Page images
PDF
EPUB

werden kann, daß die citirte Vorschrift des Art. 1304 Abs. 3 über den Anfang des Laufs der Verjährung sich nur auf die aus Art. 503 des B. G.-B. zu erhebende Klage auf Vernichtung solcher Geschäfte beziehen könne, welche von geisteskranken, erst später interdizirten Personen vor ihrer Interdiktion gethätigt worden sind;;

Daß das Gegentheil sich schon aus der im nämlichen Sage rücksichtlich der Geschäfte der Minderjährigen getroffenen analogen Bestimmung ergibt, nach welcher rücksichtlich dieser der Lauf der Verjährung vom Lage der erlangten Großzjährigkeit beginnen soll, indem bei Minderjährigen, welche übrigens mit den Interdizirten rücksichtlich der Handlungsfähigkeit nach Art. 1124 und 1125 ibidem auf derselben Linie stehen, von vor dem Eintritte dieses Zustandes geschlossenen Rechtsgeschäften selbstverständlich nicht die Rede sein kann;

Daß das Gesetz, ohne die von Rechtswegen nichtigen Geschäfte der Interdizirten deshalb als nicht existirend zu betrachten, vielmehr die Klage, deren es bedarf, damit deren Nichtigkeit dem Mitcontrahenten oder Dritten gegenüber in Rechten ausgesprochen und deren Folgen bestimmt werden, aus denselben Rücksichten auf die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs auf die Dauer von zehn Jahren vom Tage der Aufhebung der Interdiktion an hat beschränken wollen, welche ihm die Beschränkung der Klage auf Vernichtung der Geschäfte der Minderjährigen auf die gleiche Dauer vom Tage der Großjährigkeit an geboten erscheinen ließen;

Daß wenn der Art. 503 cit. unter gewiffen Voraussetzungen dem Richter die Nichtigkeitserklärung solcher Handlungen gestattet hat, die vor der Interdiktion von einem damals schon Geisteskranken vorgenommen worden sind, diese Bestimmung des Gesezes doch auch keineswegs den Sinn hat, daß die während des Zeitraums, in welchem die Ursachen der späteren Interdiktion bereits thatsächlich vorhanden waren, abgeschlossenen Rechtsgeschäfte in Folge einer der Interdiktion beiwohnenden rückwirkenden Kraft rechtlich ebenfalls als von einem Interdizirten abgeschlossen betrachtet, und deshalb den nach erfolgter Interdiktion gethätigten auch rücksichtlich der Verjährung der Anfechtungsklage gleichgestellt werden sollten;

Daß gegen eine solche Gleichstellung der aus Art. 503 anfechtbaren Geschäfte mit den nach Art. 502 nichtigen schon der Umstand spricht, daß für die Vernichtung eines Rechtsgeschäfts aus Art. 503 der Nachweis nicht ausreicht, daß schon damals die Geisteskrankheit vorhanden war, welche später die Interdiktion begründet hat, vielmehr zum thatsächlichen Mangel der Dispositionsfähigkeit noch die Notorietät dieses Zustandes, also noch ein weiteres thatsächliches Moment hinzutreten muß;

Daß außerdem in Betracht kommt, daß, wie auch der Art. 504 ergiebt, der spätere Eintritt einer förmlichen Interdiktion keine unerläßliche Voraussetzung darstellt, unter welcher allein die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts aus Art. 503 erfolgen kann;

Daß das Bürgerliche Gesetzbuch nach Art. 502 in Verbindung mit Art. 1124 von dem Principe ausgeht, daß nur die ausgesprochene Interdiktion selbst die Wirkung habe, vom Tage des erlaffenen Urtheils an den Interdizirten zur Eingehung von Rechtsgeschäften unfähig zu machen, während auch die von einem später Interdizirten vor diesem Urtheile abgeschlossenen Rechtsgeschäfte als solche einer dispositionsfähigen Person grundsätzlich aufrecht zu erhalten seien;

Daß der Art. 503 lediglich eine im Interesse der öffentlichen Ordnung und Moral vom Gesetze für nöthig erachtete Ausnahme von diesem

[ocr errors]

Principe zulassen wollte, durch welche verhindert werden sollte, daß der notorische, und deshalb ohne weiteren Nachweis und ohne Zulassung des Gegenbeweises für den Mitcontrahenten bekannt zu betrachtende Zustand eines Geisteskranken zu dessen Nachtheil ungescheut ausgebeutet werde;

Daß dieser Charakter der im Art. 503 ausnahmsweise nachgelassenen Anfechtungsklage früherer Rechtshandlungen es verbietet, die Begünstigung, welche gegen die Regel den Klagen auf Nichtigkeitserklärung eines von dem wirklich Interdizirten geschlossenen Rechtsgeschäfts rücksichtlich des Beginns der Verjährung im Art. 1304 Absatz 3 gewährt ist, über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auch jener Klage aus Art. 503 zu Theil werden zu laffen;

Daß auch der vom Caffationskläger in Bezug genommene Sag: agere non valenti non currit praescriptio im Rheinischen Rechte in dieser Allgemeiheit nicht ausgesprochen, vielmehr wie in den allgemeinen, die Verjährung betreffenden Bestimmungen der Art. 2252 ff, so für die vorliegende Klage in der Spezialbestimmung des Art. 1304 die Thatsachen speziell aufgeführt sind, welche ausnahmsweise als den Beginn und den Verlauf der Verjährung hindernd berücksichtigt werden sollen;

Daß wenn auch der Schutz der Interessen eines Geisteskranken, welchen das Gesetz ihm dadurch gewähren wollte, daß es im Art. 490 jedem Verwandten und dem Ehegatten, und im Art. 491 eventuell auch dem öffentlichen Ministerium die Befugniß beilegte, auf dessen Interdiktion an zutragen, sich nicht überall als ausreichend erweisen möchte, auch hiermit die ausdehnende Anwendung der im Art 1304 Absatz 3 und Art. 1152 lediglich zu Gunsten der schon Interdizirten gegebenen Ausnahmebestimmung auf die aus Art. 503 zu erhebenden Klagen nicht gerechtfertigt werden kann, und dies um so weniger, als die Anfechtung aus Art. 503 wie be reits angedeutet worden, neben dem Nachweise des Mangels der Disposi tionsfähigkeit auch denjenigen der Notorietät der Geisteskrankheit zur Zeit der Geschäftsvornahme, also ein thatsächliches Moment voraussetzt, welches auch bei vollständiger Dispositionsunfähigkeit nicht nothwendig besteht, und als deshalb auch eine solche ausdehnende Anwendung des Art. 1304 Abs. 3 nur in beschränktem Umfange und in einzelnen Fällen als ein weiteres Correctiv gegen die Gefahren betrachtet werden könnte, welche aus dem Zustande eines noch nicht interdizirten Geisteskranken für dessen Interessen entstehen;

Daß der Appellrichter sich sonach einen Rechtsirrthum nicht hat zu Schulden kommen lassen, indem er unter den von ihm festgestellten thatsächlichen Verhältnissen die Klage wegen der bereits vor der Interdiktion der Josephine Commer abgelaufenen zehnjährigen Präscriptionsfrist abge= wiesen hat;

Aus diesen Gründen verwirft das Königl. Ober- Tribunal, fünfter rheinischer Civilfenat, den gegen das Urtheil des Königl Appellationsgerichtshofes zu Köln vom 30. Juli 1875 eingelegten Caffationsrekurs und verurtheilt den Cassationsfläger qualitate qua zu den Kosten.

Sizung vom 9. Mai 1876.

Ref.: H. G. Ob.-Tr.-Kath von Holleben.
Concl.: H. Staatsprokurator Hamm.

Advokaten: Mecke Dorn.

Schenkung. Handgeschenk. Inhaber-Papier. Juristische Person. Landesherrliche

Genehmigung.

Handgeschenke, insbesondere auch von Papieren auf den Inhaber, bedürfen zu ihrer Gültigkeit nicht der Verbriefung durch einen Notarialakt.

Ein Handgeschenk kann wirksam unter einer Bedingung oder mit einer Zweckbestimmung gemacht werden; auch wird dadurch, daß über den Empfang des Geschenkes und dessen Modalitäten nachträglich ein Schriftstück ausgestellt wird, die Rechtsbeständigkeit der durch die Uebergabe der Sache vollzogenen Schenkung nicht beeinträchtigt. Die nach dem Gesez vom 23. Februar 1870 zur Gültigfeit einer Schenkung, welche einer Corporation oder einer andern juristischen Person zu einem bisher nicht genehmigten Zwecke gemacht ist, erforderliche landesherrliche Genehmigung wird nicht dadurch unnöthig, daß die beschenkte Anstalt nachträglich zu dem Zwecke, welchem die Schenkung gewidmet sein soll, die Genehmigung erhält.

[blocks in formation]

Gegen das im 66. Bande I. Abtheilung S. 220 des Archivs abge: druckte Urtheil des Appellations - Gerichtshofes hat der Appellat Johann Bruchhausen den Cassationsrekurs eingelegt und zu deffen Begründung zwei Cassationsmittel geltend gemacht:

1. Verletzung der Art. 893, 894 und 931 des B. G -B.

Schon die Voraussetzung, von welcher der Appellationsrichter ausgehe, daß Handgeschenke von Mobilien gültig seien, könne wenngleich im Einflang mit der herrschenden Lehre als richtig nicht anerkannt werden. Nach Art. 893 B. G. B. könne man unter einem wohlthätigen Titel nur durch Schenkung unter Lebenden oder Testament in den unten zu bestimmenden Formen verfügen; nach der Definition des Art. 894 loc cit. fiege hier eine Schenkung vor, und zufolge Art. 931 loc. cit. bedürfe es der Errichtung eines notariellen Vertrages über die Schenkung. Vergeblich suche man nach Bestimmungen, die auch nur indirekt die Anerkennung der Gültigkeit eines Handgeschenkes enthielten. Der Art. 2279 könne hier nicht herangezogen werden, weil der Satz: en fait de meubles possession vaut titre, für die Rechtsverhältnisse zweier sich direkt gegenüberstehender Contrahenten keine Bedeutung habe. Das gewichtigste Argument für die herrschende Lehre sei, daß die Handgeschenke im älteren fränzösischen Rechte als gültig anerkannt gewesen, und aus den Verhandlungen des gesetzge benden Körpers, insbesondere den Erklärungen des Tribunats die Auffassung hervorgehe, daß man den Grundsatz des älteren Rechts habe aufrecht erhalten wissen wollen, indeß diese Auffaffung habe in den Worten des Gesetzes keine Anerkennung gefunden. Der absolute Ausspruch des Gesetzes zwinge vielmehr dazu, jede Schenkung, welche nicht

durch einen notariellen Vertrag beurkundet sei, für formungültig zu er

flären.

Jedenfalls sei aber die Anschauung des Appellationsrichters verwerfs lich, daß den Mobilien die Papiere auf den Inhaber gleichzustellen. Nur Mobilien, nicht Forderungen könnten einfach von Hand zu Hand geschenkt werden. Wenn nun auch bei Papieren auf den Inhaber mit dem Besitz der Urkunde das Recht selbst übergehe, so bleibe lettere doch nur die Bescheinigung, die Forderung selbst werde durch die Form ihrer Uebertragung noch keineswegs zu einer körperlicher Sache. In Uebereinstimmung mit den bei Sireh Gilbert Art. 894 Nro. 10 citirten Urtheilen und Schriftstellern dürfte daher der angeblich im neueren Recht anerkannte Sag von der Gültigkeit der Handgeschenke auf Mobilien zu beschränken sein.

Zweifellos gelte aber der Satz nicht da, wo zwar eine bewegliche Sache hingegeben, aber an die Hingabe Vorbehalte und Bedingungen geknüpft werden, welche dauernde kontraktliche Verpflichtungen des Schenknehmers erzeugten. In diesem Falle liege nicht ein vollzogenes, abgemachtes Geschäft, eine vollendete Thatsache, vielmehr die Constituirung Die rechtlichen Beziehungen eines eigentlichen Schenkvertrages vor. zwischen Schenkgeber und Schenknehmer seien nicht durch die Hingabe er ledigt, und auf diesem Grunde beruhe doch die Theorie von der Gültigkeit der Handgeschenke. Hierzu komme noch, daß im vorliegenden Falle der Kaplan Köllen über den Empfang des Geschenkten und die gemachten Vorbehalte ein Privat-Anerkenntniß ausgestellt habe. In einem solchen Falle aber könnten die Grundsätze vom don manuel nicht Plaß greifen. Werde einmal eine Urkunde aufgenommen, so liege kein Handgeschenk vor, und die Urkunde müsse, um wirksam zu sein, in der Form eines NotarialAftes errichtet werden.

II. Verletzung des Art. 910 des B. G.-B., der §§. 1, 2 und 5 des Gesetzes vom 13. Mai 1833 und §§. 1 und 2 des Gesetzes vom 23. Februar 1870.

Der Appellationsrichter gehe davon aus, daß auch Handgeschenke, die an Kirchen und öffentliche Anstalten gemacht würden, der landesherrlichen Genehmigung bedürften, nehme aber au, daß für die hier fragliche zu einem bestimmten neuen Zwecke gemachte Schenkung unter tausend_Thlr. eine solche nicht erforderlich sei, weil eine spätere anderweit zu gleichem Zwecke geschehene Zuwendung landesherrlich genehmigt worden. Das sei rechtsirrthümlich. Die Nothwendigkeit der Genehmigung müsse nach der Zeit der Schenkung beurtheilt werden, und die Genehmigung einer spätern Zuwendung mit gleicher Zweckbestimmung decke nicht die frühere Schenfung. Wo das Gesetz die landesherrliche Genehmigung fordere, müffe diese unbedingt eingeholt werden. Hinsichtlich der Gründe der Ertheilung sei der Landesherr unbeschränkt, und könne 3. B wegen Unzulänglichkeit der Mittel für eine Stiftung, wegen Bedürftigkeit der Intestaterben die Genehmigung versagt werden. Ob dieselben im vorliegenden Falle, wenn sie nachgesucht wäre, ertheilt sein würde, lasse sich nicht beurtheilen. Beantragt wurde:

Das angefochtene Urtheil zu cassiren und der Caffationsverklagten die Kosten zur Last zu legen, sodann in der Sache selbst die Berufung gegen das erste Erkenntniß kostenfällig zu ver: werfen.

Seitens der Cassationsverklagten wurde erwidert:

I. Die Praxis erachte allgemein Handgeschenke auch ohne Beurkundung durch einen notariellen Akt gültig, und es sei keine Veranlassung, von diesem Grundsatze abzugehen. Es gelte das auch von Papieren auf den Inhaber, die Träger der Obligation seien und den beweglichen förperlichen Sachen in Beziehung auf die Eigenthums-Uebertragung völlig gleich ständen.

Die Ausstellung einer Empfangsbescheinigung unter Anerkennung der Modalitäten der Schenkung könne die Gültigkeit des durch die Uebergabe vollzogenen Geschenkes nicht beeinträchtigen.

II. Das Gesetz vom 13. Mai 1833, unter dessen Herrschaft die hier fragliche Schenkung erfolgt sei, erkläre keineswegs vergl. §§. 4 und 10 eine Schenkung, der die erforderliche landesherrliche Genehmigung fehle, für nichtig; es komme vielmehr Alles in Ordnung, wenn zu irgend einer Zeit dieselbe ex post ertheilt werde.

Daraus folge klar, daß wenn in Folge der Genehmigung der Anstalt, für welche das Geschenk bestimmt gewesen, und mit Rücksicht auf das geringe Maaß der Schenkung die Nothwendigkeit der landesherrlichen Genehmigung fortgefallen sei, nunmehr die Wirksamkeit der Schenkung nicht länger von der letzteren abhängig gemacht werden könne. Die Er theilung der Genehmigung würde, weil nicht mehr nothwendig und somit überflüssig, abgelehnt werden.

Der Antrag der Cassationsverklagten geht auf kostenfällige Verwerfung des Returses.

Es erging hierauf folgendes

Urtheil:

J. E., daß das angefochtene Urtheil thatsächlich feststellt, daß zufolge Quittung des Kaplans Köllen vom 18. Februar 1870 die Erblasferin des Klägers dem genannten Kaplan drei Kölnische Stadt-Obligationen à 100 Thlr. als Geschenk an den Vorstand der Kassationsverklagten zum Zweck des Neubaues einer Kinderbewahr. Anstalt nebst Waisenhaus unter Vorbehalt des lebenslänglichen Zinsengenuffes übergeben und die Caffationsverklagte dieses Kapital erhalten hat;

Daß das Urtheil sodann davon ausgeht, daß hier ein auch ohne Aufnahme eines Notarialaktes gültiges Handgeschenk vorliege, daß Handgeschenke, die Kirchen und öffentlichen Anstalten zugewendet würden, der Regel nach der landesherrlichen Genehmigung unterworfen seien, im vorliegenden Falle aber eine solche Genehmigung, die gesetzlich der Annahme nachfolgen könne, nicht erforderlich erscheine;

J. E. zum ersten Cassationsmittel:

Daß in der Rechtslehre und Rechtsprechung übereinstimmend anerkannt ist, daß, wie im älteren französischen Rechte, ebenso unter der Herrschaft des Bürgerlichen Gesetzbuchs Handgeschenke auch ohne Verbriefung durch einen Notarialakt gültig sind;

Daß dieser Sat weder gegen den Art. 893 des B. G.-B., der das Prinzip sanktionirt, daß Verfügungen à titre gratuit nur durch Schenkung unter Lebenden oder Testament geschehen können, noch gegen den Art. 894 loc cit., der an jenen anknüpfend die materiellen Erfordernisse der Schenkung aufstellt, verstößt, ebensowenig aber auch den Art. 931 loc. cit. verlegt, da dieser die Form der Schenkungsakte actes portant donanormirt, keineswegs aber die Bedeutung hat, wie es bei der

tion

-

« PreviousContinue »