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Staatsrechtsdienstbarkeiten gelten, da hier nicht Staat gegen Staat steht, kein einzelnes Land als belastetes oder berechtigtes zu betrachten ist, vielmehr alle deutschen Staaten nur als ein Staatskörper erscheinen. Notwendiges Erfordernis bei der Staatsrechts- wie bei der Völkerrechtsservitut ist demnach ein nicht in allgemeinen Gesezen begründetes, sondern ein besonderes Recht auf besonderem Erwerbsgrund ').

III. Aus dem Merkmal des Staatsrechtsservitutenbegriffs, wonach das dingliche Recht die Landeshoheit zum Besten eines andern beschränkt, folgt, daß Rentenbezüge aus Darlehensverträgen, Pfandrechte, Verpflichtungen aus Subsidienverträgen zwischen deutschen Staaten nicht in die Klasse der Staatsservituten gebracht werden dürfen.

Der Satz des römischen Rechts aber, daß eine servitus nicht in faciendo bestehen könne, ist auf Staatsrechtsdienstbarkeiten nicht zu übertragen. Denn abgesehen davon, daß das deutsche Recht Privatservituten anerkennt, die in faciendo bestehen, ist es für Staatsrechtsservituten, die ein spezifisch deutschrechtliches Rechtsinstitut darstellen, völlig gleichgültig worin der Vorteil besteht, der aus einem fremden Staat gezogen wird").

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IV. In Anwendung völkerrechtlicher Grundsäße — wonach Staatsverträge nur zur Regelung von Rechtsbeziehungen von Volk gegen Volk abgeschlossen werden — auf deutsche Staatsrechtsdienstbarkeiten ist nach Gönner daran festzuhalten, daß dieselben nur dann Plaß greifen können, wenn und soweit infolge ihrer wechselseitigen Unabhängigkeit eine Gattung von völkerrechtlichem Zustand eintritt“, wenn es sich um ein Rechtsverhältnis von Staat zu Staat, von Gebiet zu Gebiet handelt. Im übrigen ist es durchaus irrelevant, welcher Art die Unmittelbarkeit des Gebiets ist, ob der Umfang groß oder klein ist ); rechtlich stehen sich diese Gebiete gleich, wenn auch die größere oder ge= ringere Macht sonst verschiedene Wirkungen erzeugt. Die Unmittelbarkeit muß aber auf dem Gebiete haften; es genügt nicht persönliche Unmittelbarkeit des Besizers. Auch wird erfordert, daß sowohl das

1) Gönner a. a. D. § 19.

2) 3. B. jährliche Prästationen an Geld, Holz, Getreide, Salz. a. a. O. § 25 und § 45. 3) Gönner a. a. D. § 22.

territorium dominans als das territorium serviens sich dinglicher Unmittelbarkeit erfreuen, da Staatsrechtsdienstbarkeiten als Rechte und Lasten auf dem Gebiete haften und von beiden Seiten dinglicher Natur sind 1).

Das Wesen der Staatsrechtsdienstbarkeit wird jedoch dadurch nicht geändert, daß das Servitutrecht nicht unmittelbar im Namen und zum Vorteil des Gebietes ausgeübt wird, sondern der Vorteil aus dem Rechte unmittelbar den einzelnen Unterthanen zu gute kommt; denn daran ist nicht zu zweifeln, daß die aus einem Staatsrechtsdienstbarkeitsvertrag entspringenden Rechte zu den Rechten des betreffenden Staates gehören, die Rechte der einzelnen Unterthanen nur ein Ausfluß des Rechtes des Staats selbst sind *).

V. Aus dem Erfordernis, daß Staatsrechtsdienstbarkeiten eine Beschränkung der landesherrlichen Gewalt durch Hoheitsrechte des andern in fremdem Gebiet enthalten, leitet Gönner folgende Säße ab In die Reihe der Staatsrechtsservituten dürfen nicht aufgenom men werden diejenigen Rechte, welche ihrer Natur nach Privatrechte sind, bei denen also das Verhältnis von Staat zu Staat ausgeschlossen ist; selbst wenn solche Privatrechte einem Unmittelbaren in fremdem Gebiet zustehen; denn die Qualität des Besizers ändert die Qualität der Sache nicht. Im ganzen Reich gilt als Regel, daß alles unter des Landesherrn oberster Gewalt steht, was in seinem Lande gelegen ist, bis die Unmittelbarkeit rechtsbeständig erwiesen ist 3).

Bezüglich der Zehnten, Gülten, Renten, Rechten aus Erbzinsverträgen, Hut- und Weidegerechtigkeiten, Einforstungen schließt sich Gönner im allgemeinen Reuß) an, welcher sich darüber folgendermaßen äußert: „Wenn ein Reichsstand unter fremder Landeshoheit gewisse Gülten, Zinse, Zehnten zc. zu beziehen hat; wenn eines

1) Gönner a. a. O. § 23. 2) a. a. D. § 24.

3) Gönner a. a. O. § 27, S. 67. Wenn auch die Unmittelbaren bezüglich gewisser Besitzungen reichsunmittelbar sind, so erscheinen sie „für ihre unter einer anderen Landeshoheit gelegenen Güter nur als Privateigentümer und sie stehen in Realunterwürfigkeit."

4) Reuß, Deutsche Staatskanzlei. Teil 17. Abt. 1, § 17 und § 18.

andern Reichsstands Unterthanen ihm zu gewissen Hand- oder Fuhrfronen verbunden sind, oder ihn für ihren Leibherrn oder Erblehnherrn anerkennen, so wird derselbe in Ansehung aller dieser Rechte der Regel nach, insofern er nämlich nicht neben solchen auch gewisse Hoheitsrechte z. B. die Gerichtsbarkeit über seine leibeigenen Leute hergebracht hat, die landesherrliche Obrigkeit nicht leicht in Widerspruch ziehen können. In Streitigkeiten mit den dienstpflichtigen Unterthanen erkennt er das landesherrliche Entscheidungsrecht an, bei der Ausübung seiner Gerechtsame und der Benuzung seiner Gefälle darf er die Landesgeseße nicht übertreten, und vor den Steuerforderungen des Landesherrn kann ihn nur eine besondere Vergünstigung oder Verjährung schützen. Besißt er hingegen in einem fremden Land die Kriminalgerichtsbarkeit, den Wildbann, die forstliche Obrigkeit, das Zoll- oder Geleitsrecht, so erkennt er über sich keinen andern Richter als die Austräge und die höchsten Reichsgerichte, und seine Rechte über mittelbare Personen und Güter haben alle Eigenschaften der Unmittelbar= keit. Rechte, welche Teile der Landeshoheit oder wenigstens mit der Landeshoheit gewöhnlich verbunden sind, mit einem Wort die hohen Regalien sind ordentlicher Weise der landesherrlichen Obrigkeit nicht unterworfen sondern als unmittel= bare Rechte als eigentliche Staatsdienstbarkeiten anzusehen. Sind es hingegen Gerechtsame und Nußungen, welche nur aus Privatverhältnissen fließen und weder vermöge ihrer Natur noch kraft der Observanz unter die landesherrlichen Regalien zu rechnen sind, und deren Besißer in Ansehung derselben als bloße Privatperson zu betrachten ist, so sind solche der Regel nach von anderen mittelbaren Gütern nicht unterschieden und der unmittelbare Besizer kann von dem Landsassen und jedem andern gemeinen Unterthan kein Vorzugsrecht behaupten“ 1).

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Im übrigen ist es nach der Meinung Gönners nicht aus

1) Gönner a. a. D. § 28 und § 29. Als Beweis für diese Säße führt er an: Art. V. § 47 des Instr. Pac. Osnab. und § 21 des Augs= burger Religionsfriedens von 1555,

geschlossen, daß ausnahmsweise solche Rechte Gegenstand einer Staatsrechtsservitut werden können, doch ist es, sagt er, „einleuchtend, daß in diesem Fall nicht das Zehntrecht oder ein anderes Recht, sondern blos die Unmittelbarkeit oder sonstige Befreiung von der landesherrlichen Gewalt, welche solchen Rechten anklebt, die Staatsrechtsdienstbarkeit ausmacht"). Diese Unmittelbarkeit muß aber dann als Ausnahme von der Regel, wonach die Präsumtion stets für den Landesherrn ist, von demjenigen bewiesen werden, der den Anspruch erhebt 2).

Ueber die Frage, wie weit die Landeshoheit durch Servituten eingeschränkt werden könne, in welchem Umfang Hoheitsrechte Gegenstand von Staatsrechtsservituten sein können, entwickelt Gönner eine von sämtlichen älteren und neueren Schriftstellern wesentlich abweichende Ansicht ). Während Engelbrecht, Martens, Heff= ter, v. Holzendorff u. a. bestrebt sind, irgend eine Grenze feftzustellen, jenseits deren von einer Staatsservitut nicht mehr die Rede sein könne, sondern ein Abhängigkeitsverhältnis von dem berechtigten Staate Plaz greife, lehrt Gönner, daß es gleichgültig sei, in welcher Art und Weise Hoheitsrechte eingeschränkt werden. Ja der Charakter der Staatsrechtsservitut ist nach Gönners Meinung selbst dann noch nicht ausgeschlossen, wenn einem Landesherrn in fremdem Territorium mehrere Hoheitsrechte in ihrem vollen Umfang zustehen. Selbst im lezteren Falle wird keine Mitherrschaft des Berechtigten geschaffen). Und es macht keinen Unterschied wie das Engelbrecht lehrt - ob es sich hiebei um wesentliche oder unwesentliche Hoheitsrechte, um große oder kleine Regalien handelt; denn „wem nur einzelne Hoheitsrechte zustehen, der hat die Landeshoheit noch nicht“; diese steht nur dem zu, „der den Komplex der übrigen Hoheitsrechte besigt“ 5).

Außer diesem allgemeinen Grundsaße über den Umfang der Staatsrechtsdienstbarkeiten gibk dann Gönner nochEntscheidungen über die Fragen

1) Gönner a. a. D. § 31. 2) a. a. D. §§ 32-34.

3) Vergl. Engelbrecht, a. a. D. sect. II. membr. II. § 3. Martens a. a. D. v. S. 77 und die in Abschnitt V u. S. 106 u. 107 genannten Schriftsteller.

4) Gönner a. a. D. § 37 u. 38. 5) a. a. D. S. 96, 97,

ob die geistliche Gerichtsbarkeit der Bischöfe, die Gerichtsbarkeit in fremden Territorien, Jagd- und Forstrechte in fremdem Gebiet, Zollrechte und Territorialprästationen zc. den Gegenstand von Staatsrechtsservituten bilden können 1).

Die Einteilungen der Staatsrechtsdienstbarkeiten in personales *) und reales; in urbanas und rusticas ) verwirft Gönner, da sie aus der „verkehrten Methode entspringen, alle unsere deutschen Anstalten in römische Formen zu pressen und staatsrechtliche Gegenstände nach dem römischen Zuschnitt zu beurteilen *). Die römischrechtlichen Unterscheidungen in continuae und discontinuae und die am meisten noch in der Gegenwart 5) übliche in affirmativae und negativae sind nach seiner Ansicht im allgemeinen unschädlich, haben aber keinen praktischen Wert und können bei Anwendung der römischrechtlichen Grundsäße auf Staatsrechtsservituten nur zu falscher Beurteilung der leßteren führen.

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Was die Erwerbsthatsachen betrifft, auf die der rechtsgültige Bestand von Staatsrechtsdienstbarkeiten zurückgeführt werden kann, so können dies nach Gönner und der übereinstimmenden Lehre der meisten Staatsrechtstheoretiker: Engelbrecht, Neumann, Moser u. a. sein: a) Kaiserliche Konzessionen, Privilegien und Belohnungen, solange es in der Machtvollkommenheit des Kaisers lag, dergleichen Privilegien zu schaffen ®).

1) Gönner a. a. D. §§ 39–46.

2) Gegen Engelbrecht a. a. D. sect. II. membr. I. § 3, S. 77, vergl. mit Sect. II. membr. III. § 14; denn die dort angeführten Personalservituten betreffen das Privatfürstenrecht, sind also überhaupt keine serv. jur. publ.

3) In Uebereinstimmung mit Neumann a. a. D. S. 169 und Engelbrecht a. a. D. sect. II. m. I. § 4 und gegen Schilter a. a. O. 1. II. t. III. § 1 und Rhetius a. a. O. 1. II. tit. 28.

4) Gönner a. a. D. § 47 und § 48.

5) Bei fast allen modernen Völkerrechtstheoretikern. s. Abschnitt V. 6) Diese Befugnis des Kaisers wurde mit der Entwicklung der Landeshoheit mehr und mehr eingeschränkt, insbesondere mußte sich der Kaiser in der Wahlkapitulation verbindlich machen, keine Privilegien zum Nachteil der landesherrlichen Rechte in Zukunft zu erteilen. Gönner a. a. O. § 52. Clauß, Staatsdienstbarkeit.

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