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Anschluß an ihn F. v. Martens die Aufnahme des aus den Grenzen eines andern Staates natürlich abfließenden Gewäffers, und andererseits die freie Herauslassung eines fließenden Wassers in den Nachbarstaat" 1).

Sodann sind aber auch die aus der Verkehrsgemeinschaft der Staaten folgenden allgemeinen Beschränkungen der Gebietshoheit nicht zu den Staatsservituten zu zählen. Dahin gehören z. B. die Beschränkungen der Gebietshoheit, welche sich gewohnheitsrechtlich in Be zug auf Küsten und Küstengewässer herausgebildet haben; die Benüßung einheimischer im Interesse des allgemeinen Völkerverkehrs dem freien Verkehr übergegebenen gemeinsamen Flüsse und Ströme u. a.

Staatsdienstbarkeiten verstehen sich somit nicht von selbst, sie ergeben sich nicht aus allgemeinen Völkerrechtsprinzipien sondern bedürfen zu ihrer Begründung im einzelnen Fall eines besonderen Rechtsgrunds also im wesentlichen eines besonderen Vertrags.

Staatsservituten sind nach unserer Ansicht somit zunächst dauernde durch speziellen Vertrag bezw. unvordenklichen Besitz – geschaffene Beschränkungen der Gebietshoheit eines Staates gegenüber einem an= dern Staat.

II. Abschnitt.

Die Subjekte bei Staatsdienstbarkeiten.

§ 19. Im Allgemeinen.

Die Staatsdienstbarkeit ist ein Rechtsverhältnis zwischen Staaten. der Völkerrechtsgemeinschaft, zwischen Staaten, die sich völkerrechtlich verbindlich machen können. Aus dem Begriff der Staatsservitut folgt daher, daß sie nur zwischen Staaten möglich sind, denen das Verfügungsrecht über ihr Gebiet, sei es völker- oder staatsrechtlich nicht so wesentlich beschränkt wurde, daß das Rechtsverhältnis als ein

1) Heffter a. a. O. S. 105. Für die Beurteilung dieser sog. na= türlichen Staatsdienstbarkeiten erklären Heffter und F. v. Martens die privatrechtlichen Vorschriften unbedenklich für anwendbar je a. a. O.

Abhängigkeitsverhältnis charakterisiert werden muß, oder nicht gänzlich entzogen ist. Das Rechtsinstitut der Staatsdienstbarkeit kann demnach nur plaz greifen unter Staaten, die Gebietshoheit besigen, und zwar müssen beide Kontrahenten Gebietskörperschaften sein. Sowohl das territorium dominans als das territorium serviens müssen Gebietshoheit haben.

In der Doktrin wird dies gewöhnlich so ausgedrückt, daß Staatsservituten nur zwischen unabhängigen Staaten begründet werden können.

Die ältere Theorie läßt freilich die Möglichkeit zu, daß das berechtigte Subjekt auch eine Privatperson überhaupt sein könne und von den Neueren lehren noch Heffter und Bluntschli, daß „was freilich nur selten der Fall sein wird, ein von dem verpflichteten Staat unabhängiges unter dem Schuße des Völkerrechts stehendes Individuum“ '), „Körperschaft oder Familie“ 2), als berechtigtes Subjekt erscheinen könne.

Nach der älteren Staats- und Völkerrechtstheorie war es nicht ausgeschlossen, daß Private selbständig Hoheitsrechte erwarben und ausübten. Die moderne Auffassung von dem Wesen des Staats läßt es aber nicht zu, daß sich der Staat zu Gunsten von Privaten oder von Korporationen bestimmter Hoheitsrechte förmlich entäußert. Hoheitsrechte werden von Privaten nach moderner Auffassung nicht kraft eigenen Rechts ausgeübt; sie fallen, wenn sie einem Privaten oder einer Körperschaft zustehen unter den Begriff der Konzession oder des Privilegs *).

Nach diesem Prinzip läßt sich die in der Litteratur vielfach aufgeworfene und noch in der neusten Theorie erörterte Frage entscheiden, ob das ehemalige Postrecht der Fürsten Thurn und Taxis in Deutschland eine Staatsdienstbarkeit darstellt oder ob nur eine Konzession zum Betrieb des Postverkehrs vorliegt.

1) Heffter a. a. D. S. 106.

2) Bluntsch li a. a. D. § 353.

3) Vergl. die zutreffenden Erörterungen bei He i mburger a. a. D. S. 44-77.,,Nur die Staaten sind Subjekte des völkerrechtlichen Erwerbs der Gebietshoheit“. . . . Privatpersonen können in eigenem Namen keine Gebietshoheit erwerben und ausüben. S. 76 u. 77.

Heffter erklärt auf Grund des oben angegebenen Sazes das Postrecht der Thurn und Taxis für eine Staatsservitut 1). Holzendorff schließt sich Heffter an aber mit anderer Begründung als dieser. Er sagt: „Bis 1806 konnten die Berechtigten als Halbsouverän angesehen werden" ). Dieser Auffassung treten in neuster Zeit Geffen und F. v. Martens entgegen. Geff den sagt: „Daß das Taxis'sche Postrecht für die Verpflichteten eine völkerrechtliche Servitut war, ist gewiß zu bestreiten, eben weil es an einem berechtigten Staat fehlte... Fürst Thurn u. Taxis war rechtlich bayrischer Unterthan, sein Postrecht fiel unter die einem Fremden gewährten Konzessionen, es war reichs- und bundesrechtlich nicht völkerrechtlich garantiert). In ähnlichem Sinn spricht sich F. v. Martens aus: „In Wirklichkeit besaßen die Fürsten Thurn u. Taxis, bayrische Unterthanen, nur die Kommission zur Betreibung des Postgeschäfts innerhalb des Bundesgebiets; sie waren nichts mehr als mit dieser Angelegenheit Beauftragte derjenigen deutschen Staatsregierungen, die eine Konzentration des Postwesens in einer Hand für das Vorteilhafteste hielten: Die Souveränetät jener deutschen Staaten wurde durch einen derartigen Auftrag nicht im geringsten beeinträchtigt, und er kann daher auch nicht als eine internationale Dienstbarkeit angesehen werden" ").

Die Entscheidung dieser Frage hat zwar keine praktische Bedeutung, da durch Verträge das Postrecht derselben aufgehoben worden ist; nach unserer Meinung aber müßte man sich der Auffassung der beiden leztgenannten Schriftsteller anschließen. Der Begriff der Halbsouveränetät konnte zu Bundeszeiten auf die Thurn u. Taxis nicht angewendet werden. Ob das Recht derselben reichs- und bundesrechtlich oder völkerrechtlich garantiert war, ist für den rechtlich-juristischen Charakter desselben gleichgültig. Die Besizungen der Taxis waren kein Staatsgebiet; sie besaßen keine Gebietshoheit, also kann von Staatsservitut keine Rede sein.

1) Heffter a. a. D. S. 107 f. Note 5.

2) Holzendorff a. a. O. S. 251 Note 9.

3) Heffter Geff den S. 108 Note 5.

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4) F. v. Martens-Bergbo h m a. a. O. I. S. 366.

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Von demselben Standpunkt aus muß auch die Stellung des Papstes gegenüber Italien beurteilt werden. F. v. Martens neigt dazu, die dem Papst und dem Vatikan durch das italienische Garantiegesetz vom 13. Mai 1871 eingeräumte rechtliche Stellung für eine Staatsservitut anzusehen '). Wenn aber auch nach diesem Gesetze dem Papst die Ehrenrechte eines Souveräns" zukommen und die Dertlichkeiten des Vatikans in mancher Beziehung der Staatsgewalt eine Schranke sezen, so darf doch wohl nicht im Ernste von einem Staatsgebiet des Papstes gesprochen werden. Hiemit ist der Begriff der Staatsservitut nach der herrschenden Meinung von selbst ausgeschlossen. Der Grund und Boden des Vatikans ist italienisches Gebiet, aber die Staatsgewalt hat dem ehmaligen Besizer dieses Staatsgebiets aus politischen Gründen eine privilegierte Stellung zugesichert. Das Rechtsverhältnis, in welchem sich der italienische Staat zum Papst befindet, gehört juristisch in die Kategorie der Privilegien 2).

Auch die Frage, ob und inwieweit das Rechtsverhältnis der Staatsservitut auf sog. halbsouveräne Staaten unter einander oder zu ihrem Suverän angewendet werden darf, kann nach dem oben angeführten Grundsaße entschieden werden. Soweit nämlich solche sog. halbsouveräne Staaten noch ein gewisses Verfügungsrecht über ihr Gebiet besigen, bleibt es ihnen unbenommen kraft ihrer Gebietshoheit darüber auch durch Bestellung von Staatsservituten zu verfügen; und zwar bedarf es zu ihrer Rechtsgültigkeit nicht der Zustimmung des Suzeräns, solange die Rechte desselben dadurch nicht irgendwie alteriert werden.

In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu erörtern, ob und inwieweit neutralisierte Staaten in der Fähigkeit Staatsservituten für ihr Gebiet zu bestellen beschränkt sind. Die Frage ist nur insofern zu bejahen, als neutralisierte Staaten auch in Beziehung auf ihr Gebiet gegenüber andern Staaten keine Verbindlichkeiten eingehen können und dürfen, welche sich nicht mit der ewigen Neutralität vereinbaren

1) F. v. Martens a. a. O. I. S. 370.

2) Vergl. über die souveräne Stellung des Papstes die in Holzen= dorff II. S. 153 citierte Litteratur.

lassen; innerhalb dieser Schranke ist es ihnen aber vom rechtlichen Standpunkt aus unbenommen über ihr Gebiet zu verfügen, wenn auch nicht verkannt werden darf, daß das politische Gewissen nur zu leicht geneigt ist, selbst bei den in Friedenszeiten allgemein als zulässig anerkannten Vergünstigungen bei kriegerischen Verwicklungen eine Verlegung der Neutralität zu erblicken. Vom rechtlichen Standpunkt aus dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß auch ein neutralisiertes Gebiet zur Bestellung von wirtschaftlichen Dienstbarkeiten berechtigt ist; dagegen ist ein neutralisiertes Staatsgebiet grundsäßlich von der Bestellung militärischer Staatsdienstbarkeiten ausgeschlossen ').

Durch den badisch-schweizerischen Staatsvertrag (Art. 32) vom 27. Juli und 11. August 1852 hatte zwar die Schweiz auf der Eisenbahnlinie Basel-Konstanz durch schweizerisches Gebiet ein Etappenrecht für deutsches Militär an Baden zugestanden. In richtiger Erkenntnis der strengen Pflichten der neutralisierten Staaten ist aber durch Vertrag von 1867 diese Bestimmung des Vertrags von 1852 wieder aufgehoben worden 2).

§ 20. Staatenbund und Bundesstaat als Subjekte.

Die Frage vom Staatenbund und Bundesstaat erhält eine besondere Bedeutung auch in der Lehre von den Staatsservituten. Zur Orientierung über das Wesen beider Begriffe muß auf die bezüg= lichen Erörterungen verwiesen werden 3). Zu einem abschließenden Ergebnis ist die Lehre von Staatenbund und Bundesstaat noch nicht gelangt. Fast ausnahmslos aber wird zugegeben, daß wir es beim Bundesstaat mit einer Organisation von staatlicher Natur zu thun haben, während alle Arten von Staatenverbänden insbesondere also der Staatenbund sozietätsartigen Charakter an sich tragen. Der Bundesstaat ist Staat mit eigenen Herrschaftsrechten und eigenem Herrschaftswillen zur Erfüllung seiner eigenen Aufgaben; im Staatenbund

1) Vergl. Holzendorff a. a. D. S. 248 f.

2) S. u. § 28.

3) Die Litteratur ist zusammengestellt bei Lab and a. a. D. S. 52.

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