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zwischen den Staaten des alten Reiches'). Auch andere forstliche Rechte, ferner Weiderechte, Wasserleitungen u. a. können unter benachbarten Staaten den internationalen Charakter einer Staatsservitut annehmen.

c) Verkehrsservituten. Dahin gehören außer den Wegegerechtig= keiten, wie sie für enklavierte Gebietsteile wohl geschaffen wurden 2), vornehmlich die Eisenbahn-, Postal- und Telegraphenservituten, ferner die Kanalservituten. Die mächtigen Verkehrsinstitute der Eisenbahnen, Posten, Telegraphen und Kanäle sind in ihrer jezigen Entfaltung auf das Völkerrecht angewiesen. Sie machen keinen Halt vor den Grenzpfählen. Diese Veranstaltungen streben über die Grenzen des eigenen Staates hinaus und werden darum gar häufig in der Gegenwart die Veranlassung zur Begründung von Staatsservituten. Denn kein Postillon darf über die Grenze seines Heimatstaates hinausfahren, wenn das nicht von dem fremden Staate gestattet wird; kein Staat darf auf fremdem Staatsgebiete eine Telegraphenstange aufrichten, falls dies nicht für den einzelnen Fall von dem auswärtigen Staate besonders eingeräumt ist; kein Staat darf insbesondere eine Eisenbahn durch das Gebiet eines andern Staates führen, ohne vorher die Konzession hiezu von demselben erhalten zu haben.

1. Die häufigsten und wichtigsten Verkehrsservituten sind die Eisenbahnservituten.

Eine Staatsservitut ist nicht nur dann vorhanden, wenn ein ausländischer Staat im Gebiete des einheimischen Staats direkt die Herstellung und den Betrieb von Eisenbahnen besorgt, sondern auch dann, wenn diese im Auftrag der Regierungen durch private Gesellschaften erfolgte. Indessen ergibt der Umstand, daß ein Staat im Gebiete eines andern Staates Eisenbahnlinien baut, noch nicht das Vorhandensein einer Eisenbahnservitut.

Nach Meili) ist vielmehr zu unterscheiden:

droit des Anglais de couper le bois de campeche sur les côtes de la Baie de Honduras S. 1-12.

1) S. Moser a. a. O. und Anschüß a. a. O.

2) Darüber Oppenheim a. a. D., Calvo a. a. D.

3) Meili in v. Holzendorffs Handbuch des Völkerrechts 3. Band S. 263 ff.

a) „Wenn ein Staat dem andern gestattet, eine Eisenbahn in des ersteren Gebiet hineinzuführen, so liegt eine vertraglich konstituierte Staatsservitut vor, genauer ein einfaches eisenbahnrechtliches Fahrund Fußwegrecht.

8) Wenn ein Staat dem andern gestattet, zum Zwecke der Grenzverbindung das Teilstück einer Eisenbahn zu erstellen, so kann auch diese Berechtigung noch als eine eisenbahnrechtliche Servitut bezeichnet werden.

7) Die Rechtsfigur der Staatsservitut darf auch dann noch verwendet werden, wenn ein Staat dem andern gestattet, neben der Grenzverbindungslinie auf fremdem Terrain Stationen, Lagerhäuser, Bureaus für Zölle, für die Post- und Telegraphenverwaltung u. s. w. zu errichten."

Dagegen wird nach der Auffassung Meilis in der Regel „ein internationales Miteigentum" begründet, wenn mehrere Staaten ge= meinsam Verbindungslinien erstellen oder Stationen und ähnliche Einrichtungen erbauen. Das dürfte aber zu bestreiten sein. Wenn auch an den Gebäuden und ihren Zubehörden Miteigentum geschaffen wird, so ist dieses nur ein privatrechtliches Miteigentum, sofern aber die Hoheitsrechte des miteigentumsberechtigten belasteten Staats beschränkt werden, ist eine Eisenbahnservitut vorhanden.

Keine Staatsservitut, sondern ein internationales Pacht- und Mietverhältnis ist dagegen gegeben, wenn ein Staat in einem andern Staatsgebiete nur den Betrieb von Eisenbahnen übernimmt; ebensowenig ist die Rechtsfigur der Staatsservitut begründet, wenn ein Staat dem andern gestattet, auf dem Gebiete des ersteren eine vollständige Eisenbahnlinie zu bauen und zu betreiben; hier erscheint es richtiger von einer „völkerrechtlichen Eisenbahnkonzession“ zu sprechen. In diesen Fällen wird es sich auch nie um die wirkliche Abtretung von Hoheitsrechten, sondern nur um Delegation von solchen handeln. „Die be teiligten Staaten nehmen hier auf dem Boden des Völkerrechts diejenigen Handlungen vor, welche im inneren Staatsrechte behufs Erlangung und Erteilung einer Eisenbahnkonzession nötig sind" 1).

1) Meili a. a. O.

Die Beispiele von Eisenbahnservituten sind in der modernen Staatenpraxis sehr häufig'). Von besonderer Bedeutung sind die Staatsservituten der Schweiz wegen ihrer Beziehung zu der Frage der Neutralität 2). Beispiele von Eisenbahnservituten wurden auch geschaffen durch die Berliner Kongreßakte (Art. 10, 11, 29, 38)'). Auch zwischen den Einzelstaaten des Reiches ist die Konstituierung von solchen möglich, wie manche Beispiele zeigen").

2. Postalische und telegraphische Veranstaltungen in fremdem Staatsgebiet 5).

Die ersteren haben wegen ihrer Verbindung mit dem Eisenbahnbetrieb in der Gegenwart nicht mehr die selbständige Bedeutung wie früher. Die ehemaligen Postservitutrechte Preußens zählt auf Simon in seinem preußischen Staatsrecht ®).

Rechtsverhältnisse dieser Art, die zwischen den Einzelstaaten des deutschen Reiches bestehen, haben nicht den Charakter einer Staatsservitut, da das Postwesen, ebenso wie auch das Telegraphenwesen nach Art. 48 Abs. 1 der Reichsverfassung für das gesamte Gebiet des deutschen Reiches als einheitliche Verkehrsanstalt eingerichtet und verwaltet wird. Eine Ausnahmestellung besigen nur Bayern und Württemberg).

Ueber telegraphische Veranstaltungen in fremden Gebieten und Gebietsteilen eines Staates gilt dasselbe was über Eisenbahnen und Posten gesagt wurde. Sie sind vielleicht noch in höherem Maße auf völkerrechtliche Vereinbarungen angewiesen, wenn sie ihrer wahren Bestimmung dienen sollen.

1) Ueber das einzelne können wir verweisen auf F. Meili: Internationale Eisenbahnverträge Hamburg 1887. Meili a. a. D. S. 263 f. Blumer a. a. D. 575–596 über schweizerische, R o hrscheidt a. a. O. über preußische Verhältnisse; Siebdrat General-Repertorium der k. sächs. Landesgeseße und der Reichsgeseße unter „Eisenbahnen"; v. Sarwey a. a. D. S. 96 Note 17. vergl. Simon a. a. D. S. 39.

2) Blumer a. a. D.

3) Das Staatsarchiv a. a. O. 34 Bd. S. 277 ff.

4) Vergl. z. B. Martens N. R. II. Sér. XII. S. 323.

5) v. Holzendorff a. a. D. S. 249. Bulmerincq a. a. D.

G. 273 ff. 6) Simon a. a. D. S. 39.

7) Ueber das ehemalige Postrecht der Thurn u. Taris siehe o. S. 149 f.

Ueber die interoceanischen Kabel und ihren Rechtsschuß siehe

oben Seite 161 ff.").

3. Kanalservituten. Von diesen kommen wesentlich nur in BeBetracht die Rechtsverhältnisse am Suez- und Panamakanal 2).

Die durch die internationale Flußschiffahrt und Benüßung der sog. internationalen Ströme begründeten Rechtsverhältnisse können jedoch nicht als Staatsservituten betrachtet werden; sie sind als Ausflüsse des allgemeinen Völkerrechts, als im gegenseitigen Interesse der Verkehrsgemeinschaft der Staaten geschaffene allgemeine Beschränkungen der Staatshoheit überhaupt zu charakterisieren).

2. Negative wirtschaftliche Staatsdienstbarkeiten. Das moderne Recht kennt Rechtsverhältnisse dieser Art nicht. Im alten deutschen Reich war auch diese Spezies von Staatsdienstbarkeiten vertreten z. B. die Verpflichtung eines Staates in dem Umkreis einer Stadt des benachbarten Staates keine Messe abhalten zu lassen *).

VI. Abschnitt.

Begründung der Staatsdienstbarkeiten.

$ 25.

Wie aus den im vorigen Abschnitt angeführten praktischen Beispielen von Staatsservituten sich ergibt, verdanken dieselben ihre Entstehung fast einzig und allein Verträgen. Verträge sind ja vorzugsweise diejenigen Mittel im internationalen Verkehr, durch welche Rechte und Verbindlichkeiten unter Staaten entstehen.

Die Begründung von Staatsdienstbarkeiten erfolgt entweder in

1) Vergl. v. Holzendorff a. a. D. III. S. 337 ff. und die dort angeführte Litteratur.

2) Das einzelne siehe v. Holtendorf.f a. a. D. II. S. 386-406 und die dort angeführte Litteratur, vergl. auch Rettich a. a. D. S. 178—201 und v. Holzendorff a. a. D. II. S. 424-426.

3) Siehe v. Holzendorff a. a. D. S. 279-385 und die dort angeführte Litteratur.

4) Moser: Nachbarl. Staatsrecht. S. 372.

einem Spezialvertrag d. h. in einem Vertrag, der nur den bezüglichen Gegenstand ins Auge faßt, oder in allgemeinen Verträgen, durch die auch andere Vereinbarungen getroffen werden, insbesondere durch Friedensverträge.

Ob und in wie weit der bloße geduldete Besiz auch rechtlich verbindlich machen kann, ist eine nicht unbestrittene Frage.

1. Notwendige Vorausseßung für die Entstehung einer Staatsservitut ist also zunächst ein rechtsgültig zustande gekommener Staatsvertrag. Rechtssubjekte können hiebei nach der Natur des Staatsvertrags überhaupt wie auch nach dem Wesen der Staatsservituten nur die Staaten selbst sein.

Was die formellen Uebereinkommen betrifft, so können diese teils freiwillige teils zwangsweise sein; d. h. der mit der Staatsservitut belastete Staat steht bei seiner Entschließung dem andern oder den andern Vertragskontrahenten völlig frei gegenüber oder aber er stimmt dem Beschluß der vertragschließenden Mächte unter dem Druck der Verhältnisse zu. Das erstere bildet die Regel; ein Beispiel der lezteren Art gibt der Berliner Vertrag, durch den den neugeschaffenen oder anerkannten Staaten im Balkan Staatsservituten auferlegt wurden, gleichsam im Wege des Quasikontrakts," wie sich v. Holzendorff ausdrückt1).

Die Staatsverträge, durch die Staatsdienstbarkeiten begründet werden, müssen aber selbstverständlich allen Erfordernissen genügen, die an einen Staatsvertrag überhaupt gestellt werden*).

Die meisten Schriftsteller über Staatsservituten werfen hiebei noch die Frage auf, ob die Staatsdienstbarkeit bereits mit dem Vertragsschlusse erworben werde, oder ob zur thatsächlichen Entstehung noch ein der civilrechtlichen Tradition entsprechender Akt notwendig sei.

Während die ältesten Autoren insbesondere Engelbrechts) einen die Stelle der Traditionen vertretenden Rechtsakt zur wirklichen Ent1) v. Holzendorff a. a. D. II. S. 248.

2) Ueber die Lehre von den Staatsverträgen überhaupt vergl. Laband a. a. O. I. S. 626 und die dort angeführte Litteratur. Ueber die bezüglichen Rechtsverhältnisse zwischen dem Reich und den Einzelstaaten und dieser selbst gegen auswärtige Staaten s. Lab and a. a. D. I. S. 179 u. I. 626 und Hänel, deutsches Staatsrecht S. 558. 3) S. o. S. 62.

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