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Urtheil:

J. E. zum I. Cassationsmittel,

daß nach der thatsächlichen Feststellung des Appellationsgerichtshofes die fragliche Hypothek dem Caffationsverklagten seitens der Eheleute Wester zur Sicherheit derjenigen Forderung bestellt worden ist, welche sich in Folge des zwischen ihm und der Handlungsfirma Kaiser u. Wester abgefchloffenen Creditvertrages beim Abschluß der laufenden Rechnung mit den Creditnehmern denselben gegenüber ergeben würde, und zwar bis zur Höhe von 1600 Thlr;

Daß hiermit allen Erforderniffen des Art. 2132 B. G.-B. genügt ist, da derselbe gestattet, eine Hypothek auch für eine bedingte Forderung zu bestellen, wie sie hier allerdings vorlag, da die Existenz und Höhe der in Frage stehenden Forderung davon abhing, daß und bis zu welchem Betrage die Creditnehmer von dem eingeräumten Credit Gebrauch machten;

Daß die Behauptung, die Summe, bis zu welcher die Hypothek be: willigt worden, sei in dem Bestellungsakte nicht bestimmt worden, indem die lettere zur Deckung aller dem Cassationsverklagten gegen die Creditnehmer bereits erwachsenen und noch entstehenden Forderungen ohne Einschränkung eingeräumt worden, sich mit der thatsächlichen Feststellung des Appellationsgerichtshofs in Widerspruch setzt, indem nach dieser, wie bes reits oben erwähnt worden, als Maximum der Forderungen für welche das Unterpfand haften sollte, in jener Urkunde die Summe von 1600 Thlr. festgesetzt worden ist;

Daß wenn hiernach der erste Angriff zerfällt, das zweite, Ver legung des Art. 1174 B. G.-B. behauptete Cassationsmittel gleichfalls der Begründung entbehrt;

Daß nach der thatsächlichen Annahme des Appellationsgerichtshofs zwischen dem Cassationsverklagten und der Handlungsfirma Kaiser u. Wefter ein Vertrag zu Stande gekommen ist, durch welchen jener dieser einen Credit in laufender Rechnung bis zur Summe von 1600 Thlr. eröffnete, und die Verpflichtung des ersteren zur Gewährung des Credits so lange dauerte, bis er die Geschäftsverbindung mit den Creditnehmern abbrach);

Daß ferner die Ausführung des Appellationsgerichtshofes, es sei die Befugniß des Cafsationsverklagten, die Geschäftsverbindung jederzeit ohne Kündigung d. h. ohne Gewährung einer Frist abzubrechen, als eine Pote stativbedingung im Sinne des Art. 1174 B. G.-B. nicht anzusehen, rechtlich zutreffend ist, da hierdurch nicht verhindert wird, daß der Credits vertrag bis dahin, daß der Creditgeber den Creditnehmern seinen Willen zu erkennen gab, die Geschäftsverbindung abzubrechen, auch gegen den ersteren seine Wirkungen äußerte;

Daß daher auch von diesem Gesichtspunkte aus die Rechtsbeständigkeit der fraglichen Hypothek nicht zu bezweifeln ist;

Aus diesen Gründen

verwirst das Königl. Obertribunal, fünfter, rheinischer Civilsenat, den Caffationsrekurs gegen das Urtheil des Rhein. Appellationsgerichtshofs zu Köln vom 3. Dezember 1874 und verurtheilt den Cafsationskläger in die gesetzliche Succumbenzstrafe und in die Kosten dieses Verfahrens. Sizung vom 18. Januar 1876.

Ref.: H. Geh. Ob.-Tr.-Rath Weyers.
Concl. H. Staats-Prok. Hamm.
Advokaten: Mede Dorn.

Eisenbahn.

Transport in unbedeckten Wagen.
Diebstahl.

Unter der mit dem Transport der Güter in unbedeckten Wagen verbundenen Gefahr, für welche die Eisenbahn gemäß Art. 424 Nr. 1 des H.-G.-B. und §. 22 Nr. 2 des Betriebs- Reglements vom 10. Juni 1870 nicht zu haften hat, ist an sich auch der Diebstahl durch Dritte begriffen, und gilt auch in Bezug auf lehtern die in dem gedachten Art. 424 zu Gunsten der Eisenbahn aufgestellte geseßliche Vermuthung.

Rheinische Eisenbahngesellschaft

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van Ham.

Am 20. März 1873 hat der Kaufmann F. van Ham der. Rheinischen Eisenbahngesellschaft in Venlo zur Beförderung an W. Püllen in Eschweiler Station Buir angeblich 139 Ballen Guano im Gewichte von 19958 Zollpfund übergeben, an welchen jedoch bei Ankunft in Buir 12 Ballen im Gewichte von 1716 Pfund gefehlt haben sollen, deren Werth von 43/4 Thlr. per Centner gleich 81 Thlr. 15 Sgr. 3 Pfg. von der Eisenbahngesellschaft ersetzt verlangt wurde. Letztere beantragte Abweisung der Klage, indem sie vortrug: 1. Es werde bestritten, daß das Manko auf dem Eisenbahn-Transporte entstanden sei; der Absender habe das Verladen selbst besorgt, und mache daher nach §. 5 des Reglements die Angabe der Stückzahl und des Gewichtes auf dem Frachtbriefe keinen Beweis gegen die Beklagte; 2. das Abladen sei von dem Adressaten besorgt worden und könne auch dabei das Manko entstanden sein; Kläger sei daher in beiden Beziehungen beweispflichtig; 3. Die Sendung sei in einem offenen Wagen transportirt worden und habe tarifmäßig in einem solchen transportirt werden müssen; nach Art. 424 Nr. 1 des H.-G.-B. und §. 22 Nr. 2 des Betriebsreglements hafte Beklagte daher nicht für die mit diesem Transporte verbundene Gefahr, zu der auch die Gefahr des Diebstahls gehöre, und nach dem vorletzten Absaße dieses Artikels müsse bis zum Beweise des Gegentheils angenommen werden, daß ein Schaden, welcher aus der nicht übernommenen Gefahr habe entstehen können, aus derselben auch wirklich entstanden sei; hier liege aber die Möglichkeit vor, daß das Manko in Folge des Transportes in einem offenen Wagen, z. B. durch einen in Folge dessen leichter zu bewerk ftelligenden Diebstahl, entstanden sei.

Kläger bezeichnete dagegen diese Auslegung des Art. 424 Nr. 4 des H.-G.-B. und des §. 22 Nr. 2 des Betriebsreglements als unrichtig und erbot den Beweis, daß die im Frachtbriefe angegebene Anzahl Ballen wirklich aufgegeben, bei Ankunft des Wagens aber nur die Zahl von 127 Ballen vorhanden gewesen sei.

Das Handelsgericht zu Köln ließ durch Urtheil vom 9. Dezember 1873 den Kläger zum Beweise darüber zu: daß er am 20. März 1873 der Beklagten in Venlo zur Beförderung an W. Püllen in Eschweiler Station Buir 139 Ballen Guano im Gewichte von 19958 Pfd. übergeben habe, daß jedoch bei der Ankunft des Waggons, auf welchem der Guano ver

laden, in Buir nur 127 Ballen im Gewichte von 18242 Pfd. auf dem selben vorhanden gewesen seien.

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Es erwog dabei, daß der Diebstahl nicht als eine mit dem Transport in offenen Wagen verbundene Gefahr angesehen werden könne, zumal nicht bezüglich von Collis von dem Gewichte und Umfange, wie die untergebens angeblich in Verlust gerathenen; daß jedoch allerdings gemäß §. 5 Nr. 2 des Betriebsreglements der Eisenbahnen der Frachtbrief, wenn wie untergebens unbestritten geschehen das Auf- und Abladen durch den Absender und den Empfänger geschehen ist, bezüglich der darin über Gewicht oder Menge des Gutes enthaltenen Angaben keinen Beweis gegen die Eisenbahn darstelle, daher der Nachweis des angeblich bei dem Transporte an der Sendung entstandenen Mankos von dem Kläger durch selbständige Beweismittel zu erbringen sei.

Durch Erkenntniß vom 29. Dezember 1874 hat sodann das Handelsgericht nach Anhörung der Aussagen der vernommenen Zeugen in Erwägung, daß der dem Kläger aufgegebene Beweis durch die Aussagen der vernommenen Zeugen als vollständig erbracht anzusehen sei, die Beklagte nach dem Klageantrage verurtheilt.

Gegen beide Urtheile hat Beklagte den Caffationsrecurs eingelegt, welchen sie, wie folgt, zu begründen versucht:

Es wird Verlegung des Art. 424 Nr. 1 und 3 (auch Absatz 2) des H.-G.-B., sowie des Art. 1134 des B. G.-B. in Verbindung mit dem allgemeinen Deutschen Eisenbahn-Betriebsreglement vom 10. Juni 1870 §. 22 gerügt. Unstreitig sei der Transport nach Maaßgabe dieses Reglements auszuführen gewesen und geschehen. Dasselbe gelte daher als Vertragsrecht.

(Art. 279 des H.-G -B.; Entscheidungen des Reichs - Oberhandelsgerichts, Bd. VI, S. 339).

Auch habe das Handelsgericht unter ausdrücklicher Anwendung des §. 5 deffelben die Beweislast regulirt. Nach diesem Vertragsrechte hafte die Caffationsklägerin als Frachtführer nicht für die entweder aus der mit dem tarifmäßig nothwendigen und unbeanstandet geschehenen Transporte in unbedeckten Wagen oder bei dem unstreitig vom Absender respective Empfänger besorgten Auf- und Abladen entstandene Gefahr, und sei bis zum Nachweise des Gegentheils zu vermuthen, daß ein eingetretener Schaden, welcher aus der nicht übernommenen Gefahr habe entstehen können, auch daraus entstanden sei. Ein Verschulden des Bahnpersonals sei nicht zu vermuthen und auch nicht festgestellt. Das Handelsgericht verletze den Art. 424 des H.-G.-B., indem es ununtersucht laffe, ob das etwaige Manko beim Auf- oder Abladen entstanden sein könne. Ferner stelle das Interlocut als principiell leitenden, abstracten Satz hin: daß Diebstahl nicht als eine mit solchem Transporte verbundene Gefahr angesehen werden könne; und darauf beruhe in Ermangelung anderweitiger Begründung auch das Endurtheil. Dies widerstreite aber der in Art. 424 des H.-G.-B. aufgestellten gesetzlichen Vorschrift einer für die Bahnen sprechenden, auf Diebstahlsfälle, die selbstverständlich leichter bei offenen als bei bedeckten Wagen möglich, umfassenden Vermuthung.

(Vergl. Entscheidungen des Reichs-Oberhandelsgerichts Bd. VIS. 175 folgende).

Die fernere Bemerkung: zumal nicht von Collis von dem Gewichte und Umfang wie die untergebens in Verlust gerathenen, sei nur admini

culirend, kein selbständiger aus der concreten Sachlage entnommener Entscheidungsgrund.

In revisorio sei dann Kläger abzuweisen, da höchstens feststehe, was aufgeladen, nicht aber, wie das etwaige Manko entstanden sei; die gegen ihn streitende gesetzliche Vermuthung habe Kläger nicht entkräftet.

Caffationsklägerin beantragt Vernichtung der angefochtenen Urtheile, Rückgabe der Succumbenzgelder und in der Sache selbst kostenfällige Ab weisung des Klägers.

Der Caffationsbeklagte hat diesem Antrage widersprochen. Er sucht auszuführen, daß das Interlocut des Handelsgerichts auf richtigen Grundsätzen beruhe. Denn die Beklagte habe sich auf das Aussprechen der willfürlichen Supposition beschränkt, daß das Gut während des Transports gestohlen sein könne. Sie hätte aber nachweisen müssen, daß es sich um einen Schaden handele, welcher aus der mit dem Verladen in offenem Wagen und mit dem Auf- und Abladen durch den Absender respective Empfänger verbundenen Gefahr habe entstehen könne, da erst beim Feststehen eines Diebstahls zu prüfen gewesen sein würde, ob der Diebstahl unter jene Gefahr falle. Ein etwaiger Rechtsirrthum des Handelsgerichts hierin sei daher gleichgültig. Ein solcher liege jedoch nicht vor, da dasselbe seine Ansicht correct aus dem Gewichte und Umfange der in Verlust gegangenen Ballen entnehme, worin allerdings ein selbstständiger Entscheidungsgrund zu finden sei, da nicht anzunehmen, daß der Richter etwas Ueberflüssiges gesagt habe. Dieser selbständige Erwägungsgrund sei ganz richtig, da ein solcher Diebstahl ohne Betheiligung des Bahnpersonals nicht anzunehmen sei. Die Feststellung des Handelsgerichts enthalte daher sogar den Beweis des Gegentheils von der Voraussetzung des Art. 424 des H.-G-B. In Betreff der mit dem Auf- und Abladen verbundenen Gefahr habe das Handelsgericht die Beweispflicht des Klägers anerkannt, aber demnächst den Beweis für geführt erklärt.

Urtheil:

I. E, daß nach Art. 424 sub 1 des H.-G.-B. bei Frachtgeschäften der Eisenbahnen bedungen werden kann, daß in Ansehung der Güter, welche nach Vereinbarung mit dem Absender in unbedeckten Wagen transportirt werden, für denjenigen Schaden nicht gehaftet werde, welcher aus der mit dieser Transportart verbundenen Gefahr entstanden ist, und daß nach dem vorletzten Absatze dieses Artikels für diesen Fall zugleich als bedungen gilt, daß bis zum Nachweise des Gegentheils vermuthet werden soll, daß ein eingetretener Schaden, wenn er aus der nicht übernommenen Gefahr entstehen konnte, aus derselben wirklich entstanden ist;

Daß unter der mit gedachter Transportart verbundenen Gefahr, wie bereits anderweitig

(vergleiche Entscheidungen des Reichs-Oberhandelsgerichts, Bd. VI .175 folgende),

ausgeführt worden ist, an sich auch der Diebstahl durch Dritte begriffen ift und in Betreff der Gefahr des Diebstahls keine von jener Gefahr überhaupt wesentlich abweichende Grundsäße gelten, und nur anzuerkennen ist, daß zwischen der vereinbarten, die Nichtverantwortlichkeit der EisenbahnGesellschaft bedingenden Transportart und dem Diebstahle im concreten Falle ein erkennbarer Zusammenhang bestehen muß, der Diebstahl also nicht absolut als eine Folge derselben angesehen werden kann, was aber

die eben erwähnte, im Art. 424 des H.-G.-B. aufgestellte gesetzliche Vermuthung nicht zu beseitigen vermag und es daher nicht rechtfertigen würde, die Eisenbahn-Gesellschaft mit dem Beweise zu belasten, daß nach den Umständen des concreten Falles die Ausführung eines Diebstahles durch die vereinbarte Transportart erleichtert sei;

I. E., daß das Handelsgericht, indem es von der zwischen den Parteien unbestrittenen thatsächlichen Annahme ausgeht, daß im vorliegenden Falle der Transport des Frachtgutes in einem unbedeckten Wagen vereinbart und ausgeführt ist, den darauf gestützten Einwand der Cassationsklägerin, daß das Manco von 12 Ballen Guano, für welches sie in Anspruch genommen wird, recht wohl in Folge dieser Transportart, zum Beispiel durch einen in Folge dessen leichter zu bewerkstelligenden Diebstahl entstanden sein könne, aus dem Grunde verworfen hat, weil der Diebstahl nicht als eine mit dem Transporte in offenen Wagen verbundene Gefahr angesehen werden könne;

Daß das Handelsgericht, indem es diesen Satz ganz generell und abstract aufstellt, dem Öbigen zufolge den Art. 424 des H.-G.-B. durch unrichtige Anwendung verletzt hat;

Daß dieser dem Handelsgerichte gemachte Vorwurf auch nicht durch den Zusatz: „zumal nicht bei Collis von dem Gewichte und Umfange, wie die untergebens angeblich in Verlust_gerathenen," beseitigt werden kann, da hieraus nicht deutlich erhellt, daß der vorhergehende Satz nur in der Beschränkung auf den concreten Fall habe ausgesprochen, noch auch daß mit dem zweiten Saße ein anderweitiger selbständiger Entscheidungsgrund habe gegeben werden sollen, nach der Faffung der Entscheidungsgründe des Handelsgerichtes vielmehr angenommen werden muß, daß dasselbe den Diebstahl überhaupt nicht für einen auf die mit dem Transporte in offenen Wagen verbundene Gefahr zurückführbaren Schaden erachtet, unter welchen Umständen es sehr wohl denkbar bleibt, daß das Handelsgericht, falls es nicht von dieser rechtsirrthümlichen Anschauung ausgegangen wäre, auch in dem concreten Falle den Causalnerus zwischem dem Transporte in einem offenem Wagen und einem Diebstahle nicht für ausgeschlossen angesehen haben würde;

Daß daher die angefochtenen Urtheile des Handelsgerichtes, welche durch anderweitige Gründe nicht getragen werden, der Vernichtung unterliegen;

J. E. zur Sache selbst, daß im vorliegenden Falle auch bei dem Umfange und dem Gewichte der in Verlust gerathenen 12 Ballen das Abhandenkommen, resp. der Diebstahl derselben keineswegs außer Zusammenhang mit dem Transporte in einem offenen Wagen steht, vielmehr als durch diese Art des Transportes wesentlich erleichtert erscheint, während ein Verschulden der Bahnverwaltung oder ihrer Leute an dem Verluste, insbesondere eine Betheiligung der letzteren an dem etwaigen Diebstahle, weder behauptet noch nachgewiesen ist, der Klaganspruch daher als unbegründet zurückzuweisen ist;

Aus diesen Gründen

caffirt das Reichs-Oberhandelsgericht, zweiter Senat, die Urtheile des Handelsgerichtes zu Köln vom 9. Dezember 1873 und 29. Dezember 1874, verordnet die Beischreibung dieses Urtheils am Rande der cafsirten, sowie die Rückgabe der Succumbenzgelder und verurtheilt den Cafsationsbeklagten in die Kosten dieses Verfahrens, weist sodann, ́in der Sache selbst erken.

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