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ist. Befinden sich thatsächlich solche regalia im Besiß eines fremden Landesherrn, so hat bei Bestreitung des Rechtes der thatsächliche Besißer den Beweis des rechtmäßigen Besißes zu führen '). Außer diesen regalia fönnen aber auch solche von der Landeshoheit getrennt werden, die, wenn sie von andern besessen werden, die Landeshoheit nicht aufheben z. B. das jus judicia ut centenae exercendi, jus contributiones in certis locis colligendi, jus collectandi etc.

Als offensichtlich zum regimen territorii gehörig und mit der Landeshoheit unauflöslich verbunden haben nach der Ansicht Schmidts folgende Rechte zu gelten: jus tuendi territorium, milites conscribendi, jus belli, pacis, foederum, legatorum, jus gubernandi territorium, jus legum ferendarum, jus consiliarios, magistratus, judices creandi, poenas propter delicta publica infligendi, remittendi seu aggratiandi, contributiones propter onera territorii publica indicendi, morosos cogendi et quae sunt similia 2).

Wenn nun ein Landesherr regalia in einem fremden Territorium besigt, so geschieht ihm kein Unrecht, wenn der Landesherr sein Aufsichtsrecht handhabt und bei Mißbrauch den Berechtigten in die Schranken zurückweist; und es bedarf keiner actio confessoria sondern nur der exceptio superioritatis terriorialis, wenn der Berechtigte Klage erhebt gegen das Aufsichtsrecht des verpflichteten Landesherrn 3). Der Umstand also, daß von der Landeshoheit dieses oder jenes regale losgelöst wird, ändert zwar den Umfang, nicht aber das Wesen derselben. Immer aber beschränken Regalien, die von einem fremden Landesherrn im eigenen Territo= rium ausgeübt werden, die Landeshoheit, während servitutes Rechte sind, die das dominium beschränten; erstere können daher nicht servitutes jur. publici genannt werden, da die Beschränkung der Landeshoheit nicht zugleich auch eine Beschränkung des dominium, des Eigentumsrechts ist 4).

Die Bezeichnung servitus jur. publ. ist ferner deshalb unzu

1) Schmidt a. a. D. § 13. 2) a. a. D. § 14. 3) a. a. D. § 16. 4) a. a. . § 17-22.

treffend, weil bei vielen Regalien, die einem Landesherrn in fremdem Territorium zustehen, der Vorteil nicht aus der Sache selbst kommt, auch die causa nicht perpetua ist 1); sodann weil manche derselben in faciendo bestehen 2); endlich weil die regalia in alieno territorio competentia nicht kraft des Eigentumsrechts sondern kraft der Landeshoheit, des jus superioritatis territorialis, auf einen andern übertragen werden 3).

Auf Grund dieser 4 Säße kommt Schmidt zu dem Schluß: ergo regalia quae in alieno territorio jure imperii conceduntur, falso nomine appellantur servitutes.

Wenn man nun auch bezüglich der Bezeichnung des fraglichen Rechtsinstituts verschiedener Meinung sein kann, so ist immerhin die Benennung servitus juris publici viel eleganter und bequemer als der Ausdruck regalia in alieno territorio competentia. Sodann aber ist die Bezeichnung servitus durchaus nicht so unzutreffend wie Schmidt dies nachzuweisen sucht. Denn daß zwischen jenen Rechten im fremden Territorium und den servitutes gewisse Beziehungen vorhanden sind, die für dieselben die Bezeichnung als servitutes juris publici rechtfertigen können, ist nicht zu leugnen. Nur darf man nicht aus übertriebenem Haften am römischen Recht meinen, alle Grundsäge des römischen Rechts über Servituten auf die sog. serv. jur. publ. übertragen zu müssen; denn die Staatsservituten haben einen wesentlich anderen Charakter als die Privatservituten und erfordern eine Behandlung nach wesentlich anderen Grundsäßen. So verfällt Schmidt in denselben Frrtum, vor dem er im Eingang seiner Erörterung warnt, nämlich die Säße des Privatrechts nicht vertrauensselig auf Rechtsverhältnisse des öffentlichen Rechts zu übertragen. Damit fällt auch seine lange schöne Reihe von Deduktionen in sich zusammen, und die aufgestellten vier Gründe vermögen weder die Unrichtigkeit der formalen Bezeichnung noch die Haltlosigkeit der ma= teriellen Lehre von den servitutes juris publici darzuthun.

1) Schmidt a. a. D. § 23-27, 2) a. a. D. § 28-29.
3) a. a. D. § 30-34.

II. Abschnitt.

Die Lehre von den Staatsdienstbarkeiten in der naturrechtlichen Schule des

Völkerrechts.

§ 8. Insbesondere bei Wolf 1).

Aus dem epochemachenden Werke des Hugo Groot sind zwei Zweigwissenschaften hervorgegangen. Der eine Zweig ist das reine Naturrecht, einseitig entwickelt von Pufendorf und Thoma sius, der andere das Völkerrecht, jus gentium im eigentlichen Sinn, das seine erste Entfaltung im wesentlichen Wolf und Vattel verdankt. Für die Lehre von den Staatsservituten ist aus der ersten Richtung wenig zu gewinnen. Pufendorf schließt sich in dieser Beziehung eng an Hugo Groot an. Die fraglichen Rechtsverhältnisse subsumiert er teils unter die foedera aequalia 2), teils unter die inaequalia foedera 3), teils sind sie ihm ein Ausfluß ex mero jure naturae z. B. der Transitus durch fremde Länder, Flüsse oder im Eigentum stehender Meeresteile. In liber III. c. III. § 5, wo er

1) Sam. Pufendorf. De jure naturae et gentium libri octo Frankfurt 1694. Christ. Thomafii, Institutionum juris prudentiae libri III., Halle 1717. Phil. Reinhard Vitriarius, Institutiones juris Naturae et Gentium 1695; vielfach aufgelegt und mehrfach kommentiert. (1. Auflage 1692). Christ. Wolf, Jus gentium naturale, Halle 1749. Joh. Adam Ic stadt (geb. 1702 † 1776). Elementa juris gentium. Würzburg 1740.

2) Pufendorf a. a. O. lib. VIII. c. IX. § 3;..... denique aequalia foedera circa alias res sunt si conveniatur ne in confinio alterius alter arces habeat.

3) Pufendorf a. a. D. § 4:.. Illa foedera summum imperium non imminunt quae habent aliquod onus transitorium v. g. si teneatur moenia arcesque diruere locis quibusdam decedere. . . . Sed de hoc potissimum dubitatur, utrum illa foedera inaequalia, quae permanentia et perpetuo duratura onera habent adjuncta semper et in se summum imperium minuant; seu utrum alterius socius inaequalis possit retinere summum imperium? Onera ista perpetua sunt v. g. ut unus debeat eosdem amicos cum altero habere non vice versa, ne liceat certis locis arces exstruere, ne urbem condere.

auch von dem Transitus spricht, sagt er aber: es fehlt nicht an Beispielen, die zeigen, daß der transitus mero jure naturali citra pactum aliquod aut concessionem non deberi insbesondere in dem Fall, wo einer zur Bekriegung unseres Nachbars unser Land durchziehen will. Denn wie das Gehen über unser Privatgrundstück ohne Servitut unzulässig ist, so ist auch das jus eundi per terras alterius nur statthaft, wenn es durch Vertrag erworben wurde. Hieran knüpft er dann noch die Bemerkung: in nostra quaestione iter aut transitum non accipi pro perpetua aliqua servitute sed pro momentaneo dumtaxat rei alienae usu ad quem arripiendum ingens nos utilitas aut necessitas adigit, cui non ultro velificari alterum inhumanum erat. Thomasius1) hat bis ins einzelne die Theorie Pufendorfs rezipiert.

Auch der eifrige Verfechter der grotianischen Ueberlieferung, Vit r i arius, der wie wir oben gesehen haben 2) in seinen institutiones jur. publ. mit dem Begriff der servitus jur. publici operiert, hat in seinen institutiones juris Naturae et Gentium den Begriff noch nicht für die analogen Rechtsverhältnisse des jus naturae et gentium verwendet, sondern folgt in dieser Beziehung ganz seinem großen Vorgänger3).

Das reine Naturrecht hatte sonach noch kein Verständnis für das eigenartige Wesen des in Frage stehenden Rechtsinstituts. Pufendorf bringt zwar den Begriff der Servitut in Beziehung zu den bezüglichen Rechtsverhältnissen, er spricht aber den Gedanken nicht aus, daß man es hier mit einer bestimmten Art von Servituten zu thun habe.

Diesen Schritt hat Wolf gethan. Ob Wolf unter dem Einfluß staatsrechtlicher Erörterungen über Staatsservituten gestanden, ist zweifelhaft; doch ist es nicht ganz ausgeschlossen, da er in seinen völkerrechtlichen Werken auch schon positives Recht gibt, wie er ja auch grundsäglich genommen nicht zu den Naturrechtslehrern im strengen Sinn gehört, sondern eine gewisse Art Uebergangsstufe zu dem Po

1) Thomasius a. a. O. 1. III. c. 8 n. 14-21. Bezüglich des transitus vergl. 1. II. c. VI. n. 35 f. 2) D. S. 47 ff.

3) Vitriarius a. a.

S. 84 ff.

D. 1. II. c. XV., vergl. auch 1. II. c. II.

sitivismus der Völkerrechtstheorien darstellt. In gewissem Sinn stellt seine Lehre von den servitutes territoriorum auch ein solches Uebergangsstadium dar.

publici oder juris

Nach Wolf werden die sog. servitutes jur. gentium durch foedera inaequalia begründet 1). In c. III. seines jus gentium, wo er de dominio gentium et juribus cum eodem connexis handelt, führt er in den §§ 320-323 über das in Frage stehende Rechtsverhältnis folgendes aus: Ein Volk, das ein Land okkupiert, erlangt nicht nur das imperium in demselben sondern auch Eigentum (dominium) an demselben; lezteres wird res sua. Wie nun jemand an seiner Sache einem Dritten irgend welches beliebige Recht gewähren kann, so ist es auch jedem Volke unbenommen, einem andern Volke ein gewisses Recht in seinem Territorium zu konstituieren. Und dies ist häufig der Fall zwischen Nachbarvölkern. Ja es gehört zu den gegenseitigen Pflichten der Völker, daß das eine zum Vorteil des andern in seinem Territorium gewisse Rechte konstituiert, sofern hierin nur nicht ein Mißbrauch des Territoriums gefunden wird. Beispiele solcher Rechte sind: Fischereirechte in fremden Flüssen oder okkupierten Meeresteilen, jus fortalitium in alieno solo, Besaßungsrecht in einem fremden befestigten Plaze, Rechtsprechung in bestimmten Orten eines fremden Territoriums oder für bestimmte Rechtssachen oder gegen bestimmte Personen 2c. Die Konstituierung von Rechten in fremden Territorien liegt aber nicht blos im Interesse benachbarter Völker sondern auch entfernt wohnender. Bezüglich des Wesens und der Grundsäße über Rechte in fremdem Territorium verweist Wolf auf das, was er über jura in re aliena im allgemeinen und über servitutes im einzelnen dargelegt hat. Istius modo enim jura, sagt er, pro servitutibus territoriorum haberi ex servitutis definitione patet. Non igitur opus est ut ad specialia descendamus.

Besondere Aufmerksamkeit schenkt Wolf denjenigen servitutes territoriorum, die durch originären Erwerb entstanden sind. Die Begrün

1) Wolf a. a. D. c. IV. S. 322 ff.

2) Wolf. Jus naturae Band III. c. 6. Halle 1743 und Band V. c. 6 § 1267 Halle 1745.

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