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vituten ') i. e. S. dauernde Beschränkungen der Gebietshoheit eines Staates die meist -wenn auch nicht notwendig --- einseitig zu Gunsten eines andern Staats kraft besonderen Rechtstitels konstituiert werden. Wesentliches Erfordernis hiebei ist, daß die völkerrechtliche Persönlichkeit des beschränkten Staats nicht aufgehoben wird. Deshalb dürfen weder einzelne Hoheitsrechte ganz noch die Gesamtheit der Hoheitsrechte zur Verfügung des herrschenden Staats gestellt werden; denn beides würde freiwillige Unterwerfung sein 2).

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v. Holzendorff 3) gibt in seinem Handbuch eine vollständige Theorie der Staatsservituten. Seine Ansichten darüber werden in dem dogmatischen Teile zur Darstellung kommen. Hier wollen wir der Vollständigkeit wegen nur anführen, wie er Staatsservituten definiert. Eine völkerrechtliche internationale Staatsdienstbar

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keit, sagt er, ist dann gegeben, wenn die Gebietshoheitsrechte eines souveränen Staats zu Gunsten eines einzelnen Staates oder mehrerer anderer Staaten dauernd in der Weise beschränkt sind, daß innerhalb des gleichsam dienstbaren Gebiets an sich berechtigte Verfügungen der Staatsgewalt über ihren Grund und Boden unzulässig oder an sich unzulässige Verfügungen einer fremden Regierung zulässig gemacht werden".

§ 15. Die Gegner des Rechtsinstituts der Staatsdienstbarkeit *).

An Gegnern des Rechtsverhältnisses der Staatsservitut hat es in der Litteratur zu keiner Zeit gefehlt. Schmidt) hat wenn gleich aus unzutreffenden Gründen die Berechtigung des Instituts überhaupt in Zweifel gezogen. Dresch ) und K. S. Zachari ä 7) bestreiten zwar 1) Hartmann a. a. D. nennt die Staatsservituten unzweckmäßig Völkerdienstbarkeiten.

2) Hartmann a, a. O.

4) Bulmerincq a. a. D.

3) Holzendorff a. a. D.

Gareis a. a. D. vergl. auch Schmidt,

Dresch, Zachariä (K. Sal.) und Bluntschli je a. a. D.

5) Schmidt a. a. D. o. S. 66 ff.

6) Dresch a. a. D. v. S. 78 ff.

7) K. Sal. 3 a chariä a. a. D. v. S. 78 ff. Vergl. auch Artopä us

a. a. D. o. S. 51 ff.

nicht das Vorhandensein von Staatsservituten überhaupt, aber sie leugnen, daß Staatsservituten zum Gegenstand Hoheitsrechte haben können. Auch Bluntschli') stellt die Berechtigung des Rechtsverhältnisses der Staatsdienstbarkeit, wie wir gesehen, auf schwache Füße.

In der neuesten Zeit ist es neben Gareis 2) insbesondere Bulmerincq, der das Absehen auf Beseitigung der Staatsservituten als völkerrechtliches Rechtsinstitut gerichtet hat. Uebereinstimmend mit Dresch und K. Sal. Za cha riä behauptet er, daß Staatsdienstbarkeiten nur Eigentumsbeschränkungen eines Staats Beschränkungen in der Disposition über das Staatseigentum zu Gunften eines andern seien. Gegenstand der Staatsservituten können nach seiner Meinung nur Eigentumsrechte sein. Die Lehre, sagt er, wonach als Staatsdienstbarkeiten gar hohe Regalien des verpflichteten Staats oder einzelne wesentliche Hoheitsrechte, wenn auch nie ganz zur Verfügung des herrschenden Staates gestellt werden können, oder Einschränkungen in Bezug auf die Ausübung oder Nichtausübung derselben zugestanden werden, scheint bei der heutigen Ausbildung, Einheitlichkeit und Unteilbarkeit der Staatssouveränetät kaum mehr haltbar zu sein. Die Verpflichtung zu einer solchen Staatsdienstbarkeit

1) Bluntschli a. a. O. o. S. 121 f.

2) Gareis a. a. O. Er rechnet die sog. Staatsservituten unter die internationalen jura in re aliena. Im weiteren Sinn sind es vertragsmäßige oder herkömmliche Beschränkungen der Staatshoheit; im engern Sinn sind es die realen Beschränkungen der Gebietshoheit, ohne daß jedoch aus dieser Bezeichnung auf die Notwendigkeit der Uebernahme derselben durch den Staatssuccessor geschlossen werden dürfte. Uebernimmt der neue Staat, sagt er, ausdrücklich die Territorialhoheit des vorhergehenden wie sie dermalen ist, so übernimmt er auch zu seiner Belastung die Staatsservituten, durch welche sie eingeengt ist. Es ist aber nicht notwendig, daß er die Territorialhoheit übernimmt, wie sie dermalen ist, sondern daß er seine eigene Territorialhoheit etabliert, welcher jene Beschränkungen fremd sind. Es kann aber irgend ein politisches Interesse ihn dazu bestimmen, das Vorgefundene zu acceptieren. Der Inhalt der Staatsservituten ist stets eine zeitlich oder räumlich begrenzte oder sonstwie teilweise Verzichtleistung auf die Ausübung eines Hoheitsrechts". Damit scheint aber das Wesen der Staatsservitut überhaupt negiert zu sein.

widerspricht der Souveränetätswürde des Staats"). Die Lehre ist nach seiner Meinung aber auch insofern bedenklich, „da bei mindermächtigen Staaten eine Staatsdienstbarkeit, durch welche ein solcher Staat eine Ausübung seiner Hoheitsrechte in seinem Gebiet durch einen andern Staat zuläßt, leicht eine unstatthafte Intervention verhüllt“. Ueberhaupt aber, fährt er fort, wäre die Lehre von den Staatsdienstbarkeiten, soweit es sich um das Recht eines Staates handelt, in Bezug auf welches einem andern Staat eine Dienstbarkeit eingeräumt wird, einfach auf die Konzessionen zu begründen, welche sich die Staaten in Bezug auf die Ausübung ihrer Hoheitsrechte zu Gunsten der internationalen Rechtsgemeinschaft zu gewähren haben. Damit würde ein für die sog. Staatsdienstbarkeiten wenig geeigneter sachlicher und privatrechtlicher Standpunkt verlassen und ein persönlich obligatorischer und publizistischer begründet, wie er dem Wesen eines öffentlichen Rechts weit mehr entspricht“.

Gegen Bulmerincq3 vorzugsweise von politischen Erwägungen eingegebene Bedenken gegen das Rechtsverhältnis der Staatsservituten kann man zunächst auf die einfache Thatsache hinweisen, daß die Praxis der Staaten, wie wir in der Einleitung gesehen haben, thatsächlich servitutähnliche Rechtsverhältnisse im Völkerrecht anerkennt. Die Macht der Thatsachen ist auch hier stärker als alle theoretischen und politischen Bedenken; die Theorie hat sich also mit diesem Rechtsverhältnis abzufinden, nicht umgekehrt die Thatsachen mit der Theorie. Warum sodann die Verpflichtung zu einer Staatsdienstbarkeit, die ein Hoheitsrecht zum Gegenstand hat, der Souveränetätswürde des Staats widersprechen soll, ist nicht recht erfindlich. Manifestiert sich nicht in besonderer Weise gerade darin die Souveränetät des Staats sich selbstgewollte Beschränkungen aufzuerlegen. Auch das Bedenken, das

1) Bulmerincq a. a. D. Aus dieser Anschauung heraus rechtfertigt Bulmerincq das Verfahren Rußlands, das sich unter Zustimmung der andern kontrahierenden Staaten von den in Bezug auf das Schwarze Meer hinsichtlich der Haltung von Kriegsschiffen und der Anlage von Seearsenalen auferlegten Dienstbarkeiten einseitig befreit hat.

er unter angeblicher Berufung auf Heffter') gegen das Rechtsinstitut vorbringt, daß bei mindermächtigen Staaten eine Staatsdienstbarkeit leicht eine unstatthafte Intervention verhüllen könne, kann von rechtlichen Gesichtspunkten nicht stichhaltig sein. Eine unstatthafte Intervention ist eben rechtswidrig, und das Völkerrecht hat sich mit dem zu beschäftigen was Rechtens ist. Solange die Staatsservitut in den Grenzen des Vertrags ausgeübt wird, kann von einer Intervention überhaupt nicht die Rede sein.

Der positive Vorschlag Bulmerincq's geht dahin, die sog. Staatsdienstbarkeiten auf die Konzessionen zu gründen, die sich die Staaten zu Gunsten der internationalen Rechtsgemeinschaft zu gewähren haben. Wenn nun auch diese Konzessionen, wie Bulmerincq sagt, nicht als Gunsterweisungen aufzufaffen sind, sondern sich aus den Verpflichtungen der Glieder der internationalen Rechtsgemeinschaft ergeben und ein gegenseitiger rechtlicher Anspruch für dieselben begründet wird 2), so dürfte das bei den thatsächlich bestehenden Staatsservituten nicht der Fall sein. Staatsservituten sind Rechtsverhält= nisse singulärer Art; meist sind es einseitige Verpflichtungen, und find in vielen Fällen wesentlich als Gunsterweisungen aufzufassen, bei welchen das Prinzip der Gegenseitigkeit fehlt. Außerdem ist der Begriff der Konzession ein so allgemeiner, daß durch ihn das eigenste Wesen der fraglichen Rechtsverhältnisse eher verdunkelt als beleuchtet werden kann.

Wenn endlich Bulmerincq die Verwendung der juristischen Bezeichnung von Staatsservituten für die fraglichen Verhältnisse bemängelt, weil der sachenrechtlich privatrechtliche Begriff der Servitut für das öffentliche Recht wenig geeignet sei, so möchten wir vor allem

1) Heffter läßt in seinem System auf die Lehre von den Staatsdienstbarkeiten das Interventionsrecht folgen. S. o. S. 118.

2) Bulmerinc q a. a. D. § 27 S. 207 f. Ein rechtlicher Anspruch hiezu wird jedoch auch hier nur durch die bezüglichen Vereinbarungen ge= schaffen. Die bloße Thatsache der internationalen Rechtsgemeinschaft ist wohl das Motiv für bestimmte Konzessionen, niemals aber kann sie rechtliche Ansprüche begründen. Vergl. über diese Konzessionen auch Störk in Holzendorffs Handbuch II. S. 591, Note 5.

zunächst darauf hinweisen, daß auch sonst im öffentlichen Recht anstandslos mit privatrechtlichen Begriffen operiert wird. Wenn es öffentlichrechtliche Verträge gibt, warum soll es nicht auch öffentlichrechtliche Servituten geben können. Eine Gefahr für die Theorie und Praxis entsteht nur, wenn man auch die für die privatrechtlichen Institute geltenden Grundsäße auf öffentliche Rechtsverhältniffe überträgt.

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Was sodann den sachenrechtlichen gegenüber dem persönlich-obligatorischen Standpunkt bei öffentlichen Rechtsverhältnissen betrifft, so ist kaum abzusehen, warum der lettere dem Wesen des öffentlichen Rechts weit mehr entspreche als der erstere. Daß der Grund und Boden eines Staats das Gebiet gegenüber dem Ausland in vielen Beziehungen und Funktionen juristisch dem Privateigentum analog behandelt wird, das Recht an demselben als Sachenrecht erscheint, das dürfte auch die Erscheinung rechtfertigen, daß man auf diesem Gebiete mit sachenrechtlichen Bezeichnungen, hier mit dem der servitus operiert.

Schließlich kann auch noch darauf hingewiesen werden, daß vom theoretischen Standpunkt aus eine bequeme Bezeichnung für die fraglichen Rechtsverhältnisse wünschenswert erscheint. Der Ausdruck Servitut ist aber hiefür nicht nur bequem sondern auch zutreffend.

§ 16. Die Lehre von den Staatsdienstbarkeiten in der modernen außerdeutschen Litteratur des Völkerrechts 1).

Die Theorie von den Staatsservituten, deren Ursprung auf deutschstaatliche und deutschrechtliche Verhältnisse zurückzuführen ist, verdankt

1) Henry Wheaton (geb. 1785 † 1848). Éléments du droit international. Franzöf. Ausg. Leipzig-Paris 1848. tome I. S. 242. Charles Calvo: le droit international théorique et pratique. 4 Bände. 3. édit. Paris 1880/81. tom. I. § 647. Pradier-Fodéré, Traité de droit international public Européen et Américain. 4 Bände. 1885. Paris tome II. § 834-845. Pasquale Fiore. Trattato di diritto internazionale pubblico. 3. edit. Torino 1887. 2 Bände. Band I. § 367 f. und II. § 850 f. Will. Edw. Hall. A Treatise on international. Law. 3. edit. Orford 1890. S. 157. R. Phillimore. Commentaries upon international Law. III. ed. Lond. 1879. Band I. c. XV. § 277–284.

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