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Siebentes Capitel.

Kriegserklärung.

Um über die Cooperation Bestimmung zu treffen, war der Flügeladjutant des Königs von Preußen, Bischoffwerder, auf den ausdrücklichen Wunsch des Kaisers im Februar 1792 nach Wien gesendet worden. Die Instruktion, die er erhielt, dringt vor Allem auf Gleichheit der beiderseitigen Anstrengungen: so viel Truppen wie Desterreich, nicht einen Mann weniger, aber auch keinen mehr, wolle der König ins Feld stellen. In Wien aber möge man sich entschließen, dem Herzog von Braunschweig den Oberbefehl auch über die österreichischen Truppen anzuvertrauen; denn das bedinge die für die militärischen Operationen erforderliche Einheit. Auch der von allem Anfang, besonders von Preußen, in Aussicht genommenen Entschädigung über die aufzuwendenden Kosten geschah Erwähnung. Wenn es gelinge, die für einen Congreß ins Auge gefaßten Absichten zu erreichen, so werde sich das leicht finden, wie sich denn auch Ludwig XVI. dazu bereit erklärt habe. Wie aber, wenn es mit dem Congreß nicht gelinge? Wenn man wirklich zum Kriege schreiten müsse? Die große Streitfrage zwischen den beiden Reichen trat dann in voller Stärke hervor. Preußen sprach vom ersten Augenblick an die Absicht aus, daß die

beiden Landschaften, aus deren Abtretung an Frankreich die Zwietracht sich entsponnen habe, Elsaß und Lothringen, dem französischen Reiche wieder entrissen werden müßten: dadurch allein würde der revolutionären Einwirkung auf deutsche Gebiete ein Ende auf immer gemacht werden können. Das deutsche Reich wäre in seine Integrität hergestellt und die Revolution auf das altfranzösische Gebiet beschränkt worden. Auch in Bezug auf die Disposition über diese Landschaften hatte man sich bereits in Berlin einen Entwurf gebildet. Für Desterreich, das ja diese Provinzen in den früheren Epochen besessen, würde daselbst eine Entschädigung gefunden, den im Elsaß possessionirten Fürsten volle Genüge geschehen sein. Darauf aber beschränkte sich der Berliner Hof nicht: seine Absicht war, Jülich und Berg endlich vollständig zu erlangen. Der jeßige Besizer, der Kurfürst von der Pfalz, sollte dafür ebenfalls in dem eroberten elsässisch lothringischen Gebiete entschädigt werden. Der Gleichheit der Anstrengungen hätte die Gleichheit der Erwerbungen entsprochen. Zugleich behielt man die polnischen Angelegenheiten im Auge, bei denen die beiden Mächte auch Rußland gegenüber ein gleichmäßiges Verfahren innehalten sollten, wie das schon beschlossen worden war.

Diese Politik hat eine gewisse Großartigkeit in der In tention. Aber soweit waren die Dinge bei weitem nicht gediehen, um sie mit Entschiedenheit ergreifen zu können. Noch schwebte der Congreß und seine friedliche Vermittlung vor Augen. Für die auch zu diesem Zweck nöthigen militärischen Demonstrationen konnte doch nur von einer pecuniären Entschädigung die Rede sein.

Als Bischoffwerder in Wien ankam, fand er das Ministerium schwach und unentschlossen. Er hatte den Auftrag, zwar

nicht zum Kriege zu drängen, aber doch von jeder schwankenden Haltung abzumahnen: denn eine solche könne nur den Gegner ermuthigen. Als man ihm andeutete, man müsse vor allem Weiteren eine Erklärung von Spanien abwarten, ließ er nicht unbemerkt, daß bis zum Einlaufen derselben Monate vergehen und damit die Jahreszeit soweit vorrücken würde, daß man Nichts mehr unternehmen könne. Wenn in Berlin an eine Theilnahme deutscher Truppen, namentlich der hessischen gedacht wurde, so erinnerte man in Wien, daß der englische Einfluß sich dem widerseßen werde. Alles schien durch den unerwarteten Tod Leopold II. vollends zweifelhaft zu werden. Im ersten Augenblick glaubte man auch in Berlin wie überall, der Kaiser sei vergiftet worden; doch gab man bald diese Meinung auf. Es war ein hißiges Fieber, das ihn hingerafft hatte. Und wie es zu geschehen pflegt, war der Verstorbene auf der Stelle vergessen: die allgemeine Aufmerksamkeit richtete sich dahin, wie sich sein Nachfolger, der nunmehrige König von Böhmen und Ungarn, Franz II., zu der großen Angelegenheit verhalten werde. Man wußte, daß er mehr Vorliebe für das Militär habe als sein Vater. In Kurzem glaubte man zu bemerken, daß er auch in der Politik fester sei als dieser. Die Ideen seines Oheims, der ihn nach Wien gezogen hatte, um ihn mit seinen Grundsäßen zu durchdringen, waren nicht ohne Wirkung auf ihn geblieben.

Bald nach seiner Thronbesteigung forderten ihn die emigrirten Prinzen auf das Dringendste auf, sich ihrer Sache, welche die Sache aller Könige sei, anzunehmen und den wachsenden Mißhandlungen, welchen König und Königin von Frankreich ausgeseßt seien, durch eine starke Erklärung, in der er seine Rache dafür androhe, entgegen zu wirken: dann würde

er sich der hohen Bestimmung, zu der er berufen sei, würdig zeigen 1). Eine ungeheure Aufgabe für einen jungen Menschen, die Verlassenschaft nicht allein der Reiche und Staaten seines Vaters, sondern auch seiner Stellung in der Welt in dieser universellen Krisis anzutreten.

Alles concentrirte sich darin, daß Fürst Kauniß, indem er die für den Congreß gemachten Entwürfe nochmals wiederholte, die Versicherung gab. Franz II. halte an denselben unverbrüchlich fest. Das bedingte denn auch, daß die neu angeknüpfte Verbindung mit Preußen keinen Augenblick erschüttert wurde. Schon die Aussicht zu einer neuen Kaiserwahl führte dahin, sie zu befestigen. In Wien wurde die zwiefache Frage aufgeworfen, was die beiden Verbündeten in dem gegenwärtigen Augenblick thun könnten, und sodann, was sie thun würden, wenn Franz II. Kaiser sei. Vor der Hand meinte man, eine Aufforderung zur Hilfe, die entweder aus Frankreich selbst oder von den in ihren Besizungen verlegten Fürsten ausgehen könne, abwarten zu müssen, wofern nicht ein offener Angriff auf das deutsche Reich oder auf Oesterreich dazu zwinge, die Waffen zu ergreifen. Sobald der König Franz Kaiser geworden sei, würde es in seiner Befugniß liegen, eine Entschädigung der in ihren Rechten verleßten deutschen Fürsten zu fordern; an der Spiße der vereinten Mächte könne er dann auch mit um so größerem Ansehen die Behauptung der mo

1) Lettre des Princes frères du Roi au Roi de Hongrie, Coblentz le 23. mars 1792. Montrez-vous, Sire, nous en conjurons V. M.; qu'Elle publie une déclaration dans laquelle Elle annonce positivement, qu'Elle fera sentir les effets de sa juste vengeance à quiconque osera attenter aux jours du Roi, ou de la Reine ou même outrager leur dignité. Feuillet V. 341.

narchischen Autorität in Frankreich verlangen: denn damit müsse man sich begnügen. Aufs Neue brach sich der Gedanke Bahn, daß König Ludwig XVI. zwischen den kriegsbereiten Mächten und der Nation, die dadurch bedroht werde, als Vermittler auftreten könne, um die königliche Autorität, welche die demokratische Partei zu unterdrücken suche, wiederherzustellen, ohne jedoch zu gewaltsamen Mitteln zu schreiten 1).

So ungefähr faßte Fürst Kaunig, der dem preußischen Gesandten alle mögliche Zuvorkommenheit erwies, die Sache auf; er meinte, vor allen Dingen sei eine feste und klare Deklaration nothwendig, gegeben von dem Kaiser, unterstüßt von dessen Verbündeten: sie sei das einzige Mittel, um den König von Frankreich seinerseits zu solchen Vorschlägen zu vermögen, durch welche ein haltbarer Zustand wiederhergestellt würde. Dann sei dreierlei möglich: entweder Frankreich gebe nach, oder es gebe nicht nach, oder endlich, es fange den Krieg an. In dem ersten Falle werde Alles in der gewohnten Ordnung in Europa bleiben; im zweiten werde man zu einem legitimen Kriege vollkommen berechtigt sein, noch mehr in dem

1) Schreiben Bischofswerders, 6. mars 1792. Vienne. L'Empereur en se gérant en qualité de Chef de l'Empire pourroit non seulement faire valoir les anciens prétextes de l'indemnisation des Princes d'Allemagne, lésés dans leurs droits, mais les autres puissances unies pour effectuer le rétablissement de l'ordre en France moyennant la continuation du gouvernement monarchique avoué même par la nouvelle constitution, menaceroient les révoltés de toute part. Le roi Louis XVI obtiendroit peut-être en qualité de médiateur entre lui et la nation et les dites puissances les moyens de consolider sans employer des moyens violents le pouvoir royal que les démocrates tâchent d'abolir entièrement, mais une parfaite contrerévolution tendante à rétablir les droits féodaux de la noblesse est considérée ici comme impossible.

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