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und geschicktes Benehmen ihm die Erftlinge der Gunst seines Königs verschaffte ). Einverstanden waren die Verbündeten und die Royalisten, daß über die zuerst abtrůnnig gewordenen Generale, Oberofficiere und Beamten Strafe zu verhängen fei). Fouché bekam die Weisung, eine Liste der am meisten Straffälligen zu entwerfen. Es waren gegen zweihundert Personen, die man auf die Liste haben wollte. Er suchte zu schonen und zu mildern, wie er nur vermochte; die Zahl der Häupter auf seiner Liste minderte sich in Folge seiner Vorstellungen; wiederum traf Manchen Uhndung, der minder schuldig war, als Andere, die frei ausgingen.

Also erfolgten am 24. Juli zwei Berordnungen, wovon die erstere den davon Betroffenen nur einen Verlust hoher Reichswürden ankündigte, die zweite aber Verluft des Lebens oder der bürgerlichen Existenz im Vaterlande drohte. Durch die erstere wurden aus der Pairskammer dreißig Mit: glieder derselben verwiesen, darunter Cornudet, Lefebvre, De jean, Lacepède, Latour - Maubourg, Lebrun, Ney, Suchet, Moncey, Mortier, Boissy d'Unglas, Champagny, Montes: quiou, Pontécoulant, Rampon, Segur, Valence, Belliard; doch sollten ausgenommen sein Die, welche in der sogenann ten Pairskammer" nach ihrer Berufung dazu weder Sig ge nommen oder nehmen gewollt hätten '). In der zweiten Verordnung werden, Art. 1, neunzehn Personen genannt, die verhaftet und vor ein Kriegsgericht gestellt werden sollen, nämlich: Ney, Labedoyère, die Brüder Lallemand, Drouet d'Erlon, Lefebvre - Desnouettes, Umeilh, Brayer, Gilly, Mouton-Duvernet, Grouchy, Clauzel, Laborde, Debelle, Bertrand, Drouot, Cambronne, Lavalette, Rovigo. Darauf bezeichnet fie, Art. 2, achtunddreißig Personen als solche, die sich binnen drei Tagen von Paris zu entfernen und nach den vom Policeiministerium zu bestimmenden Orten zu begeben håtten, wo sie bleiben sollten, bis die Kammern beschlossen hätten, wer

3) Lacretelle 1, 336.

4) Hist. de la rest. etc. 3, 33. Doch ist zu bezweifeln, daß die Verbündeten einzelne Personen bezeichnet haben.

5) Duverg. 20, 17.

von ihnen das Königreich meiden und wer vor Gericht gestellt werden sollte; die Ersteren sollten ihre Güter binnen Jahresfrist verkaufen dürfen. Diese Liste enthielt die Namen von Soult, Ulir, Excelmans, Bassano, Marbot, F. Lepelletier, Boulay v. d. Meurthe, Mehée, Freyssinet, Thibaudeau, Carnot, Vandamme, Lamarque, Lobau, Harel, Piré, Barère, Arnauld, Pommereul, Regnault de St. I. d'Angely, Arrighi, Dejean d. S., Garran, Real, Bouvier - Dumolard, Merlin v. Douai, Durbach, Dorat, Defermont, Bory-St.-Vincent, Felir Desportes, Garnier v. Saintes, Mellinet, Hullin, Cluys, Courtin, Forbin-Janson, Lelorgne-Dideville"). Bei diesen beiden Classen konnte in Frage kommen, ob nicht der zwölfte Artikel der Pariser Convention Sicherheit gegen dergleichen Berfolgungen gegeben håtte; aber Wellington und Blücher hatten, wie oben gesagt, das Politische gänzlich ausgeschloffen ; um so mehr sah die königl. Regierung diese nur für militårisch, nicht für politisch, und sich nicht als dadurch gebunden an). Ausnahmen von der Amnestie hatte aber schon die königl. Erklärung von Cateau-Cambresis angekündigt.

Nach dem Erlaß dieser Proscriptionsliste sandte Davoust von der Loire ein Schreiben an den Kriegsminister, das die bitterste Empfindung aussprach'): aber wenige Tage darauf endete seine Befehlshaberschaft. Die Verbündeten, namentlich Alerander), begehrten dringend die baldigste Auflösung des Heeres. Eine königl. Verordnung vom 16. Jul. erklärte es für entlassen und befahl die Aufstellung eines neuen '). Eine Verordnung über die dienstlos werdenden Officiere erschien am

6) Ders. a. a. D.

6) Was sich dafür und dawider sagen läßt, ist erörtert in der Hist. de la rest. etc. 3, 305 f., und das Urtheil des Unbefangenen muß anerkennen, daß die Convention dem Könige keineswegs die Hånde hatte binden sollen.

7) 3um Theil abgedruckt in der Hist. de la rest. etc. 3, 34.
8) Das. 3, 43.

9) Duverg. 20, 11. In Betreff der Entlassung bezog sich die Ver= ordnung auf die frühere vom 23. März. S. oben Buch 11, Cap. 4, Note 546).

1. Aug. 10). Macdonald kam an Davoust's Stelle am 1. Aug. und kündigte in einem Tagsbefehle (2. Aug.) dem Heere an, daß es nicht beisammen bleiben könne. Er benahm sich bei dem schwierigen und schmerzlichen Auftrage mit eben so ehrenhafter Pflichttreue als kluger Mäßigung; die Soldaten schie nen anzuerkennen, wie schwer es ihm ward; der wackere Drouot gab zuerst mit einer Abtheilung Garde ein achtbares Beispiel loyaler Gesinnung. Nur hie und da kam es zu Meutereien; die heftigste fern von der Loire bei der Besatzung von Straßburg am 2. und 3. Sept. "). Der Auflösungsproceß dauerte überhaupt bis zum Anfange dieses Monats; die Bildung eines neuen Heeres ging langsam von statten. Zuvorderst wurde am 3. Aug. verordnet, 86 Departemen tallegionen statt der bisherigen Regimenter Fußvolk zu errichten "); am 30. und 31. Aug. folgte eine Verordnung über Organisation der Reiterei und Artillerie "); am 1. Sept. kam die k. Garde an die Reihe "), am 6. Sept. das Genie"), den Beschluß machte am 18. Dct. der Train 16).

Indessen war in allen übrigen Zweigen der Verfassung und Verwaltung eine kaum minder durchgreifende Umgestal tung des Personals vorgegangen. Alle seit dem 20. März ernannten Richter wurden am 12. Jul. für entseht erklärt"), alle seitdem bestellte Notarien sollten neu eingesezt werden "), eine Menge Präfecturen wurde neu besezt "), am 15. Aug. statt des Großmeisters der Universität eine Commission und am 23. Aug. ein neuer Staatsrath bestellt 2), ein Geheim

10) Duverg. 20; 24. Vgl. Verordnung vom 4. Sept. 20, 63. 11) Aug. Zeitg. Nr. 254-256.

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14) Ders. 20, 59. Sie wurde 26,000 M. ftark.

15) Ders. 20, 69. 101.

16) Ders. 20, 120.

17) Ders. 20, 4.

18) Ders. a. a. D.
19) Ders. 20, 9.
20) Ders. 20, 35.

rath am 19. Sept. 21), der königl. Gerichtshof am 18 Sept. neu befeht 22), die Gendarmerie am 10. Sept. neu organisirt und ihr am 23. Nov. noch in jedem Departement eine Departemental-Compagnie zugewiesen 23). Die Zahl der Pairs wurde am 27. Aug. mit 96 neuen Pairs, großentheils eifrigen Royalisten, wobei viele Emigranten, und nur wenige Persönlichkeiten von Ruf aus der Kaiserzeit 2) vermehrt und am 14. Aug. die Pairswürde nicht ohne vorhergegangenes Bedenken Ludwig's, der sich den „Ehrgeiz nicht wollte entschlüpfen lassen," für erblich erklärt 25). Die Deputirtenkammer ward schon am 13. Jul. aufgelöst und eine Verordnung über die Wahlen zu einer neuen erlassen. Nach dieser sollten zwei Wahlcollegien, der Arrondissements und der Departements, lettere aus den Höchstbesteuerten, jene eine Vorwahl, diese die eigentliche Wahl und zwar zur Hälfte aus den Candidaten der Arrondissementscollegien, zur Hälfte (und daher besonders kam die Kammer von 1815) ohne Rücksicht auf diese haben. Der Deputirten sollten 402 (spåter nach Verminderung des französischen Gebiets 395) von mindestens 25 Jahren und 1000 Fr. directen Steuern erwählt werden 26). Also eine bei weitem größere Zahl als bei der frühern Kammer und als Altersbedingung statt 40 Jan, wie die Charte bestimmte, nur 25! Die Presse war am 20. Jul. durch Rücknahme des Gesetzes vom 21. Oct. 1814 freigegeben worden 27); aber am 8. Aug. wurde allen Journalen

21) Duverg. 20, 42. 44. 45. 214.

22) Ders. 20, 92.

23) Ders. 20, 76, 165.

24) Die Liste b. Duverg. 20, 39. Wir nennen die Söhne von Berthier, Bessières, Lannes, den Herzog v. Belluno, die Generale Compans, Mounier, Lauriston, Adm. Gantheaume, Boissy d'Anglas, LallyTolendal, Jul. Polignac, Dalberg, Molé, Rivière, Ferrand, Chateaubriand, Brézé, Montesquiou, La Rochejaquelein d. I., Caftellane, Blacas, Raigecourt, Durfort, Ecquevilly, Frondeville, Saint-Priest, Guiche, Juigné, Matth. Montmorency, La Rochefoucauld, De Sèze, Eeguier. 25) Duverg. 20, 40.

26) Ders. 20, 5 f. 27) Ders. 20, 14.

Wachsmuth, Gesch. Frankr. im Revol.-Zeitalter. IV. 29

aufgegeben, neue Autorisation zu erlangen, und eine eigene Commission zu ihrer Prüfung ernannt 28); aus Rücksicht auf das Ausland aber sowohl, als auf das Andringen der Ultras, die Auslassungen der Presse sehr in Schranken gehalten, so daß von Freimüthigkeit nicht die Rede sein konnte 29). Unge: meines Aufsehen machte daher das Erscheinen der mit gewohntem Nachdruck und Ernst geschriebenen Rechtfertigung Car not's "). In der årgsten Zerrüttung schien das Finanzwesen zu sein, da die Landschaften und Orte, wo fremdes Kriegsvolk lag, gänzlich erschöpft wurden; um den ungeheuern Ansprůchen für die Verpflegung von fast einer Million Fremder, die nach und nach in Frankreich eingerückt waren, zu begegnen, wurde am 16. Aug. eine außerordentliche Steuer von 100 Mill. Franken als Kriegsrequifition" ausgeschrieben 31).

Es ist schwer zu sagen, ob die Staatswaltung mit mehr Schwierigkeiten in dem Verhältniß zu den Fremden oder in dem zu der Nation zu kämpfen hatte. Bei jenem traten die Fragen, zu deren Lösung es diplomatischer Gewandtheit be durfte, allerdings erst später, nämlich als die Friedensunterhandlungen begannen, hervor; einstweilen hieß es sich dem Unvermeidlichen fügen und die Gewalt der Sieger dulden. So erfolgte die Wegschaffung der ausländischen Kunstwerke aus dem Museum, troß dem Sträuben der französischen Minister und ohne daß diese ausdrücklich zustimmten, vor Abschluß des Friedens; das gehörte mit zu dem Zeitraume der Kriegsgewalt 32). Der noch immer fortdauernde Festungskrieg war wie eine der französischen Regierung fernliegende Sache. Die Schwierigkeiten nun, welche einer geordneten Staatswaltung sich von Seiten der Franzosen selbst entgegenstellten, gingen, jenen Festungskrieg abgerechnet, bei weitem mehr von den Ultraroyalisten als den Napoleonisten aus. Ein Rund

28) Duverg. 20, 32, 35.

29) Hist. de la rest. etc. 3, 158, 167.

30) Exposé de la conduite politique de M. le lieutenant-général Carnot depuis le premier Juillet 1814. (Ausgeg. 12. Sept. 1815.) 31) Duverg. 20, 37.

32) Vgl. Cap. 2.

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