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Das jus transeundi per alienum territorium 1), das einem fremden Staat nach unserer Auffassung nur kraft Staatsvertrags zustehen kann, erscheint Hugo Groot als Ausfluß des jus naturae. Quia dominium introduci potuit cum receptione talis usus, qui prodest his, illis non nocet. Postulandum prius transitum, sed si negetur, vindicari posse. Neque recte excipiet aliquis metuere se multitudinem transeuntium. Jus enim meum metu tuo non tollitur eoque minus quia sunt rationes cavendi, ut si divisis manibus transmittantur, si inermes.... si impensa transeuntis, is qui transitum concedit, sibi praesidia idonea conducat, si obsides dentur. Sic etiam metus ab eo in quem bellum justum movet is, qui transit ad negandum transitum non valet. Neque magis admittendum si dicas et alia posse transiri ... sed satis est, si sine dolo malo transitus postuletur qua proximum ac commodissimum est ).

Für eine fruchtbare Theorie der Staatsservituten bietet uns Hugo Groot wenig. Er giebt uns keinen Aufschluß darüber, welche Rechtsfigur durch die genannten Verträge geschaffen wird. Aus der Stel= lung aber, die er den in Frage stehenden Rechtsverhältnissen in engster Verbindung mit offenbar obligatorischen Rechtsverhältnissen giebt, scheint hervorzugehen, daß er diesen einen von jenen verschiedenen Rechtscharakter nicht beilegen will, daß also in beiden Fällen durch den Vertrag nur obligatorische Verpflichtungen bezw. Berechtigungen entstehen.

Vielmehr sind die ersten Anfänge der Lehre von den Staatsservituten im Staatsrecht des alten Deutschen Reiches zu suchen, das nicht nur den wissenschaftlichen Terminus geschaffen, sondern auch die erste Begründung der Lehre gegeben hat, auf der dann die Völkerrechtstheorie weitergebaut hat.

1) Groot a. a. O. II. c. II. § 13. n. 1 u. n. 3.
2) Groot ibid. n. 4.

Clauß, Staatsdienstbarkeit.

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1. Abteilung.

Die hiftorische Entwicklung der Sehre von den Staatsdienstbarkeiten.

I. Abschnitt.

Die Lehre von den Staatsdienstbarkeiten im Staatsrecht des alten deutschen Reiches bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts.

§ 4. Das erste Vorkommen des Ausdrucks servitus als dingliches Recht in Anwendung auf Rechtsverhältniffe des öffentlichen Rechts.

Der Begriff der Grunddienstbarkeit als dingliches Recht an einer Sache gehört an sich nur dem Privatrechte an. Doch hat der Verkehr der Staaten auch Rechtsverhältnisse hervorgerufen, die manche analoge Beziehungen mit jenen privatrechtlichen Liegenschaftsservituten aufwiesen. Und gegenwärtig hat sich das Rechtsverhältnis der Servitut auch in der Doktrin des Völkerrechts eingebürgert.

Die Rechtsdisziplin des Völkerrechts hat jedoch den Terminus nicht direkt vom Privatrecht übernommen. Als Mittelglied trat hiebei das Staatsrecht und zwar das Staatsrecht des alten deutschen Reiches ein. Thatsache ist, daß der Ausdruck servitus juris publici im Staatsrecht viel früher erscheint als im Völkerrecht; und es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß die ersten völkerrechtlichen Erörterungen, die mit Bewußtsein von Servituten des öffentlichen Rechts, von servitutes juris gentium handeln, ihre Anregung den Abhandlungen über die servitutes juris publici des deutschen Staatsrechts verdanken.

Diese Priorität des Staatsrechts vor dem Völkerrecht kann aus verschiedenen Gründen nicht befremden. Einmal hatte das Staatsrecht des deutschen Reiches viele privatrechtliche Elemente in sich aufgenommen, und Analogien zwischen jenem und diesem waren den damals vorzugsweise privatrechtlich denkenden wenn man so sagen darf Juristen und Staatsrechtstheoretikern ganz naheliegend; sodann aber war gerade im deutschen Reich der Boden für die Ent

wicklung des Rechtsinstituts der Staatsdienstbarkeit besonders geeignet. Infolge der durch das Streben der Territorialherrn nach größerer Selbständigkeit und Unabhängigkeit herbeigeführten Lockerung des Reichsverbands, welche die Bildung selbständiger Territorien mit selbständiger Territorialgewalt als einer der Reichsgewalt ähnlichen, eine größere oder geringere Summe von Hoheitsrechten umfassenden Gewalt ermöglichte und begünstigte; infolge der bis in die Neuzeit in den landesherrlichen Familien üblichen Teilung der Territorien; insbesondere auch infolge von auf Usurpation') beruhender, durch lange Uebung allmählich sanktionierter Konstituierung von Rechten in fremden Territorien; endlich auch infolge kaiserlicher Verleihung von Privilegien: war eine solch mannigfaltige, der Entwicklung der Territorialgewalten hinderliche Verquickung von Berechtigungen bezw. Dienstbarkeiten zwischen den einzelnen Territorien entstanden, welche den Publizisten, insbesondere aber den Juristen wegen der zahlreichen, fast mit Notwendigkeit hervortretenden Streitigkeiten und Zwischenfälle reichlich Gelegenheit gab, das Wesen dieser Berechtigungen bezw. Verpflichtungen zu erforschen und Regeln über ihre Ausübung aufzustellen.

Die Rechtsfigur, welche man in diesen Rechten bezw. Verpflichtungen zu erkennen glaubte, war die servitus.

Ohne die Rezeption des römischen Rechts hätte aber die Lehre von den Staatsdienstbarkeiten wohl schwerlich die nunmehr eingeschlagene Richtung genommen. „Die Rezeption des römischen Rechts zeigte ihre Wirkung zuerst im Staatsrecht" 2). Lange bevor das römische Recht dem deutschen Volke durch die gelehrten Juristen aufgedrängt wurde, hatten römisch-rechtliche Anschauungen im Staatsrecht ihren Einzug gehalten und wurden die Rechtsverhältnisse des Reichs, der

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1) Elwert a. a. O. sagt in th. 16. in dieser Beziehung: communis pervagatae traditionis haeresis clamitat, insanabilem regnandi libidinem matrem hactenus descriptae sobolis esse unicam; quod licet temporum injuria, Leonina aeque ac Vulpina ministerium praestante pelle verisimile videatur, ut etiam defensores saepissime degenerare observamus in offensores et invasores, Schirmherrn zu Stürmherrn.“

2) Laband, Die Bedeutung der Rezeption des römischen Rechts für das deutsche Staatsrecht. Straßburg 1880. S. 30.

Stände, der Landesherrn, der Regierungskollegien und Beamten auf römisch-rechtlicher Grundlage aufgebaut. Diese Rezeption des römischen Rechts hat sich aber im Staatsrecht wesentlich anders gestaltet als im Privatrecht, ja sie mußte dort einen wesentlich anderen Verlauf nehmen als hier. Während im Privatrecht nicht nur die Rechtsbegriffe und die juristische Methode sondern auch der materielle Inhalt der römischen Quellen fast bis ins einzelne rezipiert wurden, mußte man sich im Staatsrecht auf die Uebernahme „der publizistischen Rechtsbegriffe und der Methode ihrer Verwertung“ beschränken. Denn die Verfassungszustände des deutschen Reiches waren zu allen Zeiten von denen des römischen Kaiserreichs so unendlich verschieden, die Grundlagen der Staatsgewalt, die Aufgaben und Einrichtungen des Staats, die Gliederung seiner Organe, die Formen seiner Willensakte so vollkommen abweichend, daß man kaum verstehen kann, wie in irgend einer Epoche auf diesen historisch gegebenen deutschen Staat die im römischen Recht in Geltung gewesenen Vorschriften für anwendbar erklärt werden konnten“ 1).

Die Theorie des Staatsrechts blieb aber nicht dabei stehen, die publizistischen Rechtsbegriffe des römischen Rechts auf öffentlich-deutschrechtliche Verhältnisse zu übertragen, wonach z. B. der deutsche Landesherr in seinen Funktionen dem römischen Prinzeps entsprechen sollte, vielmehr wurden da, wo es im öffentlichen Recht an entsprechenden Begriffen fehlte, solche aus der Sphäre des Privatrechts entlehnt und die so gewonnene Form mit öffentlich-rechtlichem Inhalt ausgestattet. Dieser Prozeß führte aber häufig dazu, daß man an der Form hängen blieb und hinterher das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis auf Grund privatrechtlicher Analogien juristisch zu erklären und zu konstruieren versuchte. Diesem Umstand ist es auch zu verdanken, daß im Staatsrecht noch vielfach privatrechtliche Anschauungen spuken *), und daß das Völkerrecht noch von Fricker nur als ein höheres Privat

1) Laband a. a. D. S. 29.

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2) Vergl. die Lehre vom Staatsgebiet in den staatsrechtlichen Lehrbüchern, das fast überall noch als Eigentum des Staats im privatrechtlichen Sinn behandelt wird.

recht" charakterisiert wurde. „Erscheint ja doch

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sagt er in seiner Abhandlung über das Staatsgebiet 1) — das ganze Völkerrecht nur als ein höheres Privatrecht, als das Recht für die Staaten in ihrem selbständigen Nebeneinandersein“. Diese Ansicht ist indessen heute kaum mehr richtig.

Dieser leztere Prozeß nämlich die Uebertragung privatrechtlicher Rechtsinstitute und Begriffe auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse und ihre juristische Konstruktion und Erklärung auf Grund privatrechtlicher Analogien tritt ganz besonders deutlich zu tage bei dem Rechtsinstitut der Staatsdienstbarkeit.

Als ein Zeugnis, wie frühe dieser Prozeß begonnen, mag ein Vertragsinstrument aus dem Jahre 1281 dienen *).

Instrumentum juris aperturae in castro Kropffsberg ab Equite de Lichtenstein Magistratui Spirensi anno 1281 venditi: Ego Johannes miles de Lichtenstein in castro meo dicto Kropffsberg, cujus dimidiam partem comparavi ab H. milite de Hohenecke, tale jus seu servitutem constituo consulibus et civibus Spirensibus scilicet ut jus habeant intrandi castrum meum praedictum et exeundi cum armatis, quando voluerint et quoties voluerint de munitione castri mei praedicti proeliandi cum hostibus eorum quibuscunque, nulla facta distinctione personarum, praedamque hostium ad castrum praedictum ducendi, ac omnia alia faciendi, quae ipsis contra hostes et inimicos eorum viderint expedire etc.

Und als ein Beispiel, in welcher Art und Weise der Prozeß vor sich ging, mag der Umstand hervorgehoben werden, daß die Frage der Servituten öffentlich-rechtlichen Charakters im Zusammenhang mit der Exegese der bezüglichen Stellen des corpus juris civilis erörtert wurde.

Baldus de Ubaldis3) sagt bei der bezüglichen Koderstelle: Quid ergo dicemus in dominio aliorum incorporalium jurium, puta in dominio jurisdictionis, in jure praesentandi, quod competit patrono ecclesiae et similibus? Ista jura non sunt proprie servitutes, quia non

1) Fricker, Vom Staatsgebiet. Tübingen 1867. S. 6.

2) Lehmann, Chronica Spirensis 1. V. c. 113 S. 566.

3) Baldus de Ubaldis (1323-1400), Commentarii 1. III. cod. Rubr. de usufructu . 224. A. 1599.

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