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Urkunde. -Unterschrift. — Beweis der Aechtheit. — Eid. Der Prozeßpartei, welche einer als Beweis mittel vorgebrachten Urkunde gegenüber gemäß Art. 1323 des B. G.-B. erklärt, daß sie die das rauf befindliche Unterschrift als die ihres Autors nicht anerkennen könne, tann zum Bes weise der Aechtheit der Unterschrift nicht ein Eid auferlegt werden, welcher lediglich diese Erklä rung der Nichtanerkennung zum Gegenstand hat. Mathey Sauer.

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Urtheil:

J. E., daß der Art. 1323 des B. G.-B. vorschreibt, wie im Falle eine Privaturkunde als Beweismittel vorgebracht wird, von welcher der Kläger behauptet, daß sie der Beklagte oder dessen Erblasser geschrieben oder unterschrieben habe, der Beklagte oder die beklagten Erben sich darauf im Processe erklären und einlassen müssen ;

Daß die von der Appellantin in erster Instanz abgegebene Erklärung, daß sie die Unterschrift „Hermann Mathey" unter den eingeklagten Wechseln ihres verstorbenen Ehemannes als ächt nicht anerkennen könne, offenbar die in Art. 1323 vorge sehene processualische Einlassung darstellt;

Daß der der Appellantin darauf deferirte und von dem ersten Richter ihr auferlegte Eid, daß sie die Unterschrift „Her mann oder Herm. Mathey" auf den eingeklagten Wechseln nicht kenne, und solche als die Unterschrift ihres Mannes nicht anerkennen könne, nichts anders als die gedachte Erklärung der Appellantin zum Gegenstand hat;

Daß aber diese in der Einlassung der Appellantin bestehende Proceßhandlung derselben unmittelbar nicht zum Gegenstand einer Eidesauflage oder Eidesdelation gemacht werden kann, weil es lediglich ein nach der Rheinischen Gesetzgebung sowohl generell wie auch insbesondere bei der Diffession von Urkunden abs geschaffter und nicht zugelassener Calumnieneid wäre, wenn man, wie durch eine solche Eidesauflage geschieht, dem Beklagten die Redlichkeit seiner Einlassung in das Gewissen schöbe und von ihm die eidliche Versicherung verlangte, daß er bei seinem Bestreiten der Unterschrift in gutem Glauben handele;

J. E., daß aber auch dann, wenn man hier auf eine bei einer Eidesnorm, welche klar sein muß, unzulässige Weise der

vorliegenden Eidesauflage einen anderweiten Sinn unterlegen könnte, dadurch doch dieselbe nicht gerechtfertigt würde, da der Eid in der vorliegenden Fassung jedenfalls nicht eine Thatsache oder das Wissen einer Thatsache, beispielsweise: daß die Appellatin wisse, daß ihr verstorbener Ehemann die Wechsel unters schrieben habe, zum Gegenstand hätte, sondern von der Partei eine Prüfung der Handschrift und ein Urtheil darüber unter decisorischem Eid verlangte, was nach Art. 1359 des B. G.-B. unzulässig ist;

Daß auch der erste Richter in seinem Urtheil selbst an den Tag gelegt hat, daß seine Eidesauflage mit den über die Eidesdelation bestehenden Rechtsgrundsägen nicht vereinbar und nur ein Calumnieneid ist, indem in den Gründen des Interlocuts ausgesprochen ist, bei negativer Ausschwörung des Eides werde ungeachtet dessen gleichwohl noch zum Verificationsverfahren behufs des Beweises der Aechtheit der Unterschrift übergegangen werden können;

J. E., daß es diesemnach auf eine Erörterung der von den Sachwaltern der Parteien besprochenen Frage, ob der Proceßrichter und ob ein Handelsgericht nach Bestreitung der Unterschrift unbedingt zum Verificationsververfahren verweisen müsse, oder unter Umständen selbst über die Aechtheit der Unterschrift befinden könne, hier gar nicht ankommt, da im vorliegenden Falle dasjenige, worauf der Proceßrichter erkannt hat, eine unzulässige Eidesauflage ist, und die darauf gerichtete Delation hätte zurückgewiesen werden müssen ;

Daß mithin die Berufung gerechtfertigt ist, jedoch in Folge dessen nicht nach dem Antrag der Appellantin auf Abweisung der Klage erkannt werden kann, sondern da kein Grund vorhanden ist, von der Regel der Art. 1324 des B. G.-B., Art. 427 und 194 der B. Pr. D. abzuweichen, auch ohne einen. ausdrücklich darauf gerichteten Antrag des Appellaten, welcher auf der Aechtheit der Unterschriften besteht, nach der Bestimmung dieser Artikel zu verfahren ist, wie von dem ersten Richter hätte geschehen sollen;

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Aus diesen Gründen

reformirt der Appellationsgerichtshof das Urtheil des als Handelsgericht fungirenden Königl. Landgerichts zu Bonn vom 1. Mai 1875, weist unter Aufhebung dieses Urtheils die Parteien zum Verificationsverfahren und demnächst zum Handelsgericht

in erster Instanz zurück, verurtheilt den Appellaten in die Kosten dieser Instanz und verordnet die Rückgabe der Succumbenzstrafe.

I. Senat. Sizung vom 5. Juli 1876.

Advokaten: Kyll II - Schmit.

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Genossenschaft. Streit über die Qualität als Genossenschafter. Falliment.

Ueber die Klage, mittels welcher der als Mitglied einer Genossenschaft Eingetragene seine Qualität als Genossenschafter bestreitet und Löschung seines Namens verlangt, kann auch im Falle des eingetretenen Falliments der Genossenschaft nicht ohne Zuziehung des Vor: standes entschieden werden. Bundesgeseg vom 4. Juli 1868.

Wichterich

Düsseldorfer Gewerbebank.

Der Rentner Wilhelm Heinrich Wichterich und Genossen zu Ratingen ließen am 16. August 1875 den Advokat-Anwalt Albert Küster und den Kaufmann Eugen Möller zu Düsseldorf in ihrer Eigenschaft als Agenten des Falliments der daselbst unter der Firma „Düsseldorfer Gewerbebank, eingetragene Genossenschaft“ bestehenden Genossenschaft vor das Handelsgericht zu Düsseldorf vorladen, um sich kostenfällig verpflichtet erklären zu hören, binnen einer kurzen vom Gerichte zu bestimmenden Frist auf dem Sekretariate des Königl. Handelsgerichts zu Düsseldorf die Erklärung abzugeben, daß die Kläger niemals Mitglieder der Düsseldorfer Gewerbebauk eingetragenen Genossenschaft ge= worden sind, und demnach die Löschung der Namen der Kläger in dem Mitgliederverzeichniß der besagten Genossenschaft zu veranlassen, für den Fall aber, daß die Verklagten, dieser Verpflichtung in der bestimmten Frist nicht nachkommen möchten, die Löschung der Namen in dem besagten Mitgliederverzeichniß verordnen zu hören. Die Klage wurde auf die Behauptung gegründet, daß die Kläger niemals Mitglieder der besagten Genossenschaft geworden, indem sie ihren Beitritt als Mitglieder nur unter der Bedingung erklärt hätten, daß für Ratingen und Umgegend eine Filiale der Düsseldorfer Gewerbebank errichtet würde, was aber nicht geschehen sei.

Die Verklagten bestritten zuvörderst, daß sie als Agenten, die nach dem Geseze ganz bestimmt begrenzte Befugnisse hätten, zur Klage legitimirt seien, behaupteten sodann, daß nach dem Genossenschaftsgesetz der richtige Zeitpunkt, um die Frage der Mitgliederschaft zu ventiliren der sei, wo die Liste und der Vertheilungsplan offen gelegt, und jeder seine Contestationen erheben könne, und bestritten endlich auch die Klage als unbegründet.

Das Handelsgericht erachtete sowohl die Einrede der mangelnden Passivlegitimation, als die der Voreiligkeit für nicht gerechtfertigt, wies aber die Klage als unbegründet ab. Gegen dieses Urtheil vom 1. September 1875 ergriffen die Kläger die Berufung, während die Verklagten mittels der Incidentberufung die Abweisung der Klage schon wegen mangelnder Passivlegiti mation der Appellaten beantragten, weil die Klage nicht gegen die Agenten oder Syndike des Falliments, sondern nur gegen den Vorstand der Genossenschaft angestellt werden könne. Der Appellationsgerichtshof erließ folgendes

Urtheil:

J. E., daß die Appellaten der Klage der Appellanten, mit welcher sie die Löschung ihrer Namen in dem Mitgliederverzeichniß der in Fallitzustand befindlichen eingetragenen Genossenschaft Düsseldorfer Gewerbebank" verlangen, gegenwärtig vor Allem den Einwand entgegenseßen, daß sie als Syndike sowenig wie als Agenten des besagten Fallimentes zur Klage passive legitimirt seien, dieselbe vielmehr nur gegen den Vorstand der Genossenschaft erhoben werden könne;

J. E., daß das Bundesgesetz betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschafts-Genossenschaften vom 4. Juli 1868 das im Falle des Falliments einer Genossenschaft eintretende Verfahren besonders regelt und in dieser Beziehung Bestimmungen enthält, welche von den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften über das Fallimentsverfahren wesentlich abweichen;

Daß insbesondere nicht, wie im gewöhnlichen Verfahren, die ganze vermögensrechtliche Verwaltung auf die Agenten resp. Syndike übergeht, vielmehr neben diesen der Vorstand der Genossenschaft in Funktion bleibt;

Daß derselbe insbesondere nach der Bestimmung des §. 51 loc. cit. berechtigt ist, gegen jede angemeldete Forderung, unabhängig von dem Vertreter der Concursmasse Widerspruch zu erheben;

Daß das in den §§. 52 bis 61 angeordnete Verfahren, welches die Repartition derjenigen Summe, welche zur Deckung der von den Gläubigern im Concurse erlittenen Ausfälle erforderlich ist, auf die einzelnen Genossenschafter und deren Beitreibung zum Gegenstande hat, ausschließlich unter der Leitung des Vorstandes steht;

Daß er insbesondere nach Feststellung des Schlußvertheilungsplans im Concursverfahren die Berechnung (Vertheilungsplan) über die von den einzelnen Genossenschaftern zu dem gedachten Zwecke zu leistenden Beiträge anzufertigen, diese zu erheben und bestimmungsmäßig zu verwenden hat;

Daß er, falls die Zahlung verweigert oder verzögert wird, die Vollstreckbarkeitserklärung des Vertheilungsplanes zu betreiben, und die Einziehung der fraglichen Beiträge im Wege der Exetution zu bewirken hat;

Daß endlich im Falle der Anfechtung des Vertheilungsplans mittels der jedem Genossenschafter gestatteten Klage die übrigen betheiligten Genossenschafter, gegen welche diese Klage zu richten ist, in dem Prozesse durch den Vorstand vertreten werden;

F. E., daß aus alle dem sich unzweifelhaft ergibt einestheils, daß im Falle des eingetretenen Fallimentes einer Genossenschaft die Frage, wer als Mitglied derselben zu betrachten sei, und als solches persönlich in Anspruch genommen werden könne, für das eigentliche Fallimentsverfahren noch ohne alles Interesse ist, und erst nach dessen Beendigung, und falls die Masse zur Befriedigung der Gläubiger nicht ausreicht, eine praktische Bedeutung gewinnt, und anderntheils, daß wenn diese Frage be züglich des einzelnen als Mitglied der Genossenschaft in das Verzeichniß Eingetragenen zur gerichtlichen Entscheidung gebracht werden soll, dies jedenfalls nicht ohne Zuziehung des Vorstandes als des Vertreters der übrigen Genossenschafter geschehen kann;

J. E., daß hiernach die gegen die Agenten des Falliments der appellatischen Genossenschaft gerichtete Klage der Appellanten so, wie sie angebracht ist, unstatthaft erscheint, und also unter Annahme der Incidentberufung abzuweisen ist, ohne daß auf die Prüfung der Frage, ob die Klage materiell begründet sei, welche den Gegenstand der Hauptberufung bildet, näher einzu gehen sein wird;

Aus diesen Gründen

reformirt der Appellationsgerichtshof unter Verwerfung der Hauptberufung und Annahme der Incidentberufung das Urtheil

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