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der ausübenden bezw. in der Ausübung des Rechtes gehinderten einzelnen Unterthanen. Und Konflikte sind hiebei um so weniger zu vermeiden, als es sich hier nicht um politische Machtverhältnisse sondern um wirtschaftliche Interessen handelt. So kann es nicht befremden, wenn diese Frage seit ihrem Bestehen fast ununterbrochen auf der Tagesordnung der Kabinette der kontrahierenden Staaten steht. Das Rechtsverhältnis ist im Grunde genommen nur eine lange Reihe von Vertragsfestsetzungen, Abänderungen, Konflikten, neuen Abmachungen und Regulierungen.

Zum Verständnis dieses Rechtsverhältnisses erscheint es notwendig die Ansprüche Englands und Frankreichs auf die Insel Neufundland bis zu ihren ersten Anfängen zurück zu verfolgen.

Entdeckt wurde die Insel im Jahr 1497 durch John Cabot. Im Jahr 1583 nahm England förmlich Besig von der Insel, und übte Herrschaftsrechte über dieselbe aus, wenn dieselben auch von französischer Seite nicht immer unbestritten geblieben sind. Hatton und Harvey behaupten in ihrer Geschichte von Neufundland, daß Frankreich im Jahr 1635 die Erlaubnis von England erhielt auf der Küfte von Neufundland Fische zu trocknen gegen Bezahlung einer Abgabe von 5 per cent als Anerkennung der britischen Souveränetät über die Insel, und daß im Jahr 1675 Karl II. diese Abgabe aufhob. Frankreich hatte nämlich im Kriege mit England im Jahr 1666 u. 1667 auf der Insel in Placentia festen Fuß gefaßt und seine Herrschaft über einen großen Teil der Insel ausgedehnt. Der Friede von Breda vom Jahr 1667 stellte zwar den früheren Rechtszustand wieder her, allein die folgenden kriegerischen Ereignisse brachten wiederum Unsicher= heiten in die wenig gesicherten Rechtszustände, und nach dem Friedensschluß von Ryswick vom Jahr 1697 blieb Frankreich im Besiß von Placentia und einigen anderen Plägen.

Den Rechtszustand, der jezt noch zwischen Frankreich und England besteht, schuf der Friede von Utrecht vom 11. April 1713'). Der Artikel 13 desselben bestimmt: Die Insel Neufundland mit den anliegenden Inseln wird von nun an zu vollem Recht der Krone England

1) Dumont, Traité de paix. Band VIII. Teil I. S. 339.

gehören. Zu diesem Zweck wird Frankreich den befestigten Drt Placentia und die andern auf der Insel von ihm besessenen Pläge an England abtreten. Den Franzosen soll es von nun ab nicht mehr gestattet sein, auf Neufundland irgend einen Ort zu befestigen, noch irgend eine Behausung herzustellen, es sei denn Gerüste und die gewöhnlichen für das Trocknen der Fische notwendigen Hütten. Außerdem soll es den Franzosen verboten sein zu einer anderen als der für den Fischfang geeigneten und für das Trocknen der Fische notwendigen Zeit an der Insel zu landen. Es soll jedoch den französischen Unterthanen erlaubt sein, an der Küste von Neufundland Fische zu fangen und zu trocknen, jedoch nur vom Kap Bonavista bis zum nördlichsten Punkte der Insel und von dort nach Westen bis zum Pointe-Riche. Die Insel Kap Breton und alle die andern Inseln, welche in der Mündung und in dem Golfe des Lorenzstromes liegen, werden Frankreich zugehören ohne jede Beschränkung der Befestigung.

Auch der Friede von Paris vom 10. Febr. 1763') beschäftigt sich mit dem Fischereirecht an der Küste von Neufundland. Der Art. 5 lautet: den französischen Unterthanen wird es freistehen (auront la liberté) die Fischerei und das Trocknen der Fische auf dem Teile der Küste von Neufundland auszuüben, der durch Art. 13 des Friedens von Utrecht näher bezeichnet ist. Dieser Artikel wird erneuert und bekräftigt durch gegenwärtigen Vertrag mit Ausnahme derjenigen Rechtsverhältnisse, die sich auf die Insel Kap Breton und die andern. Inseln und Küsten in der Mündung und dem Golfe des Lorenzstromes beziehen. England gewährt Frankreich die Erlaubnis in dem Golfe des Lorenzstromes unter der Bedingung die Fischerei auszuüben, daß sich dieselbe nur auf 3 Meilen Entfernung aller England gehörenden Kontinental- und Inselküsten erstreckt. Was die Fischerei an der Küste von der Insel Kap Breton betrifft, so soll dieselbe den französischen Unterthanen nur in einer Entfernung von 15 Meilen von der Insel gestattet sein. Die Fischerei an den Küsten von Neuschott

1) Martens, R. 2. édit I. 104. Clercq Recueil des traités de la France. I. p. 889.

land oder Akadien und sonst überall mit Ausnahme des besagten Golfes wird auf dem Fuße der früheren Verträge bestehen bleiben.

Art. 6. Der König von Großbritannien tritt die Inseln Saint Pierre und Miquelon zu vollem Eigentum an Frankreich ab, damit dieselben den französischen Fischern als Zufluchtsstätte dienen können. Frankreich verpflichtet sich aber die genannten Inseln nicht zu befestigen, auch keine anderen als die für Fischereizwecke notwendigen Bauten auf denselben herzustellen und nicht mehr als fünzig Mann Polizei dort zu unterhalten 1).

Der nunmehr bestehende Rechtszustand führte zu häufigen Klagen von seiten der französischen Regierung. Insbesondere waren es die dauernden englischen Fischereivorrichtungen an der Vertragsküste, die nach der Meinung der Franzosen die Ausübung ihrer vertragsmäßig zugestandenen Rechte praktisch aufhoben. In den darauf gepflogenen Verhandlungen traten die schroffften Meinungsverschiedenheiten hervor. Frankreich beanspruchte für sich ein ausschließliches Recht der Fischerei an der Vertragsküste, während England behauptete, daß ihm kraft der vollen Souveränetät über Neufundland ein konkurrierendes Recht der Fischerei zustehe.

Die Frage der französischen Fischereirechte an der Neufundländischen Küste kam wieder zur Sprache in den Friedensverhandlungen zu Versailles vom Jahr 1782. Die französische Regierung trat mit folgendem Vorschlag hervor: Da die Konkurrenz der französischen und englischen Fischerei an der Vertragsküste eine unerschöpfliche Quelle von Erörterungen und Streitigkeiten ist, so hält der König von Frankreich für das sicherste Mittel denselben vorzubeugen die Trennung der bezüglichen Fischereirechte. Zu diesem Zwecke willigt die französische Regierung darin ein, auf das kraft des Art. 13 des Utrechter Friedens erworbene Fischereirecht vom Kap Bonavista bis zum Kap Saint Jean zu verzichten unter der Bedingung, daß ihre Unterthanen mit Ausschluß der Engländer die Fischerei vom Kap Saint Jean bis zum Kap Raye ausüben dürfen.

Die englische Regierung war dieser Proposition nicht abgeneigt. 1) Martens, Recueil des principaux traités. I. Teil S. 38,

Der Friedensschluß von Versailles vom 3. September 1783 enthält folgende Abmachungen '): Art. 4. Der König von Großbritannien bleibt im Besize der Insel Neufundland und der anliegenden Inseln, wie es ihm durch Art. 13 des Utrechter Friedens zugesichert worden ist, mit Ausnahme der Inseln St. Pierre und Miquelon, welche durch den gegenwärtigen Vertrag zu ausschließlichem Eigentum an Frankreich abgetreten werden. Art 5. Um die Streitigkeiten, welche zwischen Engländern und Franzosen bis zur Gegenwart stattgefunden haben, aus der Welt zu räumen, willigt der König von Frankreich darin ein, das Recht auf Fischerei, welches ihm kraft Art. 13 des Utrechter Friedensvertrags zusteht, auf der Strecke vom Kap Bonavista bis zum Kap St. Jean, welches auf der Ostküste Neufundlands unter 50° nördlicher Breite gelegen ist, aufzugeben. Der König von Frankreich ist ferner damit einverstanden, daß die den französischen Fischern eingeräumte Fischerei vom Kap St. Jean ab längs der Nord- und Westküste Neufundlands bis zum Kap Raye auf 47° 50 Minuten sich erstrecke. Die französischen Fischer werden den Fischfang, der ihnen durch den gegenwärtigen Artikel zugesichert ist, in derselben Weise ausüben, wie er ihnen durch den Utrechter Friedensvertrag eingeräumt worden ist.

In einer Deklaration des Königs Georg III. vom 3. September 1783) wird dann noch weiter zur Verhütung von Streitigkeiten, die aus dem gemeinsamen Fischfang der Engländer und Franzosen entstehen konnten, ausgeführt: Der König von England wird alle nötigen Maßregeln ergreifen, damit seine Unterthanen in keiner Weise durch ihre Konkurrenz die französischen Fischer in der temporären Ausübung ihres Fischfangs an den Küsten von Neufundland stören. Zu diesem Zweck wird der König alle beständig an Ort und Stelle verbleibenden Fischereivorrichtungen (les établissements sédentaires) wegräumen lassen. Auch wird der König den Befehl erteilen, die französischen Fischer im Fällen des Holzes nicht zu behindern, das sie zur Ausbesserung ihrer Gerüste und Fischerhütten nötig haben. Der Art. 13 des Utrechter Friedens

1) Martens, Recueil des principaux traités. II. Teil. S. 465 und 466.

2) Martens a. a. O. S. 472 und 473.

und die Art des Fischfangs, wie sie von jeher gebräuchlich gewesen ist, soll den französischen Fischern in Zukunft als Muster dienen. Weder auf französischer noch auf englischer Seite soll daran eine Aenderung vorgenommen werden. Die französischen Fischer sollen nur ihre Gerüste, ihre Fischerhütten bauen und nicht darin überwintern. Die englischen Fischer sollen ihrerseits die Franzosen in keiner Weise während der Zeit des Fischfangs belästigen noch auch deren Gerüste in ihrer Abwesenheit beschädigen. Der König von England hat die Inseln St. Pierre und Miquelon Frankreich abgetreten, um den französischen Fischern einen wirklichen Schußort zu gewähren, und hofft mit Sicherheit, daß die Besizungen nicht einen Gegenstand des Neides zwischen den beiden Nationen bilden werden, und daß der Fischfang zwischen diesen Inseln und der Insel Neufundland durch eine von Neufundland und den Inseln gleich weit entfernte Wasserlinie abgegrenzt sein werde."

Eine Gegendeklaration des Königs von Frankreich von demselben Tage) bestimmt, daß der Bereich der Fischerei zwischen Neufundland und St. Pierre und Miquelon durch eine von der englischen und französischen Küste gleich weit entfernte Linie in zwei getrennte Gebiete abgeteilt sein solle. Der König von Frankreich wird die allerbestimmtesten Befehle ergehen lassen, daß die französischen Fischer diese Linie nicht überschreiten, wie er auch der festen Ueberzeugung ist, daß der König von England seinen Unterthanen die gleichen Weisungen erteilen werde.

Von neuem wurde der Gegenstand der Neufundländer Fischereirechte erörtert in den Friedensverhandlungen der Jahre 1801 und 1802 *). Die Vertreter der französischen Regierung beanspruchten ein ausschließliches Recht der Fischerei an der Vertragsküste von Seiten der Franzosen, ein Anspruch der von der englischen Regierung mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen wurde. Auch der Vorschlag des französischen Bevollmächtigten, daß England einen Teil der Neufund

1) Martens a. a. D. S. 475.

2) Martens, R. II. éd. VII. S. 296.

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