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lichkeit entsprechende Verhältnis von Zuwachs zum Zeitabschnitt hat hier keinen besonderen Namen. Am besten veranschaulicht man sich die besprochenen Verhältnisse, indem man sie graphisch, durch Kurven darstellt.

Subtrahiert man nun die Unlust, die man schon ausgestanden hat, im Momente der Befriedigung von dem Wohlgefühl, das diese verursacht, so erhält man für jeden Zeitpunkt, in dem die Befriedigung eintreten kann, eine neue Grösse, die den Gesamtüberschuss der Lust über die Unlust darstellt. War die Unlust grösser, so wird die Differenz negativ werden. Den Verlauf der Grösse dieser Differenzen kann man dann auch von Moment zu Moment verfolgen, und sie event. durch eine dritte Kurve graphisch darstellen. Wo diese Kurve ihren Höhepunkt erreicht, ist der günstigste Moment der Befriedigung, von dem wir oben sprachen. Es muss immer einen solchen Moment, in dem der Ueberschuss an Lust ein Maximum erreicht, geben. Er wird gewöhnlich ziemlich im Anfang des sich entwickelnden Bedürfnisses liegen.

Ein gewisser Grad der Dringlichkeit, wenn auch nur ein sehr geringer, ist schon vorhanden, sobald ein Bedürfnis vorausgesehen wird. Die Dringlichkeit wächst dann, bei unabweisbaren Bedürfnissen, wie dem nach Nahrung z. B., zuerst langsam, dann immer schneller, um schliesslich geradezu unendlich zu werden. Bei anderen Bedürfnissen, die nicht indispensabel sind, ist von einer eigentlichen Dringlichkeit kaum zu sprechen, doch lässt sich auch bei ihnen ein günstiger Moment in der Regel ausfindig machen. Gewöhnlich ist es der, in dem das Bedürfnis selbst einen Höhepunkt erreicht hat.

Besonders hervorgehoben werden muss noch die Dringlichkeit, nicht der Befriedigung eines Bedürfnisses, sondern der Produktion der Mittel zur Befriedigung desselben. Ist man selber oder Jemand anders in der Lage, das Gut zu erzeugen, welches Befriedigung bringen soll, dann kommt auch der Arbeit eine gewisse Dringlichkeit zu. Sie ergibt sich einfach, wenn wir die zur Produktion notwendige Zeit berücksichtigen. Die Dringlichkeit der Produktion ist dann gleich der Dringlichkeit des Bedürfnisses im Momente der Vollendung der

Produktion, also im allgemeinen grösser als die Dringlichkeit des Bedürfnisses zu der Zeit, in der man sich eben befindet. Kann das Gut nicht mehr hergestellt werden, bevor die Dringlichkeit unendlich gross wird, dann ist die Dringlichkeit der Produktion Null, dann ist bei einem unabweisbaren Bedürfnis der Höhepunkt überschritten, z. B. Tod eingetreten, dann verschwindet plötzlich Lust und Unlust, also auch die Dringlichkeit.

Wir wollten an diesem, nicht überaus wichtigen Beispiele nur zeigen, einer wie exakten Behandlung die Begriffe der Oekonomik fähig sind. Eine ebenso exakte, dabei, was die mathematischen Hilfsmittel betrifft, bei weitem nicht so komplizierte Behandlung des so wichtigen Wertbegriffes in allen seinen Gestaltungen stellen wir in Aussicht.

II. Miszellen.

H. von Schönau, ein deutscher Staatsökonom zur Zeit der Regierung des Kaisers Mathias.

Ein Beitrag zur Geschichte der Staatswissenschaften.

Von Dr. Vino. Goehlert.

Auf den nur Kunst und Wissenschaft liebenden Kaiser Rudolf II. folgte dessen thatenlustiger Bruder Mathias, wiewol bei seinem vorgerückten Alter seine Lebensenergie teilweise gebrochen und seine Thatenlust infolge seines körperlichen Leidens, der Gicht, vielfach gehemmt war. Mathias betrachtete es als eine seiner ersten Regierungsaufgaben, die während der Regierung Rudolfs gänzlich zerrütteten Finanzzustände in den österreichischen und böhmischen Landen wieder in Ordnung zu bringen. Zu diesem Behufe wurden die Kammerpräsidenten 1) in Oesterreich, Böhmen und Schlesien beauftragt ihr Gutachten über die finanziellen Verhältnisse in diesen Ländern und über die Behebung der vorkommenden Gebrechen in der Gebarung der kaiserlichen Einnahmen abzugeben. Mit der Verfassung des Generalberichtes an die k. k. Hofkammer (oberste Finanzbehörde) wurde der schlesische Kammerpräsident H. von Schönau 2) betraut (1618). Schon die Schreibweise bis auf die Orthographie unter möglichster Vermeidung von Fremdwörtern, wie sie sonst in Staatsschriften üblich gewesen sind, gibt Zeugnis von dem hohen Grad der Bildung dieses Mannes. Diesen Bericht, welchem der Kardinal Khles eigenhändig am Schlusse desselben beifügt: »Ein ansehnliches Gutachten wie man am besten die Wirtschaft bestellen soll< wollen wir hier nun im Wortlaute folgen lassen 3).

Demnach Euere kaiserliche Majestät anjezo zur Beratschlagung für sich haben sollen, wie sie ihre kaiserliche und königliche Oeko

1) Entspricht heutzutage der Stellung eines Präsidenten der Provinzial-Finanzbehörde.

2) Die Herrn von Schönau gehörten zu einer der ältesten Adelsfamilien in Schlesien.

3) Das Original befindet sich im Archive der böhmischen Hofkanzlei zu Wien.

nomie und Kammerwesen in einen richtigen Stand und Ordnung bringen und den fürfallenden Abgang, Mangel und Unordnung ratschaffen möchten und zu solcher Beratschlagung etliche Personen erfordert, hierüber auch unterschiedliche Gutachten verfasset wurden. Da aber mir in meinem Kanzleramt und Dienst neben Beförderung der Justiz auch obliegen will, mich um Euerer Majestät Oekonomie anzunehmen, ob und wie von der mir anvertrauten Provinz (Schlesien) zu ihrer Notdurft etlichermassen Hilfe und Vorschub haben und erlangen mögen, so habe ich dieser Materie zum öfteren fleissig nachgedacht. Was nun hievon meine Gedanken sind und wie mich bedünkt, dass solche Oekonomie anzustellen, derselben zu raten und zu helfen sei, solches gebürt mir zum besten Euerer Majestät untertänigst anzudeuten.<

>Anfänglich befinde ich in obberürten Gutachten, dass darin zuvörderst mehrenteils nur die Mängel und Gebrechen, so bei dem k. k. Kammerwesen zeither fürgelaufen und woher die angezogene Unordnung geflossen, erzählt werden, auch wie solchen Mängeln und Unordnungen zu helfen, zweifeln aber alle, ob solche zu verbessern möglich, und schliessen endlich dahin, dass dieser Oekonomie ohne ergiebige Hilfe des römischen Reiches und Euerer Majestät Erbkönigreiche nicht zu raten noch zu helfen sei; wissen keinen eigentlichen Weg, wie solche Hilfe zu begeren sein solle. Daher will es vonnöten sein, dass Euerer Majestät hierin etwas nüzliches geraten werden soll; welchemnach Euere Majestät ohne Weitläufigkeit auf den rechten Weg zu führen, ob und wie Euerer Majestät verworrenem Kammerwesen zu helfen, so sind hierin fünf Punkte wol zu bedenken und zu beratschlagen vonnöten.<

>Erstlich, worin Euerer Majestät ganzes Kammerwesen beruhe; fürs andere, was für Unkosten Euerer Majestät auf jedes Wirtschaftsstück jährlich erlaufen; fürs dritte, was Euere Majestät in allen Königreichen und Landen für Gefälle und Einkommen haben und ob dieselben zu vermehren und zu erhöhen seien oder nicht; für vierte, woher die Notdurft und Unkosten für Euerer Majestät Oekonomie zu nehmen; für fünfte, von wem diese Oekonomie angestellt und fortgetrieben werden soll.<<

>Was den ersten Punkt belangt, da weiset sich selbst, dass Euerer Majestät ganzes Kammerwesen in vier Hauptstücken bestehe: erstlich in Bestellung und Unterhaltung des k. k. Hofstaats mit aller Zubehör, dann in Bestellung und Unterhaltung des hungarischen Grenz- und Kriegswesens, in Versorgung der Schuldenlast und endlich in ausserordentlichen Zufällen und Ausgaben, als Absendung und Unterhaltung der Botschafter, Begnadigung der k. k. Räte und Diener, Kleidung, Schmuck u. s. w.< < 1).

Soll man nun zu gewissen und richtigen Mitteln gelangen, dadurch die vier Stücke der Notdurft nach können versorgt werden, so

1) Verfassung eines Voranschlages der ordentlichen und ausserordentlichen Auslagen in jedem Jahre.

müssen fürs andere alle diese vier Stücke in eine gewisse uud richtige Ordnung, nicht nach dem, wie sie jezt sind, sondern wie sie Euerer Majestät Gelegenheit und der Länder Zustand nach sein sollen, dergestalt verfasst werden, dass Euere Majestät richtige Wissenschaft haben mögen, was Ihr auf jedes der vier Stücke erlaufe; denn ohne solche Wissenschaft, dazu Ordnung gehört, ist es unmöglich, dass gute Wirtschaft geübt werden kann. Daher wäre vonnöten, dass Euere Majestät an gehörigen Orten die gnädige Verordnung thäten, dass zuvörderst obberürte vier Stücke eins nach dem anderen fürgenommen und wol erwogen und dann in ein ordentliches Verzeichnis gebracht würde, was Euerer Majestät auf diesen vier Notdürften jährlich erlaufe.<

Nach solchem ist die Einname und worin dieselbe bestehe, zu wissen vonnöten. Die Einname besteht erstlich in den noch übrigen Herrschaften und Kammergütern, in den Salzgefällen, in freiwilligen Hilfen, Zapfenmass- und Biergefällen, in Bergwerken und in allerlei ausserordentlichen Einkommen, als Lehensfälligkeiten, Pönfällen u. s. w. Zur Anstellung guter Wirtschaft wäre vonnöten, dass über alle diese Stücke besondere Verzeichnisse verfasst würden, was es um ein jedes derselben für Gelegenheit habe und des Jahres über ungefähr ertrage 1). Sonderlich aber wäre gut, dass in ein ordentliches Verzeichnis gebracht würde, was Euerer Majestät allerorten in den Landen für verpfändete und unverpfändete Herrschaften und Güter zuständig und was die unverpfändeten an Ueberschuss jährlich ertragen. Auch die Salzsiedewerke, wie viele dieselben sind und was sie an Ueberschuss ertragen, ebenso die Zapfen- und Biergefälle und die Bergwerke in den Landen 3).<

»Ob aber und wie solche Einkommen und Gefälle zu erheben, ist in den eingekommenen Gutachten erwähnt, dass dieselben um ein ansehnliches zu erheben und zu erhöhen sind, insonderlich die Kammergüter. Dieselben in eine rechte Nuzung zu bringen, ist kein bequemeres Mittel, als wenn Euere Majestät die Nuzungen einer jeden Herrschaft von guten und verständigen Wirten in einen richtigen Anschlag bringen liessen, was sie wol ertragen könnten. Zu solchem Anschlag aber sind getreue Leute, die nur auf Euerer Majestät Bestes sehen, zu gebrauchen. Nach solchem gemachten Ueberschlag wäre alsdann zu versuchen, ob man Amtleute haben könnte, welche sich verpflichteten, der Herrschaft so vorzustehen, dass sie die gesezte Quota einbringen, oder wenn solche treue Amtleute nicht zu bekommen, so wäre zu versuchen, ob man Leute haben könnte, welche es in Bestand nehmen und jährlich ein gewisses an barem Geld herausgeben. Auch meinen etliche, die Güter und Untertanen werden durch diese Vermietung ausgesogen und beschwert, so ist solchem durch gute Ordnung wol fürzukommen.<<

1) Verfassung eines Voranschlages der ordentlichen und ausserordentlichen Einnahmen in jedem Jahre.

2) Verfassung eines Inventars über die Staatsgüter.

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