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auf denen die Stellung des Peregrinen innerbalb des römischen Staatsgebietes berubte und somit diese Stellung selbst in ihrer juristisch - normalen und typischen Erscheinungsform darzulegen; und als jene Grundgeseze erkannten wir: das Seitem der nationalen Herrschaft des jus civile Romanorum und das System der Exclusion des peregrinen Particularrechtes lassen den Peregrinen auf römischem Staatsgebiete rechtlos erscheinen; und die dieser relativen Rechtlosigkeit des Peregrinen auf Seiten des römischen Staates correspondirende Macht wird von dem Alterthume zu dem juristischen Begriffe einer völkerrechtlichen potestas construirt, bezüglich deren die Modalität ihrer Aeußerung rechtlich nicht beschränkt ist. So daher ist es eine wahre und wirkliche Rechtlosigkeit, welche die Stellung des Peregrinen auf römischen Territorium characterisirt, und diese Rechtlosigkeit ist zu Rom, wie allenthalben, wo die beobachteten beiden Systeme der Nationalität des eigenen und der Exclusion des peregrinen Rechtes herrschen, einfache und selbstgegebene, absolut nothwendige Consequenz jener Systeme selbst. Wenn nun aber jene Grundordnung, die Rechtlosigkeit des Peregrinen, zu keiner Zeit und bei keinem Volke weder von Vorn berein, noch auf die Länge der Zeit in strenger und durchgreifender Consequenz und in ausnahmeloser Starrheit sich festhalten läßt, weil ebensowohl vōlkerrechtliche Grundsäge, wie politische Rücksichten allenthalben Ausnahmen und Milderungen gebieterisch erheischen, so ist es nun nothwendig, daß eines jener beiden Systeme von seiner Strenge nachlassen und Ausnahmebestimmungen zugestehen muß. Und da jene Rechtlosigkeit des Peregrinen in der That schon beseitigt ist, sobald auch nur eines der beiden Systeme zu Milderungen sich bequemt, so haben wir bei der öconomischen Einfachheit jugendlicher Völker in Ordnung ihrer Verhältnisse anzuerkennen, daß allenthalben, wo beide Systeme zusammen die Stellung des Peregrinen bestimmen, nur das eine derselben es ist, von welchem am frühesten jene nothwendigen Concessionen gemacht werden, während das andere System wiederum in Folge dieser Concessionen in die Lage versegt wird, mit um so größerer Ausdauer und mit um so erfolgreicherer Zähigkeit in seiner alten Strenge und Consequenz zu beharren. Und interessant ist in dieser Beziehung die Wahrnehmung, daß das Germanenthum, bei dem wir ebenfalls die Coexistenz jener beiden Systeme vorfinden (s. unten), am frühesten das

System der Exclusion des peregrinen Rechtes fallen läßt 29), wäh rend das System der nationalen Herrschaft des eigenen Rechtes bis in eine verhältnißmäßig späte Zeit in voller Integrität und Conse quenz aufrecht erhalten wird. Dagegen das Römerthum gab im Gegentheil die strenge Consequenz des Systemes der nationalen Herrschaft des Rechtes bereits frühzeitig auf, während hier wiederum das System der Exclusion des peregrinen Rechtes Jahrhunderte hindurch in vollster Starrheit und Strenge bewahrt wird (§. 8.). Allein selbst in jenen Beugungen der Consequenzen, die in Bezug auf das System der nationalen Herrschaft des Rechtes in Rom zu Tage treten, ist eine innere Gradation zu erkennen, die dadurch gegeben ist, daß in gewissen Fällen lediglich die Consequenzen an sich des Systemes suspendirt oder beseitigt werden, indem die dadurch bedingte Schußlosigkeit aufgehoben und unter Aufrechterhaltung des Systemes an sich in ei er überwiegend singulären Weise ein Schuß gegen Verlegung gewährt wird, dagegen in andern Fällen wiederum das System an sich suspendirt und damit eine Modification nicht bloß der Consequenzen, sondern des Systemes selbst statuirt wird. Um indeß alle diese Momente in ihre richtige Stellung zu bringen, erscheint es angemessen, alle diejenigen Säße zusammenzufassen, welche, gleichfalls die Stellung des Peregrinen innerhalb des römischen Territorium bestimmend, dabei aber den Character von Specialitäten an sich tragend, die wesentliche Ergänzung bieten zu den in §. 9. entwickelten Fundamentalsäßen.

Die Beziehung des Peregrinen, wie wir solche in §. 9. betrachteten, ward zunächst einzig und allein vermittelt durch den Eintritt von Jenem in das fremde Staatsgebiet: diese territoriale Beziehung allein war es, welche jenes Verhältniß zwischen dem Peregrinen und dem fremden Staat vermittelte, das dem juristischen Begriffe völkerrechtlicher potestas sich unterordnete. Fehlte daher diese territoriale Beziehung, so war damit alle und jede potestas des fremden Staats über den Peregrinen ausgeschlossen und jede

29) Zum Beweise hierfür genügt es, hinzuweisen theils auf das Nebeneinanderbestehen der leges barbarorum und Romanorum in den germanischen Staaten, theils auf die Assises du royaume de Jérusalem, welche in ass. des Bourgeois 131. bestimmen, daß bei Streitigkeiten um Vermögensobjecte zwischen fremden Handelsleuten Richter von deren Nation und nach deren eigenen Gesezen richten.

darauf auslaufende Machteinwirkung des Ersteren über den Lezteren ward als eine berechtigte negirt, selbst wenn die Macht zu solcher Einwirkung vorhanden war. Hierauf daher beruht es, daß der Bürger innerhalb der Gränzen der eigenen civitas gegen jede Machteinwirkung Seitens des fremden Staates durch das jus gentium geschügt war, und daß eine jede solche Einwirkung, wenn sie statthatte, eine Verlegung dieses Völkerrechtes nothwendig invol virte. Dies ersehen wir aus den Quellen, wo in zahlreichen Fällen die Verlegungen des Bürgers innerhalb des Gebietes seiner eigenen civitas Seitens eines fremden Volkes, sonach die latrocinia im antifen, die Gränz- und Gebietsverlegungen im modernen Sinne durch völkerrechtliche Klagerhebung: clarigatio urgirt werden 29a).

Diese völkerrechtliche Garantie eines Schußes für den Bürger durch die eigene civitas war indeß, wie bereits festgestellt, von dem jus gentium auf die Gränzen dieser civitas, somit auf den innerhalb derselben Verweilenden civis oder Clienten beschränkt, und cessirte mit dem Uebertritt über die befriedete Gränze in das fremde Gebiet. Allein sie cessirte daneben auch im Kriegsfalle, da die solenne Indiction des Krieges zwischen den beiden feindlichen Völkern jenen Gränzfrieden aufhob. Und dies ist der bereits in not. 23. hervorgehobene Fall, wo eine Erweiterung der Wirksamkeit der an die Spize gestellten völkerrechtlichen Grundprincipien eintritt, indem hier die potestas des Staates über den Peregrinen bereits außerhalb der Gränzen des Ersteren Play findet und durch die Ergreifung des Leyteren innerhalb des Gebietes seiner eigenen civitas begründet wird. Und hiermit sind auch zugleich die Fälle erschöpft, wo eine Erweiterung der obigen Principien eintritt.

Weit zahlreicher dagegen sind die Beschränkungen jener näm lichen Principien, die auf dem doppelten Wege gegeben werden, daß entweder lediglich die Consequenzen der von Rom in Bezug auf die Herrschaft des Gesezes über die Person adoptirten Principien einfach abgewendet, somit also die obigen gültigen Säße unbeschadet des Principes selbst auf andere Weise unschädlich gemacht und beseitigt werden, oder aber daß die herrschenden Principien

29 a) So z. B. Liv. I, 22. 32. II, 64. IV, 30. V, 16. VIII, 22. IX, 44. XXIV, 29. Diod. VIII, 22. Dion. II, 72. u. a. m.; vgl. auch Liv. XXXVIII, 45. u. Ulp. lib. 1. Inst. (Dig. XLIX, 15, 24.).

selbst und die darauf gestüßten Systeme modificirt und partiell aufgehoben werden. Dem ersteren Gesichtspunkte ordnet sich unter die Stellung der legati, der amici, und der hospites; dagegen eine Modification des Principes selbst involvirt die Stellung, welche den Peregrinen auf Grund der societas oder des eine Vereinbarung über gegenseitig zu gewährende Rechtsfolge enthaltenden foedus 30),

30) Vgl. §. 30. Ich folge hierbei der Classification, welche Pompon. lib. 37. ad Qu. Mucium (s. §. 9.) aufstellt: Si cum gente aliqua neque amicitiam, neque hospitium, neque foedus amicitiae caussa factum habemus, und die sich auch unter Auslassung der hospites bei Cic. p. Balb. 9, 23. findet: quae est ista societas: quae amicitia, quod foedus, we societas den Oberbegriff, amicitia und foedus die Unterbegriffe bilden. Dasselbe ist der Fall in nachfolgenden Stellen, wo statt foedus od. foederati wiederum societas ød. socii gesagt wird: Paul. lib. 16. ad Sabin. (Dig. XLIX, 15, 19. §. 3.): si in civitatem sociam amicamve aut ad regem socium vel amicum venerit; Liv. XXXIV, 32.: amici et socii; XXXVI, 3.: societas et amicitia; Schol. Bob. in Cic. p. Sest. p. 301. Or.: societatis et amicitiae honor; Cic. de Inv. I, 1, 1.: firmissimas societates, sanctissimas amicitias; de Leg. III, 18.: socii, amici. Alle die obigen drei Classen: amici, hospites u. socii fallen unter den Begriff amici im weitesten Sinne, (so bet Liv. XXVIII, 34. XXXIV, 57. u. a. m.), oder der foederati im weitesten Sinne (so bei Proc. lib. 8. Epist. [Dig. XLIX, 15, 7. pr.]: Non dubito, quin foederati et liberi nobis externi non sint) oder der socii im weitesten Sinne (so in der Formel: socii ac nomen Latinum, wie bei Cic. p. Balb. 9, 24. 11, 27. u. a. m.). Im Einzelnen bilden die erste Glasse die amici i. e. S., d. h. diejenigen, welche entweder von Rom mit dem Titel amici decorirt worden waren (und dieses Verhältniß allein scheint Pompon. 1. c. im Auge zu haben) oder aber mit Rom in einem Vertragsverhältnisse standen, durch welches nicht gegenseitige Leistungen festgesezt und auferlegt, sondern blos gegenseitiges Wohlwollen ausgesprochen war (ein Verhältniß, welches zu Pompon. Zeit nicht mehr vorkommt und deßhalb von diesem unberücksichtigt bleibt); dagegen die dritte Classe umfaßt die socii i. e. S., d. h. diejenigen, welche mit Rom einen Vertrag abgeschlossen hatten, der dauernden friedlichen Zwecken (daher Pompon.: amicitiae caussa, im Gegensaß zu pax und induciae) dient und gegenseitige politische Leistungen für die Contrahenten feststellt; vgl. namentl. Victorin. in Cic. de Inv., I, 1, 1.: socius est, qui nobis aliquo pacto ad aliquid [nobiscum] gerendum coniungitur; amicus est, qui mihi usu vitae similis pio ac fideli amore coniungitur. Alle diese Wahrheiten hat bereits Walter, Gesch. d. röm. Rechts §. 75. erkannt, obwohl nicht genügend begründet, was namentlich gegenüber der gränzenlosen Nachlässigkeit der Quellen im Sprachgebrauche selbst noch genauer, als hier möglich war, geschehen muß. Neben jenen drei Verhältnissen nennt Walter endlich noch die Jsopolitie, die hier ohne Interesse für uns ist;

wie nach Maaßgabe des privatrechtlichen jus gentium eingeräumt wird. Ja dieses leßtere jus gentium greift andrerseits sogar über die Sphäre der Peregrinität hinaus, indem es auch auf die dediticii seine Herrschaft erstreckt; und innerhalb dieser lezteren Extension allein kommt endlich auch die Rechtsfähigkeit in Betracht, welche Rom seinen dediticii durch Verleihung eines civil-ähnlichen, particulären Rechtes zugesteht.

Betrachten wir nun diese Beschränkungen der Rechtloßigkeit des Peregrinen auf römischem Territorium im Einzelnen näher, so ist, was zunächst die Legaten betrifft, der denselben nach Maaßgabe des jus gentium zukommende Schuß auch für den extremsten Fall, den Kriegsfall zugesichert 31). Allein dieser Schuß selbst vermittelt sich nicht in der Weise, daß man zu Jener Gunsten von den Systemen der nationalen Herrschaft des jus civile Romanorum und der Exclusion des peregrinen Particularrechtes abgegangen wäre, als vielmehr in der Weise, daß der römische Staat persönlich die Legaten gegen jede Beleidigung und Verlegung schüßte und vertrat, wie andrerseits für deren Bedürfnisse Sorge trug 32).

Sodann die amici stehen in publica tutela des befreundeten Staates 33); allein auch bezüglich ihrer liegt kein Grund zu der Annahme vor, daß der ihnen in Consequenz des Begriffes amicitia zu gewährende Schuß durch Aufgeben der in Frage stehenden beiden Systeme gewährt worden sei. Vielmehr haben wir anzunehmen, daß hier in polizeilicher Weise im Wege des Interdictenver

daß jedoch daran etwas Wahres ist, werde ich in not. 342. gegenüber der gemeinen Meinung vertreten; nur ist freilich Walters Ansicht im Einzelnen nicht haltbar.

31) Vgl. namentl. Pompon. lib. 37. ad Qu. Mucium (Dig. L, 7, 17.): Et ideo quum legati apud nos essent gentis alicujus, quum bellum eis indictum sit, responsum est, liberos eos manere; id enim juri gentinm conveniens, assc.; vgl. auch Pompon. ibid. (Dig. XLIX, 15, 5. §. 2.).

32) Vgl. Becker, Handb. II, 2. pag. 350. sq.; die Aufrechterhaltung des Systemes der nationalen Herrschaft des Rechtes, auch gegenüber den Legaten, erhellt aus Liv. XLIII. 5, 9. wozu vgl. §. 35.

33) Paul. lib. 16. ad Sabin. (Dig. XLIX, 15, 9. §. 3.): Si in civitatem sociam amicamve aut ad regem socium vel amicum venerit, statim postliminio redisse videtur, quia ibi primum nomine publico tutus esse incipiat; vgl. auch not. 34. fin. und 761.

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