Page images
PDF
EPUB

zusammengesetten Kriegsgerichts selbst, daß es sich nicht für die rechte Behörde erachte. Der Hof war entrüstet darüber, und doch wäre es für Ney muthmaßlich günstiger gewesen, von seinen vormaligen Kriegsgenossen, als von der Pairskammer gerichtet zu werden. Um 11. Nov. brachten die Minister die Anklage vor die Pairs; Richelieu, dies Mal nicht in den Schranken der ihm eigenen Mäßigung, sprach sich mit feierlicher Strenge aus "); es war, als sei er Parteimann geworden. Eine königliche Verordnung bestimmte das Verfahren; Bellart wurde zum öffentlichen Anklåger bestellt und entsprach dem in ihn gesezten Vertrauen durch einen rigoristischen Klageantrag und sein gesammtes Benehmen bei den Verhandlungen; Seguier bekam die Instruction des Processes. Die Verhandlungen begannen am Tage nach Lavalette's Berurtheilung, am 21. Nov. 38); am 4. Dec. traten die Zeugen auf; darunter Bourmont und Clouet wider Ney, über die Zeit seines Abfalls. Lecourbe war gestorben. Jezt erst nahmen Ney's Vertheidiger den 12. Artikel der Pariser Convention ") für ihn in Anspruch. Ney's Gattin wandte sich an Wellington, berief sich auf die in jenem Artikel ausgesprochene Umnestie und bat um sein Dazwischentreten. Wellington aber gab eine kalte ablehnende Antwort 0). Als nun Guilleminot und Bondy, die die Pariser Convention abgeschlossen hatten, und auch Davoust als Zeugen auftraten und mit Nachdruck auf die Convention, als den Act, durch welchen Paris ohne weitern Widerstand der bewaffneten Macht wieder in Besit des Königs gekommen sei, hinwiesen, legten die Minister einen Protest gegen dergleichen Berufung auf dieselbe ein “1), und nach einer geheimen Sihung der Pairs am 6. Dec. ward dem Antrage der Minister Folge geleistet. Ney war nicht zu retten. Was sein Vertheidiger Dupin nun noch vorbrachte,

37) Moniteur 12 Nov.
38) Moniteur 22 Nov.

39) Oben Buch 11, Cap. 6, S. 434.
40) Hist. de la rest. etc. 3, 373.

41) Das. 3, 382.

er sei, nach Abtretung seines Geburtsortes Saarlouis, nicht als Franzose anzusehen, wies er mit Unwillen zurück, er wollte Franzose sein 42). Die Abstimmung gab 128 Stimmen für Tod, 17 für Deportation 13). Ein Plan Robert Wilson's, ihn aus dem Gefångnisse zu befreien, konnte nicht ausgeführt werden. Die Minister, welche des Königs Gnade ansprechen wollten, wurden nicht gehört; die Herzogin von Angoulème bestand darauf, daß ein Beispiel gegeben werde"). Ney, zur Hinrichtung nach der Gartenmauer des Lurembourg geführt, starb mit gewohnter Todesverachtung am 7. Dec.

Den Tod erlitten auch die beiden Faucher, Zwillingsbrüder, deren einer in den hundert Tagen Befehlshaber zu La Reole gewesen war, in Bordeaur "). Die Processe Mouton-Duvernet's, Drouot's, Cambronne's c. fallen in das J. 1816; wir werden ihrer unten gedenken.

Lavalette ward am 21. Dec. durch seine heroische Gattin aus dem Kerker befreit und darauf durch die edelmüthige Veranstaltung der Engländer Rob. Wilson, Hutchinson und Bruce aus Paris und über die Grenze gerettet "). Als Ludwig von dem Entkommen Lavalette's hörte, sagte er zu Decazes: „man wird sagen, das haben wir gethan." 47) In der That brauste bei den Deputirten, deren nicht wenige nach Lavalette's Blute zu lechzen schienen, ein Sturm gegen Decazes los, der schon durch ein mildes Rundschreiben über Ausführung des Gesetzes vom 29. Oct. die Majoritåt gegen fich aufgebracht hatte "); Sesmaisons und St.-Romain gaben ihm die Schuld; es fehlte wenig, so wurde beantragt, ihn deshalb anzuklagen "). Jest trat ein Wendepunkt ein.

42) Moniteur p. 1338:,,Je suis Français et je mourrai Français." 43) Die Aufzählung der einzelnen Stimmen f. Hist. de la rest. etc. 3, 394 f.

44) Hist. de la rest. etc. 3, 402.

45) Moniteur p. 1080-1093.

46) Lavalette 2, 271 f.

47) Lacretelle 2, 25.

48) Hist. de la rest. etc. 4, 10. 14.

49) Moniteur p. 1418. 1422.

Die Angriffe auf Decazes verlegten den König, der ihm hold war 5o), die Anmaßlichkeit der zweiten Kammer nicht minder, denn sie drohte der königlichen Macht Gefährde; felbst der scheinbare Eifer, einen Ultraroyalismus an den Tag zu legen, war dem König unbequem; königlicher als der König selbst sollte Niemand sein; Eifersucht auf Artois und dessen Hof war lebhaft mit im Spiele. Nun war auch BarbéMarbois, der einen Geseßentwurf zu einer neuen Einrichtung der Rechnungskammer brachte, heftig angegriffen worden. Die Majorität der Deputirten aber hatte ihr Streben nach Untergrabung der Constitution schon deutlich genug zu erkennen gegeben. Also begannen die Reibungen zwischen ihr und den constitutionell gesinnten Ministern, die das Dhr des Königs hatten, merkbarer zu werden, und im Ministerium selbst trat eine Spaltung hervor. Zu den von den Ministern zur Verhandlung vorbereiteten Gegenstånden, Umnestie, Budget, Wahlgesetz, hatten die Eiferer der Majoritåt eine Menge Fragen und Anträge vorgebracht, namentlich über Bestrafung der Månner der hundert Tage und über Wiederaufrichtung der Macht des Klerus; es mußte zu heftigen Kämpfen kommen; der constitutionell gestimmte Theil des Ministeriums schloß sich der Minorität näher an und befestigte sich in dem Entschlusse, dem Andringen der Kammermajoritåt die Spise zu bieten.

Dies zeigte sich zunächst bei dem Gesezvorschlage über die Ausnahmen von der Amnestie. Auf die Verordnung vom 24. Jul.11), welche die von der Umnestie auszunehmenden Personen namhaft gemacht hatte 2), war schon in den ersten Monaten der Kammerfisung gar oft mittelbar die Rede gekommen, indem sie der Straf- und Rachelust der Majoritát keineswegs genügte. Schön am 17. Nov. wurde vorgeschlagen, die Kriegssteuer für die Verbündeten blos von den Bonapartisten zu erheben; zugleich aber brachten Labourdonnaye, Duplessis - Grenedan, Germiny und Bouville in Vorschlag, außer den im Geseze vom 24. Jul. bezeichneten Personen ge

50) Lacretelle 2, 72.

51) Oben Cap. 1, Note 6.

52) Moniteur p. 1293. Lacretelle 1, 428.

wisse Gattungen, Kategorien, von Straffälligen anzunehmen und diese der Amnestie zu entrücken 53). Von Undern kamen andere ausschweifende Vorschläge. Die Minister hielten Rath über Labourdonnaye's Kategorien; der König wollte die Ausnahmen von der Amnestie nicht vermehren; doch drangen die Verbündeten darauf, daß die Familie Bonaparte aus Frankreich gänzlich fern bleiben solle; dies ward angenommen. Also brachte Richelieu am 8. Dec. eine Bestätigung dessen, was am 24. Jul. verordnet worden war, mit einem die Familie Bonaparte betreffenden Zusahe, nicht aber weitgreifende Ausnahmen von der Amnestie. Das war der zelotischen Majoritåt der Deputirten zu wenig; die von ihr zur Bearbeitung des Labourdonnaye’schen Antrags auf Kategorien schon im November erwählte Commission, aus den eifrigsten der Partei bestehend, Corbière, Villèle, Sesmaisons, Chifflet 2c. ward wieder erwählt, und Corbière, ihr Berichterstatter, brachte am 27. Dec. eine Umarbeitung des ministeriellen Gesehentwurfes, die Haß und Rache athmete ). Demnach follten von der Amnestie ausgenommen sein alle die auf der zweiten Liste vom 24. Jul. benannten Personen 55), ferner alle, welche durch ihre Correspondenz mit Bonaparte oder seinen Agenten seine Rückkehr erleichtert, desgleichen alle Prå fecten, Marschålle, Generale, die ihn am 23. März anerkannt oder ihre Macht gegen die königl. Armeen geführt håtten. Sie sollten verbannt werden, und ihre Güter als Schadloshaltung, indemnité, an den öffentlichen Schah fallen und zur Bezahlung der Kriegssteuern dienen. Darauf folgte zu dem Artikel über Verbannung der Familie Bonaparte noch Todesstrafe, wenn ein Mitglied der Familie Bonaparte nach Frankreich zurückkehre, endlich Verbannung aller Königsmorder (régicides), welche für die Zusagacte gestimmt oder

53) Hist. de la rest. etc. 4, 28. teur hat nur eine Andeutung p. 1293. über, namentlich am 6. Jan. 1816, Moniteur 1816, p. 27.

54) Moniteur P. 1432 f.
55) S. oben Cap. 1, Note 6.

Lacretelle 1, 426. Der MoniErst in den Verhandlungen darkommt das Wort Kategorie vor.

von dem Usurpator eine Stelle angenommen hätten. Man konnte berechnen, daß durch diese Ausnahmen an 900 Personen betroffen und die Güterconfiscationen gegen 34 Mill. betragen würden 5). Die Debatten begannen am 2. Jan. 1816. Labourdonnaye, Castelbajac, Bouville, Salaberry kämpften für die Kategorien, Royer-Collard, Decazes, Pasquier, De Serre, in lichtvoller kräftiger Rede, unterstügt von der öffentlichen Meinung und vom Willen des Königs, gegen fie 57). Am 6. Jan. erschien Richelieu in der Sihung und erklärte, daß der König nur die Artikel, betreffend die am 24. Jul. genannten 38 Personen und die rückfälligen Königsmörder (régicides relaps) billige, die übrigen von der Commission vorgeschlage nen aber anzuerkennen sich weigere 5). Die Sihung war sehr bewegt; Richelieu, Decazes, De Serre redeten mit ruhmvollem Eifer und mit der Stimme der Menschlichkeit gegen Kategorien und Confiscation. Dagegen redeten Hyde-deNeufville und Elauzel de Coussergues für die Güterconfiscation, die sich unter dem Namen indemnité versteckte, Trinquelague für die Ausdehnung der Umnestie auf die Mörder des Südens ), Bethisy mit komischem Pathos gegen die Milde des Königs 60); aber das Ministerium hatte im Ganzen den Sieg. Bei der Abstimmung am 6. Jan. wurden die Kategorien und die Confiscation von 184 gegen 175 verworfen. Bei den Pairs fand nur geringe Erörterung statt; von 141 Stimmen waren 120 für das so modificirte Gesek. Es erschien am 12. Jan. 18161). Also 1) Bestätigung des

56) Hist. de la rest. etc. 4, 48. 49.

57) Royer-Collard über Güterconfiscation: Les confiscations sont l'âme et le nerf des révolutions. Après avoir confisqué, parcequ'on a condamné, on condamne pour confisquer. La férocité se rassasie, la cupidité jamais. Les confiscations sont si odieuses que la révolution en a rougi, elle qui n'a rougi de rien, elle a rendu les biens des condamnés. Monit. 1816, p. 12.

58) Moniteur p. 26.

59) Moniteur p. 27.

60) Das köstliche Kleinod von Rede ist Monit. p. 28. Ludwig XI. nennt Bethisy Diable à quatre d'adorable mémoire.

61) Duverg. 20, 237.

« PreviousContinue »