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ihre Ausbildung und Entwicklung vorzugsweise der deutschen Wissenschaft. In der außerdeutschen Litteratur wurde dem Institut lange Zeit wenig Beachtung geschenkt, und auch von den neueren Schriftstellern bringen dem Rechtsinstitut der Staatsdienstbarkeit nur wenige ein besonderes Intereffe entgegen. Sie schließen sich in ihrer Theorie ganz an die Deutschen an und eröffnen für dieselbe wenig neue Gesichtspunkte.

Entsprechend diesem Charakter der ausländischen Litteratur über Staatsservituten begegnen wir auch denselben 3 Gruppen von Autoren wie in der deutschen Litteratur. Abgesehen von denen, die das Rechtsinstitut der Staatsservitut nur flüchtig berühren 1), erscheinen bei denselben die Staatsservituten teils als Beschränkungen der Staatshoheit im allgemeinen 2), teils als Beschränkungen der Gebietshoheit 3), teils aber wird die Berechtigung des Instituts bestritten *), wenn dies auch nicht ausdrücklich geschieht.

Wheaton kommt auf das Institut der Staatsdienstbarkeiten zu sprechen im Zusammenhang mit der Lehre von den Verträgen. Er stellt die Verträge, durch welche eine servitude permanente geschaffen wird in eine Linie mit den Verträgen über Cession, Grenzberichtigung und Tausch von Gebietsteilen und faßt sie zusammen unter den conventions transitoires perpetuelles de leur nature; dieselben bestehen, wenn sie einmal zur Ausführung gebracht sind, unabhängig von jedem Wechsel in der Souveränetät und in der Form der Regierung der Paciscenten; und wenn auch ihre Wirksamkeit durch Krieg suspendiert werden kann, so leben sie doch mit der Rückkehr des Friedens ohne ausdrückliche Stipulation wieder auf 5).

Hall berücksichtigt das Rechtsverhältnis der Staatsservitut nur in einer Note zu dem § 42 seines Werkes, wo er über das Rhigt of foreign states to the innocent use of the territorial seas of a state spricht. Nachdem er einige Beispiele von sog. Staatsservituten angeführt, sagt er: These and such like privileges most however be set up by treaty or equivalent agreement. The only servitudes which have a general or particular customary basis are: 1) the right of 1) Wheaton a. a. O. Hall a. a. O. 2) Fiore a. a. O. 3) Pradier Fodéré a. a. O. 4) Calvo a. a. O. 5) Wheaton a. a. D. S. 242.

innocent use of territorial seas, 2) military passage through a foreign state to outlying territory, 3) customary rights over forests pastures and waters for the benefit of persons living near a frontier which seem to exist in some places" ").

Fiore) behandelt die Staatsservituten als Beschränkung der autonomia des Staats, die das wichtigste Fundamentalrecht der Staaten ist 3), im Zusammenhang mit der Halbsouveränetät und den Beschränkungen, welche aus der Vereinigung mehrerer Staaten zu einem Bundesstaat hervorgehen. Er definiert die servitu di diritto internazionale als restrizioni della completa indipendenza dello stato durch ein patto in vista del quale uno stato si sia obbligato a fare o a soffrire qualche cosa a vantaggio di un altro.

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Für die Beurteilung des Rechtsverhältnisses stellt dann Fiore noch sechs Regeln auf, die aber keine neuen Gesichtspunkte bieten 1). Pradier F o dé ré entwickelt seine Theorie über Staatsservituten im Zusammenhang mit dem Erwerb der propriété territoriale. Er definiert die Staatsservituten als restrictions conventionelles et perpétuélles apportées à la souveraineté territoriale des États en faveur d'autres États 5). Sie sind ein dauerndes Realrecht (droit reél permanent) sowohl in Bezug auf den verpflichteten als auf den berechtigten Staat 6)

mais ne peuvent avoir pour effet, de

rendre une nation entièrment dépendante d'une autre.

ou

Nach seiner Meinung sind Gegenstände der servitudes publiques internationales außer Souveränetätsrechten und Regalien auch das domaine public. Alle Servituten haben aber den Charakter von Realservituten. Personalservituten gibt es im internationalen

1) Hall a. a. D. S. 157.

2) Fiore a. a. O. 3) A. a. D. § 363. 4) A. a. O. § 368. vergl. auch §§ 850 f.

5) Prad. Fodéré a. a. D. § 835.

6) Fodéré a. a. O. § 835. Wenn der Territorialbesig eines Staates daher auf einen andern Staat übergeht, hören die Servituten, welche auf ersterem lasten, nicht auf, sondern fallen dem neuen Besiger zur Last, sofern sie nicht gerade zu seinem Vorteil bestanden haben. A. a. D. § 845.

Clauß, Staatsdienstbarkeit.

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Recht nicht sujétions ').

l'indépendance des États s'opposant à de pareilles

Nicht den Charakter von internationalen Servituten haben nach der Ansicht Fodérés Beschränkungen resultant de la nécessité pour les États de vivre en paix les uns à côté des autres z. B. l'obligations de laisser les étrangers s'établir sur leurs territoires, celle de ne pas rompre les relations diplomatiques avec les autres États et de ne pas s'isoler, l'obligations d'autoriser la navigation sur les grands fleuves et dans la mer territoriale). Fodéré verwirft auch die sog. servitudes internationales naturelles. Ce ne sont que des limitations des droits souverains provenant de l'ordre naturel des choses, des conséquences necessaires, des rapports naturels des États appelés à se developper les uns à côté des autres, des restrictions auxquelles aucun d'entre eux ne peut se soustraire sans altérer les rapports du bon voisinage 3).

Allein er vergißt, wie auch andere Autoren gethan, daß die servitudes publiques ou internationales sont restrictions apportées à la souveraineté territoriale, wenn er unter diesen auch folgende Rechtsverhältnisse begreift, l'obligation de tolerer sur une partie de son propre territoire qu'une puissance étrangère y fasse un acte politique ou d'administration quelconque, y exerce la justice, la police, la jurisdiction militaire) und z. B. l'obligation de ne pas tenir sur pied plus d'un certain nombre de soldats, celle de ne construire que des navires de guerre d'une espèse déterminée 5).

Bezüglich der Erwerbsgründe und der Interpretation der Verträge folgt Fodéré im wesentlichen Heffter ®). Neben den sonst in der Theorie genannten Erlöschungsthatsachen nennt Fodéré im Anschluß

1) Prad.-Fodéré a. a. O. § 836.

2) v. Holzendorff a. a. O. § 52. n. 11 behauptet das Gegenteil. 3) Fodéré a. a. D. § 839.

4) A. a. D. § 840. 5) a. a. D. § 841.

6) a. a. D. § 843 f.

vergl. Heffter a. a. D. § 42, S. 103. Bestellung ist nur denkbar durch Vertrag ohne Tradition; jedoch kann die rechtmäßige Erwerbung auch durch einen unvordenklichen Besitstand vertreten werden.

im allgemeinen an Heffter und Bluntschli auch die, lorsque les servitudes sont devenues incompatibles de la constitution, les principes politiques, les besoins de l'État servant. Als Präcedenzfall führt er an das Dekret der französischen Nationalversammlung vom 28. Okt. 1790, durch welches (gegen Schadensersah) les droits seigneuriaux et féodaux der Deutschen Fürsten in den Departements des Ober- und Niederrheins aufgehoben wurden in Anbetracht „qu'il ne peut y avoir dans l'étendue de l'empire français d'autre souveraineté que celle de la nation" 1).

Während Fodéré die Lehre von den servitudes internationales in der Gebietslehre erörtert, handelt Calvo von denselben in der Lehre von den Verträgen 2). In Wirklichkeit sind sie ihm auch nichts anders als Verträge; ihre Existenz steht und fällt mit dem Vertrag. Il est des traités, sagt er, qui créent une véritable servitude de droit public en faveur d'une nation sur le territoire d'une autre. Die servitude ist nach seiner Meinung nur ein usage toléré und ne peut se convertir en obligation formelle ayant tous les caractères d'un droit strict qu'à l'aide d'un pacte, d'un contrat ou d'une stipulation direct passé ad hoc entre les parties intéressées. Le droit d'usage est par lui-même incomplet mais susceptible dans certaines circonstances données de devenir un droit de nécessité de force majeure". In diesem Sinn sind ihm servitudes de droit public vorzugsweise die servitudes de passage in den Fällen, wo ein Territorium ganz von dem andern eingeschlossen ist, oder wo ein Teil desselben im andern enklaviert ist. Diese Servituten können nach seiner Ansicht zwar durch den Krieg suspendiert werden, sie leben aber nach Wiederherstellung des Friedens in vollem Umfang wieder auf, sofern nicht durch den Friedensschluß die wesentlichen Bedingungen für die Ausübung alteriert wurden 9).

Es gibt aber auch „servitudes de droit public, que des raisons d'humanité ou un avantage réciproque laissent subsister intactes

1) Fodéré a. a. D. § 845.

2) Calvo a. a. O.

3) Vergl. Wheaton a. a. D. v. S. 128.

pendant la durée des hostilités z. B. celles des eaux, du libre parcours des bestiaux et des relations quotidiennes entre frontaliers“. Daß die leztgenannten Rechtsverhältnisse den Charakter von Servitutverhältnissen nicht besißen, dürfte ohne weiteres klar sein.

2. Abteilung.

Dogmatische Darstellung der Lehre von den Staatsdienstbarkeiten 1).

1. Abschnitt.

Begriff und Wesen der Staatsdienstbarkeiten.

§ 17. Im Allgemeinen.

Der Begriff der Staatsservitut hat sowohl in der staatsrechtlichen als in der völkerrechtlichen Litteratur eine weitverbreitete aber nicht unbestrittene Anwendung.

1) Die Bezeichnungen für das Rechtsverhältnis der Staatsdienstbarkeit sind außerordentlich mannigfaltig. In den staatsrechtlichen Erörterungen treffen wir die Ausdrücke: servitus juris publici, servitus publica, servitus jur. publ. particularis, servitude du droit public, Staatsdienstbarkeit, Staatsservitut, Staatsrechtsdienstbarkeit, -servitut, öffentliche Servitut. In den völkerrechtlichen Abhandlungen über diesen Gegenstand begegnen wir zum Teil neben den genannten folgenden Bezeichnungen: servitus juris gentium, serv. jur. publ. universalis, servitus territoriorum (nur bei Wolff) servitude du droit des gens, servitude du droit international, Völkerrechtsdienstbarkeiten, völkerrechtliche Dienstbarkeiten bezw. Servituten, Völkerservituten bezw. Dienstbarkeiten, Staatendienstbarkeiten (nur bei Pölig) internationale Servituten bezw. Dienstbarkeiten, internationale Staatsdienstbarkeiten, servitudes publiques ou internationales, servitudes internationales, servitù di diritto internazionale. Die passendste, bequemste und in der Litteratur auch am häufigsten verwendete Bezeichnung dürfte nach unserer Meinung sein: Staatsservitut oder deutsch Staatsdienstbarkeit. Irreführend und ungeschickt sind die Ausdrücke Völkerdienstbarkeit -servitut, öffent

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