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1900.

Unter Mitwirkung zahlreicher Fachmänner

herausgegeben von

Dr. Georg Hirth und Dr. May v. Seydel.

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Nr. 1.

A. Die normale Uebertragung der Lasten. Seite a) Die Feststellung des Bedarfs. § 12. Allgemeines .

§ 13. Das Prinzip der Ausgabendeckung 33 § 14. Das Prinzip der Kapitaldeckung . 35 b) Die Umlegung des Bedarfs.

§ 15. Allgemeines.

§ 16. Die Berücksichtigung des Risikos § 17. Das Repartitionssystem

§ 18. Das Prämiensystem

§ 19. Die Berücksichtigung des zeitlichen Momentes

c) Die Erhebung der Beiträge. § 20..

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d) Zusammenhängende Darstellung des Verfahrens in den einzelnen Zweigen der Unfallversicherung. § 21. Die industrielle Unfallversicherung 47 § 22. Die übrigen Zweige der berufsge nossenschaftlichen Unfallversicherung 51 § 23. Die Versicherungsanstalten der Bauunfallversicherung

. . 55 B. Die besonderen Arten der Lastenübertragung.

§ 24. Die Ausschließung einzelner Lasten von der normalen Lastenübertrag ung...

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Fortsetzung umstehend

andere Bedarfsperioden .

§ 26. Vorschüsse und Vorschußpflicht.
§ 27. Die Theilung und gemeinsame Trag
ung des Risikos

§ 28. Die außerordentliche Bemessung der
Beiträge

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und österreichischen Arbeiterversicher
ungsrecht bei Feststellung und Umleg
ung des Bedarfes zur Anwendung
kommenden Prinzipien und Systeme 74

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Das Honorar für Originalbeiträge der

„Annalen des Deutschen Reiches"

beläuft fich wie bisher auf Mk. 64 für jeden erften, auf Mk. 48 für jeden folgenden Druckbogen einer Abhandlung (platzraubende Abdrücke von Materialien werden abgerechnet).

Abhandlungen volks- und finanzwirthschaftlichen Inhaltes wollen an Herrn Dr. Georg Hirth, München, Abhandlungen staatsund verwaltungsrechtlichen Inhaltes entweder an den Genannten oder an Herrn Prof. Dr. Max v. Seydel, München, Leopoldftrafse 37 eingefandt werden.

Die Beantwortung der an die Herausgeber gerichteten Zuschriften wird mit thunlicher Befchleunigung erfolgen.

Im Intereffe der von der Redaktion zu treffenden Dispofitionen erfuchen wir, gröfsere Beiträge wenn möglich einige Zeit vor der Einfendung anmelden zu wollen.

MÜNCHEN, Oktober 1899.

Die Verlagshandlung von G. Hirth in München & Leipzig.

der Mittel im Reichsunfallversicherungsrecht
von Dr. Hermann Poeverlein.')

Vorwort.

Die Frage nach der Aufbringung der Mittel hat infolge ihrer weittragenden praktischen Bedeutung bereits bei den parlamentarischen Berathungen der Unfallversicherungsgeseze lebhafte Debatten hervorgerufen.

Trozdem hat sich die Theorie bis vor wenigen Jahren mit den hier einschlägigen Problemen sehr kurz und oberflächlich abgefunden, wodurch die in dieser Materie ohnehin schon bestehende Verwirrung nur noch vermehrt wurde. Es blieb Rosin vorbehalten, die einzelnen Detailfragen näher zu untersuchen und dadurch das Chaos zu lichten. So sehr nun die Verdienste Rosin's anzuerkennen sind, so sehr ist es andererseits zu bedauern, daß gerade die neueren Autoren auf diesem Gebiete, namentlich Piloty und Wey1,*) auf dem von ihm eingeschlagenen Wege nicht weitergegangen, sondern in die alten Fehler zurückverfallen sind.

Unter solchen Umständen und bei dem Mangel einer eingehenderen systematischen Bearbeitung dieses Themas habe ich mich an eine solche herangewagt, indem mir die Schwierigkeiten, welche die Bewältigung einer umfangreichen Literatur und die zum Theil recht mangelhafte Terminologie boten, wohl bewußt waren. Mögen dieselben die Mängel der Arbeit entschuldigen.

1) An Literatur wurden zu dieser Arbeit außer den bei den einzelnen Paragraphen zitirten Schriften und Abhandlungen namentlich benüßt:

„Handbuch der Unfallversicherung." Die Reichs-Unfallversicherungsgeseße dargestellt von Mitgliedern des Reichs-Versicherungsamts. 2. Aufl. Leipzig 1897. (Handbuch). Bornhat, C.,: „Das deutsche Arbeiterrecht“ in den Annalen des Deutschen Reichs von Hirth und Seydel. Jahrg. 1892 S. 556 ff. (Bernhak in Annalen).

Laband, P: „Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.“ 3. Aufl. 2 Bde. Freiburg i. B. und Leipzig 1895. (Laband.)

Menzel, A.: „Die Arbeiterversicherung nach österreichischem Rechte." Leipzig 1893. Menzel.)

Piloty, R.: „Das Reichs-Unfallversicherungsrecht, dessen Entstehungsgeschichte und System." 3 Bde. Würzburg 1890 ff. (Piloty).

-: „Die Arbeiterversicherungsgeseße des Deutschen Reichs." 2 Bde. München 1893. Piloty, Arbeiterversicherungsgeseße.)

Rosin, H.: „Das Recht der Arbeiterversicherung." Erster Band Berlin 1893. (Rosin). Schaeffle, A. E. F.: Der korporative Hilfskaffenzwang." 2. Aufl. Tübingen 1884. (Schaeffle).

Weyl, R.: „Lehrbuch des Reichsversicherungsrechts (Kranken-, Unfall-, Invaliditätsund Altersversicherungsrecht).“ Leipzig 1894. (Weyl).

"

Woedtke, E. v.: Unfallversicherungsgeset. Vom 6. Juli 1884. Kommentar.“ 4. Aufl. Berlin 1889. (v. Woedtke zu U. V. G.)

: „Unfallversicherung der in land- und forstwirthschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen. Nach dem Reichsgeset vom 5. Mai 1886." Kommentar. 2. Aufl. Berlin 1888. (v. Woedtke zu L. U. V. G.)

Bezüglich der Abkürzungen sei hier auf das Handbuch S. VI f. verwiesen, wobei ich bemerke, daß ich das im Entwurf eines Gesezes, betreffend die Abänderung der Unfallversicherungsgeseze enthaltene Gewerbe-Unfallversicherungsgeseß als „G. U. V. G.“ zitire.

der

Anmerkung der Redaktion: Es ist irrig, daß Piloty im Verhältniß zu Rosin alz neuere Autor auf diesem Gebiete" bezeichnet wird; er ist, wie aus der Literatur beider Schriftsteller zu ersehen, gleichzeitig. Weyl's Buch ist ein Jahr später erschienen. S. auch Anm. 1 bei Poe verlein. Seydel.

Annalen des Deutschen Reichs. 1900.

1

Außer dem bestehenden Rechte glaubte ich auch die bereits veröffentlichten Reformentwürfe einer, wenn auch kürzeren Betrachtung unterziehen zu müssen. Es lagen mir dabei alle Erörterungen sozialpolitischer Natur ferne; da ich indessen glaube, daß auch eine objektive Behandlung der Rechtsfragen Anhaltspunkte und Grundlagen für die in Bälde zu erwartende Reform zu bieten im Stande ist, so darf ich vielleicht hoffen, zu einer solchen einiges wenngleich nur bescheidenes Material beigetragen zu haben.

Einleitung.

§ 1. Die Vorläufer des Reichsunfallversicherungsrechtes.

1) Eines der schwierigsten Probleme des modernen öffentlichen Rechtes, an dessen Lösung die Theorie schon seit Jahren ihre Kräfte erprobt, ohne bis jezt zu endgiltigen, allgemein anerkannten Rejultaten gelangt zu sein, ist die Frage nach dem Verhältniß unseres geltenden Arbeiterversicherungsrechtes zu den verwandten Formen des älteren Rechtes. Nicht nur bei den parlamentarischen Berathungen sind aus leicht begreiflichen Gründen der Politik viele Versuche gemacht worden, das gesammte soziale Versicherungsrecht als eine Erweiterung und Fortbildung hergebrachter Rechtsinstitute hinzustellen, sondern auch in der Theorie hat man sich vielfach bemüht, die moderne Arbeiterversicherung lediglich aus den Gedanken des bestehenden Rechtes heraus zu erklären. Alle dieje Versuche mußten nothwendigerweise an der juristischen und nationalökonomischen Eigenart scheitern, die das Gebäude unserer sozialen Versicherung trägt.

Trozdem aber läßt sich dasselbe in seinem Wesen nur dann ganz erfassen, wenn es im Zusammenhalt mit den verwandten Einrichtungen des früheren Rechtes betrachtet wird. Gerade für das hier zu erörternde Thema erscheint es angezeigt, zuvörderst diese älteren Rechtsinstitute, an die sich das neue Recht in diesem Punkte zum Theil sehr eng anschließt, nach der in Rede stehenden Seite hin einer fürzeren Betrachtung zu unterziehen.') Dabei soll dann zugleich das Verhältniß berührt werden, in welchem sie zu unserem Arbeiterversicherungsrechte, insbesondere dem Unfallversicherungsrechte, stehen. Es wird sich hierbei zeigen, daß eine Entlastung der Unfallversicherung durch dieselben in finanzieller Hinsicht nur in geringem Umfange eintritt, daß ihnen aber andererseits mit dem Inslebentreten der ersteren eine bedeutende Last abgenommen wurde.)

In Betracht kommen hier vor allem:

a) die Alimentationspflicht der Verwandten;

b) die öffentliche Armenpflege;

e) die öffentlichrechtliche Fürsorge;

d) die Fürsorge auf Grund Dienstvertrages;
e) die Schadensersah- und Haftpflicht;

1) Vgl. hierüber namentlich Weyl S. 20 ff.; Rosin S. 1 ff.; Bornbak in Annalen S. 556 ff., 581 f.; Weyl, R.: „Die Entwickelung und die Grundlagen der Arbeiterversicherung im Deutschen Reiche“ in „Die Invaliditäts- und Altersversicherung.“ V. Jahrg. 1894/95 . 1 ff., 9 ff., 17 ff., 25 ff.; Brentano, L.: „Die Arbeiterversicherung gemäß der heutigen Wirthschaftsordnung.“ Leipzig 1879. S. 32 ff.

2) Ueber das Verhältniß der Unfallversicherung zu den älteren Rechtsinstituten vgl. Weyl S. 411 ff; Piloty S. 133 ff. — Die leytgenannten Erörterungen gehören zwar, genau genommen, nicht an diese Stelle, jedoch mögen dieselben des Zusammenhanges halber hier Play finden, umsomehr als in den folgenden Paragraphen wiederholt auf dieselben Bezug genommen werden mußte.

f) die private Unternehmerversicherung;

g) die öffentlichrechtliche Versicherung auf Gegenseitigkeit.

Es sei jedoch gleich vorausgeschickt, daß alle diese Rechtsinstitute keine selbstständige und spezielle Unfallfürsorge begründen, sondern daß diese hier in einer allgemeinen Fürsorgepflicht für Erwerbsunfähige, oft auch in einer weitergehenden Entschädigungspflicht aufgeht oder wenigstens im Zusammenhange mit einer solchen erscheint. Troßdem aber kommt der durch sie erzielte Effekt thatsächlich oft einer Unfallfürsorge nach Art unserer modernen Gesetzgebung nahe. 2) Die rudimentärsten Anfänge einer Unfallfürsorge finden sich in der privatrechtlichen Alimentationspflicht der Verwandten. Sie gewährt von allen hier zu besprechenden Rechtsinstituten die ausgedehnteste Fürsorge, indem hier der Grund der Erwerbsunfähigkeit völlig belanglos ist, vielmehr die Verpflichtung schon auf Grund der Thatsache eintritt, daß der Alimentationsberechtigte außer Stande ist, seinen nothwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten. Es kommen deshalb in erster Linie die sogenannte „Jugendperiode“ und „Altersperiode“ 1) in Betracht, daneben aber auch jede durch Krankheit, Invalidität oder Unfall hervorgerufene Erwerbsunfähigkeit.

Ueber den Umfang des Verwandtschaftskreises, innerhalb dessen Recht und Pflicht zur gegenseitigen Alimentation besteht, und über die Bedingungen, an welche das Entstehen des Anspruches geknüpft ist, sowie die Höhe der Leistungen gehen die Rechte der einzelnen Zeiten und Völker je nach den herrschenden volkswirthschaftlichen und ethischen Anschauungen sehr auseinander. Eine sozialistische Wirthschaftsordnung wird selbstverständlich eine solche Alimentationspflicht in weit ausgedehnterem Maße kennen als eine individualistische.

Im modernen Unfallversicherungsrechte nun ist diese Pflicht der Verwandten fast gänzlich unberücksichtigt geblieben. Insbesondere kann sie die Fürsorgepflicht der Versicherungsverbände in keinem Falle ausschließen.

Nur für das Gebiet der land- und forstwirthschaftlichen Unfallversicherung ist es durch L. u. V. G. § 1 Abs. 3 der Landesgesetzgebung überlassen, zu bestimmen, in welchem Umfange und unter welchen Voraussetzungen Familienangehörige, welche in dem Betriebe des Familienhauptes beschäftigt werden, von der Versicherungspflicht ausgeschlossen sein sollen.“2) Die Regel ist also auch hier, daß die im Betriebe beschäftigten Familienangehörigen versichert sind.

In ähnlicher Weise hat das R.V.A. auch entschieden, daß der im Betriebe des einen Ehegatten beschäftigte andere Ehegatte nicht als Arbeiter im Sinne des U.V.G. § 1 zu erachten ist und deshalb auch der gesetzlichen „Versicherungspflicht" nicht unterliegt.3)

Soweit nun die Familienangehörigen versicherungspflichtig, also fürsorgeberechtigt sind, zessirt selbstverständlich die Alimentationspflicht insoweit, als für ihren Unterhalt bereits auf Grund der Unfallversicherungsgesche gesorgt ist. Streitig kann sein, ob die Alimentationspflichtigen, wenn sie trotzdem ihrer

1) Vgl. Engel: „Der Preis der Arbeit“ in Virchow und v. Holzendorff, Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge. Heft 20/21. Berlin 1872. S. 36 ff.

Vgl. hierzu v. Woedtke Anm. 13 zu L.1.V.G. § 1. A. N. 1885 S. 3. Rosin S. 196 ff. - Rosin, H.: „Die Versicherungspflicht der Hauskinder“ in Hirth's Annalen 1890 S. 919 ff.

Wohl aber zuweilen der statutarischen (siehe hierüber v. Woedtke Anm. 7 zu 11.V.G. § 2). Vgl. auch A. N. 1887 S. 142 (anders 1888 S. 314; hier handelt es sich übrigens um eine ganz andere Frage!). — Rosin S. 195 f.

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