich trage "). In einem anderen

9) Siehe meine Alterthümer des deutsch. Reichs und Rechts (1860) Bd. I. S. 128-131.

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10) Hiergegen schrieben schon Rave, Beiträge über den Unterschied der Oberherrschaft und des Eigenthums, 1760. Posse, über das Staatseigenthum in den deutsch. Reichslanden, 1794. Vergl. auch Ch. F. Biener, de natura et indole dominii in territoriis Germaniae, 1780. Siehe auch unten §. 103 IV. und IX.

11) So z. B. fasste Hugo Grotius, d. J. B. et P. Lib. III. c. 11 u. 12, die Patrimonialstaaten (,, imperia in pleno jure proprietatis, i. e. patrimonio imperantis") als absolute Monarchien auf. Als Entstehungsart derselben betrachtet er die kriegerische Eroberung oder unbedingte Ergebung des Volkes (,,ut nil exciperetur"), wozu sich das Volk mitunter,,majoris mali vitandi causa" entschliesst. (Ein Beispiel dieser Art ist die Uebertragung der unumschränkten Gewalt an den König Friedrich III.

Sinne kann wenigstens heut zu Tage in einer sog. beschränkten oder constitutionellen Monarchie von Patrimonialität der Staatsgewalt nicht mehr die Rede sein: daher wäre es bei dieser Staatsform am zweckmässigsten, diesen an sich hier überflüssigen Ausdruck ganz zu vermeiden 12). Die Patrimonialtheorie in dieser modernen Entwickelung setzt sich demnach nicht mehr die Aufgabe, den Rechtsgrund des Staates oder der Beherrschung überhaupt (in abstracto) nachzuweisen, sondern sie beschränkt sich darauf, in den Erbmonarchien die Beschaffenheit des Herrscherrechtes, hinsichtlich seiner Vererblichkeit, als eines eigenthumsähnlichen Rechtes veranschaulichen zu wollen, wobei die Rechtlichkeit und Nothwendigkeit einer Beherrschung überhaupt als sich von selbst verstehend vorausgesetzt wird.

§. 40.

5) Religiöse Theorie.

I. Den Uebergang von den historischen zu den rationalen Theorien über die Entstehung der Staaten bildet die religiöse Theorie, nach welcher der Staat als eine Stiftung Gottes betrachtet wird.

II. Insofern diese Theorie so verstanden sein will, dass die Völker durch die göttliche Vorsehung an gewisse Personen oder Familien als ihre Regenten gewiesen worden sind, muss sie noch den historischen Theorien beigezählt werden, indem sie in dieser Hinsicht der Bezugnahme auf ein vermittelndes Faktum nicht entbehren kann, durch welches der Wille der Vorsehung bei einer Nation in concreto zum Bewusstsein gekommen ist.

von Dänemark, auf dem Reichstage zu Kopenhagen, 1660). Im Gegensatze der Patrimonialstaaten bezeichnete H. Grotius die Staaten, worin der erste Herrscher oder Stammvater der Dynastie durch Volkswahl auf den Thron gelangt ist und keine unbeschränkte Gewalt hat, als regna usufructuaria, oder auch legitima; so auch Buddeus, de testam. summor. imperant. c. I. §. XXI flg.

2) Weiter geht Maurenbrecher, die deutschen regierenden Fürsten und die Souverainetät, 1839. — Vergl. dagegen: (Fr. Nebelthau) Wahrheit und Irrthum in der Maurenbrecher'schen Schrift etc. Kassel 1839.

III. Dieses vermittelnde Faktum kann aber seiner Natur nach sehr verschieden sein, so wie überhaupt die Mittel und Wege verschieden sind, durch welche die Vorsehung das Menschengeschlecht zur Erkenntniss ihres Willens führt. Es kann daher dieses Faktum in einer unmittelbaren Offenbarung, oder in der Bezeichnung des zum Herrscher von der Gottheit ausersehenen Subjektes durch einen Propheten 1), es kann aber auch darin gefunden werden, dass die Gottheit einen Mann mit solchen strahlenden Eigenschaften ausrüstet, oder den Sieg in der Art an seine Waffen fesselt, dass die Massen willig oder widerwillig seinen Beruf zum Staatsherrscher anerkennen und seiner Macht sich unterwerfen 2).

IV. Auch dem heidnischen Alterthum war diese Auffassung nicht völlig unbekannt. Ihm erschien die göttliche Fügung als das unabwendbare (tragische) Fatum. Die neuere Zeit liebt es, hier von der Macht des Schicksals oder vollendeten Thatsache zu sprechen 3).

V. In dieser Art aufgefasst erscheint die religiöse Theorie als die Vereinigung aller historischen Theorien in einem gemeinschaftlichen Gesichtspunkte, welcher sich zugleich als der oberste Rechtfertigungsgrund der sämmtlichen einzelnen historischen Entstehungsarten der Staatsgewalt darstellt.

VI. Eben durch diese Beziehung der einzelnen historischen Begründungsarten der Staaten auf einen obersten Rechtfertigungsgrund, den göttlichen Willen, schreitet aber die religiöse Theorie über das Bereich der historischen Theorien hinaus, und nimmt selbst den Charakter einer rationalen Theorie an. Indem nämlich zufolge dieser religiösen Betrachtungsweise der Rechtsgrund der Staatsgewalt in den Willen der Gottheit gesetzt wird, so wird zugleich ausgesprochen, dass der Staat an sich vernunftnothwendig sei, da die Vernunft dem Menschen

1) Alt-testamentarische Auffassung.

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2) Neu-testamentarische Auffassung. Jedermann sei unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat; denn es ist keine Obrigkeit, ohne von Gott, wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott verordnet." Römerbrief, Сар. ХІІІ, 1. Durch die Verweisung auf den Willen der Gottheit wird hiernach alle weitere Kritik abgeschnitten. (Was Gott thut, ist wohlgethan.)

3) Vergi. Jul. Fröbel, Theorie der Politik, Wien 1861, S. 25 flg.

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