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milienhaupt, keiner Kontrolle von seiten der Genossen, was ihn aber selbstverständlich nicht hindert, den Genossen, wenn es ihm beliebt, Rechenschaft abzulegen; er hat endlich, sofern das Leben der Artelgenossen Arbeitsverrichtungen umfasst, denen die übrigen Artelgenossen nicht gewachsen sind, diese Arbeiten auf sich zu nehmen. Es ist also weder bei der Begründung des Artels resp. bei der Führerwahl, noch bei der sog. >Absetzung des alten und Wahl eines neuen Führers, noch endlich da dem Führer durch den Wahlakt die gesamte gesetzgeberische, administrative und richterliche Gewalt im Artel übertragen ist, und er überdies in der Ausübung der letzteren keiner Kontrolle unterliegt während der Dauer der Artelgemeinschaft für eine Einrichtung von der Art einer entscheidenden Generalversammlung irgend Raum vorhanden. Man darf deshalb von vornherein an dem Artelcharakter einer Genossenschaft zweifeln, in welcher eine Generalversammlung oder etwas ihr Aehnliches die höchste Gewalt repräsentiert.

vor.

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Wo Jeder in seiner Familie nächtigt, für sich speist, seinen Schutz und sein Vergnügen als Individuum nicht innerhalb der Gemeinschaft, sondern im eigenen Hause oder anderswo sucht und findet, da liegt zwar eine solidarische Erwerbsgenossen shaft, aber kein Artel Denn die Gemeinschaft des Artels beruht nicht bloss, wie in diesem Falle, auf einem oder einzelnen Geschäfts- oder anderen Interessen, sondern auf den gesamten Lebensinteressen ihrer Angehörigen als Individuen, als Menschen, die Artelgemeinschaft umfasst, als Abbild der patriarchalischen Familie, die gesamten Persönlichkeiten ihrer Angehörigen in allen ihren Lebensäusserungen und Lebensinteressen, sie ist keine partielle, sondern stets eine universelle, eine vollkommene Gemeinschaft. Sie schliesst daher sowohl die Möglichkeit einer Stellvertretung als auch eines gleichzeitigen Zugehörens zu einer anderen Gemeinschaft gleicher Art völlig aus. Man kann sich also im Artel schlechterdings nicht vertreten lassen; entweder man gehört demselben persönlich an und ist dann Mitglied des Artels, Artelgenosse, oder man gehört ihm nicht persönlich an und steht dann völlig ausserhalb des Artels. Man kann ferner nicht gleichzeitig zwei Artels angehören, wie man auch nicht gleichzeitig zwei Familiengemeinschaften angehören kann, ebenso wenig kann man gleichzeitig in einer Familiengemeinschaft und in einem Artel stehen.<

Da die natürliche Lebensgemeinschaft der Familie und die vertragsmässig begründete familienhafte Lebensgemeinschaft des Artels sich gegenseitig ausschliessen, so kann während des Bestehens der patriarchalischfamilienmässigen Lebensordnung das Artel nur Anwendung finden, wenn und solange die erstere Gemeinschaft für den Einzelnen aus diesem oder jenem Grunde ausser Wirksamkeit tritt, latent wird oder, wie man das auch wohl mit einem Worte ausdrücken kann, wenn und solange das Individuum familienlos ist. »Ein solcher Zustand der Familien

losigkeit kann für den Einzelnen entweder aus einer zeitweiligen oder definitiven, räumlichen Trennung von seiner bisherigen Familie resultieren oder er kann, für sämtliche Glieder einer Familiengemeinschaft zugleich, künstlich geschaffen werden durch zeitweilige Aufhebung der letzteren. Allein in diesen zwei resp. drei Fällen also kann überhaupt das Artel eintreten: Nämlich erstens: bei zeitweiliger Trennung des Einzelnen von seiner natürlichen Familiengemeinschaft (Artels der Wanderarbeiter). Zweitens: bei dauernder oder definitiver Trennung des Einzelnen von seiner natürlichen Familiengenossenschaft. Als Hauptgründe einer derartigen Trennung wären zu nennen: 1) wirtschaftliche Gründe, wenn z. B. das Familienhaupt einem Sohn wegen Beschränktheit des der Familie zu Gebote stehenden anbaufähigen Landes befahl, anzusiedeln und sein selbständiges, getrenntes Fortkommen zu suchen; 2) persönliche Gründe, wenn z. B. dem Einzelnen aus diesem oder jenem persönlichen Grunde das gemeinsame Leben in der bisherigen Familiengenossenschaft unerträglich wurde; 3) religiöse und politische Gründe, welche dem Einzelnen ein Verlassen seines bisherigen Aufenthaltsortes und damit zugleich seiner Familiengemeinschaft wünschenswert oder notwendig erscheinen liessen; 4) wenn der Einzelne durch ausgeübte gesetzwidrige Handlungen, namentlich Verbrechen, mit dem Strafgesetz und der bürgerlichen Gesellschaft, in der er bisher gelebt hatte, in Konflikt geraten war und infolge dessen einer längeren Gefängnisstrafe oder einem dauernden Vagantenleben verfiel. In allen diesen und ähnlichen Fällen pflegte und pflegt das Artel einzutreten. — Drittens bei zeitweiliger Auflösung der bestehenden natürlichen Familiengemeinschaften in ihre einzelne Bestandteile, die Individuen (Festfeierartele der Jungen). Die Festartels bestehen nicht aus Familien, sondern aus einzelnen, zeitweilig familienlosen, ja im Moment der Aufhebung der Familiengemeinschaften überhaupt gemeinschaftlichen Individuen, welche sich nun ihrerseits vertragsmässig zu einer oder mehreren Gemeinschaften für die Dauer des Festes konstituieren und diesen Gemeinschaften, uralter Gewohnheit und Neigung folgend, die Form und den Inhalt des Artels geben, d. h. an die Stelle der aufgehobenen natürlichen Familiengemeinschaften die in diesem einen Falle vorzuziehende und unter dem Einfluss der verbrüdernden Kraft der Feststimmung sich wie von selbst ergebende künstliche Familiengemeinschaft des Artels, der Wataga, der Bratschina (Bratschina = Bruderbund) setzen. Derartige Festartels kommen allenthalben in Russland bis auf den heutigen Tag vor und lassen sich viele Jahrhunderte weit zurückverfolgen. Das Charakteristische auch dieser Artels ist, dass jedes derselben während seines Bestehens oder, was hier dasselbe ist, während der Dauer des Festes eine innige, vollkommene Lebensgemeinschaft der vereinigten Genossen nach dem Muster der patriarchalischen Familie, unter Leitung eines gewählten väterlichen Vorstandes bildet.<

Der Zweck des Artels ist hienach nach Staehr dieser dem einzelnen Genossen einen möglichst vollkommenen künstlichen Ersatz für seine zeitweisig latente natürliche Familiengemeinschaft zu gewähren.

-e. Bestearung und Sozialpolitik. Die russische Zündhölzchenstener vom 16. Januar 1888 hat im ersten Jahre 2709 398 Rubel eingetragen, 98% davon aus der Accise, und 171% mehr als der Voranschlag betrug. Die Produktion hat sich bedeutend gehoben, allerdings unter Mitwirkung der Zölle von 1888 (1/2 Kop. auf Päckchen bis 75 und von 2 Kop. auf Päckchen von 75 bis 300 Stück. Die Einfuhr ist fast verschwunden, die Ausfuhr von Phosphor dennoch gestiegen. Die bedeutendste Wirkung des Gesetzes ist die sozialpolitische. Zum Vollzug des Gesetzes erflossen die Vorschriften, dass von der Vignette nur schon bestehende Fabriken von mindestens 1500 Rubel Jahreserzeugnis und erst entstehende von mindestens 3000 R. Jahreserzeugnis Gebrauch machen dürfen, und dass Magazins-, Fabrikations-, Verpackungsräume gesondert werden müssen; diese Vorschriften bewirkten den augenblicklichen Schluss der kleinen Fabriken, wo der Betrieb weitaus am schädlichsten war.

e. Die Entwicklung der Konsumvereine zum selbständigen Engroshandel. Hierüber berichtet die »Austria< (1890) aus London: Das Aktienkapital der Konsum vereine und Produktionsgenossenschaften Grossbritanniens beziffert sich gegenwärtig auf 10 390 000 €, in welcher Summe das durch Schuldverschreibungen aufgebrachte Kapital nicht inbegriffen ist. In 1889 bewertete sich der Gesamtabsatz der Vereine auf 36 700 000 ₤, und warf einen Reinverdienst von nahezu 32 Millionen £ ab. Zum weitaus grössten Teil sind an diesen Summen, nur die Konsumvereine beteiligt, indem die Produktiv vereine vorerst noch verhältnismässig gering an Zahl und Umfang sind. Die Form in welcher die Vereine gegründet werden, ist wie bei den mittlerweile zu Riesenetablissements angewachsenen Beamten-Konsumvereinen in London jene von Aktiengesellschaften. Der einzige Umstand, durch welchen sie sich von gewöhnlichen Aktiengesellschaften unterscheiden, besteht darin, dass es einem einzelnen Mitglied nicht erlaubt ist, mehr als eine bestimmte Zahl von Aktien (im Maximum gewöhnlich 200) zu erwerben, und dass alle Mitglieder das gleiche Stimmrecht haben, gleichviel ob sie nur eine oder 200 Aktien besitzen. Der Nominalwert einer Aktie übersteigt selten 1 f, und wo es sich um die Gründung eines Konsumvereins handelt, beginnt man meistens nur mit einem oder zwei der hauptsächlichsten Verbrauchsartikel der Spezerei warenbranche (gewöhnlich Thee, Speck, Schmalz, Butter, Brot etc.). Kredit wird nur von sehr wenigen Vereinen und nur in einem nach Zeit und

Umfang sehr beschränktem Masse gewährt; man hat nämlich gefunden, dass Kreditgewähren fast immer den Anfang zur Auflösung der Vereine bildet. Die Preise, zu welchem die Vereine ihre Waren an die Mitglieder abgeben sind meist die nämlichen', wie sie die Ladenbesitzer in der Nachbarschaft fordern; das Mitglied erhält aber mit jedem Einkauf einen Zettel, auf welchem der Wert eines jeweiligen Einkaufs angegeben ist, und am Ende eines jeden Vierteljahrs wird der Reingewinn im Verhältnis zu den gemachten Einkäufen verteilt. Einige dieser Vereine bringen es in einem Jahr zu einem Umsatz im Werte von 2 Million F. Ausser den Detailkonsumvereinen hat man es mit der Zeit für zweckmässig gefunden, zwei sog. Engros-Konsum vereine zu gründen, welche gewissermassen die Funktion von grossen Einkaufsagenturen für die eigentlichen Konsum vereine bilden. Der ältere wurde bereits im Jahre 1863 in Manchester gegründet, der andere in Schottland im Jahre 1868. Individuelle Mitglieder oder Aktien besitzer haben diese Engrosvereine nicht, sondern es sind nur die Detailkonsumvereine als solche mit Aktien an den grösseren Vereinen beteiligt. Während nun die Detailvereine trotz dieses Verhältnisses nicht unbedingt verpflichtet sind, ihre Waren durch die Engrosunternehmungen zu beziehen, sind die Engrosvereine ihrerseits verhalten, die Detail vereine auf Verlangen zu bedienen. Am 24. Mai 1876 erwarb der englische Engros-Verein sein erstes Seeschiff, heute besitzt er deren fünf oder sechs. In Irland hat er 8 Filialen zum Einkauf von Butter und Eiern, in New York eine für Käse, Speck, Schmalz, Mehl etc., in Kopenhagen eine für Butter, in Hamburg eine ebenfalls für Butter und verschiedene andere Nahrungsmittel. Ausserdem sendet der Verein gelegentlich Delegierte zum direkten Einkauf von Konsumartikeln nach dem Ausland, wie z. B. nach Griechenland und der Türkei für Korinthen und Rosinen, nach Frankreich für Wolltuch (in Rouen ist ausserdem eine permanente Einkaufsfiliale), nach dem Rhein für Aepfel, nach Ungarn für Mehl u. s. f.

Die Geschäftsthätigkeit der landwirtschaftlichen Konsumvereine in Baden.

Bezogene Waren.

Jahr

Zahl der Zahl der
Vereine Mitglieder Ctnr. M. Ctnr. M.

Hilfsdünger Sämereien

Kraftfutter Ctnr. M.

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—e. Eigentümlichkeiten des Handels nach Ostasien, insbesondere Japan. Aus Yokoh a ma schreibt das »D. H. Arch.« über den auswärtigen Handel Japans im Jahre 1889: Der Wert des Gesamthandels Japans hat gegen das Vorjahr um 5 003 728 Yen oder 15 711 706 Mark zugenommen. Ein Rückblik auf die Ziffern der letzten Jahre, welche eine ununterbrochene und sehr bedeutende Steigerung in der Einfuhr aufweisen (die Einfuhr stieg seit 1885 von 29 356 967 Yen auf 66 103 760 Yen im Jahre 1889), sollte zu der Annahme führen, dass dieser gesteigerten Einfuhr fremder Waren stets auch eine entsprechende Zunahme des Bedarfs in Japan gegenübersteht und dass mithin auch für die Zukunft auf einen vermehrten oder wenigstens sicheren Absatz der den Markt beherrschenden Europäischen Erzeugnisse in Japan zu rechnen ist. Dies ist indessen nur mit Einschränkungen richtig. Allerdings kann angenommen werden, dass für gewisse Europäische Erzeugnisse sich allmählich ein Bedürfnis im Japanischen Volke eingebürgert hat, und bezüglich dieser erscheint die Annahme einer weiteren Verbrauchssteigerung und einer steten Vermehrung der Einfuhr nicht unbegründet. Bei einer Reihe von Artikeln indes, die als Bedarfsartikel anzusehen sein möchten, lässt sich von einem eingewurzelten Bedürfnis des Japanischen Volkes und einem befestigten Absatz noch nicht reden. Diese Artikel dienen vielmehr vom Japanischen Standpunkte aus dem Luxus, und ihr Verbrauch schwankt, je nachdem die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse eine Vermehrung oder eine Einschränkung der Luxusausgaben zur Folge haben. Absolute Bedarfsartikel für Japan sind beispielsweise englische Baumwollgarne und Baumwollgewebe; in ihnen lässt sich auf eine stete Fortentwickelung des Verbrauchs und Jahr für Jahr auf einen gesicherten Absatz rechnen. Zu den Luxus- oder Modeartikeln zählt dagegen das Europäische Kleid, die Europäische Wäsche und Alles, was sonst in Verbindung mit Europäischer Lebensweise vorübergehend zu grösserem Aufwande führt. Alles dieses wird ohne Zögern und selbst ohne Bedauern bei Seite geschoben und ganze Hausstand auf seine ursprüngliche Japanische

der

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