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hinfort Gift gefogen und Napoleon Manches zur Last gelegt, was ihm nicht gebührte. Hatte ja ein bloßer Zufall, als in einem Journalartikel bei dem Sage: les deux souverains dont l'union ne peut qu'être invincible, die lezten drei Buchstaben von union aus der Form gefallen waren, und es nun l'un lautete und dies auf Napoleon bezogen wurde, einen schlimmen Eindruck gemacht 18). Nicht anders, daß das Jour nal de l'empire einen anzüglichen Artikel gegen Ezernitschew brachte. Hier half es nicht, daß Napoleon den Censor Esmenard abzusehen befahl "). Seit dem J. 1810 erhielt _Na= poleon einen Widersacher mehr im Rathe Alexander's; es war der Schwede Armfeld, der in russischen Staatsdienst trat, ein so gifterfüllter Feind Napoleon's, daß er außerte, er wünsche, daß ein italienischer Bandit denselben aus dem Wege schaffen móge 196). Pozzo di Borgo, der Corse, schon seit 1802 in ruffischem Dienste, gab Jenem im Haß gegen Napoleon nicht viel nach. Romanzow dagegen redete hinfort zu des Lehtern Gunsten.

An Caulaincourt's Stelle trat, 11. Mai 1811, Lauriston. Gegen diesen hielt Alexander anfangs sich ganz im Allgemei nen, doch bald folgte der Vorschlag, den Herzog von Oldenburg durch einen Theil des Herzogthums Warschau zu entschädigen; als Napoleon dies entehrend nannte, begehrte Romanzow völlige Vereinigung Warschaus mit Sachsen, so daß auch der Name wegfalle 20). Darauf ließ Napoleon (15. Aug.) inmitten des zu seinem Feste versammelten Hofkreises seiner Leidenschaftlichkeit, doch nicht ohne Absicht und Berechnung, den Zügel schießen; er mischte die Festlichkeit in einer sehr undiplomatischen, aber uns schon von den Anreden an Whitworth und Metternich her als ihm eigen bekannten Weise, mit politischen

18) Aus Bergier de Xivrey, Rapport à l'acad. de Rouen 20 Mars 1836 in der Allg. Preßzeitung 1841, Nr. 51.

19) Bignon 10, 68.

19) S. Beiträge zur Geschichte Deutschlands aus den Jahren 1805-1809, aus brieft. Mittheilungen Frdr. Perthes' 2c. Schafhausen 1843. (Blått. f. lit. Unterh. 1844. S. 76.)

20) Bignon 10, 70. 82.

Erörterungen an Kurakin. Diese war freilich milder gehalten, als die eben erwähnten früheren der Art, aber auf das ungefchickte und unaufrichtige Bekenntniß, daß er Oldenburg nicht würde beseht haben, wenn er das wahre Verhältniß des Herjogs zum russischen Kaiserhause gekannt håtte, folgte eine Art Ultimatum: Rußland folle seine Truppen von der Grenze * Barschau's abrufen und seinen Protest gegen die Besetzung Oldenburgs zurücknehmen "). Er erkannte, daß dies Trogbieten zum Handeln führen müsse; er war dazu vorbereitet; schon am 16. Aug. ließ er von Maret, dem nunmehrigen Minifter der auswärtigen Angelegenheiten, sich einen Bericht vorlegen, worin die Fragen, ob und wann Krieg gegen Rußland zu beginnen fei, erörtert waren 22). Dennoch hielt er diesen noch nicht für unvermeidlich; Kriegslust war bei ihm diesmal nicht der bewegende Trieb; in dieser war ihm Alexander voraus, und legt man das Continentalsystem und Polen auf die gegenseitigen Wagschalen, so lag der Anlaß zum Kriege näher und gewichtiger bei Rußland als bei Napoleon. Jenes streckte seine Hand aus zur Niederwerfung eines an seiner Seite aufgeführten läftigen Bollwerks, das gute Beute werden konnte; Napoleon's Gedanke, England in Rußland zu erreichen, war ein Gaukelspiel ausschweifender Phantasie, ein Wahn firer Ideen, von dem ein lichter Augenblick gesunder Überlegung abmahnen mußte. Er sagte zu Fürst Schwarzenberg: Glauben Sie nicht, daß ich den Don Quirote machen und das russische Reich umstürzen will" 22b); aber das Ziel, welches er im Continentalsystem zu erreichen strebte, erkannte er nicht als einen Irrstern. In der russischen Politik war der Blick auf Polen wie natürlich gegeben und dabei das Bewußtsein, in Litthauen c. unrechtmäßiges Gut zu besigen, die Sorge vor, Abtrúnnigkeit der Litthauer und die Feindseligkeit gegen die freien polnischen Nachbarn zusammen wirksam. Napoleon's Plane dagegen waren außerordentlich, in die Ferne greifend, maß- und grenzenlos, wie das Außerordentliche selbst. Wenn

21) Bignon 10, 85 f.

22) Derf. 10, 90.

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22 Protesch, Denkw. a. d. L. d. F. v. Schwarzenb. 1823, 136.

Alexander auch das Äußerste zu einem Kriege an seinen Grenzen aufbot, so war dies nach der Consequenz der russischen Politik in der Ordnung; Napoleon's Rüstungen zur Verwirk lichung seiner fixen Idee mußten ins Ungeheure gehen, und je vollständiger sie waren, um so unnatürlicher.

Indessen hatte Rußland in dem Kriege gegen die Pforte an der Donau, nach manchen für seine Waffen empfindlichen Wechselfällen, die Überlegenheit erlangt, und englische Abgeord: nete, namentlich Robert Wilson, waren in Constantinopel tha tig, Frieden zu vermitteln. Diesen zu verhindern, war eine wichtige Aufgabe für die französische Diplomatie: aber nach dem sie bisher die Pforte an Rußland preisgegeben hatte, lenkte sie auch jest nicht zeitig und kraftig genug ein; Andreoffy, dazu erst 1812 abgesandt, kam zu spát.

Schweden konnte im Anfange des J. 1812 schon als mit Rußland verbündet angesehen werden. Der Abfall dessel: ben vom Systeme Napoleon's war so gut als entschieden. Nach mehrfachen Reibungen zwischen dem Kronprinzen von Schweden und dem herrischen französischen Gesandten Alquier, begehrte jener schon 1811 Norwegen zum Preis für fort: dauerndes Beharren im Continentalsystem. Dies lehnte Napoleon kurz und kalt ab 23). Um dieselbe Zeit hatten russische Einflüsse guten Fortgang; nicht minder der Bedacht auf eng lischen Handel und das Entgegenkommen englischer Bewer bungen. Bernadotte war als schwedischer Kronprinz ganz zum Schweden geworden; zur Erweiterung des Bruches zwischen ihm und Napoleon wirkte nach Alquier's Abberufung Davoust von Hamburg aus, seit längerer Zeit Widersacher Bernadotte's "). Verkehr mit England war aber Lebensbe dürfniß für Schweden; darob mit Krieg von Napoleon be droht, war es auf Rußland angewiesen, als sei dies sein natürlicher Verbündeter. Die Unnatur des Continentalsystems

23) Bignon 10, 154. 179. Vgl. Koch-Schoell 10, 96 f. Außer Bignon enthält die besten Aufklärungen die Sammlung der zwischen Wquier, Engestrom u. 2. gewechselten Noten b. Schoell, Recueil de pièces etc. 2, 366-403. 4, 209 f.

24) Bignon 10, 406,

erzeugte Gestaltungen, die ihm ähnlich waren. Gegen Ende des J. 1811 wurde in Petersburg über Vereinigung Norwegens mit Schweden unterhandelt 25); am 27. Januar 1812 ließ Napoleon durch die Division Friant vom Corps Daroust's Schwedisch-Pommern besezen: es fehlte nur noch die Kriegsankündigung. Dennoch seßten sich die Unterhandlungen noch bis zum Mai fort; Napoleon straubte sich gegen den Gedanken, daß Schweden, unter Leitung eines Franzosen aus der Schule der Revolution, von ihm abfallen werde 26).

Bichtiger waren für Napoleon Preußen und Östreich. Gegen das erstere war Napoleon's mistrauische Feindseligkeit unwandelbar, und die maßlosen Bedrückungen zu dessen gånzlicher Entkräftung sezten sich fort. Die Oderfestungen blieben von Franzosen beseht und die Mannschaft ward von 10,000 M. auf 23,000 M. verstärkt; die Kriegsstraßen durch Preußen wurden von sieben auf elf vermehrt. Napoleon ging im April 1811 mit dem Gedanken um, Preußen, sobald dieses ohne Verständigung mit ihm rüste, ganz beseßen zu lassen "). Dazu mußte sich die polnische Armee zusammenziehen und die Befestigung polnischer Waffenplähe beschleunigt werden. Napo leon hatte wol Grund, dem Könige von Preußen und seinem Volke geheimes Einverständniß mit Rußland zuzutrauen; doch die Umstände nöthigten Preußen, um die Eristenz zu retten, zu einer Verständigung mit Napoleon. Schon im März und April begannen darauf bezügliche Eröffnungen Hardenberg's an den französischen Gesandten in Berlin, Saint-Marsan, und den preußischen in Paris, Krusemark 2). Der König zeigte zugleich durch Oberst Schöler dem russischen Kaiser, 12. Mai 1811, an, daß er im Fall eines Krieges, gezwun

25) Bignon 10, 188.

26) Fain 27, 55. Bignon 10, 409. Thibaud. 8, 539-544. Der Anführung der gegenseitigen Propofitionen bedarf es hier nicht; von schwedischer Seite waren sie nicht ernstlich gemeint. Ein Schreiben des Kronprinzen vom 10. Mai, das nach Dresden gekommen sein soll, leug= net Napoleon empfangen zu haben. Napol. Mél. 1, 183.

27) Bignon 10, 75.

23) Fain 1, 80.

gen durch die geographische Lage Preußens, gemeine Sache mit Napoleon werde machen müssen, aber Fortdauer des Frie dens wünsche, worauf jener stolz und kalt antwortete "). Im Mai und August segten sich die preußischen Anträge fort 30). Doch war der gebieterischen politischen Nothwendigkeit gegen: über am Hofe, im Heere und im Volke eine nicht geringe Zahl entschlossener Männer, glühend von Franzosenhaß, ungeduldig in ihren Wünschen und Erwartungen, daß es zum Kriege gegen Napoleon komme; Gneisenau vor Allen trieb dazu 30b); Justus Gruner hatte einen Plan zum Volksauf ftande entworfen 3°c). Indessen gerade Scharnhorst, bisher an der Spize des Kriegswesens, hier Schöpfer einer neuen, über: aus trefflichen Ordnung der Dinge und jezt bedacht, die Fes ftungen Pillau, Graudenz, Colberg, Spandau in Stand zu sehen, die Beurlaubten einzuberufen und die Truppen fleißig in den Waffen zu üben, um im Fall der Nothwehr gerüstet zu sein, und nun im September ganz insgeheim nach Ve tersburg gesandt, erkannte dort, daß es für Preußen noch nicht Zeit zur Schilderhebung gegen Napoleon sei^und rieth zum Zögern Sud). Also richteten im Dctober Preußens Unter handlungen sich auf ein Bündniß mit diesem. - Dem Abschluß eines Bundes mit Östreich sah Napoleon ohne sonderlichen Zweifel entgegen; auch war die russische Partei nicht im Stande, die deshalb eröffneten Unterhandlungen aufzuhalten. An die Rheinbundfürsten erließ Napoleon einen Aufruf, 16. Dec. 1811; mit der Schweiz kam ein Vertrag zu Stande, nach welchem diese 12,000 M. zu Napoleon's Verfügung stellte. Das Königreich Italien stellte zwei Divisionen und die königliche Garde; Murat aber, der 12,000 M. stellen

29) Thibaud. 8, 370. Bignon 10, 130. 142. Alexander's Schrei ben vollständig in der Corresp. inéd. 7, 433.

30) Schreiben Friedrich Wilhelms v. 14. Mai. S. Koch-Schoell 10, 108. Bignon 10, 348.

30') S. Gneisenau's Briefe in Lebensbildern a. d. Befreiungskriege 2, 208 f. 243. 244. 254.

30) Lebensbilder 2, 216.

30) v. Seydlik, Tagebuch d. k. pr. Armeecorps von York 1, 27.

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