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sen werden ), oder 2) überhaupt gar keine Intestaterbfolge (weder der Söhne noch der Töchter) des Souverains eintreten kann, weil jene Bestandtheile des beweglichen und unbeweglichen Privatvermögens, über welche der Souverain nicht unter Lebenden oder von Todeswegen verfügt hat, kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung ohne Weiteres (ipso jure) als vereinigt mit dem Hausfideicommiss oder Haus allodium betrachtet und nur mit diesem vererbt werden ").

§. 265. Regierungsantritt.').

I. Schon zur Reichszeit erkannte man es als gemeinrechtlichen Grundsatz an, dass die Regierung unmittelbar (ipso jure) mit dem Anfalle der Succession an den Nachfolger übergeht und dieser sofort befugt ist, alle Regierungshandlungen vorzunehmen 2). Der neue Landesherr pflegte seinen Regierungsantritt durch Patente im Lande bekannt zu machen, und von seinen Unterthanen und Dienern eine förmliche Huldigung zu verlangen, dagegen aber die Landesgrundverfassung zu bestätigen und besondere Reversalen hierüber zu ertheilen 3).

8) Bayern, Hausges. 1819, Tit. V, §. 3:,,Die Prinzessinnen sind nicht nur von der Regierungsnachfolge, sondern auch von der Intestaterbfolge alles beweglichen Vermögens des Mannsstammes, sowohl in der Hauptlinie als in den Nebenlinien ausgeschlossen, so lange noch männliche Sprossen im k. Hause vorhanden sind." Vergl. ebendaselbst, Tit. VIII, §. 3.

9) So bestimmt in Hannover, Hausges. 1836, cap. XI, §. 1. S.-Coburg-Gotha, Hausges. 1855, §. 81. Dasselbe bestimmt das k. sächs. Hausges. 1837, §. 56 hinsichtlich jenes Privat-Vermögens, welches der König schon vor der Thronbesteigung bereits besessen hat. Hinsichtlich jenes Vermögens, welches der König erst während seiner Regierung aus irgend einem Privatrechtstitel erwirbt, steht ihm sogar nur eine Verfügung unter Lebenden zu. Ebendas. §. 57.

Dessen persönl. Staatsr.
Gönner, Staatsr. §. 243.

1) Moser, Staatsr. XVIII, 471 u. f. Thl. II, 1 u. f. — Leist, Staatsr. (2. Aufl.) §. 47. Weiss, Staatsr. §. 248. H. A. Zachariae, Staatsr. (2. Aufl.), I, §. 79.

2) Siehe oben §. 248. VII.

3) Vergl. auch Ickstadt, vindiciae potestatis territorialis adversus capitulationum compactatorum et litterarum reversalium abusus. Monachii, 1795 (in opusc.)

II. Auch heut zu Tage sind diese Grundsätze noch als die gemeinrechtlichen zu betrachten.

III. Nach einigen Verfassungsurkunden hat der Souverain bei dem Regierungsantritte in vorgeschriebener Förmlichkeit zu schwören, oder eidlich in einem Patente zu versichern, dass er nach der Verfassung und den Gesetzen des Landes gemäss regieren werde1); in anderen Verfassungsurkunden wird eine gleiche Zusicherung vom Souverain in einer Urkunde bei seinem landesherrlichen Worte) ertheilt. Nach anderen Verfassungsurkunden soll die allgemeine Landeshuldigung oder Huldigung der Landstände erst nach solcher Zusicherung des Souverains stattfinden").

IV. In einigen der neuesten Verfassungsurkunden ist sogar ausgesprochen, dass der neue Souverain nur erst von dem Augenblicke an zur Ausübung der Regierung berechtigt sei, wo derselbe die Verfassung in bestimmter Förmlichkeit beschworen hat").

4) Persönliche Eidesleistung des Königs in einer feierlichen Versammlung der Staatsminister, der Mitglieder des Staatsrathes und einer Deputation der Stände, wenn sie zur Zeit versammelt sind, schreibt vor: Bayern, V.-U. 1818, Tit. X, §. 1; eidliche Gelöbniss in Gegenwart der vereinigten Kammern: Preussen, V.-U. 1850, art. 54; eidliche Zusicherung in Patent: Oldenburg, rev. Staatsgrundges. 1852, art. 197. S.-Coburg-Gotha, V.-U. 1852, §. 157.

§. 106. §. 266.

Waldeck, V.-U. 1852, §. 17.
Grossh. Hessen, V.-U. 1820,
S.-Altenburg, V.-U. 1831,

5) Würtemberg, V.-U. 1819, §. 10. K. Sachsen, V.-U. 1831, §. 138. Braunschweig, n. L.-O. 1832, §. 4. — Hannover, Ges. vom 5. Sept. 1848, §. 2. Weimar, revid. Grundges. von 1850, §. 67. Kurhessen, V.-U. 1831, §. 6. Schwarzburg-Sondersh., Ges. vom 2. Aug. 1852, §. 13, (statt §. 1852, §. 103.

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55 der V.-U. v. 1849). — Reuss, j. L., V.-U.

6) Würtemberg, V.-U. 1819, §. 10. Hannover, Ges. v. 5. Sept. 1848, §. 2. Weimar, revid. Grundges. 1850, §. 68. Kurhessen, V.-U. 1831, §. 6. - Oldenburg, revid. V.-U. 1852, art. 198. Waldeck, V.-U. 1852, §. 18.

7) Am Ausführlichsten bestimmte dies: Schwarzburg-Sondersh. V.-U. 1849, §. 55, a linea 3: „Vor der Ablegung des obigen Eides ist der Fürst zur Ausübung der Regierung nicht befugt. In der Zwischenzeit werden die verfassungsmässigen Rechte desselben von dem Ministerium mit Verantwortlichkeit ausgeübt. Diese Bestimmungen kommen auch bei dem Eintritte einer Regentschaft zur Anwendung." Diese Sätze, wonach ein förmliches interregnum eintreten konnte, sind aber durch Ges. v. 2. Aug. 1852, §. 13 aufgehoben worden. Dagegen bestimmt noch: Oldenburg,

V. Welche Bestimmung aber auch eine Verfassungsurkunde über den Regierungsantritt des Thronfolgers und den Anfang seiner Regierung aufgenommen haben mag, so tritt doch mit dem Ableben des Reg.-Vorgängers niemals in Bezug auf einen Theil des Staatsgebietes eine possessio vacua ein und können überhaupt bei dem durchaus verschiedenen rechtlichen Charakter der Staatssuccession von einer bürgerlichen Erbfolge die civilistischen Grundsätze über eine hereditas jacens keine Anwendung finden ).

§. 266.

Verbindlichkeit des Thronfolgers aus den Regierungsund Privathandlungen des Vorgängers 1).

I. Schon in sehr früher Zeit findet man in den Rechts

revid. V.-U. 1852, art. 97, §. 3: „Bis zur Erlassung eines solchen Patents wird die Staatsverwaltung von dem bei der Regierungserledigung vorhandenen Staatsministerium unter verfassungsmässiger Verantwortlichkeit wahrgenommen.“ Eine gleichlautende Bestimmung, aber nur in Bezug auf den Fall, dass eine Regentschaft eingerichtet wird, hat die preuss. V.-U. 1850, art. 58, a linea 2. S.-Coburg-Gotha, V.-U. 1852, §. 159: „Bevor die über das eidliche Angelöbniss auf die Verfassung ausgestellte Urkunde an den gemeinschaftlichen Landtag abgegeben worden ist, kann der Herzog, beziehentlich der Statthalter, oder der Regierungsverweser keine Regierungshandlung vornehmen. In der Zwischenzeit gehen die nothwendigen Regierungshandlungen von dem Staatsministerium aus. In welcher Form dies geschehen soll, wird durch Gesetz bestimmt." Nach §. 158 dieses Staatsgrundgesetzes tritt der gemeinschaftliche Landtag, wenn der Herzog stirbt, oder wenn die Regierung des Statthalters oder des Regierungsverwesers endigt, spätestens am 4. Tage darauf, ohne Berufung in Gotha zusammen, falls derselbe nicht gerade einberufen ist, um den von Seiten des Regierungsnachfolgers, des Statthalters oder Regierungsverwesers zu leistenden verfassungsmässigen Eid entgegen zu nehmen.

8) Das Gegentheil behauptete Hannover in dem Antrage gegen Schaumburg-Lippe, das Steinhuder Meer betr., Prot. der B.-V. vom 13. Aug. 1861, §. 92, S. 134. Vergl. aber dagegen: die Erklärung von Schaumburg-Lippe, Prot. d. B.-V. 1862, 25. Sitz., §. 211, S. 344 flg. J. J. Moser, deut. Staatsr. Bd. XVIII, S. 471 fl. u. dessen persönl. Staatsr., Thl. II, S. 1 fl. Gönner, deut. Staatsr., §. 243. Leist, Lehrb., 2. Aufl., Maurenbrecher, Grundsätze 1837, §. 242, S. 466. Weiss, H. A. Zachariae, deut. Staats- u. Bundesrecht, §. 65, S. 304. J. Held, System des Verf.-R., Vergl. oben §. 248, VII. Staatsr. II, 211 u. f.

§. 47.

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System 1843, S. 436.
2. Aufl. Thl. I, (1853),
Bd. II, (1857) S. 203.

1) Moser, persönl.

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Pütter, prim. lin., §. 64.

quellen den Grundsatz ausgesprochen, dass der Thronfolger zur Anerkennung der Regierungshandlungen des Vorgängers verpflichtet sei2).

II. Insbesondere ist dieser Grundsatz wiederholt im canonischen Rechte ausgesprochen 3); nicht minder fand er zur Reichszeit officielle Anerkennung 4).

III. Hauptsächlich kam der Umfang, in welchem dieser Grundsatz anzuwenden sei, hinsichtlich der von dem Vorgänger contrahirten Schulden in Frage, oder hinsichtlich der dem Lande (und bei geistlichen Territorien, der Kirche) nachtheiligen Handlungen des Vorgängers. Die Schwierigkeiten lagen zum grossen Theile darin, dass damals überhaupt in vielen

A. J. Schnaubert, auch der Regent ist an die von ihm und seinen Vorfahren gegebenen Gesetze gebunden. A. d. Latein. von Hagemeister. Rostock, 1795. - v. Kamptz, Erörterung der Verbindlichkeit des weltlichen Reichsfürsten a. d. Handlungen s. Vorfahren. Neustrelitz, 1800. — W. J. Behr, Erörterung, in wiefern ist der Regent eines Staates an die Handlungen seines Regierungsvorfahrers gebunden. Bamberg, 1818. v. Eberz, Versuch über die Verbindlichkeit der Handlungen eines Regenten f. s. Regierungsnachfolger. Landsh. 1819. Gönner, Staatsr., §. 244. — Leist, Staatsr. (2. Aufl.) §. 48. MauKlüber, öffentl. R., §. 252. renbrecher, Staatsr., §. 243. Weiss, Staatsr., §. 250. — K. S. Z achariae, vierzig Bücher vom Staate. I, 92. - H. A. Zachariae, Staatsr. (2. Aufl.), I, §. 76. J. Held, System des Verf.-R., Bd. II, (1857) S. 219.

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2) L. Bajuvar. II, c. 8:,,Si quis hominem per jussionem regis vel ducis sui occiderit, non requiratur ei, nec faidosus sit, quia jussio domini sui fuit, et non potuit contradicere jussionem. Sed dux defendat eum et filios ejus pro eo. Et si dux ille mortuus fuerit, alius dux, qui in loco ejus succedit, defendat eum."

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3) Cap. 1, X, de solution. (3. 23). Alexander III. a. 1170: „Sicut filius debita patris solvere tenetur, ita praelatus sui praedecessoris, pro Ecclesiae necessitate contracta." Cap. 3 de sentent. et re judic. in VI, (2. 14.) Innocentius IV. a. 1250: „Cum tam supradicti avi donatio, quam locorum adquisitio praemissorum fuerint nomine regni factae, memoratus rex (der Thronfolger) donationem servare hujusmodi

tenebatur."

4) Schreiben des K. Franz II. an die Kurfürsten wegen der preussischen Occupationen in Franken v. 7. Sept. 1796 in Häberlin's Staatsarchiv, Heft IX, Nr. 1:,,Man überlässt hierbei einem Jeden, die weitaussehenden Folgen zu berechnen, welche nothwendig in ganz Deutschland entstehen würden, wenn je die Meinung vorherrschend werden sollte, dass der Nachfolger in der Regierung an die Handlungen seiner Vorfahren, die sie in ihrer Eigenschaft als regierende Fürsten vorgenommen haben, der Regel nach nicht gebunden sei.“

Territorien keine scharfe Scheidung des Staatshaushaltes und der landesherrlichen Hofhaltung bestand. Uebrigens war man über das Princip, aus welchem die Verbindlichkeit des Thronfolgers zur Anerkennnung der Regierungshandlungen des Vorgängers abzuleiten sei, theils überhaupt nicht im Klaren, theils wurden darüber sehr abweichende Meinungen aufgestellt.

IV. In reinen Patrimonialstaaten wollte man den Rechtsgrund dieser Verpflichtung in der Eigenschaft des Thronfolgers als Univeralsuccessors erkennen").

V. Wo aber der Nachfolger was selbst bei patrimonialen Ländern vorkommen konnte, wenn dieselben lehnbar, oder in einem familienfideicommissarischen Verbande begriffen waren nur als Singular successor in die Krone eintrat, wie dies namentlich heut zu Tage bei aller deutschen Thronfolge der Fall ist, fand man sich dadurch in Verlegenheit versetzt, dass man insgemein das Wesen der Singularsuccession darin zu finden glaubte, dass der Singularsuccessor keine Verfügungen des Vorbesitzers über den Gegenstand der Succession anzuerkennen verpflichtet sei"). Da man jedoch sehr wohl fühlte, dass mit der Herübernahme eines solchen Grundsatzes ein geordnetes Staatsleben nicht bestehen könne, so bezog man sich meistentheils auf die Ewigkeit des Staates, d. h. darauf, dass der ewige Staat durch jeden Regenten als sein Organ spreche). Eben hierdurch gründete man aber bewusst oder unbewusst, die Verbindlichkeit des Thronfolgers aus den Regierungshandlungen des Vorgängers auf das Princip einer angeblichen Staatssouverainetät neben der Fürstensouverainetät, also auf eine an sich unhaltbare Hypothese ).

5) Vergl. Hugo Grotius, de Jur. Belli et Pacis, Lib. II, c. 14, §. 10 u. f.

6) Vergl. (M. Hofman) Versuch, in wie weit ist der Successor singularis ex pacto et providentia majorum zur Anerkennung der Verträge und Handlungen der Vorfahren verpflichtet? 1797. K. Th. Wedekind, können die deutschen Stammgutsgrundsätze einen Regierungsnachfolger befreien, die Regentenhandlungen seines Vorfahrers zu vertreten, mithin die erweislichen und rechtlichen Schulden desselben zu bezahlen? Frankf. 1802. 7) Dies thut schon Baldus († 1400) Consil. Lib. I, cons. 27, Lib. II, cons. 159, Nr. 4 und nach ihm fast alle Neueren.

8) Vergl. hierüber oben §. 54.

Selbst wenn man die sog. Staats

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