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Aus diesen Gründen

verwirft der Appellationsgerichtshof die Berufung von den Urtheilen des Königl. Landgerichts zu Köln vom 20. Januar und 23. Dezember 1874 und verurtheilt die Appellantin zu den Kosten und zur Succumbenzstrafe.

I. Senat. Sizung vom 2. Juni 1875.
Advokaten: Nacken

Schmiz.

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Ueber Streitigkeiten, welche sich zwischen den Besizern concessionirter Badeanstalten auf einem öffentlichen Flusse wegen Störung in deren Betriebe erheben, steht die Entscheidung den Gerichten zu.

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Gebrüder Mülhens, und Johann Thiebes besigen beide conceffionirte Badeanstalten im Rheine bei Beuel. Die ersteren behaupten, daß auf der oberhalb gelegenen Anstalt des Thiebes die Abtritte so eingerichtet seien, daß deren Inhalt in ihr Badeschiff heruntertreibe und dort die Badegäste in der unangenehmsten Weise belästige, und erhoben deßhalb am 3. September 1873 gegen Thiebes Klage zum Landgerichte in Bonn, dahin gehend, daß Verklagter verurtheilt werde, die Abtritte so einzurichten, daß dem erwähnten Uebelstande abgeholfen werde, und eventuell die Kläger ermächtigt würden, selbst die dazu nöthigen Vorrichtungen auf Kosten des Verklagten zu treffen. Letterer sezte der Klage vor Allem die Einrede der Incompetenz des Landgerichts entgegen, indem er ausführte: er sei der ältere Concessionär. Es werde die Abänderung seines Schiffsgefäßes verlangt und ihm eine widerrechtliche Benußung des Rheinstromes vorgeworfen. Dar über hätten nur die Administrativbehörden zu entscheiden. Ein Privatrecht stände den Klägern nicht zu, also sei auch keine vor die Gerichte zu bringende Klage gegeben, am allerwenigsten eine Klage wie angestellt, eine Negatorienklage auf Beschränkung im Gebrauche des Flusses oder der Badeanstalt.

Durch Urtheil vom 17. November 1873 verwarf das Landgericht die Incompetenzeinrede und erkannte zur Sache selbst auf Beweis. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde verworfen durch folgendes

Urtheil:

J. E., daß zwar die Appellaten durch die Aufrichtung und Benutzung ihrer Bade- und Schwimmanstalt nur ein ihnen von der Königl. Regierung mittelst der Concession verliehenes, widerrufliches Gebrauchsrecht an dem öffentlichen Rheinstrom ausüben und nicht behaupten, daß ihnen ein anderer Rechtstitel zur Seite stehe, hieraus aber nicht folgt, daß ihre Behauptung, in dem Genuß dieses Gebrauchsrechtes durch eine auf der stromaufwärts gelegenen Badeanstalt des Appellanten getroffene Einrichtung eine rechtswidrige Störung zu erleiden, und demgemäß die Beseitigung derselben verlangen zu dürfen, der Entscheidung des ordentlichen Richters entzogen sei;

Daß vielmehr die Zulässigkeit des Rechtsweges, um welche es sich bei der erhobenen Einrede der Incompetenz nach der dafür versuchten Begründung handelt, aus dem allgemeinen Grundsaß, daß wegen jeder Rechtsverletzung der Richter angegangen werden dürfe, und dem Mangel einer speciellen, für den untergebenen Fall zutreffenden Ausnahmebestimmung folgt;

Daß eine solche namentlich nicht aus dem rechtlichen Charakter des Rheinstroms als eines Zubehörs des Eigenthums des Staates und der dadurch für die Staats-Regierung begründeten Herrschaft über den Strom und sein Gebiet sowie der UnzuLässigkeit des gerichtlichen Recurses gegen zuständige Verfügungen der Verwaltungsbehörden hergeleitet werden kann, da unbestritten auch für die Anstalt der Appellaten von der Regierung die Erlaubniß kraft der ihr an der Verwaltung des Flusses zustehenden Befugniß ertheilt worden, anderntheils aber von dem Appellanten, wie der erste Richter schon hervorgehoben, gar nicht behauptet ist, daß die ihm gewährte Concession die durch die Klage reprobirte Einrichtung mitumfasse, der Frage aber, ob und in wie weit diese Einrichtung mit der concessionirten Badeanstalt nothwendig verbunden sei, durch das erste Urtheil nicht vorgegriffen ist, cf. §. 26 Gew.-Ordnung 21. Juli 1869;

Daß endlich ebensowenig, wie die derivative Natur und die Widerruflichkeit des von den Appellaten ausgeübten Gebrauchs

rechtes, auch der Umstand bei der Zulässigkeit des Rechtsweges entscheidend ist, daß die Schädigung der Appellaten durch die Einrichtungen auf der Badeanstalt des Appellanten vermittelt wird durch die in dem Strome wirkenden Naturkräfte, vielmehr die Frage, ob bei der zwischen beiden Anstalten vorhandenen Entfernung die auf jener der Appellaten angeblich vorwaltenden Uebelstände und die Einrichtungen auf jener des Appellanten in ursachlichem Zusammenhang stehen, und demnach der vorhandene Zustand als ein Eingriff in die Rechtssphäre der Appellaten zu betrachten sei, lediglich zur Beurtheilung der Hauptsache gehört;

Daß hiernach der Appellant durch die Verwerfung der Incompetenz-Einrede nicht beschwert erscheint;

Aus diesen Gründen

verwirft der Rhein. Appellationsgerichtshof die Berufung gegen das Urtheil des Königl. Landgerichts zu Bonn vom 17. November 1873 und verurtheilt den Appellanten zu den Kosten dieser Instanz sowie in die gesetzliche Succumbenzstrafe.

II. Senat. Sizung vom 4. Juni 1875.

Advokaten: Nacken Drewce.

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Feststellung der Ansprüche des Minderjährigen. Die gefeßliche Hypothek des Minderjährigen ergreift die von dem Vater und Vormunde in späterer ehelichen Gütergemeinschaft erwor benen Immobilien nicht für eine ideelle Hälfte sondern in ihrer Totalität.*)

Findet vor Beendigung der Vormundschaft eine Collokation des Kaufpreises von mit der geseßlichen Hypothek beschwerten Immobilien statt, so kann dem Minderjährigen für Ansprüche aus der vormundschaftlichen Verwaltung,

*) Le mari est seigneur et maitre de la communauté. Aubry et Rau tome V. 326 p. 278.

welche unabhängig von der Schlußrechnung bestehen und zu jeder Zeit festgestellt werden können, eine definitive Anweisung ertheilt werden, indem zu einer solchen Feststellung eine angemessene Frist bewilligt und bis da hin der Schluß der Collokation ausgesezt wird.*)

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Gegen die Eheleute Heinrich Wilhelm Becker und Wilhelmina Heinen wurden am 14. März 1872 vor dem Friedensgerichte zu Hennef verschiedene während der Ehe erworbenen Immobilien subhastirt. In dem über deren Erlös beim Königl. Landgerichte in Bonn eingeleiteten Collokations-Verfahren meldete für den Minderjährigen Wilhelm Becker, den Sohn des Heinrich Wilhelm Becker aus seiner ersten Ehe mit Katharina Wilhelmina Roettgen, dessen Nebenvormund auf Grund der am 1. Juli 1863 gegen den Vater und Hauptvormund eingetragenen General-Hypothek eine Forderung von 699 Thlr. 16 Sgr. 10 Pfg. an, welche darauf gegründet wurde, daß jener nach dem am 14. November 1861 erfolgten Tode der Mutter des Minderjährigen das gesammte gemeinschaftliche Mobilar in Besit behalten und die Kapitalien eingezogen habe, daß ersteres gemäß dem zur Zeit aufgenommenen Vermögensverzeichnisse einen Werth von 397 Thlr. 27 Sgr. gehabt, und die Kapitalien 1001 Thlr. 6 Sgr. 8 Pfg. betragen hätten.

In dem provisorischen Status vom 1. Juli 1873 wies der Commissar den für den genannten Minderjährigen gestellten Antrag auf Locirung zurück, weil die subhastirten Immobilien Acquest der zweiten Ehe des Subhastaten Heinrich Wilhelm Becker mit Wilhelmine Heinen seien, und somit bezüglich des Minderjährigen Wilhelm Becker eine wirkungslose Theilhypothek vorliege, und ertheilte statt dessen den Eheleuten Wilhelm Hohn für ihre dem Minderjährigen Becker im HypothekenRange nachstehende Forderung Anweisung.

Durch Urtheil vom 27. Oktober 1873 verwarf das Landgericht in Bonn den von dem Nebenvormunde Heinen erhobenen

*) Vergl. Archiv, Bd. 41, I. S. 44; Bd. 42, I. S. 23; Aubry et Rau tom III, p. 545,

Einspruch, indem es annahm, daß der Ehemann, wenn er auch Kraft des ihm vom Geseze ertheilten Mandats während des Bestehens der Gütergemeinschaft die gütergemeinschaftlichen Immobilien ohne Zuziehung der Ehefrau verkaufen und zur Hypothek stellen könne, nicht Allein-Eigenthümer des Gemeinguts sei, sondern der Ehefrau während des Bestehens der Ehe ein actuelles Miteigenthum daran zustehe; daß sich deshalb die gesegliche Hypothek des Minderjährigen Becker an den güterges meinschaftlichen Immobilien zweiter Ehe seines Vaters nur auf dessen ideelle Hälfte daran erstrecke und nach den Grundsätzen der Theilhypothek nur dann hätte wirksam werden können, wenn die subhastirten Immobilien in das Eigenthum des Subhaftaten gefallen wären; daß, da dieses nicht der Fall sei, nur eine unwirksame Theilhypothek vorliege.

Auf die von dem Nebenvormunde Heinen eingelegte Berufung erkannte der Appellationsgerichtshof reformatorisch durch folgendes

Urtheil:

I. E., daß auch dann, wenn man mit dem ersten Richter die rechtliche Stellung der Ehefrau zu dem Vermögen der Gütergemeinschaft während des Bestehens derselben als ein actuelles Miteigenthum auffassen will, hierdurch doch an dem das gütergemeinschaftliche Vermögensrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs beherrschenden Grundsaße des Gewohnheitsrechts, daß dem Ehemann Dritten gegenüber die ausschließliche und in der Regel unbeschränkte Vertretung der Gütergemeinschaft zustehe, Nichts geändert wird;

Daß dieser Grundsatz insbesoudere in dem Art. 1421 des B. G.-B. seinen Ausdruck gefunden hat, wonach der Ehemann das Vermögen der Gütergemeinschaft ohne Zuziehung der Ehefrau zu verkaufen und zu verpfänden berechtigt ist;

Daß, wenn hiernach der Ehemann, indem er in Ausübung dieses Rechtes die Immobilien der Gütergemeinschaft zur Hypothek stellt, dem Dritten gegenüber als der alleinige und ausschließliche Eigenthümer dieser Immobilien erscheint, die bestellte Hypothek nothwendig auch den ideellen Antheil der Ehefrau an denselben umfaßt;

Daß in gleicher Weise aber auch die gesetzliche Hypothek ihre rechtliche Wirkung äußern muß, indem dabei die Fittion

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