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Sammtbelehnungen stützen, müssen auch heut zu Tage noch als ohne Einschränkung wirksam zu Recht bestehend anerkannt werden, sofern sie nicht schon zur Reichszeit nach lehenrechtlichen Grundsätzen wieder verwirkt worden waren.

II. Der Grund hiervon liegt in dem Wesen der Sammtbelehnung selbst, welches darin besteht, dass entweder Personen zur Erhaltung des ihnen an sich nach Geblütsrecht als Collateralen bereits zuständigen Successionsrechts, oder zur Erwerbung eines diesem analogen Successionsrechts (gleichsam als fingirte Agnaten) in die Investitur des Hauptvasallen (prima investitura) und deren Erneuerungen (renovatio investiturae) aufgenommen wurden 2), so dass also die Sammtbelehnten von Haus aus vollkommen denselben Rechtstitel für ihr Successionsrecht im Lehen hatten, wie der Hauptvasall und dessen Descendenz selbst.

III. Daher kann auch die Allodifikation des Territoriums, welche mit der Erlöschung des Reichsverbandes eingetreten ist, nichts an dem Verhältnisse der Descendenz des Hauptvasallen zu den Sammtbelehnten ändern, und zwar um so weniger, wo die Sammtbelehnung, wie in den meisten Fällen, nur zur Erhaltung des an sich begründeten Geblütsrechts bei vorkommender Theilung des Lehens diente 3). Aber auch in jenen (seltenen) Fällen, in welchen die Sammtbelehnung als Erwerbsgrund der Lehenfolge nach dem Abgange der lehenfähigen Descendenz des Hauptvasallen erscheint, konnte die mit der Auflösung des Reichs ipso jure eingetretene Allodifikation keine Aenderung in den Successionsverhältnissen zum Nachtheile der Sammtbelehnten bewirken, beziehungsweise

2) Im ersteren Falle nannte man die Simultanbelehnten „, geborne Sammtbelehnte"; im zweiten Falle hiessen sie,,präsentirte Sammtbelehnte", weil sie nur auf Vorschlag des Hauptvasallen mitbelehnt wurden.

3) Gemeinrechtlich war die Sammtbelehnung auch bei Reichslehen nicht mehr nothwendig zur Erhaltung (conservatio) des Successionsrechtes, seitdem man dieselben überhaupt als erblich betrachtete; wohl aber musste sie bei Belehnungserneuerungen nachgesucht werden, wo dies besonders hergebracht war. Reichshofrathsordnung K. Ferdinand's III. 1654. Tit. III, §. 12: „,In welchen Geschlechten und in denjenigen ReichsKreisen, da die simultanea investitura hergebracht und im Gebrauche, dabei solle solche auch gehalten und derselben nachgelebht werden." Dieser Gebrauch bestand vorzugsweise in den Ländern des sächsischen Rechts.

nicht der Descendenz des Hauptvasallen das Recht erwachsen, die Succession der Sammtbelehnten durch einseitige Disposition über die Erbfolge in dem Territorium zu alteriren, weil eine solche Sammtbelehnung überhaupt nicht ohne Einwilligung des Hauptvasallen ertheilt werden konnte, und dieselbe daher zugleich auch den Charakter eines Erbvertrags hat.

IV. Darin allein, dass die Sammtbelehnten etwa zur Reichszeit nur unterlassen haben, bei vorgekommenen Herrenfällen und Lehenfällen die Erneuerung der Sammtbelehnung nachzusuchen, kann aber keineswegs ein ausreichender Grund gefunden werden, um ihr Successionsrecht als erloschen zu erklären, da überhaupt eine solche Unterlassung vor dem wirklichen Anfalle des Lehens den Verlust des Successionsrechts nicht unmittelbar und unbedingt zur Folge hatte, sondern nur dem Lehensherrn, nicht aber dem Hauptvasallen oder dessen Descendenz, aus solcher Unterlassung ein Recht erwuchs, die Sammtbelehnten von der Lehenfolge auszuschliessen, daher denn auch ihr Lehenfolgerecht unbezweifelt fortbestand, wenn der Lehensherr von diesem Rechte keinen Gebrauch machte 4).

§. 259.

c) Regierungsnachfolge wegen Lehensherrlichkeit.

I. Wenn die Auflösung des deutschen Reiches, wegen Wegfalls des Lehensherrn, d. h. des Kaisers und Reichs, in Bezug auf die Reichslehen die unmittelbare Wirkung haben musste, dass dieselben fortan von den souverain gewordenen Reichsständen als Allodien besessen werden, so liegt doch eine gleiche Nothwendigkeit keineswegs in der Natur der Sache

4) II. Feud. 55. 714 u. f. Nur mit dieser nach Lehnrecht selbstverständlichen Beschränkung sind Gönner, Staatsr. §. 235; Leist, Staatsr. (2. Aufl.) §. 36, u. A. zu verstehen, wenn sie kurzweg erwähnen, dass durch Vernachlässigung der bei Theilungen allenfalls nöthigen gesammten Hand das Successionsrecht der Sammtbelehnten verloren gehen könne.

Weber, Handb. des Lehnrechts IV, S. 210 u. f.

hinsichtlich jener Territorien, welche ein Reichsstand von dem anderen zu Lehen trug 1).

II. Von jeher war nach allgemeinen lehenrechtlichen Grundsätzen anerkannt, dass Souverainetät und Lehenverband sich nicht absolut ausschliessen, und eine souveraine Krone nicht minder, als die deutsch-staatsrechtliche Landeshoheit, sehr wohl als Lehen von einem anderen Souverain, der in dieser Beziehung als Suzerain bezeichnet wurde, verliehen und abhängig sein konnte 2).

III. Nach diesen allgemeinen Grundsätzen müsste daher angenommen werden, dass die zur Reichszeit bestandene Lehenverbindung eines deutschen Fürstenhauses gegen ein anderes, und daher auch das Successionsrecht desselben als Lehensherrn in das lehnbare Territorium bei eintretendem Heimfalle, der Auflösung des Reichs ungeachtet, fortbestehe. Da jedoch unzweifelhaft sowohl bei der Stiftung des Rheinbundes, als auch bei der Stiftung des deutschen Bundes von der Ansicht ausgegangen wurde, dass die fernere Ausübung lehenherrlicher Rechte eines Bundesgliedes über das Staatsgebiet eines Anderen oder dessen Theile 3) mit der politischen Stellung, in welche dieselben fortan zu einander traten, unvereinbar sei, und daher auch noch gegenwärtig von der deutschen Bundesversammlung für unstatthaft geachtet wird), so kann es zweifelhaft erscheinen, ob hiermit auch das Successionsrecht, die sog. Folge des Herrn oder das Heim

1) Das Gegentheil behauptete: Wippermann: Steht die Grafschaft zu Waldeck unter hessischer Lehnsherrlichkeit? Halle 1847. — Siehe aber dagegen: Alsberg, Beitrag zur Beantwortung der Frage, ob die Grafschaft Waldeck unter hessischer Lehnsherrlichkeit stehe? Kassel, 1848.

2) So z. B. war früher Dänemark ein deutsches, Neapel ein päpstliches Lehen u. s. w. Siehe Weber, Handb. d. Lehnr. I, 21 u. f.

3) Ueber den hiervon wesentlich verschiedenen Fall, wenn der Gegenstand der Lehensverbindung nur eine Standesherrschaft ist, welche im Staatsgebiete eines Lehensherrn liegt, der niemals Mitglied des Rheinbundes war, siehe oben §. 249, VII, bei Note 12.

4) Vergl. den in der Streitsache zwischen Kurhessen und Waldeck ergangenen Bundesbeschluss vom 20. Januar 1848, Prot. §. 43. und die demselben vorangegangenen Abstimmungen. Siehe oben §. 249, VII und unten §. 444.

fallsrecht, hinweggefallen sei, welches in der Lehensherrlichkeit für den Fall liegt, dass die vasallitische Familie in den nach dem Lehnvertrage successionsberechtigten Linien ausstirbt.

IV. Die Beantwortung dieser Frage muss verschieden ausfallen, je nachdem die ehemalige Lehensherrlichkeit eines Bundesgliedes über das Staatsgebiet eines Anderen oder dessen Theile dermal nur als zur Zeit unwirksam oder als völlig erloschen zu erachten ist, was nach den im einzelnen Falle obwaltenden Verhältnissen ermessen werden muss. Aus dieser Rücksicht hat auch die Bundesversammlung in dem einen Falle, in welchem sie die Unstatthaftigkeit der Ausübung lehensherrlicher Rechte eines Bundesgliedes über das Staatsgebiet eines Anderen bereits ausgesprochen hat, die ,,Offenhaltung wegen der Frage des Heimfallsrechtes" beschlossen, d. h. die Beschlussfassung hierüber auf so lange ausgesetzt, bis ein praktisches Bedürfniss eine Entscheidung im gegebenen Falle nothwendig machen wird 5).

§. 260.

V. Vorsorge bei dem Mangel von Successions

berechtigten.

Sollte in einem deutschen Staate der Fall eintreten, dass eine Thronerledigung wegen Mangels von Successionsberechtigten zu befürchten steht und nach der Verfassung des Landes auch nicht durch Erbverbrüderung oder Testament des letzten Thronbesitzers ein anderes Fürstenhaus zur Regierung berufen werden darf, so ist von diesem durch Vereinbarung mit den Landständen Vorsorge für die Thronfolge zu treffen '). Sollte dies durch Umstände unmöglich geworden sein, so müsste die Einleitung zur Wiederbesetzung des Thrones von der Bundesversammlung in die Hand genommen werden, da es sich hier offenbar um eine für den Bund in seiner Gesammtheit höchst wichtige Sache handeln würde. Das Wahl

5) Vergl. den in Note 4 angeführten Bundesbeschluss v. 20. Jan. 1848. 1) Ausdrücklich so bestimmt in Kurhessen, V.-U. 1831, §. 4. Oldenburg, rev. V.-U. 1852, art. 18.

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recht zum Behufe der Berufung einer neuen Dynastie auf den erledigten Thron würde aber in solchem Falle der Volksvertretung des betreffenden Landes nicht bestritten werden können2).

§. 261.

Von der Versorgung der nachgebornen Prinzen. Apanagen. Paragien. Secundogenituren 1).

I. Wo Primogenitur eingeführt und eben dadurch die Theilung des Landes unter die Söhne ausgeschlossen wurde, betrachtete man schon zur Reichszeit die sog. nachgebornen Söhne, d. h. alle übrigen ausser dem Erstgebornen, für berechtigt, eine Versorgung zu beanspruchen, welche auch auf ihre Descendenz bis zu deren Erlöschen vererbte. Bestand diese Versorgung in der Zuweisung von Gütern oder Herrschaften, welche die Nachgebornen unter der Landeshoheit des Erstgebornen besassen und vererbten, so hiess sie Paragium; bestand sie in einer Rente, so wurde sie Apanagium (Apanage) genannt 2).

II. Heut zu Tage sind besonders die Apanagen in Gebrauch, doch finden sich in einigen Staaten auch noch Paragien; als eine Unterart der Apanagen sind die sog. Secundogenituren zu betrachten 3). Auch bestehen mitunter besondere fideicommissarische Stiftungen zu Gunsten des an Jahren ältesten Mitgliedes (Senior) des regierenden Hauses 1).

2) v. Dresch, Abhandlungen. München, 1830. S. 226. - Klüber, öffentl. R., §. 247, V.

1) Moser, Staatsr. XIV. Dessen Familienstaatsrecht I, 460 u. f. Leist, Staatsr. (2. Aufl.), §. 38. — Gönner, Staatsr., §. 237. — Klüber, öffentl. R., §. 250 u. f. Maurenbrecher, Staatsr. §. 238. Weiss, Staatsr. §. 243.

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H. A. Zachariae, Staatsr. (2. Aufl.) I, §. 94.

2) Ueber Paragium s. Weber, Handb. d. Lehnr. III, 417 u. f. — Ueber Apanagium ebendas. IV, 3 u. f. In den Paragien hatte mitunter der Besitzer eine beschränkte Regierungsgewalt (sog. Paragia impropria); ihre Stellung war derjenigen der jetzigen Standesherrschaften ähnlich.

3) K. Sachsen, Hausgesetz v. 1837, §. 42. „... (Es) besteht eine durch ausdrückliche Verträge gegründete, auf der Staatskasse ruhende Secundogenitur für die nachgeborne Descendenz der Stifterin. (§. 43.) Sie begreift eine aus der Staatskasse zu zahlende Jahresrente von 85,000 Thlr. 4) So z. B. die oldislebener Senioratsstiftung, im coburg-gothaischen Hausgesetz 1855, §. 72, 73.

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