ten zusammen vermochten nicht es zu erschüttern; dagegen hatte es in der Pairskammer nicht auf gleich entschiedene Zustimmung zu rechnen; hier hatte die Entlassung Richelieu's eine bedeutende Zahl Pairs verstimmt 72); es bereitete sich Widerstand gegen die Minister vor. Im Ministerium selbst und bei seinem Anhange in beiden Kammern war der Geist der Congregation mächtig, doch nicht allein herrschend; Villèle suchte sich selbständig zu erhalten, viele Ministerielle waren, wie er, nicht geneigt, sich der Priesterpartei hinzugeben, sie waren nur Gegner des politischen Liberalismus; wiederum verknüpfte die Theilnahme an der Congregation die äußerste Rechte mit den Gemäßigten des Centrums. Wenn es zum Bruche zwischen der nur politisch-antiliberalen und der Priesterpartei kam, so konnte den Constitutionellen eine Hoffnung aufgehen; jedoch zunächst folgte eine Reihe von Jahren, wo die Congregation die erste Macht im Staate und das Ministerium mit den Kammern in ihrem Gefolge war. Die Mis nister brachten statt des am 15. Dec. zurückgenommenen Gez febentwurfs über die periodische Presse am 2. Jan. 1822 einen neuen geschärften Entwurf. Hiebei, sowie bei den Verhandlungen über den schon vom vorigen Ministerium vorgelegten Entwurf zu einem neuen Gefeße über Preßvergehen (27. Febr. ff., 11. März ff.) ward der Streit äußerst leidenschaftlich; es galt nicht blos die Sache, es galt Parteiinteresse. Dem bigotten Chifflet, dem rohen Donnadieu, dem heftigen Castelbajac zc. entgegneten Benjamin - Constant, Corcelles, Roper - Collard, Bignon, Etienne, Keratry, St. Aulaire, Sebastiani 2c.; bei den Pairs sprachen Bastard, Talleyrand, Segur, Liancourt, Molé gegen die Entwürfe "); die Mehrheit war für die Minister; die beiden Gesetze wurden angenommen. Das Geset über Policei der Journale und periodischen Schriften 4) erschien am 17. Mai 1822. Demnach wurde zwar die Censur, die kraft des Gesetzes vom 26. Jul. 1821 mit Schluß des dritten Monats nach Eröffnung der Kammern aufgehört hatte, nicht erneuert, aber die Journale bedurften hinfort der Autorisation des Königs, und das Ministerium behielt die Befugniß, unter wichtigen Umständen (circonstances graves) kraft einer von drei Ministern unterzeichneten königlichen Verordnung unmittelbar die Censur herzustellen. Ein schlimmer Artikel des Gefehes war der dritte, welcher Suspension eines Journals für den Fall bestimmte, daß der Geist desselben in einer Folge von Artikeln Gefährde drohe. Seitdem war Tendenz ein Grund zu Maßregeln der Unterdrückung gegen die periodische Presse "). Das am 25. März 1822 bekannt gemachte Gesetz von Unterdrückung und Verfolgung (répression et poursuite) 'von Preßvergehen") nahm den Geschwornen den Spruch in solchen Sachen; die Correctionspolicei war nun gewöhnlich die Behörde, vor der die wegen eines Preßvergehens Berfolgten zu Recht standen. Das Budget wurde am 1. Mai verkündigt: 918,899,947 Fr. Einnahme, 904,917,941 Fr. Ausgabe "); an demselben Lage wurden die Kammersibungen geschlossen. Jedoch war Billèle als Finanzminister noch nicht befriedigt; seit 1815 war das Budget erst spåt im Jahre erschienen, man hatte sich mit einer vorläufigen Bewilligung von vier oder mehr Zwölftheis len der directen Steuern nach dem Maßstabe der vorherigen Jahre geholfen "); aber es waren empfindliche Übelstånde damit verbunden gewesen: dies wollte Villèle abstellen; daher bald nach Schluß der Kammern Berufung derselben zu einer neuen Sihung, die vom 4. Jun. bis 17. Aug. 1822 dauerte, fast nur mit dem Budget für 1823 zu thun hatte, und dies nach Villèle's Wünschen festsette 79). Das Finanzgesek für 1823 erschien am 17. Aug. mit dem Schlusse der Kammern: 75) Lacretelle 3, 223. 76) Duverg. 23, 481. 78) Ders. 20, 203. Dergleichen Bewilligung hatte in jeder Kammersigung bei dem Anfange der Verhandlungen stattgefunden. Daher jährlich ein Gesez sur des douzièmes provisoires. 79) Duverg. 24, 54. Einnahme 914,498,983 Fr., Ausgabe 905,206,253 Fr., wo: von 228,724,260 Fr. für die consolidirte Schuld und den Tilgungsfond. Um seines unbestrittenen financiellen Verdien stes willen ward darauf, am 4. Sept., Villèle zum Chef des Ministeriums ernannt. Comité directeur; Complote und Aufftånde des Jahres 1822. Dem offenen Parteikampfe in den Kammern und den vom Ministerium immer noch fortgeübten Umtsentseßungen gingen Umtriebe zur Seite, hier von dem Gouvernement occulte des Pavillon Marsan und von der Congregation, dort von dem Comité directeur der Liberalen geleitet. Jene bedurften nicht eben des Geheimnisses; sie hatten die Mehrheit der Kammern für sich und traten mehr und mehr öffentlich hervor; die Missionare, Frayssinous (seit dem 29. Mai 1822 Bischof von Hermopolis"), Vorstand des Unterrichtswesens, der die Verfinsterung eifrigft betrieb ), so daß damals Sylvestre de Sacy seine Entlassung nahm, wofür dann Clauzel de Couss sergues eintrat, desgleichen eine Menge Journale und Flugblätter arbeiteten im Geiste und mit dem Schuße der Regierung; doch verschmåhten sie nicht schlechte Umtriebe, z. B. als sie im Palaste der Tuilerien am 27. Jan. 1821 eine Explosion vers anstalteten, um die Schuld auf die Liberalen zu bringen **). Diesen, ihren Gegnern, half die Berufung auf die Charte nichts mehr, sie mühten sich vergebens ab in parlamentarischer Opposition; dagegen hatte schon im J. 1820 der aus Italien nach Frankreich verpflanzte Carbonarismus Eingang bei thats lustigen Misvergnügten gefunden, es hatten sich Logen gebil det, geheime Einverständnisse von Paris nach mehren Städten verzweigt und auch nach der Unterdrückung der italienischen Aufstände fortgesett 8). Man rechnet, daß der mehr oder 80) Duverg. 23, 529. 81) Hist. de la rest. etc. 7, 323. 325. 8, 20. 82) Lacretelle 3, 28. 29. 83) Darüber jegt Lafayette selbst Mém. 6, 135 f. Vgl. Andryane, Mémoires d'un prisonnier d'état au Spielberg, 1837, Vol. I, die ersten Capitel. minder eingeweihten Theilnehmer an solchen geheimen Verbindungen gegen 60,000 (?) gewesen seien. In Paris bestand ein leitender Ausschuß, Comité directeur "). Lafayette war unter den Obern. Die tumultuarischen Bewegungen der Zöglinge der Rechts- und Medicinschule zu Paris, namentlich am Jahrestage der Tödtung Lallemand's ), mögen daher ihre Anregung erhalten haben, Die Policei war damit nicht unbekannt; sie hatte ihre Agenten unter den Carbonaris; doch schien es nicht gerathen, gegen die Verbindungen derselben zu verfahren, so lange nicht die That gegen diese zeugte; solche aber hervorzurufen, sollen hie und da die verrufenen agens provocateurs gebraucht worden sein. Dazu aber waren die Verschwornen um so leichter zu verführen, je lauter die Linke der Deputirten, namentlich Lafayette, das Volk anrief und je mehr die Hoffnung entschwand, in den Kammern der Reaction etwas abzugewinnen, und je glücklicher die geheime Werbung im Heere gewesen war, wo manche altkaiserliche Officiere mit dem Degen mehr wiederzuerobern gedachten, als was in der Kammer verloren gegangen war, wo der Gedanke, Napoleon II. auf den Thron zu bringen, rege war. Schon 1821, am 20. März, hatten Unruhen zu Grenoble stattges funden, es war Napoleon II. ausgerufen, eine dreifarbige Fahne aufgepflanzt worden; doch General Pamphile - Lacroix hatte ohne große Mühe den Aufstand unterdrückt 86). Den Anfang in der Reihe von wirklichen oder geargwohnten Comploten des J. 1822 machte die Besahung von Befort, wo ein Aufstand am 2. Jan. hatte ausbrechen sollen. Doch ergab sich nachher, daß nur wenige der Angeschuldigten verurtheilt werden konnten, und diese waren alle entkommen "). Eine vermeintliche Verschwörung ward in der Besaßung von Nans tes entdeckt; doch Strafgerichte konnten nicht angewendet werden; alle Angeschuldigten wurden freigesprochen 88). In 84) S. besonders b. Lafayette a. a. D. die seconde u. troisième note. 85) Moniteur 1822, 9 Juin. 86) Daf. 1821, p. 397. 87) Das. 1822, p. 18 u. 1426. Marseille ging im Januar ein Capitån Vallé mit dem Plane zu einem Aufstande um; er hatte mehre Mitwissende; der An schlag wurde entdeckt und Vallé am 4. Mai zum Tode ver urtheilt 9). Dagegen kam es zu offenkundiger That in Thouars und Saumur. 3u Saumur, wo eine Cavallerieschule, wat am 23. Dec. 1821 eine Verschwörung entdeckt und eine ansehnliche Zahl Unterofficiere verhaftet worden; man war mit der Untersuchung beschäftigt "), als General Berton, von einigen der verhafteten Soldaten als Mitwisser genannt, in Thouars am 14. Febr., begleitet von etwa 50 Mann, auftrat, Umsturz der Adels- und Priesterherrschaft, die Charte und Freiheit ankündete und sich des Orts bemächtigte. Mit fast 1000 M. zog er darauf nach Saumur, wo er die Zöglinge der Cavallerieschule zu gewinnen gedachte. Indessen genügten die von General Briche aufgestellten Truppen, Berton von Saumur abzuhalten, und damit war seine gesammte Unternehmung mislungen"). Sein Haufen zerstreute sich; Berton hielt sich mehre Monate versteckt; er ward erst im Junius aufgefunden und mit drei seiner Gefährten zum Tode verurtheilt. Das Urtheil wurde am 6. Oct. vollzogen. Auf Sympathie unter seinen Waffengenossen hatte Berton allerdings rechnen können; davon zeugte die Verschwörung von La Rochelle. Ein in Paris zur Besatzung gewesenes Regiment, das 45ste, hatte dort den Geist des Carbonarismus eingesogen und auch nach seiner Verpflanzung nach La Rochelle gehegt; zu Ende März war ein Aufstand beabsichtigt. Der Anschlag wurde entdeckt, und am 10. Jun. brachte Bellart, GeneralProcureur bei dem königl. Gerichtshofe zu Paris, an diesen sein Requisitorium, worin die verschiedenen einzelnen Complote und Aufstände als von einem Comité directeur aus gegangen dargestellt wurden 92). Das Pariser Assisengericht verurtheilte vier Unterofficiere am 21. Aug. zum Tode. Durch Verlockungen der Policei endlich, scheint es, verleitet, faßten 89) Moniteur p. 688. 90) Daf. 1821, p. 1744. 1822, p. 286, 305. 92) Daf. No. 165. |