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Annalen des Deutschen Reichs

für Gesetzgebung, Verwaltung und Statistik. Staatswissenschaftliche Beitschrift und Materialienfammlung.

Unter Mitwirkung zahlreicher Fachmänner

herausgegeben von

Dr. Georg Hirth und Dr. Max v. Seydel.

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Erweiterungen d. Anlagen u. Hülfs

mittel f. d. Seeverkehr seit 1896/97 723 7. Theil. Die deutsche Hochseefischerei 724

II. Heutiger Stand der deutschen
Schußgebiete

III. Wirthschaftliche Lage.
IV. Handel und Verkehr

V. Missionen

VI. Aussichten

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Miszellen:

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Produktionsstatistik

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Das Honorar für Originalbeiträge der

„Annalen des Deutschen Reiches"

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beläuft fich wie bisher auf Mk. 64 für jeden erften, auf Mk. für jeden folgenden Druckbogen einer Abhandlung (platzraubende Abdrücke von Materialien werden abgerechnet).

Abhandlungen volks- und finanzwirthschaftlichen Inhaltes wollen an Herrn Dr. Georg Hirth, München, Abhandlungen staatsund verwaltungsrechtlichen Inhaltes entweder an den Genannten oder an Herrn Prof. Dr. Max v. Seydel, München, Leopoldstrasse 37 eingefandt werden.

Die Beantwortung der an die Herausgeber gerichteten Zuschriften wird mit thunlicher Befchleunigung erfolgen.

Im Intereffe der von der Redaktion zu treffenden Dispofitionen erfuchen wir, gröfsere Beiträge wenn möglich einige Zeit vor der Einfendung anmelden zu wollen.

MÜNCHEN, Juli 1900.

Die Verlagshandlung von G. Hirth in München & Leipzig.

Die Steigerung der deutschen Seeinteressen

von 1896 bis 1898.

Einführung.

a. Vorbemerkung.

Die Erörterung über die deutschen Seeinteressen, gelegentlich der Einbringung des Gesezentwurfs, betreffend die deutsche Flotte, vom 30. November 1897, hat durch die „Denkschrift über die Seeinteressen des Deutschen Reiches"1) eine zahlenmäßige Grundlage erhalten. Hier wurde der Umfang der verschiedenen Seeinteressen festgestellt. Sie beruhen 1. auf dem Außenhandel: Export, Import, Durchfuhr; 2. dem Transport von Personen und Gütern, vor allem Seeschifffahrt, aber auch Durchfuhrverkehr nach fremden Seepläßen; 3. der Rhederei, welche nicht nur am heimischen Verkehre, sondern auch an der fremden Küstenschifffahrt betheiligt ist; 4. den Einrichtungen für Handel und Schifffahrt an der Küste; 5. der Seefischerei, speziell der neuerdings in erheblichem Aufschwunge begriffenen Hochseefischerei; 6. dem Kabelnet; 7. den deutschen Kolonien; 8. den deutschen Interessen in fremden Ländern, und zwar einerseits solchen, die durch deutsche Unternehmungen im Ausland und schließlich solchen, die durch auswärtige Schulden an Deutschland repräsentirt werden.

Jene auf Grund amtlichen Materials beigebrachten Aufstellungen haben dann auch seither im Wesentlichen den Erörterungen zu Grunde gelegen, welche sich mit der Bedeutung des Seewesens für Deutschland beschäftigten. Die Zahlen sind indeß heute durch die Thatsachen bereits weit überholt.

Die deutschen Seeinteressen im Innern und nach außen hin haben in der kurzen Spanne von wenig mehr als zwei Jahren eine noch niemals dagewesene Steigerung erfahren. So sind sie heute mit der gesammten deutschen Wirthschaft inniger verwachsen und spielen eine größere Rolle für sie, als je zuvor.

Im Nachstehenden ist die Entwickelung für die Jahre 1896/97 bis 1898/99 in einer Reihe der Hauptpunkte dargestellt. Im Wesentlichen sind dieselben Methoden der Untersuchung zur Anwendung gelangt, wie in der damaligen Denkschrift. Einige kleinere methodologische Veränderungen haben sich entsprechend den Ergebnissen der öffentlichen Erörterung als sachgemäß erwiesen. Einzelne Abschnitte haben durch inzwischen angestellte Untersuchungen erhebliche Erweiter= ung erfahren können, speziell derjenige über den Schiffbau. Neu hinzu kommen die Kabel. Die Zusammenstellung der Konsulate und der Stärke der Kriegsflotten der verschiedenen Nationen in ihrer Entwickelung konnte füglich an dieser Stelle ausfallen. Um nicht mit einer allzu kurzen Periode zu operiren und das nöthige Vergleichsmaterial heranzuziehen, ist die speziell zu behandelnde Zeit in der Regel mit dem Zeitraum 1894/96 und zuweilen auch mit der Gesammtentwickelung seit 1873 in Vergleich gestellt. Die seiner Zeit schon beabsichtigten internationalen Vergleiche, welche die deutsche Entwickelung erst in das rechte Licht stellen, sind in erheblichem Umfange herangezogen.

1) Reichstag 9. Leg.-Per. 5. Seff. 1897/98 Nr. 5. Annalen des Deutschen Reichs. 1900.

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b. Hauptergebnisse.

Als bezeichnende Resultate fallen die nachfolgenden besonders in's Auge. 1. Die Bevölkerungsvermehrung des Deutschen Reichs hat sich rapide gesteigert. Sie beträgt heute mehr als 800 000 Köpfe pro Jahr und vollzieht sich schneller als in irgend einem andern europäischen Großstaat; ja der Ueberschuß der Geburten über die Sterbefälle war 1898 in Deutschland mit rund 847 000 Köpfen größer als die Gesammtzahl der Geburten in Frankreich überhaupt. Troß der raschen natürlichen Bevölkerungszunahme im Jahre 1898 ist die Auswanderung stetig zurückgegangen. Von 1894/96 sank sie von 37 000 auf nahezu 21 000. Sie war in den letzten Jahren in allen anderen Staaten verhältnißmäßig viel größer als in Deutschland, was für den aufsteigenden Wohlstand unseres Landes spricht.

2. Der deutsche Außenhandel hat sich von 1894/96 dem Werthe nach um 13, von 1896/98 aber um 16 Prozent vermehrt; eine annähernd ähnliche Steigerung ist in der deutschen Handelsgeschichte bisher ohne Beispiel gewesen. Am Außenhandel aber hat der Seehandel einen steigenden Antheil. 1894 waren 66 Prozent, 1896: 68 Prozent, 1898: 70 Prozent, 1899 über 70 Prozent des deutschen Außenhandels Seehandel. Der deutsche Seehandel machte 1894: 4,9 Milliarden, 1896: 5,7 Milliarden, 1898: 6,6 Milliarden aus, er wird 1899: 7 Milliarden erreicht haben, eine Steigerung von 2100 Millionen in 5, von 1300 Millionen in 3 Jahren! Der Seehandel ist seit 1894 um 36, der Landhandel um 16 Prozent gestiegen, und in stetig sich steigerndem Tempo wird er zu einem unentbehrlichen Lieferanten von Rohmaterialien für die deutsche Volksernährung und Industrie, zum Abnehmer derjenigen fertigen Industrieprodukte, welche die deutsche Volkswirthschaft zur Bezahlung ihres Bedarfs vom Weltmarkt her an das Ausland abseßen muß.

3. Diesen steigenden Seehandel zu bewältigen, ist der Schiffsverkehr in den deutschen Häfen rapide gestiegen. Von 1894 bis 1896 stieg die Zahl der verkehrenden Schiffe in den deutschen Häfen um 3000, dagegen von 1896 bis 1898 um 25 000,1) die Tonnage vermehrte sich von 1894 bis 1896 um 1 Millionen, 1896 bis 1898 um 41/2 Millionen. Von 1894 bis 1896 stieg der Schiffsverkehr in der Nordsee um 23 Millionen Tonnen und ging in der Ostsee um fast 1 Million Tonnen zurück; von 1896 bis 1898 stieg er in der Nordsee um 3, in der Ostsee um 2 Millionen Tonnen.

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Besonders bedeutsam war in dieser Zeit die Entwickelung der Küstenschifffahrt, welche durch die Ausbildung des Seeschleppverkehrs einen neuen Charakter erhält und die heimischen Meere durch Vermittelung der Flußläufe in steigendem Umfange zur großen Verkehrsstraße zwischen den einzelnen Gebieten des Binnenlandes macht. Von 1894/96 stieg die Küstenschifffahrt um 10 Millionen, von 1896/98 um 1 Million Tonnen. Gleichzeitig stellt sich im Vertehr mit fremden Ländern die Steigerung 1894/96 auf 700 000 Tonnen, 1896/98 aber auf 2 900 000 Tonnen. Der überseeische Verkehr und die Verkehrsleistungen nehmen rapide zu.

Die deutsche Flagge hat an diesem Verkehr einen ständig steigenden Antheil. 1894 waren 73 Prozent der Schiffe, 1896 nur 72,8 Prozent, 1898 dagegen 75 Prozent aller in deutschen Häfen verkehrenden Schiffe deutsch, ihre Tonnage stieg von 46 auf 54 Prozent des Gesammtverkehrs.

Auch hier war die Entwickelung in Deutschland nicht nur an und für 1) Ueber den Grund dieser großen Steigerung siehe im III, Theil unter Küstenschifffahrt.

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fich in der lezten Zeit besonders rapide, sondern in ihrer Schnelligkeit war sie auch derjenigen der anderen großen Staaten erheblich überlegen. Schließlich ist auf diesem Gebiet auch die Entwickelung der überseeischen Küstenschifffahrt besonders bemerkenswerth. Von 1894/97 stieg die Tonnage im Verkehr deutscher Schiffe zwischen überseeischen Ländern um über 29 Prozent, neuerdings aber ist durch den Erwerb zweier großer englischer Dampferflottillen von zusammen 25 Schiffen in Südostasien eine weitere gewaltige Steigerung auf diesem Gebiete gewährleistet.

4. Der Aufschwung zeigt sich noch deutlicher in der Entwickelung der Rhederei, welche vom 1. Januar 1895 bis 1897 eine Tonnagevermehrung von 100 000 Tonnen, von 97/99 eine solche von 107 000 Tonnen erfuhr, oder, wenn man berücksichtigt, daß dieses Ergebniß sich aus einem theilweisen Rückgange der Segelschiffe und Vermehrung der Dampfschiffe zusammenseßt, von 1894 bis 1899 eine Steigerung der Transportleistungsfähigkeit um rund 33 Prozent zu verzeichnen hatte oder bis Ende 1899 gar eine solche um 45 Prozent.

Der Werth der deutschen Rhedereikapitalien hat sich in den lezten Jahren in ganz beispielloser Weise erhöht. Die in Rhedereiaktiengesellschaften angelegten Kapitalien waren 1897 177 Millionen Aktienkapital und 70 Millionen Prioritätsanleihen, 1899 aber ist eine Steigerung von 96 Millionen Aktienkapital oder 60 Prozent auf 273 Millionen eingetreten und 2 Millionen Prioritäten sind hinzugekommen. Der Kurswerth der Rhedereikapitalien der Hamburger und Bremer Rhedcreiaktiengesellschaften allein ist 1899 mit 325 Millionen Mark anzuseßen; dazu kommen die Kapitalien anderer Rheder allein in Hamburg über 100 Millionen. Die deutsche Rhederei verfügt über mehr als 500 Millionen Kapital.

Entsprechend hat sich der Werth der deutschen Handelsflotte ge= steigert. Von 1896/98 hat er sich von rund 300 auf gegen 450 Millionen Mark, um 50 Prozent, erhöht, Ende 1899 aber ist der derzeitige Werth der deutschen Handelsflotte auf 500 Millionen anzuseßen, eine Wertherhöhung von 66 Prozent in drei Jahren. Der Neubeschaffungswerth der deutschen Handelsflotte ist heute mindestens / Milliarden.

5. Gewaltig ist der Aufschwung des deutschen Schiffbaues. Seit 1894 hat sich die Zahl der für Schlachtschiffbau in Frage kommenden Werften von 2 auf 5 vermehrt, für den Kreuzerbau ist die Zahl seit 1896/1897 von 6 auf 9 gestiegen, Schnelldampfer wurden 1894 bis 1896 nur auf einer Werft gebaut, in Zukunft werden hierfür 4 bis 5 leistungsfähige Werften vorhanden sein 2c.

Die Bauleistung für Handelsschiffe schwankte von 1894 bis 1896 von 123 000 auf 80 000 Tonnen hinunter, um von 1896 bis 1899 wieder auf 190 000 Tonnen zu steigen. Die Werften repräsentiren heute einen Werth von 110 Millionen Mark, und ein bedeutsames weiteres Wachsthum bereitet sich vor.

6. Neue Hafenbauten und Flußkorrektionen sind in großem Umfange längs der ganzen Küsten in den lezten Jahren fertig gestellt bezw. in Angriff genommen. Durch den Dortmund-Ems-Kanal, den Elbe-Trave-Kanal, den Königsberger Haffkanal ist eine erhebliche Verkehrserleichterung angebahnt.

7. Die Hochseefischerei an der heimischen Küste entwickelt sich gedeihlich. Neue Kapitalien werden ständig darin angelegt.

8. Der Kolonialbesitz Deutschlands hat durch den Erwerb von Kiautschau, der Karolinen 2c., und von Samoa in Folge des Gebietsaustausches in der

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