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Erlöse und dem vertraglichen Kaufpreise mit 770 Thlr. 25 Sgr. als Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt;

J. E., daß nach den Stipulationen des Kaufvertrags unzweifelhaft Halle den Erfüllungsort für den Verkäufer bildete, damit aber, wie es bei Distanzgeschäften in der Regel der Fall ist, der Ablieferungsort, wo der Käufer gemäß Art. 347 des H.-G.-B. die Waare zu untersuchen und zu empfangen hat, nicht zusammentraf, als solcher vielmehr Deutz zu gelten hatte;

Daß hiernach Appellant vertraglich nicht verpflichtet war, die fraglichen 912/3 Wispel Kartoffeln in Halle in Empfang zu nehmen, wie solches Appellat zuerst in seinem Schreiben vom 29. März und nachdem wiederholt verlangte, und derselbe also jedenfalls dadurch, daß er dieser Aufforderung nachzukommen sich weigerte, noch nicht mit der Empfangnahme in Verzug gerieth;

Daß, wenn man an die von dem Appellanten in seinen Briefen vom 28. und 31. März und 7. April wiederholt abgegebene Erklärung, daß er wegen der schlechten Qualität der vom Appellaten gelieferten Kartoffeln deren überhaupt keine mehr acceptiren werde, die rechtliche Folge knüpfen wollte, daß Appellat dadurch von seiner vertraglichen Verpflichtung, die Kartoffeln nach Deut transportiren zu lassen, bezüglich der 912/3 Wispel entbunden worden, weil ein solcher Transport nicht nur durchaus nuglos gewesen sein, sondern auch dem Interesse beider Parteien widersprochen haben würde, wie das ReichsOberhandelsgericht in ähnlichen Fällen wiederholt entschieden hat,

vergl. Entscheidungen Bd. IV. S. 19, Bd. X. S. 238, Bd. XIII. S. 59 *),

Appellant durch seine Weigerung, die ihm brieflich offerirten Kartoffeln zu empfangen, jedenfalls doch nur alsdann in Annahmeverzug gerathen sein würde, wenn jene wirklich empfangbar, und seine Weigerung also eine unbegründete gewesen wäre;

Daß in dieser Beziehung Appellat aber jeden Beweis darüber schuldig geblieben ist, daß die 912/3 Wispel Kartoffeln, welche nach der dem Appellanten durch Gerichtsvollzieherakt vom 22. April 1871 gemachten Androhung am 26. April und 4. Mai in Halle für Rechnung des Appellanten verkauft worden sein

*) Ebenso Bd. XVI, S. 421.

sollen, von vertragsmäßig guter Qualität gewesen, indem das ganze Beweisverfahren der ersten Instanz nur die nach Deut und Hattingen gesandten Quantitäten Kartoffeln zum Gegenstande gehabt hat;

Daß aber auch abgesehen hiervon der in Halle vorgenom mene Verkauf Inhalts der darüber aufgenommenen Verhandlungen des Auctions-Commissarius Brandt nicht „die Waare" im Sinne der Art. 343 und 354 des H.-G.-B. d. H. ein concretes Quantum Kartoffeln, welches an dem Lieferungsorte vorhanden gewesen, und zur Abnahme für den Appellanten bereit gelegen habe, sondern vielmehr die Verpflichtung des Verkäufers, das bezeichnete Quantum innerhalb 8 Tagen frei Eisenbahn Halle zu liefern, zum Gegenstande hatte;

Daß hiernach also ein Verkauf, wie ihn das Gesetz verlangt, um einem Entschädigungsanspruch wegen Nichterfüllung als Grundlage zu dienen, nicht stattgefunden hat;

Daß nach allem dem die Klage des Appellaten unbegründet erscheint, und es bezüglich ihrer auf den vom ersten Richter angeordneten Beweis nicht weiter ankommen kann;

Aus diesen Gründen

nimmt der Appellationsgerichtshof die Berufung von den Urtheilen des Königl. Handelsgerichts zu Köln vom 29. September 1871 und 16. Januar 1874 bezüglich der von dem Appellaten erhobenen Hauptklage an, und weist dieselbe unter theilweiser Reformation dieser Urtheile als unbegründet ab, u. f. w. I. Senat. Sitzung vom 26. Mai 1875. Advokaten: Dubelman Franken.

Eisenbahn.

Betrieb.

Unfall. Haftbarkeit. Mit der Ankunft und Stillestellung eines Eisenbahnzuges an der Endstation erreicht der durch denselben vermittelte Betrieb im Sinne des §. 1 des Reichsgefeßes vom 7. Juni 1871 nicht nothwendig sein Ende.

Der Unfall, welchen ein Bremser nach diesem Zeitpunkte, jedoch vor dem Verlassen des Zuges in Ausübung seines Dienstes erleidet,

ist als ein solcher anzusehen, welcher beim Betriebe der Eisenbahn stattgefunden hat.

Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft

Urtheil:

Stein.

J. E., daß nach den Erklärungen der Parteien und den Aussagen der Zeugen thatsächlich feststeht, daß Appellat am 30. Januar 1873 im Dienste der appellantischen EisenbahnGesellschaft den von Gießen kommenden und um 5 Uhr 15 Minuten in Deut eintreffenden Personenzug als Bremser begleitete und auf dem letzten Wagen seinen Sitz hatte, daß es zu seinen dienstlichen Verrichtungen gehörte, nach Ankunft des Zuges die auf dem gedachten Wagen befindlichen beiden Signallaternen abzunehmen und wegzubringen, daß Appellat, nachdem der Zug stille gestellt war, und während die Passagiere noch im Aussteigen begriffen waren, mit den Laternen vom Wagen heruntergestürzt ist und dabei die Verlegungen davon getragen hat, in Folge deren er nach dem Gutachten der Sachverständigen dauernd arbeits- und erwerbsunfähig geworden ist;

J. E., daß nach diesem Sachverhalt mit dem ersten Richter anzunehmen ist, daß Appellat die fraglichen Verlegungen beim Betriebe der appellantischen Eisenbahn im Sinne des §. 1 des Gesetzes vom 7. Juni 1871 sich zugezogen habe;

Daß zwar, wie von der Appellantin geltend gemacht worden, als die Quelle der in dem gedachten §. 1 geordneten Haftpflicht der Eisenbahnen der §. 25 des Preuß. Eisenbahn-Geseßes vom 3. November 1838 zu betrachten ist, und aus den Motiven zum Reichsgesetze sich ergiebt, daß man mit der Wahl des Ausdrucks bei dem Betriebe einer Eisenbahn" statt des im Preuß. Gesetze gebrauchten Ausdrucks „bei der Beförderung auf der Bahn" keineswegs eine Ausdehnung der Haftpflicht der Eisenbahnen über diejenigen Grenzen hinaus beabsichtigt hat, welche durch das Preuß. Gesetz in Verbindung mit der an dasfelbe sich anlehnenden Rechtsprechung festgestellt waren;

Daß aber so wie schon in letterer die Bestimmung des §. 25 cit. allgemein die Auslegung gefunden hatte, daß dieselbe die Haftbarkeit der Eisenbahngesellschaft nicht auf die Zeit der Bewegung des Zuges auf der Bahn beschränke, dieselbe vielmehr mit dem Zeitpunkte, wo die mit dem Eisenbahngewerbe

verbundene besondere Gefahr eintrete, beginnen und, so lange diese vorhanden sei, fortdauern lasse, so auch der Vorschrift des Reichsgefeges, wie dessen Entstehungsgeschichte ergibt, der Gedanke und die Absicht zu Grunde liegt, in gleichem Umfange gegen die dem Eisenbahnbetrieb beiwohnende eigenthümliche Gefahr Schuß zu gewähren, und man diesem Gedanken durch die Worte „bei dem Betriebe einer Eisenbahn" einen entsprechendern Ausdruck als durch die Worte bei der Beförderung auf der Bahn“ zu geben glaubte;

Daß, wie auch bei den Discussionen zum Reichsgesetz hervorgehoben wurde, es der Natur der Sache entspricht, den Begriff des Betriebes auf diejenigen Anlagen und die Thätigkeit zu beschränken, welche unmittelbar zur Ausübung des Eisenbahngewerbes, Beförderung von Menschen und Gütern, dienen;

Daß insbesondere auch der Bundesrathsbevollmächtigte sich in diesem Sinne aussprach, dabei aber, ohne Widerspruch zu erfahren, ausdrücklich bemerkte, daß, wie oben angedeutet, der §. 1 des Reichsgesetzes die Unfälle umfasse, welche bei der Vorbereitung, der Durchführung, dem Abschlusse des Eisenbahnbetriebes in dem so beschränkten Sinne entstehen;

J. E., daß nun offenbar nicht unmittelbar in dem Augenblicke, wo der Eisenbahnzug auf der Endstation angelangt und zum Stillstand gebracht ist, der durch denselben vermittelte Betrieb seinen Abschluß sindet;

Daß sowie für die Passagiere die Beförderung mit der Bahn erst alsdann ihr Ende erreicht hat, wenn sie die Wagen verlaffen haben, so auch für das zum Zwecke des Betriebs auf dem Zuge befindliche Eisenbahnpersonal, so lange es sich seines Dienstes wegen auf dem Zuge befindet, der Bahnbetrieb noch nicht aufgehört hat;

Daß so auch der Appellat, während er die Signallaternen abnahm und mit denselben von seinem Size herunterstieg, noch immer in Ausübung einer solchen dienstlichen Funktion begriffen war, welche zu dem eigentlichen Eisenbahnbetriebe gehörte, und dieser für ihn erst in dem Momente seinen Abschluß fand, wo er mit den Laternen von den Wagen herabgestiegen war und den Zug verlassen hatte, hiernach aber der Unfall, welchen der Appellat erlitt, bevor dieser Moment eingetreten war, sich als ein solcher darstellt, welcher bei und nicht nach dem Abschlusse des Betriebes entstanden ist;

3. E., daß Appellantin fich hiergegen vergeblich auf die Archiv, 67. Bd., I. Abthl.

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Entscheidungen des Reichs-Oberhandelsgerichts beruft, die Beschädigungen betrafen, welche Arbeiter nach beendigtem Transport beim Entladen stillstehender Eisenbahnwaggons durch Gegenstände der Ladungen erlitten hatten, da in diesen Fällen der Eisenbahnbetrieb als beendigt und die fraglichen Beschädigungen als mit der besonderen Gefährlichkeit dieses Betriebes außer allem Zusammenhange stehend angenommen wurden;

3. E., daß wenn nach allem dem anzunehmen ist, daß der den Appellaten betroffenen Unfall beim Betriebe der Eisenbahn im Sinne des §. 1 des Reichsgesetzes stattgefunden hat, es in dieser Beziehung nicht weiter darauf ankommen kann, zu untersuchen, ob in dem Augenblicke, als Appellat den Unfall erlitt, für ihn die dem Eisenbahnbetriebe eigenthümliche besondere Gefahr in einem höheren oder geringeren Grade vorhanden gewesen sei, hierauf vielmehr nur bei Prüfung der Frage, ob dem Appellaten ein eigenes Verschulden zur Last falle, die geeignete Rücksicht zu nehmen sein würde;

J. E., daß Appellantin nun auch in zweiter Linie ein folches Verschulden des Appellaten behauptet und den Beweis dafür schon allein in der angeblichen Gefahrlosigkeit des Hinuntersteigens von einem stillstehenden Eisenbahnwaggon zu finden glaubt;

Daß aber abgesehen davon, daß ein solches Hinuntersteigen, wenn dabei, wie untergebens, durch das Tragen zweier Laternen. der Gebrauch der beiden Hände und durch eine schwere Capuzze die freie Bewegung des Körpers im Allgemeinen behindert ist, keineswegs als eine vollständig gefahrlose Verrichtung betrachtet werden kann, es jedenfalls der Artikulation besonderer Thatsachen bedurft hätte, um ein Verschulden des Appellaten im gegebenen Falle darzuthun;

Daß in dieser Beziehung aber von der Appellantin ein Beweis weder erbracht noch erboten ist;

J. E., daß hiernach der Entschädigungsanspruch des Appellaten im Allgemeinen begründet erscheint;

Daß, was dessen Höhe betrifft, der vom ersten Richter für besondere Aufwartung und Verpflegung ein für allemal zuerkannte Betrag von 130 Thlr. nicht bestritten ist, und die dem Appellaten zu zahlende Jahresrente in richtiger Würdigung der obwaltende Verhältnisse vom ersten Richter angemessen auf 300 Thlr. festgesetzt worden ist, die Berufung sonach in jeder Beziehung unbegründet erscheint;

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