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nicht als widernatürlich angefochten werden, vielmehr können sie nur in den Fällen einseitig aufgehoben werden, in welchen man von einem Vertrag abzugehen berechtigt ist.

Wie Martens in seinem System des Völkerrechts überhaupt die fremdartigen civil- und naturrechtlichen Kategorien verwirft, so bemerken wir auch in seiner Behandlung der Staatsdienstbarkeiten mit Genugthuung das Fehlen privatrechtlicher Analogiesucht. Dem Rechtsverhältnis der serv. jur. publ. wird in jeder Beziehung der öffentlich-rechtliche Charakter vindiziert; und er giebt im allgemeinen eine vollständige Theorie derselben, die noch jezt den Kern der Erörterungen über Staatsservituten bildet.

In diesem Bestreben der Bekämpfung privatrechtlicher Kategorien sind ihm freilich die meisten neueren Völkerrechtslehrer nicht gefolgt. Dieser Zuschnitt des Völkerrechts zeigt sich z. B. auch bei Steck1) in seiner Erörterung über Servitudes de droit des Gens. Er unterscheidet von den servitudes de droit des gens die servit. de droit public, die nach seiner Ansicht mit Bezug auf Konstituierung, Erwerbung, Verfolgung und Erlöschung ganz den privatrechtlichen Servituten gleich zu behandeln sind. Ueber das Wesen der serv. de droit des gens bringt Steck nichts neues bei; nur über das Motiv, das zur Begründung von Völkerrechtsservituten führen kann, sagt er: „Ce n'est qu'une détresse ou un grand interêt, qui puisse arracher a une nation, a un souverain des concessions si onereuses, si humiliantes."

§ 10. Die Lehre von den Staatsdienstbarkeiten bei Dresch und K. S. Zachariä 2).

Diese beiden Schriftsteller erfordern eine gesonderte Behandlung, sowohl was ihre Stellung in der Völkerrechtslitteratur überhaupt als was ihre Anschauungen über Staatsservituten betrifft. Dieselben stehen noch unter dem Einfluß des Naturrechts und des natürlichen Völker

1) Sted, a. a. D.

2) Leonh. Dresch (geb. 1786 † 1836). Ueber die Dauer der Völkerverträge. Landshut 1808. Karl Salomo 3 a chariä (geb. 1769 † 1843). Vierzig Bücher vom Staate. II. Auflage 1841. V. Band. II. Hauptstück, S. 48-50.

rechts; ihre Anschauungen über Staats- und Völkerrecht aber sind gleichzeitig beeinflußt von den Lehren der neueren Philosophie, insbe sondere von Kant. In dieser Beziehung bilden sie mit manchen andern Völkerrechtstheoretikern, die ihre Lehre bald auf Kantischer, bald auf Fichte'scher, bald auf Hegelscher Grundlage aufbauen, ein Uebergangsstadium zu dem modernen Völkerrecht, das den positiven Rechtsstoff auf philosophischer Grundlage systematisch gestaltet. Was sodann ihre Anschaungen über Staatsservituten betrifft, so sind dieselben zwar unter sich übereinstimmend, treten aber mit den seither entwickelten Ansichten in scharfen Gegensag. Sie leugnen zwar nicht wie dies Schmidt') gethan, das Vorhandensein von Staatsservituten oder völkerrechtlichen Dienstbarkeiten (wie sie nach Zachariä zutreffender bezeichnet werden können) 2), aber sie leugnen die Möglichkeit derselben in Beziehung auf Hoheitsrechte. Allein diese Resultate sind nur auf die Uebertragung privatrechtlicher Kategorien und Grundsäge auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse zurückzuführen, wobei das innerste Wesen der Staatsdienstbarkeiten völlig verkannt wird.

Dresch3) unterscheidet in Uebereinstimmung mit Za cha riä *) zwischen Dienstbarkeiten auf Eigentum und „Dienstbarkeiten auf Hoheitsrechte bestehend.“ „Nur Verträge, durch die Völkerdienstbarkeiten in Bezug auf Eigentum begründet werden, sind nach der Meinung Dresch's gültig und verpflichten die Nation und jeden Nachfolger in der Regierung“; z. B. die in Art. 14 des Münsterischen Friedens zwischen Spanien und den Niederlanden stipulierte Sperrung der Schelde. Von dieser Servitut, sagt er, läßt sich nicht behaupten, daß sie wider das Naturrecht und darum ungültig sei. Wenn jedoch bei solchen Verträgen Freiheit der Subjekte, Einheit des Willens und Gleichheit der Vorteile nicht vorhanden ist; wenn ein solcher Vertrag über das völkerrechtliche Eigentum nur aus gewisser Zuneigung oder aus Not abgeschlossen ist, so ist die Servitut nur als bedingt zu betrachten, als eine Art precarium, das der verpflichtete

1) f. oben S. 66 ff.

2) Zachariä a. a. O. Band V. S. 48 in der Anmerkung.
3) Dresch a. a. D. § 52-56.

S. 48-50,

4) K. S. 3 a chariä a. a. O.

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Staat nur solange gelten läßt, als er will. Denn es erscheint ganz natürlich, daß keine Nation eine Verbindlichkeit als nur gegen Ersat übernimmt, und daß jeder Vertrag, der nicht auf Gleichheit der Rechte beruht, ein precarium sei“ ').

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Ohne jede Ausnahme aber gehören alle Verträge, durch welche Hoheitsrechte beschränkt werden, in die Kategorie des precarium; denn den Inbegriff aller in der Oberherrschaft begriffenen Rechte kann der Monarch nicht vermindern, da nicht er, sondern die Stimme des Volkes und die Konstitution seinen Nachfolger zum Regenten macht“, und der daher die Herrschaft und die Hoheitsrechte von dem Vorgänger ebenso erhalten muß, wie dieser sie aus den Händen der Nation erhalten hat). Jeder Vertrag, mag er von einer Republik oder einer Monarchie abgeschlossen sein, der eine Beschränkung der Regierungsrechte zum Inhalte hat, kann nur von vorübergehender Dauer sein. An sich ist es ja nicht ausgeschlossen, daß ein Staat die Ausübung einzelner Hoheitsrechte auf eine zeitlang suspendiert oder diese selbst einem fremden Staat überläßt. Jedoch gilt das nur, solange es mit dem eigenen Besten des verpflichteten Staats vereinbar ist. „Jede Kollission mit demselben zieht notwendig die Konsolidierung des veräußerten Rechtes nach sich.“ Es steht daher jeder Nation frei in jedem Augenblick von einem solchen Vertrage abzugehen. Eine Ausnahme von diesen Grundsäßen läßt Dresch nur dann zu, wenn eine Servitut auf Hoheitsrechte als Ersatz für andere Vorteile eingeräumt wird. Rechtsgrund einer Völkerservitut auf Hoheitsrechte kann nach Dresch also nur Wiedervergeltung sein; alle anderen Ursachen, denen sog. Völkerdienstbarkeiten ihr Dasein verdanken: Neigung zweier Regenten, das zwingende Uebergewicht einer Nation, die Aussicht auf gewisse Vorteile, welche die verpflichtete Nation bei Uebernahme der Servitut zu erreichen hofft, können keine bleibende Verbindlichkeit für ein Volk erzeugen 3). Als gültig vermöge des Begriffs vom Eigentum will Dresch z. B. folgende Völkerdienstbarkeiten betrachten: Das Recht der Engländer, in der Hondurasbah Färberholz zu fällen nach dem Art. 17 des Pariser Friedens von 1763; das Recht der Franzosen 1) Dresch a. a. D. § 55. 2) a. a. D. § 52. 3) a. a. D. § 54.

an einem Teil der Küste von Neufundland Fische zu fangen und zu trocknen. Ungültig sind nach seiner Meinung als Beschränkung der Regierungsgewalt z. B. die Frankreich auferlegte Servitut, die Festungswerke von Dünkirchen zu schleifen 1).

Allein wenn die Völkerdienstbarkeiten nur Beschränkungen des Eigentums (?) sind, wozu bedürfen sie dann eine von den Privatservituten verschiedene Behandlung? Und haben sich nicht Spanien und England gewisser Hoheitsrechte begeben, als ersteres den Engländern das Recht zum Holzfällen auf spanischem Gebiet, als lezteres den Franzosen das Recht zum Fischfang und Trocknen an einem Teil der Küste von Neufundland einräumte ?

Zachariä) nennt diejenigen völkerrechtlichen Dienstbarkeiten, die das Eigentumsrecht eines Volkes an seinem Lande beschränken, Landesdienstbarkeiten. Dieselben sind nach seiner Meinung ganz in demselben Sinne dingliche Rechte an einer fremden Sache, an dem Grund und Boden des Landes eines andern Volkes, in welchem das bürgerliche Recht die Worte: Dienstbarkeiten, Grunddienstbarkeiten gebraucht; und ebenso ist der Grund der Landesdienstbarkeiten identisch mit dem, aus dem das bürgerliche Recht die Zulässigkeit der Grunddienstbarkeiten rechtfertigte. Ja die Verhältnisse können es mit sich bringen, daß ein Volk gegen das andere schon „von Rechts wegen“ eine gewisse Landesdienstbarkeit in Anspruch nehmen kann, z. B. gemeinschaftliche Schifffahrt auf Grenzströmen von seiten sämtlicher Uferbewohner; Einspruch kraft eigenen Rechts gegen einen beabsichtigten oder unternommenen Uferbau, der den andern Uferstaat mit Ueberschwemmung bedroht. „Mit einem Worte, sagt Zachariä), von den Landesdienstbarkeiten gelten schlechthin die Grundsäge, welche das bürgerliche Recht von den Grunddienstbarkeiten aufstellt, wenn auch zwischen der einen und der andern Art der politische Unterschied eintritt, daß eine Regierung, indem sie eine Landesdienstbarkeit bestellt, mittelbar zugleich der Staatshoheit Fesseln anlegt.

Die andere Klasse von völkerrechtlichen Dienstbarkeiten, die man als Staatsdienstbarkeiten zu bezeichnen pflegt und die Hoheitsrechte 1) Dresch a. a. D. § 56. 2) 3 achariä a. a. D. S. 48, 3) a. a. D. S. 50. Clauß, Staatsdienstbarkeit.

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zum Gegenstand haben, haben nach der Meinung Zacharias „nur um deswillen und nur in so fern etwas von der Natur einer Dienstbarkeit, weil und in wie fern sie nach der Absicht der Parteien — bleibende Lasten sind. Im übrigen beruhen sie weder auf einem ding= lichen Rechte überhaupt noch auf einem dinglichen Rechte an einer Sache. Ihr Gegenstand ist nicht das Land sondern die Landeshoheit oder die Machtvollkommenheit in ihrer Beziehung auf das Staatsgebiet. Staatsdienstbarkeiten sind Vertragsverbindlichkeiten und als solche nach den von Verträgen unter Völkern überhaupt geltenden Grundsäßen zu beurteilen '). Nach allgemeinen Rechtsgrundsäßen d. h. nach dem Naturrecht) aber sagt Zachariä ermangeln alle staatsrechtlichen Verträge, also auch diejenigen, durch die sog. Staatsdienstbarkeiten begründet werden 3), kraft der Beschaffenheit ihres Gegenstands eines rechtlichen Verpflichtungsgrundes; allein nach dem europäischen Völkerrecht sind staatsrechtliche Verträge wie andere Verträge *), die zwischen Völkern abgeschlossen werden, für verpflichtend zu erachten.

Unerfindlich ist es aber, warum ein Vertrag über eine servitus viae militaris, die Zachariä zu den Staatsdienstbarkeiten rechnet, verpflichtend sein soll, ein Vertrag darüber aber, daß ein Staat in dem Gebiet eines andern Staates die Gerichtsbarkeit ausübe als unverbindlich zu erachten sei. Sodann unterliegt es kaum einem Zweifel, daß durch eine servitus viae militaris in derselben Weise wie z. B. durch die Gerichtsbarkeit eines fremden Staats die Staatshoheit selbst beschränkt wird 5).

Bemerkenswert sind indessen die Ausführungen K. S. Zachariäs über die sogenannten Staatsdienstbarkeiten" dadurch geworden, daß die moderne Völkerrechtstheorie unter Staatsservituten vorzugsweise und allein gerade die Beschränkungen der Staatsgewalt" in

1) Zachariä a. a. D. S. 50. 2) a. a. D. S. 67-69. 3) a. a. D. S. 64. 4) Civilrechtliche und völkerrechtliche. Staatsrechtliche Verträge sind nach der Terminologie 3 a chariäs Verträge über Verfassungs- und Regierungsangelegenheiten; völkerrechtliche die übrigen mit Ausnahme der civilrechtlichen. Zachariä a. a. D. S. 61–70.

5) a. a. D. S. 49.

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