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Einleitung.

§ 1. Der Begriff der Staatsdienstbarkeit in der modernen RechtsWissenschaft und Staaten-Praxis.

Der Begriff der Dienstbarkeit ist an sich rein privatrechtlicher Natur. Schon sehr frühe aber begegnen wir demselben auch im Gebiet des öffentlichen Rechts in Anwendung auf Rechtsverhältnisse des Staats- und Völkerrechts; und auch für die Gegenwart hat das Institut der Staatsdienstbarkeit nicht etwa bloß nur historisches Interesse, vielmehr wird mit diesem Begriff in weitem Umfang in der Staats- und Völkerrechtsdoktrin operiert.

Werfen wir zunächst einen Blick in die neueste staatsrechtliche Litteratur des deutschen Reiches, so berührt z. B. Hänel1) das Rechtsverhältnis der Staatsdienstbarkeit bei der Betrachtung des Art. 76 Abs. 1 der Reichsverfassung.

Er sagt: „Die Bestimmung der Verfassung trifft auch diejenigen Streitigkeiten, welche durch die staatliche Natur der Beteiligten bedingt sind. Und für die letzteren ist es vollkommen gleichgiltig, ob sie das Recht oder den Besißstand betreffen, ob sie sich auf Verträge oder auf sonstige Rechtstitel stüßen, ob sie im Sinne der Unterscheidungen, welche bei dem Austrägalverfahren des deutschen Bundes behauptet wurden, sich als Rechts- oder Interessenstreitigkeiten qualifizieren, ob der Anspruch obligatorischer oder wie bei Grenz-, Ter= ritorial, Staatsservitutensachen dinglicher Artist.“

1) Alb. Häne 1, Deutsches Staatsrecht II. Abt. des Handbuchs der deutschen Rechtswissenschaft. Hgb. von Binding S. 574. vgl. auch a. a. D. S. 538.

Clauß, Staatsdienstbarkeit.

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Ebenso in seinen Studien zur deutschen Reichsverfassuug 1), wo er den Begriff der Staatsservitut näher erläutert. Es ist der nämliche Irrtum, sagt er daselbst, wie im Privatrecht, wenn man die durch völkerrechtliche Verträge begründeten Rechtsverhältnisse lediglich be= trachtet als vertragsmäßige d. h. als den obligatorischen des Privatrechtes analoge Rechtsverhältnisse, welche sich nur dadurch unterscheiden, daß hier ein vermögensrechtliches dort ein politisches Interesse obwaltet. Der äußerste Punkt wird gebildet durch die rechtliche Mög= lichkeit, daß durch den völkerrechtlichen Vertrag der eine dem andern einverleibt und damit ein lediglich staatsrechtliches Herrschaftsverhältnis begründet wird. Auf der entgegengesezten Seite, aber noch außerhalb eines nur vertragsmäßigen Verhält= nisses steht es, wenn ein einzelnes Hoheitsrecht von seiten des einen Staates nicht nur zur Ausübung sondern zu eigenem Rechte an den andern Staat vertragsmäßig abgetreten wird, wie dies bei sog. Staatsservituten der Fall sein kann."

Auch bei Laband begegnen wir dem Begriff der Staatsservitut. In seinem Staatsrecht des deutschen Reichs) sagt er: „Dem Auslande gegenüber hat das Reich am Bundesgebiet alle diejenigen Rechte, welche nach den Grundsägen des Völkerrechts dem Souverän des Einzelstaates an seinem Staatsgebiet zustehen und die in dem Saß sich zusammenfassen lassen, daß jeder andere Staat, soweit ihm nicht rechtsgültig Staatsservituten bestellt sind, die Ausübung von Hoheitsrechten an dem Bundesgebiet unterlassen muß.

Im Staatenbund kann jeder einzelne Staat einem auswärtigen Staate Staatsservituten bestellen, ihm die Ausübung von Hoheitsrechten erlauben . . . . Im Reiche als einem Bundesstaat kann kein Einzelstaat einem fremden Staat Eingriffe in die Gebietshoheit ge= statten. Dies kann nur das Reich selbst. Die Bestellung von Staatsservituten, die Erlaubnis von Truppendurchmärschen,

1) Alb. Hänel, Studien zur deutschen Reichsverfassung 1873 I S. 34. 2) Laband, das Staatsrecht des Deutschen Reichs II. A. 1888 S. 186.

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