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der Versicherungszwang nur für land- und forstwirtschaftliches Gesinde, in gewissen Gebietsteilen auch für das andere Gesinde, während im Uebrigen die Verpflegung des kranken Gesindes der Dienstherrschaft obliegt. In Sachsen-Weimar, Braunschweig, Sachsen-Altenburg, Schwarzburg-Sondershausen ist land- und forstwirtschaftliches Gesinde durch Landesgesetz der Krankenversicherung nach Massgabe des Reichsgesetzes unterworfen. Für die Verpflegung des übrigen Gesindes sind die Dienstherrschaften verpflichtet. In Lübeck, Hamburg, Oldenburg, SachsenMeiningen, beiden Reuss, Lippe-Detmold, Provinz Hessen-Nassau besteht in gewissen Gebietsteilen Zwang zur Krankenversicherung für alles Gesinde oder bestimmte Arten, sonst ist die Dienstherrschaft verpflichtet. In allen übrigen Teilen Preussens, in Mecklenburg-Schwerin, SachsenCoburg-Gotha, Anhalt, Waldeck, Lippe-Schaumburg, Bremen, sind nur die Dienstherrschaften zur Sorge für das kranke Gesinde verpflichtet. Infolge dessen wurde die Aufnahme der Dienstboten in dieses Gesetz abgelehnt.

In § 4, welcher feststellt, dass durch statutarische Bestimmung der Beitritt zur Gemeinde-Krankenversicherung auch nicht versicherungspflichtigen Personen ermöglicht werden kann, und zwar einmal in der Weise, dass die Verwaltung der Gemeinde-Krankenversicherung ermächtigt wird, solche Personen zur Versicherung zuzulassen, sodann aber auch in der Weise, dass gewissen Klassen von Personen das Recht, der Gemeinde-Krankenversicherung beizutreten, eingeräumt wird, ist, um die Krankenversicherung nicht allzuweit auszudehnen, das Recht des Beitritts auf diejenigen Personen beschränkt worden, deren Jahreseinkommen 2000 Mk. nicht übersteigt

Zu § 6 hat die Kommission, nachdem die Gewährung von Krankenversicherung an Familienangehörige als in hohem Grade wünschenswert anerkannt war, auf Antrag der Subkommission folgende Ziffern hinzugefügt: 5) dass Versicherten auf ihren Antrag gegen Zahlung eines besonderen Beitrages die in § 6 Absatz 1 unter Ziffer 1 bezeichneten Leistungen auch für ihre Familienangehörigen zu gewähren sind, 6) dass die ärztliche Behandlung, die Lieferung der Arznei und die Kur und Verpflegung nur durch bestimmte Aerzte, Apotheken und Krankenhäuser zu gewähren sind und die Bezahlung der durch Inanspruchnahme anderer Aerzte, Apotheken und Krankenhäuser entstandenen Kosten, von dringenden Fällen abgesehen, abgelehnt werden kann.

Zu § 8 wurde folgende Resolution angenommen: »Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, die geeigneten Massregeln zu ergreifen, dass in sämtlichen Bundesstaaten die Feststellung der ortsüblichen Tagelöhne nachthunlichst gleichen Grundsätzen und den thatsächlichen Tagelohnsätzen gewöhnlicher Tagearbeiter entsprechend erfolge.

-e. Die Kombination der Dampfkesselre vision mit der Fabrikinspektion. Die Dampfkesselrevisionsvereine. Rauchverbrenrang. Die bedeutende Vermehrung des Fabrikinspektionspersonals in Preussen hat dennoch die Frage einer Absonderung der Dampfkesselrevision von der Fabrikinspektion nicht zur Ruhe gebracht. Im preussischen Abgeordnetenhause (10. März 1891) hat der preussische Handelsminister die Frage als eine für später offene behandelt, aber vorläufig für die Verknüpfung die folgenden vier Gründe angeführt. Erstens den finanziellen Grund es bandelt sich etwa um eine Summe von 450 000 M. und um eine weitere halbe Million für abgesonderte Dampfkesselrevision zweitens die technische Befähigung der betreffenden Beamten, drittens die Zeitersparnis, die durch die Verbindung dieser beiden Funktionen erzielt wird, und endlich die Verminderung der Aufsichtsinstanzen für die betreffenden Gewerbetreibender. Den Dampfkesselrevisionsvereinen hat die Regierung bei dieser Gelegenheit das folgende günstige Zeugnis ausgestellt: »Die preussische Staatsregierung ist der Ueberzeugung, dass sich in diesen Dampfkesselrevisionsvereinen ein ausserordentlich glückliches Institut herausgebildet hat, das namentlich den grossen Vorzug besitzt, eine Reihe von vorzüglich ausgebildeten Spezialtechnikern erzogen zu haben. Bis auf den heutigen Tag ist die Verbindung zwischen Dampfkesselrevisionsvereinen und dem Handelsministerium eine ausserordentlich lebendige. Vor nicht langer Zeit hat der Vorsitzende dieser Vereine mit dem Handelsminister verhandelt über eine Frage, die für die Industrie von der allergrössten Bedeutung ist, über die Frage der Rauchverbrennung, die diese Vereine zum Nutzen nicht nur der Industrie, sondern vor allen Dingen der Bürger, die in der Nähe einer industriellen Anlage wohnen, energisch in die Hand nehmen wollen.<<

-e. Die Erbschaftssteuer als Ergänzung der Einkommenssteuer. In der Sitzung des preussischen Abgeordnetenhauses vom 6. März 1891 ist der Antrag der Regierung auf die Besteuerung der Erbschaften zwischen Ehegatten, Ascendenten und Descendenten zwar gefallen, doch hat der Finanzminister diese Steuer einer baldigen Zukunft sehr lebhaft vorbehalten. Der praktische Hauptwert wurde immerfort in der Kontrolle richtiger Bekenntnisse zu der Einkommenssteuer gefunden. Doch wurde die Erbschaftssteuer auch als Ergänzung der Einkommenssteuer vom Finanzminister ins Treffen geführt: Die Erbschaftssteuer ist eine Ergänzung der Einkommenssteuer, da mit der selbst proportional vollständig richtigen Versteuerung des Einkommens doch noch grosse Besitzverschiedenheiten unberührt bleiben, die die Staatseinkommenssteuer gar nicht erreichen kann. Die Gesamtheit derjenigen Wertveränderungen, die sich nicht ausdrücken in der Rente, im Einkommen, sondern nur in der Wertsteigerung des Objekts, ohne Rücksicht auf die

augenblickliche Rente, kann man auf keine andere Weise treffen, als in der Erbschaftssteuer. Stelle man sich zwei Brüder vor mit gleichem Vermögen, mit gleichem Kapitalbesitz: der eine legt das Geld auf Zinsen, geniesst das Einkommen, hat die Einkommenssteuer davon zu entrichten; der andere legt es in Bauflächen an, die wüste liegen, die zur Zeit nichts einbringen, schlägt seine Zinsen zu der jährlichen Wertsteigerung der Baufläche, und er zahlt gar keine Einkommenssteuer. Ist es nun nicht billig, dass, wenn es schliesslich zur Beerbung des Mannes kommt, diese Wertsteigerung, die er auch selbst ohne eigene Thätigkeit erreicht hat, durch das blosse Fortschreiten der sozialen Entwicklung eine Wertsteigerung, die gerade bewirkt hat, dass der Staat keine Einkommensteuer bekommt in der Form der Erbschaftssteuer getroffen wird? Dies ist eben der Grund, warum die Erbschaftssteuer in ihrer Weiterentwicklung naturgemäss mit der wachsenden Kultur und der Bedeutung der Tauschwerte entsteht und sich vervollkommnen muss.<<

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Die neueste Zunahme der städtischen Bevölkerung in Preussen. Jüngst ist vom K. pr. statistischen Bureau ein besonderes Heft herausgegeben worden, das die vorläufigen Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1890 im Königreich Preussen, sowie in den Fürstentümern Waldeck und Pyrmont« enthält. Daraus ist u. a. ein interessanter Einblick in die Verschiebungen zu gewinnen, welche sich während des letzten Jahrfünftes in der Verteilung der Bevölkerung auf die Städte, Landgemeinden und Gutsbezirke vollzogen haben. In dem genannten Zeitraum ist die Bewohnerzahl der 1263 preussischen Städte (einschliesslich der im Stande der Städte vertretenen Landgemeinden bezw. Flecken) von 10 602 371 auf 11 783 427 oder jährlich im Durchschnitt um 21,35 pro Mille gestiegen. Bei den 37 152 Landgemeinden vermehrte sich während derselben Periode die Volkszahl von 15 683 293 auf 16 154 486 oder um jährlich 5,94 pro Mille, bei den 16 591 Gutsbezirken (einschliesslich der Forstbezirke) verminderte sich dieselbe dagegen von 2 032 806 auf 2049 389 oder um 1,32 pro Mille jährlich. Lässt man die 13 grossen Gutsbezirke von mehr als 2000 Bewohnern ausser Betracht, so stellt sich der Rückgang der Volkszahl, welche in diesem Falle ziemlich gleichbedeutend mit der für die landwirtschaftlichen Betriebe verfügbaren Arbeiterzahl ist, noch sehr viel höher. Auf die 16 578 Gutsbezirke von unter 2000 Einwohnern entfielen am 1. Dezember 1885 durchschnittlich 120,29, am 1. Dezember 1890 hingegen nur durchschnittlich 118,98 Bewohner. Die Abnahme der Bevölkerung dieser Gutsbezirke betrug während dieses Zeitraumes jährlich 4346 Köpfe oder 2,19 Prozent ihres Bevölkerungsstandes.

-e. Die preussischen Sparkassen im Rechnungsjahre 1888 bezw. 1888/89 mit Rückblicken auf die Vorjahre. G. Evert, Mitglied des

Königlichen preuss. statistischen Bureau, veröffentlicht in der »Ztschr. des K. pr. stat. Bur.« (1890 I. Halbjahr) über den bezeichneten Gegenstand eine inhaltreiche und auch qualitativ sehr gehaltvolle Abhandlung. Wir entnehmen derselben das Folgende: Mit kleinen Summen beginnend, lange Jahre hindurch zwar stetig, aber nur langsam sich ausbreitend, zeigt der Einlage- und Kreditverkehr bei den preussischen Staatskassen seit etwa zwei Jahrzehnten eine erheblich schnellere, zeitweise fast sprunghafte Fortentwickelung. Während im Jahre 1839 nur 85 Sparkassen mit 18,23 Millionen M., im Jahre 1869 in den alten Provinzen 560 solcher Kassen mit 343,82 Millionen M., einschliesslich der neuen aber 917 Sparkassen mit 471,56 Millionen M. an Einlagen vorhanden waren, weisen die nachfolgenden Zusammenstellungen für das Jahr 1888 bezw. 1888/89 im ganzen Staatsgebiete 1363 Sparkassen mit 488 Filial- oder Nebenkassen und 1402 Annahmestellen, ferner einem Einlageguthaben von insgesamt 2889,27 Millionen M., sowie unter Einschluss der Reserve- und Nebenfonds der Sparkassen mit 3019,54 Millionen M. an zinsbaren Anlagen nach. Auf den Versuch, das Verhältnis dieser Werte zu dem gesamten Volksvermögen zu bestimmen, sei hier wegen der bekannten, teils methodologischen, teils thatsächlichen Schwierigkeiten, welche die Bezifferung des Volksvermögens überhaupt bietet, Verzicht geleistet. Recht anschaulich aber ist ein Vergleich der Sparkassenguthaben unseres Landes mit einem besonders wichtigen und seinem Werte nach wenigstens annähernd wohl zu schätzenden Bestandteile des Volksvermögens, nämlich dem ländlichen Grundbesitze. Man wird hier als Kaufwert für das Hektar nebst allen auf ein solches durchschnittlich entfallenden Zubehörungen im allgemeinen etwa 1000 M. annehmen dürfen, im Westen, auf gutem oder hochkultiviertem Boden freilich oft ungleich mehr, in den weniger begünstigten Landesteilen, namentlich im Osten, dafür wieder erheblich weniger. Geht man von dieser Schätzung aus, so zeigt es sich, dass die Einlagen der Sparkassen des preussischen Staates gegenwärtig bereits dem ländlichen Grundbesitze der meisten einzelnen Provinzen reichlich gleichwertig sind. Der ländliche Grundbesitz von Pommern, West- und Ostpreussen wie auch Posen, bleibt in diesem Punkte sogar wahrscheinlich schon weit hinter dem Sparkassen vermögen des Staates zurück. Die Ursachen dieses grossartigen Wachstumes sind sehr verschiedener Natur. Die einen hängen aufs innigste mit der nach und nach fortschreitenden Umgestaltung des wirtschaftlich-sozialen Körpers zusammen und entwickeln sich deshalb zwar ziemlich regelmässig, aber für das einzelne Jahr fast unmerklich weiter. Die allmähliche Umwandlung eines Gemeinwesens von Ackerbauern und Handwerkern zu einem solchen mit vorwiegend grossindustriellem Charakter ist an und für sich ein mächtiger Hebel für die Ausbildung des Sparkassenwesens. Der selbständige Landwirt

und Gewerbtreibende wird immer in erster Linie seine Ersparnisse in der eigenen Unternehmung zu verwerten suchen und sie deshalb gewöhnlich nur vorübergehend der Sparkasse anvertrauen. Dauernd wird er sich dieser letzteren erst wieder zuwenden, sobald er in der glücklichen Lage ist, eine völlig schuldenfreie und mit Kapital gesättigte Wirtschaft sein eigen zu nennen. Auch für den Handwerksgesellen, soweit derselbe noch daran denken kann, sich zum selbständigen Unternehmer aufzuschwingen, wird die Sparkasseneinlage meist nur ein Mittel zum Zwecke, aber keine dauernde Form der Verwertung seiner Ersparnisse bilden. Die ländlichen Tagelöhner endlich machen zwar eine vorzugsweise auf die Sparkasse hingewiesene Klasse aus; aber die Zahl derselben ist auf einer Kulturstufe, wo nicht mehr viel Boden urbar zu machen ist und nicht besonders günstige Verhältnisse vorliegen, wie etwa beim Rübenbau, meist eine sich gleichbleibende, zum Teil sogar abnehmende; überdies winkt auch dieser Klasse als Ziel der Sparthätigkeit noch sehr oft der Erwerb eines kleinen Grundeigentumes, jedenfalls viel öfter als den Fabrikarkeitern grosser Städte. Demgegenüber zieht die neuere Industrie in ihrer von Jahr zu Jahr steigenden Anzahl von Arbeitern und Werkmeistern eine Bevölkerungsschicht heran, für welche die Erhebung zu wirthschaftlicher Selbständigkeit meist ausgeschlossen und auch der Erwerb eines eigenen kleinen Grundbesitzes nur unter besonders günstigen Umständen möglich ist. Alle diese Leute können ihre Ersparnisse nicht selbst verwerten, sondern müssen sie ausleihen, wenn sie Ertrag von ihnen haben wollen. Dieses steigende Bedürfnis nach Ausleihung aber wird wiederum je länger je mehr, statt durch direkten Verkehr von Gläubiger zu Schuldner, durch Vermittelungsstellen befriedigt. Je mehr Gross besitz und Grossbetrieb sich ausbreiten, desto geringer wird verhältnismässig die Auswahl an kreditfähigen Personen, um so stärker aber für die letzteren zugleich das Bedürfnis nach Kreditbefriedigung im Grossen. So müssen denn öfter als früher im Interesse beider Teile Anstalten eintreten, welche die Vermittelung dafür übernehmen und den Kreditgebern die Sorge um die Anlegung des Kapitales, den Kreditnehmern den Verkehr mit zahlreichen Einzelgläubigern ersparen. Diese natürliche Entwickelung also, welche nicht nur mehr und mehr zur Kreditwirtschaft, sondern auch zur Kreditvermittelung führt, ist eine nicht zu übersehende Ursache der wachsenden Ausdehnung der Sparkassen wie der Kreditanstalten überhaupt. Wenn daher z. B. im Königreiche Sachsen mit seinem ausgeprägt grossindustriellen Charakter im Jahre 1885 40, in dem mehr bäuerlichen und kleingewerblichen Bayern aber noch nicht 9, im preussischen Rheinlande wiederum in den grossindustriellen Bezirken Düsseldorf 16,68 und Aachen 18,80, in den klein bäuerlichen Bezirken Koblenz und Trier nur 6,25 bezw. 4,94 Sparkassenbücher auf je 100 Einwohner entfielen, so mag ein immerhin erheblicher Teil dieser Gegensätze nur

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