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einer fremden Sache Nußen zu ziehen; der Begriff der Servitut ist damit erschöpft, daß eine Sache dient. Eine servit. jur. publ. kann also nie zu einer Leistung verpflichten. Die causa, die bei Privatservituten nach der dienenden Seite perpetua sein muß, braucht das bei servitutes jur. publ. nicht zu sein'). Die näheren Modalitäten über die Ausübung der Staatsservituten bestimmen sich nach den Konventionen. Allgemeine Grundsäge sind folgende: Das dienende Territorium darf die Ausübung von Seiten des Herrschenden nicht hindern, oder durch Einrichtungen das Recht deteriorieren. Das durch die Servitut eingeräumte Recht darf über den ausdrücklich gewährten Umfang nicht ausgedehnt werden; dies hindert jedoch nicht, daß der Berechtigte auch diejenigen Maßnahmen treffen darf, welche die Ausübung notwendig bedingen. Denn wenn ein bestimmter Zweck gestattet wird, so müssen auch die Mittel zur Erreichung desselben gewährt werden 2). Für den Erwerb, den Untergang und Rechtsfälle bei Staatsservituten erklärt er die Normen des römischen Privatrechts für anwendbar 3).

Keine neuen Gesichtspunkte für die Lehre giebt Schilter1) in seinen Institutionen des öffentlichen Rechts. Servitutes jur. publici sunt, sagt er, jura et regalia inprimis in territorio alieno certum emolumentum capiendi et consequenter jus prohibendi, ne dominus ex re sua istud commodum percipiat, aut jus hoc exerceat 5). Bei ihm tritt das privatrechtiche Element wieder mehr in den Vordergrund 6). Das Territorium ist nur eine Sache um Nußen daraus zu ziehen. Allein die Konsequenz, daß die Ausübung eines Servitutrechts einen den dominus terrae in der Ausübung desselben Rechts hindernden, ausschließlichen Charakter habe, geht zu weit. Denn ein solch

1) Artop äus a. a. D. § 33. 2) a. a. D. § 34. 3) a. a. D. § 22- 25 u. § 35. 4) Schilter a. a. D. 5) Schilter a. a. D. t. III. § 1 S. 281. 6) Er klassifiziert die serv. jur. publ. in rusticae u. urbanae. Erstere sind: jus transitus militaris, jus conducendi per alienum territorium, jus lustrationis, jus sequelae (aber auch Weiderechte, Wasserleitungsrechte zwischen den gegenseitigen Unterthanen); lettere: fortalitium altius tollere, ex quo alteri territorio officiatur, vel fortalitium in alieno solo constituere, jus praesidii in aliena urbe, jus aperturae in alieno castro vel civitate etc.

ausschließliches Recht muß immer ausdrücklich vereinbart sein. Zum Begriff der Servitut gehört dies nicht.

Noch weniger Neues als Schilter bietet uns die Dissertation von Felz). Mit Rücksicht auf das berechtigte Territorium definiert er die servitutes jur. publ. als jura in alieno territorio certam commoditatem atque utilitatem capiendi et consequenter prohibendi ne dominus ex territorio suo istam ipsam utilitatem vel plane vel solus percipiat aut jura haec exerceat; mit Rücksicht auf das dienende als obligationes alteri ex territorio suo certam utilitatem aut jus concedendi vel in alterius emolumentum ab usu rei suae abstinendi “). Weiter auf den Gedankengang dieser Dissertation einzugehen lohnt sich nicht. Das Rechtsverhältnis der serv. jur. publ. wird ganz nach den Grundsäßen der Privatservituten abgehandelt, ohne Berücksichtigung des eigenartigen Charakters der Objekte und Subjekte der Staatsservituten.

Hertius endlich kennt zwar das Rechtsinstitut der servitus jur. publici dem Namen nach, ohne uns jedoch über das Wesen derselben Aufklärung zu geben 3). Durch seine servitutes naturales') ist er der Vorgänger Engelbrechts geworden, der hierin ganz Hertius gefolgt ist 5). Auf die Ausführungen Engelbrechts mag daher hier verwiesen werden.

§ 7. Die Lehre von den Staatsdienstbarkeiten bei Engelbrecht und seinen Nachfolgern ®).

Das Verdienst, das Rechtsinstitut der servitus jur. publ. wenigstens in einigen Beziehungen ihres privatrechtlichen Gewandes ent

1) Fela. a. D. 2) a. a. D. § 4.

3) Hertius. De quasi possidente probante sect. II. § 9. De serv. naturaliter constituta. sect. I. § 1.

4) Hertius. De serv. nat. constit. Sect I.

5) Engelbrecht nennt sie zwar nicht servitutes naturales sondern serv. jur. publ. universales. Das Wesen derselben ist aber das gleiche, s. u. S. 56 ff.

6) Joh. Christ. Konrad Engelbrecht (geb. 1690 † 1724). De servitutibus juris publici sive juribus praecipue in imperio Rom.-Germ.

fleidet und dasselbe in das Gebiet des öffentlichen Rechts hinüberge= führt zu haben, gebührt Engelbrecht. Durch seine Monographie über diesen Gegenstand, die erste dieser Art, ist das Rechtsverhältnis der Staatsservitut dauernd nicht nur in das Staats- sondern auch in das Völkerrecht eingeführt worden. Die Monographie Engelbrechts, die 1739 nochmals neu aufgelegt wurde, ist jedoch nicht nur für den spe= ziell behandelten Gegenstand von Bedeutung; bemerkenswert sind auch die Ausführungen und Anschauungen, die er in Bezug auf andere Gegenstände des öffentlichen Rechts darlegt 1).

Das Bestreben Engelbrechts, das Institut der serv. jur. publici aus dem öffentlichen Recht heraus zu erklären, zu entwickeln und aus öffentlich-rechtlichen Prinzipien heraus zu konstruieren, offenbart sich schon in dem Umstand, daß er an die Spiße seiner Abhandlung den Sag stellt, daß Fragen des öffentlichen Rechts nicht aus Normen des römischen Rechts entschieden werden können 2). Daran knüpft er aber eine Einschränkung: Es kann jedoch keinem Zweifel unterliegen, daß in Fällen, wo gewisse Analogien zwischen Rechtsverhältnissen des öffentlichen und privaten Rechts hervortreten, das Privatrecht zur Jllustration mit Recht herbeigezogen werden kann, modo non fiat intempestive 3). Diese Einschränkung wird aber Engelbrecht häufig zur Versuchung, auch da Analogien zwischen den servitutes juris publici imperanti, in alterius territorio competentibus, ex genuinis juris publici atque privati quin et historiae Germaniae fontibus petita commentatio. Helmstadt 1715. Nochmals aufgelegt Leipzig 1739 mit einer Vorrede von Buder. Joh. Fr. de Neumann (geb. 1699 † 1768): Reale Principum jus sive de dominio et servitute pignore et hypotheka... commentatio Frankfurt a/M. 1752. Joach. Erdmann Schmidt, De servitutibus jur. publici falso nomine sic appellatis. Jena 1764. s. auch J. Jak. Mas cow († 1761). Principia jur. publ. Imp. Rom.-Germ. 3. Aufl. 1744 1. VI. c. I. § 16, und Burk. Gotth. Struve (1671-1738) Corpus jur. publici imp. nostri Rom.-Germ. 3. Aufl. 1738 cap. 29, § 8.

1) Vergl. von Martis, Internationale Rechtshilfe in Straffachen.

1. Abteilung S. 164, n. 20. Leipzig 1888.

2) Engelbrecht a. a. D.: proleg. S. 6 u. 7. illorum (d. h. negotia et jura, quae territoriorum domini exercent) decisionem ex jure Romano non posse hauriri. 3) a. a. D. S. 8.

und den serv. jur. privati herauszufinden, wo solche nicht vorhanden sind.

Die Monographie von Engelbrecht ist nicht nur die erste in ihrer Art, sondern neben derjenigen von Gönner noch jetzt die wichtigste, die den Gegenstand der servit. jur. publici in extenseo behandelt. Ein näheres Eingehen auf den Gedankengang derselben dürfte daher wohl am Plage sein.

Die jura, die dem summo imperanti in einem andern Ter ritorium in modum servitutis zustehen, teilt Engelbrecht in zwei Arten: solche, die ex luculentissima juris naturalis et gentium scaturigine dimanent et absque facto hominum debeantur; und solche, die nur conventione vel praescriptione vel alio modo acquiri possunt'). Damit hat er den noch teilweise in der jeßigen Theorie aufrecht erhaltenen Unterschied von Servituten des Staatsrechts und Servituten des Völkerrechts hervorgehoben, der bezüglich des Begriffs und Wesens der Staatsservitut jedoch von keiner Bedeutung ist. Die ersteren nennt er servit. juris publici universalis, die letteren servit. jur. publici particularis).

In die Klasse der servit. jur. publici universales, die nach dem Vorgang von Harpprecht3) auch servitutes juris gentium genannt werden können, rechnet er folgende Rechtsverhältnisse :

1) Engelbrecht a. a. D. S. 44.

2) a. a. D. S. 44 u. 45 proleg. Bei den lezteren sind die Grundfäße des jus. publ. particulare anzuwenden, und nur in Ermanglung solcher hat man auf das jus publ. universale d. h. das jus gentium zurückzugreifen.

3) Ferdinand Christoph Harpprecht (geb. 1650 † 1714), sagt in seiner Disputatio de compensatione debitorum publicorum von Abrech= nung Staats- und Stadtschulden. Diss. acad. Vol. I. No. 22 I. n. 7. S. 779. Tübingen 1703: Quemadmodum privati saepius in praedio alieno aliquid facere aut ne dominus faciat, prohibere possunt, ita etiam princeps extra territorium suae civitatis, praecipue in casu publicae necessitatis ex dispositione legis naturalis nonnulla jura licite exercet, quae forsan non inconcinne servitutes juris gentium apellaveris et hoc referre poterunt jus petendi transitum innoxium, jus occupandi locum in solo pacato situm. Harpprecht ist somit der Schöpfer des Terminus servitus juris gentium im Unterschied von servitus juris publici, und diese Unterscheidung ist insofern von Bedeutung geworden,

1. Den Durchzug durch ein fremdes Territorium des Handelsverkehrs wie des Krieges wegen; und zwar kann der transitus militaris, wenn er ohne gerechte Ursache verweigert wird, mit Waffengewalt vindiziert werden, vorausgesezt, daß die allgemeinen Bedingungen für die Statthaftigkeit desselben vorhanden find 1).

2. Den Durchgang durch fremde Meere und Flüsse. Für diese sind die gleichen Grundsäße maßgebend, da nicht nur die Binnenmeere, sondern auch die offene See okkupiert werden können).

3. Das Recht an einem fremden Hasen zu landen und dort sich eine Zeitlang aufzuhalten).

4. Das Recht in ein fremdes friedliches Territorium in Kriegszeiten Besatzung zu legen oder Befestigungen zur Abwehr des Feindes herzustellen. Dieses Recht ist aber nach Engelbrecht nur unter ganz bestimmten cautiones zulässig*).

5. Das Recht der Gesandten darauf, daß die zu ihrem Amte gehörigen Angelegenheiten nicht der Jurisdiktion desjenigen Staates unterliegen, bei welchem sie die Gesandtschaft übernommen haben 5).

In der Lehre von den servitut. jur. publ. universales oder ser vit. jur. gentium ist Engelbrecht im wesentlichen den Ausführungen der Naturrechtslehrer gefolgt, insbesondere Hertius). Ueber das Wesen der durch die servit. jur. publ. universalis geschaffenen Rechte,

als mit dem ersteren Ausdruck die Servituten des Völkerrechts, mit dem lekteren diejenigen des Staatsrechts bezeichnet wurden. Indessen wurden diese Unterscheidungen nicht immer aufrecht erhalten, sondern häufig beide Ausdrücke promiscue gebraucht für Staatsservituten.

1) Engelbrecht a. a. O. sect. I. § 3: ut debito modo a domini territorio petatur; ut sufficiens cautio praestatur de damno non inferendo, illato sesarciendo et sumtibus refundendis; ut necessitas adsit h. e. ut per suum territorium longiori licet et minus commoda via transire quis non possit.

2) Engelbrecht a. a. D. § 5. 3) a. a. D. § 6. 4) a. a. D. § 7. 5) a. a. O. § 8. 6) Groot a. a. Q. lib. II. c. II. § 13 n. 1 4; Pufendorf, de jure naturae et gentium libri octo. Frankfurt 1694. Vitriarius. Instit. jur. naturae et gentium 1695. 1. II. c. II. S. 84 ff. Joh. Hertius. De servitute naturaliter constituta cum inter diversos populos tum inter ejusdem republicae cives. Gießen 1704, sect I. § 1-19.

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