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der Verspätung der Erfüllung entstandene Schaden besteht, und von welchen Factoren und Gesichtspunkten bei der Liquidation desselben auszugehen ist;

J. E., daß als Folge der Verspätung einer Waarenlieferung unzweifelhaft zunächst und der Regel nach nur der Verlust sich erkennen läßt, den der Käufer dadurch erleidet, daß in Folge der zwischenzeitlichen Preisbewegung die Waare zur Zeit der Ueberlieferung nicht mehr denselben Verkaufswerth, wie zur Zeit, wo sie hätte geliefert werden sollen, also spätestens bei Eintritt des Verzuges, hat, hiernach aber als Minimalgrenze des wegen Verspätung zu leistenden Schadensersaßes die Differenz der Preise zu diesen beiden Zeiten sich darstellt;

Daß dagegen der appellantische Anspruch auf Erfaß der Differenz zwischen dem zu zahlenden Kaufpreise und dem höchsten Preise, den die Waare in der Zeit vom Eintritt des Verzuges bis zur Ablieferung gehabt, in seiner principiellen Aufstellung ohne alle Berechtigung ist;

Daß nämlich, was zunächst die rechtliche Grundlage, worauf derselbe sich stützen könnte, betrifft, in dem Verhältnisse, in welches die Parteien sich gestellt finden, nur dem dieses Verhältniß einerseits eröffnenden und rechtlich bestimmenden und andererseits dasselbe abschließenden Zeitmomente eine rechtliche Bedeutung beigelegt werden kann, die Zwischenzeit aber und die in derselben stattgehabte Preisbewegung, für sich genommen, und solange damit nicht besondere anderweitige Handlungen des Gläubigers sich verknüpfen, schlechthin indifferent und unerheblich erscheinen muß, da nicht abzusehen ist, wie der Umstand, daß der appellantischen Ausführung zufolge -die Verkäuferin während der ganzen Zwischenperiode in einem ununterbrochenen Erfüllungsverzuge, also auch im Momente der höchsten Preissteigerung in mora sich befunden, zu der rechtlichen Consequenz, daß als Schaden der verspäteten Ueberlieferung ohne Weiteres die fragliche Preisdifferenz angesehen werde müsse, also zu einer Behandlung des säumigen Verkäufers führen könnte, die zwar im gemeinen Recht aber selbst in diesem nur für den ganz fingulären Fall der condictio furtiva eine positiv-gesetzliche Grundlage hatte, in unserm Rechte aber und bei der gänzlichen Verschiedenheit der thatsächlichen Verhältnisse überall nur als reine Willkührlichkeit erscheinen müßte;

I. E., daß das appellantische Liquidationsprinzip wie durch den Mangel einer rechtlichen Grundlage, so auch durch seine

Unvereinbarkeit mit dem durch die ergangener Urtheile fixirten Standpunkte der Parteien sich widerlegt;

Daß zunächst schon der vom ersten Richter seiner Entscheidung untergelegte Grund, der nämlich, daß Appellantin das Eisen nicht zum unmittelbaren Wiederverkaufe, zur Speculation, sondern zum Zwecke der Verarbeitung angekauft, keineswegs so unverständlich ist, wie Appellantin finden will; daß es an sich zwar gleichgültig erscheinen mag, ob Appellantin sich die Früchte der Hausseperiode durch den unmittelbaren Wiederverkauf des angekauften Roheisens oder aber mittelbar durch den Verkauf des vorerst verarbeiteten Eisens verschaffte, im Allgemeinen auch ohne Weiteres wohl angenommen werden könnte, daß der Hausse für Roheisen eine entsprechende Hausse für verarbeitetes Eisen zur Seite gegangen; daß aber der Gewinn, den Appellantin auf legterm Wege, nämlich durch Verkauf des Fabrikates, hätte ziehen können, offenbar durch ganz andere Factoren bedingt ist, als der durch die einfache Differenz zwischen dem höchsten Marktpreise und dem Kaufpreise sich declarirende Gewinn aus dem unmittelbaren Wiederverkaufe des Roheisens, sonach aber das aufgestellte Liquidationsprincip für die Feststellung des ers zielbaren Gewinnes aus dem Fabrikate allerdings als werthlos zu erachten war;

Daß abgesehen hiervon in der appellantischen Aufstellung gänzlich übersehen wird, daß der darnach zu berechnende Gewinn nur durch Verkauf, durch Entäußerung der Sache zu erzielen sein würde, sonach dabei unterstellt wird, daß der Liquidant sich nicht hinterher auch noch im Besitz der Sache selbst befinde;

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Daß dieses Moment zwar in dem Falle, daß der Markt preis der Sache zur Zeit der Ablieferung unter dem vom Käufer zu zahlenden Kaufpreise oder demselben gleichsteht, ohne praktische Bedeutung wäre, dagegen unmöglich außer Betracht und Rech nung gelassen werde könnte, wenn der Marktpreis zur Abs Lieferungszeit den Kaufpreis oder den Preis bei Eintritt des Verzuges übersteigt, indem alsdann der Käufer nicht nur den das Nichtbehalten der Waare vorausseßenden Gewinn der Differenz zwischen Hauffe und dem Vertragspreise, sondern gleichzeitig in der Sache selbst den Ueberschuß des dermaligen Marktpreises über den Vertragspreis haben würde, ein Resultat, worin offenbar nicht etwa nur ein Aufgeben der einmal getroffenen Wahl der Erfüllung_nebst Schadensersatz wegen verspäteter Erfüllung und Annahme des Schadensersages wegen

Nichterfüllung, sondern vielmehr eine Cumulation beider sich gegenseitig ausschließenden Alternativen zu Tage tritt ;

3. E., daß zwar der Käufer, dem die Sache später, als es hätte geschehen sollen, überliefert wird, nach allgemeinem Rechtsprincip berechtigt ist, ebensowohl Ersatz des Gewinnes, den er bei zeitiger oder früherer Ueberlieferung aus der Sache, sei es durch unmittelbaren Wiederverkauf, sei es durch Verkauf nach vorheriger Verarbeitung würde gemacht haben, wie auch Ersat der Nachtheile und Verluste, die bei zeitiger Erfüllung nicht eingetreten sein würden, zu beanspruchen;

Daß jedoch, was das Erstere betrifft, zur Substanziirung des appellantischen Anspruches die in dem zwischenzeitlichen Bestehen höherer Marktpreise gegebene abstrakte Möglichkeit, von der Gunst der Conjunktur Nußen ziehen zu können, offenbar gar nicht ausreicht, da bei der Unberechenbarkeit der Preisbewegung es nach der Hand schlechthin unnachweisbar erscheinen muß, daß der Käufer über die Sache gerade in der ihm die höchste oder die geforderte höhere Preisdifferenz eintragenden Weise auch wirklich disponirt haben würde, ohne das Hinzu. treten einer solchen die Gunst des Augenblickes benußenden Dispositive des Käufers zu der günstigen Conjunktur aber von dem Entgehen eines Gewinnes, den er würde gemacht haben, offenbar keine Rede sein kann;

Daß demnach Appellantin zur Begründung ihres Anspruches auf die als entgangener Gewinn qualificirte Preisdifferenz noch zu erweisen hätte, daß sie durch die Verspätung der Lieferung an dem wirklichen Abschluß oder an der Erfüllung von Verträgen oder überhaupt an Dispositionen über die Sache gehindert worden sei, welche ihr die geforderte Differenz als Gewinn abgeworfen haben würden;

Daß jedoch Beweise dieser Art weder erbracht noch erboten worden sind;

J. E., was sodann den positiven Schaden, den Appellantin erlitten haben könnte, betrifft, daß sie selbst eine durch die Säumigkeit der Appellatin verursachte Störung ihres Fabrikbetriebes nicht behauptet, vielmehr zur Aufrechthaltung ihrer Liquidation nur noch darauf, daß sie für anderweitig zur Deckung ihres Bedarfs angekauftes Eisen höhere Preise habe zahlen müssen, sich beruft, und nicht nur subsidiarisch hierüber einen Beweis erbietet, sondern auch verschiedene Briefe producirt, inhaltlich welcher fie unter'm 14. September 1872 von Marcus Archiv 67. Bd. I. Abth.

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4000 tons englisches Eisen, lieferbar vom April bis Ende Dezember 1873, am 23. Dezember 1872 von Collart 2,000,000 Pfund lieferbar bis zum 30. Juni 1873, und am 12. Oktober 1868 von Meurer 1,000,000 Pfund lieferbar vom Januar bis Ende Juni 1869 angekauft hat;

Daß jedoch die Production der beiden erstern Verträge, wie die Motive der Klage ergeben, nur bezweckt, die Höhe der Eisenpreise während der besprochenen Mittelperiode darzuthun, die gänzliche Beziehungslosigkeit beider Ankäufe zu der der Uppellatin obliegenden Lieferung auch aus dem großen Quantum des angekauften Eisens zu entnehmen sein möchte, der Ankauf vom 12. Oktober 1868 aber schon deshalb nicht in Betracht kommen kann, weil er in die Zeit vor Eintritt des Verzuges fällt;

Daß aber auch überhaupt und abgesehen von diesen Ge sichtspunkten die einfache und reine Differenz zwischen dem bei allen diesen Ankäufen gezahlten und dem ursprünglichen Vertragspreise nur dann geeignet wäre, einen durch die Säumigkeit der Appellatin verursachten Schaden in quali et quanto feft zustellen, wenn Appellantin behaupten könnte und behauptete, daß sie um sich zu decken, also um sich die von der fäumigen Verkäuferin zu liefernde Waare für Rechnung und auf Kosten derselben zu verschaffen, gekauft habe, da beim Mangel dieser Voraussetzung, es an jeder causalen Beziehung dieser Ankäuft zu dem Vertragsverhältnisse fehlen würde, jedenfalls aber die Frage nach dem Dasein und dem Umfange des in Folge dieser Anfäufe erlittenen Schadens nicht mehr durch die geforderte Preisdifferenz, sondern nur noch durch das Verhältniß des dabei aufgewandten Kaufpreises zu dem durch die Conjunkturen be stimmten Werth der Sache und überhaupt durch die Unvortheilhaftigkeit des neuen Geschäftes für sich genommen zu lösen sein würde;

Daß nun Appellantin einen auf diese lettere Weise sub. stantiirten Schaden selbst nicht einmal behauptet, und von dem durch die ergangenen Entscheidungen fixirten Standpunkte aus aber ebenwenig in der Lage ist, die fraglichen Ankäufe als Deckungsankäufe in obigem Sinne zu qualificiren, sich in der That auch gegen eine solche Qualification selbst auf's Nachdrücklichste verwahrt hat; wie es denn auch unvereinbar ist, die Lieferung der Waare zu verlangen und zu erhalten und außer dem geltend zu machen, daß man sich diese Waare seiner Zeit auf Kosten des säumigen Verkäufers verschafft habe;

Daß demnach der Beweis, zu welchem Appellantin durch das von der Appellatin im Wege der Incidentappell angegriffene erstrichterliche Urtheil zugelassen worden ist, da er nur eine Preisdifferenz der oben erörterten Art festzustellen bezweckt, als unerheblich erscheinen muß, und daher auch nach dieser zweiten Seite hin der appellantische Anspruch als der Begründung entbehrend sich darstellt;

J. E., daß es somit nur noch um die thatsächliche Frage sich handeln kann, ob der Marktpreis des fraglichen Roheisens zur Zeit der Ueberlieferung unter dem Preise bei Eintritt des Verzuges gestanden hat;

Daß dieses aber von der Appellantin selbst nicht behauptet worden ist;

Daß mithin die von der Appellantin erhobene Klage nur für den von der Appellatin nicht contestirten, den Minderwerth des bis zum 20. Mai 1869 gelieferten Eisens betreffenden Betrag von 708 Thlr. sich rechtfertigt, im Uebrigen aber als unbegründet sich darstellt;

J. E., zur Incidentberufung, daß dieselbe, so weit sie gegen die von der Incidentappellatin erhobene Schadensersazklage sich richtet, nach dem Resultat vorstehender Ausführungen als begründet zu erkennen, demnach diese Klage abzuweisen ist;

Daß, anlangend die von der Incidentappellantin selbst erhobene, auf Zahlung des Kaufpreises für das vom November 1873 bis März 1874 nachgelieferte Eisen gerichtete Klage Incidentappellatin von der eingeklagten Rechnung ad 32,341 Thlr. 13 Sgr. 7 Pfg., den Betrag von 30,861 Thlr. 9 Sgr. 5 Pfg. als richtig anerkannt, den Rest von 1480 Thlr. 4 Sgr. 2 Pfg. aber in mehrfacher Hirsicht bestritten hat;

Daß über diese Differenz weder in dieser noch in erster Instanz verhandelt, und auch vom ersten Richter noch nichts entschieden worden ist;

Daß bei dieser Sachlage die Parteien zwar hinsichtlich dieser Differenz noch vor dem ersten Richter weiter zu verhandeln haben werden, der anerkannte Theil der eingeklagten Forderung aber schon jetzt zuzusprechen, und also auch in dieser Hinsicht die Incidentberufung anzunehmen ist;

Aus diesen Gründen

erfennt der Appellationsgerichtshof unter Verwerfung der wider das Urtheil des Königl. Handelsgericht zu Aachen vom 22. April 1875

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