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Personen festgesetzt werden, während die Dauer und Art der Beschäftigung jugendlicher und weiblicher Personen ins einzelne generell gesetzlich geregelt ist. Bei diesem Inhalt des Entwurfs ist doch offenbar die Beibehaltung des in § 105 ausgesprochenen Grundsatzes, die Festsetzung der Verhältnisse zwischen den selbständigen Gewerbetreibenden und den gewerblichen Arbeitern sei Gegenstand >freier Uebereinkunft«, welche nur ausnahmsweise gewissen reichsgesetzlich normierten Beschränkungen unterliege, eine Umkehrung des wahren Sachverhalts; im allgemeinen ist das Verhältnis der Arbeitgeber zu den Arbeitnehmern reichsgesetzlich geregelt; nur soweit das Reichsgesetz keine Bestimmungen trifft oder ausdrücklich vertragsmässige Regelung zulässt, kommt die letztere in Betracht. - Diese Sachlage müsste auch in der Fassung des Gesetzes ihren Ausdruck finden; der Gesetzgeber muss unumwunden anerkennen, dass er den früher von ihm eingenommenen Standpunkt, wonach die Regelung des Arbeitsverhältnisses Gegenstand privatrechtlicher Abmachung der Beteiligten war, verlassen und statt dessen jetzt von der Ueberzeugung durchdrungen ist, dass diese Regelung in erster Linie eine Aufgabe der staatlichen Fürsorge bildet und somit den Vorschriften des öffentlichen Rechts unterliegt.

Demgemäss müsste der § 105, wenn er mit den übrigen Vorschriften des Entwurfs in Einklang stehen soll, etwa folgende Fassung erhalten: »Die Festsetzung der Verhältnisse zwischen den selbständigen Gewerbetreibenden und den gewerblichen Arbeitern unterliegt den Bestimmungen dieses Gesetzes; soweit dasselbe keine zwingenden Vorschriften enthält, ist die Regelung durch Vereinbarung der Beteiligten zulässig.«

2. Die Sonntagsruhe.

Das Verbot der Sonntagsarbeit ist in den §§ 105 a bis 105 h eingehend geregelt; es ist hier nicht der Ort zu prüfen, inwieweit durch diese Vorschriften das Einkommen des Arbeiters geschmälert oder der Wettbewerb der deutschen Industrie auf dem Weltmarkt beeinträchtigt wird 1), da es sich hier nur um

1) Nebenbei sei hier bemerkt, dass die Vorschriften des Entwurfs

eine Kritik des Entwurfs vom juristischen Standpunkte aus handelt, also um Prüfung der Fragen, ob seine Vorschriften denjenigen Prinzipien entsprechen, von welchen der heutige Staat bei seiner Gesetzgebung geleitet wird und ob der gesetzgeberische Gedanke in der Formulierung des Gesetzes einen korrekten, einwandsfreien Ausdruck gefunden.

Die erste Frage ist nach dem Gange, wie ihn die neueste Gesetzgebung gemäss den eingangs hervorgehobenen Gesichtspunkten genommen, teilweise unbedenklich zu bejahen: nachdem einmal das Reich die früher herrschende Anschauung, wonach der Staat (im Frieden) im Wesentlichen nur Rechtsschutz zu gewähren und insbesondere in die Regelung der sog. wirtschaftlichen Verhältnisse gesetzgeberisch nicht einzugreifen habe, grundsätzlich aufgegeben, stand auch an und für sich nichts mehr im Wege, an Stelle der bisher geltenden zivilrechtlichen Unwirksamkeit der Verpflichtung zur Sonntagsarbeit ein generelles öffentlich-rechtliches Verbot derselben zu setzen, sofern der Staat dies im Interesse »des allgemeinen Wohls<< und im Individualinteresse der beteiligten Arbeiter für erforderlich hielt.

Aber, wie bemerkt, nur teilweise bringt der Entwurf die Prinzipien des modernen Rechtsstaats zur Geltung; dieser basiert, wie ebenfalls bereits oben dargelegt worden, gerade in neuester Zeit ganz besonders auf den Gneist'schen Theorien, die ja darin gipfeln, dass im Rechtsstaat auf dem Gebiete der Verwaltung an die Stelle polizeilicher Willkür eine Verwaltung nach den Gesetzen des Landes zu treten hat, welche schon vermöge ihrer Organisation und einer weitgehenden Rechtskontrolle (insbesondere durch Verwaltungsgerichte) eine gleichmässige, gerechte Handhabung der Verwaltungsgesetze sichert.

Diesem Gesichtspunkt hat der Entwurf nirgends genügend Rechnung getragen, insbesondere auch nicht in denjenigen Vorschriften, welche sich auf die Regelung des Verbots der

hinsichtlich der Sonntagsarbeit im grossen und ganzen nirgends Widerspruch vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gefunden; nur gegen die viel weitergehenden Beschlüsse der Reichstagskommission haben die Industriellen lebhaften Protest erhoben.

Sonntagsarbeit beziehen. Um Wiederholungen zu vermeiden, werde ich den Nachweis für die Richtigkeit dieser Behauptung an anderer Stelle erbringen, wo ich generell erörtern werde, welche Rechtskautelen dem Gesetze, um eine unparteiische Handhabung desselben zu gewährleisten, noch einzugliedern sind.

Dagegen ist hier der Ort, um den zweiten oben berührten Punkt zu besprechen: die juristische Formulierung der §§ 105a bis 105 h lässt in einzelnen Beziehungen zu wünschen übrig, wie nunmehr zu zeigen ist 1).

a) Nach dem (unverändert bleibenden) § 6 der Gewerbeordnung finden deren Vorschriften auf das Bergwesen nur insoweit Anwendung, als dieselbe ausdrücklich dies anordnet.

Der neue § 154 des Entwurfs erklärt nun in wörtlicher Uebereinstimmung mit dem bisherigen § 154 der G.O. lediglich die Vorschriften der §§ 115-119, 135-139 b, 152 und 153 der Gewerbeordnung auf die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken für anwendbar. Es würde sich sonach schon aus technisch-juristischen Gründen und im Interesse einer besseren Uebersicht empfehlen, in dem neuen § 154 auch die Vorschriften der §§ 105a bis 105h (über die Sonntagsruhe) auf die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken für anwendbar zu erklären, statt, wie dies in dem Entwurfe geschehen, mitten in dem Gesetze selbst, nämlich in § 105 b, dieser Personen Erwähnung zu thun, zumal dieselben in sonstigen Gesetzesstellen abgesehen von § 154

nirgends besonders genannt sind.

Zu diesem rein formellen Grunde kommt noch hinzu, dass nach der jetzigen Fassung des Entwurfs der § 105 a 2), welcher doch mit den übrigen Bestimmungen über die Sonntagsruhe aufs Engste zusammenhängt, auf die Besitzer und Arbeiter von

1) Auf eine präzise juristische Fassung muss um so mehr Wert gelegt werden, als, wie Prof. Degenkolb nach einem Zeitungsreferat jüngst mit Recht hervorgehoben, die heutzutage so häufig vorkommende Vermischung rechtlicher und wirtschaftlicher Postulate sehr leicht zu einer Verwirrung des Rechtsgefühls und fügen wir hinzu zur Rechtsunsicherheit führen kann.

2) Der § 105a des Entwurfs lautet: »Zum Arbeiten an Sonn- und Festtagen können die Gewerbetreibenden die Arbeiter nur insoweit verpflichten,

Bergwerken darum keine Anwendung finden kann, weil das Gesetz dies nicht ausdrücklich vorschreibt. Dass aber der Gesetzgeber absichtlich die Anwendung des § 105 a auf die Bergwerksbesitzer und Bergarbeiter ausschliessen wollte, ist nicht anzunehmen, da hierfür ein innerer Grund nicht erfindlich ist.

Um die wahre Absicht des Gesetzgebers in einer systematisch gegliederten Form zum Ausdruck zu bringen, müsste deshalb den §§ 105 b und 154 Abs. 3 des Entwurfs nach meiner Ansicht folgende Fassung gegeben werden:

§ 105 b: >Im Betriebe von Brüchen, Gruben, Hüttenwerken, Fabriken u. s. w. dürfen Arbeiter an Sonn- und Festtagen nicht beschäftigt werden.« (Hier kommen die Worte des Entwurfs: >Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten « in Wegfall).

§ 154 Abs. 3: »Die Bestimmungen der §§ 105a bis 105h, 115 bis 119 u. s. w. finden auf die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken u. s. w. (wie der Entwurf) entsprechende Anwendung. (Hier sind die Worte: »§§ 105 a bis 105 h« eingeschaltet).

b) Die VIII. Kommission des Reichstages hat in der ersten Lesung des Entwurfs beschlossen, den ersten Absatz des § 105a (s. o. S. 15 A. 2) zu streichen. Hierbei hat sich die Kommission von der Absicht leiten lassen, einem früheren Reichstagsbeschluss, wonach eine Verpflichtung zur Uebernahme von Arbeiten an Sonn- und Festtagen unbedingt und ausnahmslos zivilrechtlich unwirksam sein soll, gesetzliche Geltung zu verschaffen.

Ich halte diesen Beschluss aus einem doppelten Grunde für verfehlt: einmal wird er seinen Zweck nicht erreichen und eventuell, sofern dies doch der Fall, eine grosse Rechtsunsicherheit herbeiführen.

In ersterer Hinsicht ist daran zu erinnern, dass der Entwurf nach seiner jetzigen Fassung das Prinzip der Vertrags

als es sich um Arbeiten handelt, welche nach den Bestimmungen dieses Gesetzes auch an Sonn- und Festtagen vorgenommen werden dürfen.

Welche Tage als Festtage gelten, bestimmen unter Berücksichtigung der örtlichen und konfessionellen Verhältnisse die Landesgesetze.<<

freiheit für das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern als Regel aufstellt; sofern also das Gesetz gar nichts bestimmt, ist es denselben unbenommen, rechtlich bindende Verträge über die Beschäftigung an Sonn- und Festtagen abzuschliessen, soweit das Gesetz die Arbeit an diesen Tagen gestattet. Wenn also auch der Entwurf die Vorschrift des § 105a Abs. 1 gar nicht enthielte, so würde doch vermöge der generellen Vorschrift des § 105 die Verpflichtung zur Vornahme gesetzlich nicht verbotener Arbeiten zivilrechtlich wirksam und bindend sein.

Wenn man demgegenüber geltend machen wollte, dass durch die Streichung des Abs. 1 des § 105a der Reichstag seinen Willen dahin kundgegeben, dass eine Verpflichtung zur Uebernahme von Sonn- und Festtagsarbeiten niemals zivilrechtlich gültig sein soll, so ist dagegen zu bemerken, dass bei einem klaren Wortlaut des Gesetzes in erster Linie nicht dasjenige entscheidend ist, was der Gesetzgeber oder gar nur ein Gesetzgebungsfaktor gewollt hat, sondern dasjenige, was das Gesetz wortdeutlich zum Ausdruck bringt.

Nur der in gesetzlich vorgeschriebener Form publizierte Wille des Gesetzgebers ist Gesetz; daraus folgt, dass der sog. Entstehungsgeschichte (den » Materialien«) des Gesetzes gegenüber dem klaren Gesetzeswortlaut niemals eine entscheidende Bedeutung zukommen kann 1).

Aber selbst angenommen, es würde dem Gesetze die von dem Reichstage gewünschte Auslegung zu Teil, oder es würde gar direkt im Gesetze ausgesprochen, dass eine Verpflichtung zur Uebernahme von Arbeiten an Sonn- und Festtagen auch in den Fällen, in welchen das Gesetz die Sonntagsarbeit gestattet, schlechthin zivilrechtlich unverbindlich sein soll, so wäre ein solcher Rechtszustand aufs äusserste zu beklagen. Man denke z. B., es handle sich um Arbeiten der in § 105 c N. 1, 2 und 3 geschilderten Art, insbesondere um Arbeiten

1) Die hier vertretene Ansicht von der untergeordneten Bedeutung der >Gesetzesmaterialien darf jetzt wohl als die in Theorie und Praxis herrschende bezeichnet werden. Vgl. E. des R.G. Bd. 11 S. 434; Bd. 14 S. 72, Bd. 16 S. 194, 298; Bd. 20 S. 162.

Zeitschr. f. Staatsw. 1891. I. Heft.

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