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und damit auf den Staatsbau. Die grosse Mehrheit der Ausschussmitglieder folgte der Regierung in diesem Gedankengange. Es ist bemerkenswert, dass - bis auf wenige - die meisten Mitglieder, welche kurz zuvor sich in den Verhandlungen für den Staatsbau ausgesprochen, dem Standpunkte der Regierung beipflichteten, das heisst mit anderen Worten, der eigentümlichen staatsrechtlichen Lage sich fügten, ihre Wünsche derselben unterordneten.

Erst auf der folgenden und letzten Etappe zur Einberufung wirklicher >>Reichsstände«, auf dem Vereinigten Landtage von 1847, stützt sich die Regierung selber auf die Geneigtheit der Ausschüsse von 1842 zum Staatsbau, um den Staatsbau der Ostbahn zu empfehlen, zu welcher trotz aller Anerbietungen reichlicher Staatshilfe keine Privatunternehmer sich finden wollten, und deren Bau doch zur notwendigen Verbindung des Mittelpunktes mit dem Osten der Monarchie erfolgen musste. Jetzt erklärt der Vereinigte Landtag, dass auch er die Verwirklichung der zugesagten »Reichsstände<< noch nicht darstelle, ohne welche rechtlich der Staatsbau nicht beschlossen werden könne, und verweist damit die Frage vor die endliche Berufung einer Landesvertretung, die jetzt in der That vor der Thüre stand. Hier geschieht es dann, dass der ständische Delegierte von 1842 als Mitglied der Regierung den Staatsbau durchsetzt, den er unter ungünstigeren politischen Verhältnissen als Mitglied der ständischen Ausschüsse empfohlen hatte.

VII.

Der erste Deutsche Staat, in welchem eine Staatsbahn zu stande gekommen, ist Braunschweig, wie der Braunschweigische Regierungsrat von Mühlenfels zu dem fünfzigjährigen Jubiläum der Eisenbahn von Braunschweig nach Wolfenbüttel (1. Dezember 1888) des Näheren nachgewiesen hat.

Es war der Braunschweigische Kammerassessor August von Amsberg, welcher, seit dem Jahre 1818 mit dem Referat über Chausseebausachen betraut, in einem Berichte vom 25. Juni 1825 an das Kammerdirektorium auf die Bedeutung der Eisenbahnen aufmerksam machte und einen Plan vorlegte für eine

Eisenbahn zur Verbindung der Städte Braunschweig, Hannover, Celle, Lüneburg, Hamburg, ferner Bremen und Lübeck. Die Kosten der Anlage, sagte er in dem Bericht, würden nach dem Beispiele anderer Länder durch eine Gesellschaft von Aktionärs zusammengebracht werden.

Von demselben Manne ist im Jahre 1832 eine Denkschrift, deren Abfassung bis in das Jahr 1824 zurückreicht, über Anlegung einer Eisenbahn zwischen Hannover, Braunschweig und den freien Hansestädten, erschienen. Hierin wird aber immer noch an der Pferdekraft im Gegensatze zur Dampfmaschine festgehalten; die letztere wird bewusst abgelehnt, weil das Gewicht der Dampfmaschine und der Kohlen einen Teil der Dampfkraft zur eigenen Fortbewegung verbrauche.

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Die Ausführung dachte sich auch 1832 noch Amsberg als Privatunternehmen. Um Zwecke von solcher Wichtigkeit zu erreichen,< sagt er, müssen wir denselben Weg einschlagen, auf welchem England und Frankreich ihr gegenwärtiges Uebergewicht errangen; das so oft sich äussernde, eigentlich nur den Deckmantel eigener Unthätigkeit bildende und an sich selbst ungerechte Verlangen an unsere Regierungen, jede grosse Unternehmung von ihnen auf Staatskosten ausgeführt zu sehen, muss endlich entfernt werden ... Von allen am nächsten gebührt dieses Unternehmen der Thätigkeit des Handelsstandes; denn Erleichterung des Handels sind die wichtigsten Motive desselben und sein wesentliches Interesse ist darauf gerichtet.<<

In der ständischen Sitzung vom 11. Oktober 1832 wurde die Regierung aufgefordert, den Amsberg'schen Plan zu betreiben, zunächst durch Einvernehmen mit der Hannover'schen Regierung. Diese aber fürchtete, eine Eisenbahnverbindung würde Braunschweig in eine günstigere Position bringen, als Hannover. Auch ein Versuch Amsberg's, Preussen für die Ausführung einer Bahn von Braunschweig nach Magdeburg zu gewinnen, hatte nicht den entsprechenden Erfolg. Jetzt konzentrierte sich der Eifer dieses Mannes auf das Braunschweigische Gebiet und er suchte den Bau einer Eisenbahn zur Verbindung von Braunschweig, Wolfenbüttel und Harzburg auf Staatskosten herbeizuführen. Am 4. Mai 1835 erging eine Ver

ordnung, welche das für Chausseeanlagen geltende Enteignungsverfahren auf Eisenbahnen ausdehnte. Die von Amsberg als Finanzdirektor geleitete Baudirektion übernahm die offizielle Bearbeitung des Projekts. Ein Techniker dieser Behörde ging nach England, um die dortigen Bahnen aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Darauf erstattete (am 22. April 1836) Amsberg im Namen der Finanzdirektion den ersten Bericht an das Staatsministerium. In diesem setzt er die Vorzüge der Staatseisenbahnen auseinander. Nur wenn die Bahn, sagt er, in den unbeschränkten Händen der Staatsverwaltung sich befindet, wird es möglich, die Hauptzwecke der Bahn vollkommen entsprechend zu befördern, namentlich den Ertrag der Anlage durch Ermässigung der Fracht- und Personengelder teilweise zur Erleichterung des Handels und Verkehrs zu benutzen, also den betreffenden Landesteilen selbst zu Gute kommen zu lassen.

Es ist charakteristisch für die damaligen Verhältnisse, zumal in dieser engen Umgebung, dass bei der braunschweigischen Regierung und den Landständen für die Bewilligung der Staatsgelder zum Staatsbau der kleinen Bahn ein näher liegender Grund entscheidend gewesen ist die Möglichkeit,

die Pflastersteine aus den herrschaftlichen Steinbrüchen am Harz nach dem nördlich gelegenen Landesteile wohlfeiler transportieren und die Forst- und Bergwerkserzeugnisse des staatlichen Besitzes besser verwerten zu können.

Hinsichtlich der Zugkraft hat sich Amsberg in diesem Bericht für die Beförderung von Personen zu der Lokomotive bekehrt; für den Gütertransport erscheint ihm auch jetzt noch die tierische Kraft am zweckmässigsten und wohlfeilsten. Indessen ein bald darauf folgender zweiter Bericht (von dem Techniker Märtens, welcher die Studienreise nach England gemacht hatte) befürwortet auch für den Güterverkehr den Dampfbetrieb.

Am 30. Dezember 1836 machte die Staatsregierung ihre Vorlage an die Stände; am 6. März 1837 erschien bereits der Kommissionsbericht dieser letzteren, welcher die unveränderte Annahme der Regierungsvorlage empfahl. Kurz darauf nimmt die Ständeversammlung die Vorlage an (mit 28 gegen 17 Stimmen). Es blieb unentschieden, ob der Betrieb durch Staats

Das ganze

behörden erfolgen oder verpachtet werden solle. zum Bau bewilligte Kapital betrug, auf Grund einer viel zu niedrigen Schätzung, nur 400 000 Thaler. Am 1. Mai 1837 trat die Eisenbahnkommission ins Leben; an ihrer Spitze stand Amsberg. Am 1. Dezember 1838 wurde der erste, wichtigste Abschnitt der Bahn, Braunschweig-Wolfenbüttel, eröffnet. Der glückliche Erfolg des Bahnbetriebes gleich in den ersten Monaten, auf Personenverkehr zunächst beschränkt, half durch den Sturm hindurch, der in der Ständeversammlung wegen der Ueberschreitung des ersten Kostenanschlages entstand. Im Mai 1839 verlangte das Ministerium zu den 400 000 Thalern weitere 450 000 Thaler, die nach langen Debatten bewilligt wurden. Die ganze Harzbahn wurde erst am 31. Oktober 1841 vollendet.

Es war ein eigentümliches Schicksal, dass im Jahre 1869 diese erste Staatsbahn an eine Privatbahngesellschaft verkauft wurde, um im Jahre 1885 alsdann in das Preussische Staatsbahnsystem aufgenommen zu werden.

Göttingen, im April 1891.

Das österreichische Finanzwesen gegen Ende des reinen Territorialstaates nach v. Mensi.

Von Dr. H.')

Unter dem Titel: Die Finanzen Oesterreichs von 1701 bis 1740. Von Dr. Franz Freiherr von Mensi. Nach archivalischen Quellen dargestellt, mit Unterstützung der Akademie der Wissenschaften in Wien< 2) ist kürzlich ein Werk erschienen, welches die Staatswissenschaft im allgemeinen und die Finanzwissenschaft insbesondere ganz wesentlich bereichert. Es gelang uns nicht, der ergangenen Aufforderung zu einer kurzen Beurteilung und Inhaltsanzeige in dieser Zeitschrift so zu entsprechen, wie es die Gerechtigkeit gegen den Verfasser erfordert. Ein Ergebnis eingehendster Quellenforschung auf fast unbetretenem Gebiete kann das Werk sich eigentlich nur selbst beurteilen, indem es in den Hauptergebnissen seiner Forschungen den weitesten wissenschaftlichen Leserkreisen sich vorstellt; eine wertvolle Inhaltsanzeige ist anders nicht möglich. Wir führen daher im Einverständnis mit der Leitung dieser Zeitschrift die Kritik und Inhaltsanzeige des Werkes lieber in Form einer kurzen Abhandlung vor.

Dies geschieht um so eher, als der finanzielle Untergrund, über welchen die politische Geschichte der zur Neige gehenden Territorialstaatszeit sich hinbewegt, schon jetzt nach andert

1) Die Nennung des Autors unterbleibt aus äusseren Gründen. Die Verantwortlichkeit für die Aufnahme der Abhandlung und für deren anerkennende Urteile übernimmt die Redaktion. Dr. Schäffle. 2) Wien, Manz 1890.

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