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Seit dieser Zeit beschäftigte die Fischereifrage auf Neufundland beständig nicht nur die örtliche Preffe, sondern namentlich auch die Volksvertretungen der beiderseitigen Regierungen. Neue Zwischenfälle verschlimmerten die Lage, die Noten der englischen und französischen Regierung wurden gereizter. Frankreich beharrte auf seinen vermeintlichen vertragsmäßigen Rechten, während die Neufundländer dieselben aufs eifrigste bestritten. Die Verlegenheit der Regierungen in London und Paris wurde so groß, daß auf eine endgültige Lösung der Frage mit aller Entschiedenheit hingearbeitet werden mußte, wenn nicht ein feindlicher Zusammenstoß in Aussicht genommen werden wollte. Der einzige Weg, der eine wirksame Lösung vorbereiten konnte, war die Schaffung eines Schiedsgerichts zunächst für die neu aufgetauchte Frage der Hummerfischerei.

Der Vorschlag dazu ging von der englischen Regierung aus, und die französische Republik erklärte sich mit dem Vorschlage eines Schiedsgerichtes einverstanden. Für die Saison des Jahres 1890 wurde ein modus vivendi vereinbart. Dieser modus vivendi führte zwar zu keinem Zusammenstoß mit den französischen Fischern, wurde aber von der einheimischen Bevölkerung sehr ungünstig aufgenommen und brachte viel Erregung und Unzufriedenheit hervor, und dem Befehlshaber der britischen Flotte wurde offener Widerstand entgegengesetzt, als er zur Vollstreckung desselben schritt.

Bevor jedoch der Frage des Schiedsgerichts näher getreten wurde, machte Lord Salisbury noch einen lezten Versuch zur Versöhnung der Ansprüche der Neufundländer und der französischen Republik. In einer Note hob er insbesondere hervor, daß die Wünsche der Kolonie hauptsächlich dahin gehen, ein Uebereinkommen zu stande zu bringen, welches die Rechte der Franzosen an der Vertragsküste beseitigen würde; daß ein Schiedsgericht eine definitive Lösung nicht herbeiführen könne, wenn sich dasselbe nicht die Ablösung der französischen Rechte zur Aufgabe stelle. Die örtlichen Verhältnisse haben sich seit der Begründung der französischen Ansprüche so geändert, daß die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Zustands eine Quelle unabsehbarer Unzuträglichkeiten bleiben werde. Der Vorteil, welchen die französische

Fischerei aus der Benüßung der Neufundländer Küste ziehe sei klein im Vergleich zu dem Schaden, den die englische Kolonie durch die Beschränkung so wichtiger industrieller Interessen erleide. Die Neufundländer wären bereit als Ersag für die französischen Rechte an der Küste eine angemessene Entschädigung in Geld zu gewähren.

Die französische Regierung konnte sich von der Richtigkeit dieses Vorbringens nicht überzeugen, wies den Kompensationsvorschlag der englischen Regierung ab und ging nur auf den Vorschlag einer schiedsrichterlichen Entscheidung ein.

Die Aufgabe der englischen Regierung war es nunmehr auf jeden Fall mit Frankreich ein Einvernehmen zu erzielen, ohne sich durch den Widerstand der Neufundländer beirren zu lassen, die ein Schiedsgericht grundsäglich ablehnten, bevor die Ablösung der französischen Fischereirechte definitiv festgestellt sei. Troß des Widerspruchs der Neufundländer wurde nun doch im Einverständnis mit Frankreich ein Schiedsgericht eingesezt und im Oberhaus eine Regierungsbill angenommen, die der Krone die absolute Befugnis zusprach, dem Schiedsspruche nötigenfalls zwangsweise Nachachtung von seiten der Neufundländer zu verschaffen. Die französische Regierung bestand nämlich auf dem Verlangen, daß, weil alle bisherigen Uebereinkommen auf den Widerstand der Neufundländer gestoßen seien, die englische Regierung sich verpflichten müsse, das Urteil des Schiedsgerichts zu exekutieren.

Dieses Verlangen der französischen Regierung wurde in den Verhandlungen des englischen Parlaments als berechtigt anerkannt, da jeder Staat, der mit einem andern Staate Verträge abschließe, verpflichtet sei, für deren Einhaltung durch seine Unterthanen Sorge zu tragen. Dieses entschiedene Vorgehen des englischen Parlaments brach den Widerstand der Neufundländer, und das von der englischen Regierung gewünschte Gesetz wurde von den beiden Häusern der Neufundländer Gesetzgebung genehmigt.

Das Uebereinkommen zur Einsetzung eines Schiedsgerichts vom 11. März 1891 lautet 1):

"

„Eine schiedsrichterliche Kommission wird über alle von den Regie

1) Revue de droit international von 1891. Band 23, S. 201.

rungen Englands und Frankreichs in Betreff des Fanges von Hummern und deren Zubereitung unterbreiteten prinzipiellen Fragen beschließen. Die beiden Regierungen verpflichten sich, die Beschlüsse der schiedsrichterlichen Kommission auszuführen.

Der modus vivendi in Betreff des Hummerfangs wird für die Saison 1891 erneuert.

Alsbald nach der Regelung der Frage in Betreff des Fanges von Hummern und deren Zubereitung werden der Kommission auch andere subsidiäre Fragen in Betreff der Fischerei vorgelegt werden, nach vorausgegangenem Einvernehmen der beiden Regierungen über den Wortlaut derselben.

Die schiedsrichterliche Kommission wird aus 7 Mitgliedern bestehen und zwar aus drei Fachmännern und je zwei Delegierten von jedem Lande. Die Kommission, welche mit Stimmenmehrheit beschließen wird, hat sich alsbald zu versammeln. Gegen die Beschlüsse der Kommission findet keine Berufung statt."

Die schiedsrichterlichen Entscheidungen beziehen sich zunächst nur auf den Hummerfang. Frankreich hat es vermieden, die Streitfragen der Fischerei in Neufundland in ihrer Gesamtheit vor das Forum des Schiedsgerichts zu bringen, aus Furcht, es möchte den Schein erwecken, daß seine Rechte der Bekräftigung eines internationalen Schiedsspruchs bedürften. Es dürfte aber nicht unwahrscheinlich sein, daß auf Grund des Art. 4 des Schiedsgerichtsvertrags vom 11. März 1891 weitere die Fischereirechte im allgemeinen betreffende Fragen dem Schiedsgericht zur Entscheidung unterbreitet werden.

Das ist der Stand der Fischereifrage in der Gegenwart. Ein Blick auf das Gesagte genügt um zu erkennen, welch eminent praktische Bedeutung diese Frage der öffentlich-rechtlichen-internationalen Dienstbarkeit hat, insbesondere welche Schwierigkeiten entstehen können die widerstrebenden Interessen des berechtigten und verpflichteten Staates zu versöhnen.

Das einzige und allein wirksame Mittel, die neufundländische Fischereifrage aus der Welt zu räumen wäre, das Servitutverhältnis im Wege einer internationalen Zwangsenteignung aufzuheben, nachdem

durch ein unparteiisches Schiedsgericht dem Berechtigten eine entspre chende Entschädigung gewährleistet worden ist.

Solange die französische Regierung aber an ihren vertragsmäßigen Rechten festhält, ist es Aufgabe der Diplomatie und des Rechtes, Zwischenfällen dadurch vorzubeugen, daß die gegenwärtigen Ansprüche klargestellt werden.

In dieser Richtung handelt es sich insbesondere um folgende Hauptfragen. Hat Großbritannien für seine Unterthanen dadurch, daß es den Franzosen an der Vertragsküste Fischereirechte eingeräumt hat, auf das Recht des Fischfangs auf diesem Küstenstriche verzichtet, mit a. W. hat Frankreich durch die Erwerbung der internationalen Servitut an der Küste von Neufundland ein ausschließliches Recht auf Fischfang erlangt oder muß es die Konkurrenz der englischen Fischer dulden? Stehen Franzosen und Engländer in Betreff der konkurrierenden Ausübung der Fischerei an der Vertragsküste einander gleichberech= tigt gegenüber, oder sind den englischen Unterthanen bezüglich ihrer Konkurrenz gewisse Schranken gezogen? Hat England dadurch, daß es den Franzosen gestattete an der Vertragsküste Fische zu trocknen und nach Bedarf Holz für die Gerüste und Fischerboote zu schneiden, und versprach die beständig an Ort und Stelle verbleibenden englischen Vorrichtungen wegzuräumen, sich auch verpflichtet, seinen Unterthanen die Errichtung überhaupt aller Bauten an der Küste zu untersagen, oder hat es nur die Verpflichtung übernommen, ihnen den Bau von Fischereivorrichtungen zu verbieten ?

Weitere Fragen, die aus Anlaß dieses Rechtsverhältnisses auftauchen können, sind: Können französische Unterthanen als ausübungsberechtigte Fischer von der Vertragsküste ausgewiesen werden? Welche Gerichte sind bei vorkommenden Delikten als zuständig für die Aburteilung zu betrachten?

§ 3. Hugo Groot und die Staatsdienstbarkeit.

Bei einer historischen Darstellung der Lehre von den Staatsservituten, wäre man auf Grund der ausgeführten Präzedenzfälle und der dabei angedeuteten Rechtsfragen versucht, die ersten Anfänge der

Lehre von den Staatsservituten, die erste Begründung derselben im Völkerrecht zu suchen. Dem ist aber nicht so.

Hugo Groot, der Vater des Völkerrechts, kennt das Rechtsverhältnis der Staats- oder Völkerrechtsservitut nicht einmal dem Namen nach. Er berührt zwar in seinem epochemachenden Werke de jure belli ac pacis 1) diejenigen Rechtsverhältnisse, die die spätere Staats- und Völkerrechtstheorie mit dem Ausdruck Servitut zu bezeichnen pflegte, ohne jedoch näher auf die Natur dieser Rechtsverhältnisse einzugehen. Für ihn find dieselben lediglich von Vertragsnatur, wenigstens tritt nirgends in seinem Werke zu Tage, daß er denselben irgend welche dingliche Natur vindizieren wollte. In 1. I c. 3 § 21, wo er von dem summum imperium spricht, sagt er: an summum imperium habere possit is, qui inaequali foedere tenetur? Inaequale foedus hic intelligo non quod inter viribus dispares initur, sed quod ex ipsa vi pactionis manentem praelationem quandam alteri donat. Ad hoc genus referenda sunt jura quaedam eorum, quae nunc vocantur protectionis, advocatiae, mundiburdii. Und 1. II c. 15 § 6, wo er von den Verträgen handelt, nennt er neben aequalia foedere *) de restituendis captivis, de rebus captis, de commerciis auch Verträge darüber, ut ne in confinio alterius alter arces habeat. §7 ibid. sagt er: Sine imminutione imperii onera aut transitoria sunt aut manentia. Transitoria de solvendo stipendio, de moenibus diruendis, ut locis quibusdam decebatur, ut dentur obsides, elephanti, naves. Manentia ut de imperio ac majestate comiter colenda, huic proximum est, ut hostes et amici habeantur quos velit partium altera. Tum illa minora ne arces certis locis aedificare, ne cxercitum ducere, ne naves habere ultra numerum definitum, ne urbem condere, ne navigare, ne militem certis locis conscribere liceat....

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1) Hugonis Grotii, De jure Belli ac Pacis 1. III. cum notis Gronovii et Barbeyrac. Amsterdam 1720. (1. Ausgabe von 1625.)

2) Bei den conventiones, quae juri naturae aliquid adjiciunt, unterscheidet Groot aequales (quae utrimque eodem modo se habent) und inaequales (quae ad servitutem accedant proxime). Leştere werden abgeschlossen teils ex parte digniori teils ex minus digna, und diese sind cum imminutione imperii oder sine ejus imminutione.

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