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dritten; dann könne man sich auch Vortheile bedingen, über die man sich vorher verständigen müsse, gleichmäßig für beide Theile. Von einer solchen Vereinbarung war und blieb man jedoch weit entfernt. Kauniß war nicht der Meinung, daß die beiden Mächte zu der Unternehmung schreiten sollten, ehe sie der Theilnahme des deutschen Reiches sicher seien. Eine allgemeine Uebereinstimmung der Mächte sollte die Grundlage jedes weiteren Verfahrens bilden. Sein Gedanke war, daß man auf die Wiederherstellung der feudalen Rechte Verzicht leisten, überhaupt keine Contrerevolution versuchen dürfe; denn ein solches Vorhaben würde bei dem allergrößten Theil der Nation Widerstand finden, und wenn man es wirklich mit Gewalt durchführe, keine Dauer haben: sobald die vereinigten Truppen den französischen Boden verließen, würde das nicht gelöschte, sondern nur für den Augenblick erstickte Feuer wieder aufflammen. Den Emigranten müsse deshalb nur eine subalterne Theilnahme gestattet werden. Die Unternehmung müsse mit so großer Anstrengung ins Werk gesezt werden, daß sie nicht mißlingen könne; denn sollte sie mißlingen, so würde der französische Freiheitsschwindel alle Nationen ergreifen. Da die Sache eine. allgemeine sei, so müsse Jedermann nach seinen Kräften dazu beitragen. „Nach den an Ort und Stelle versammelten allerseitigen Armeen" würde eine gütige Vermittelung und Ausgleichung der Gegenstände, die den Endzweck des Concerts ausmachen, erfolgen müssen.

Indem man hierüber Gedanken und Noten wechselte, zeigte sich nun aber auch der Widerstand, den gerade diese Idee in Frankreich hervorrief und hervorrufen mußte. Denn obwohl nicht in ihrer ganzen Ausdehnung, war sie doch im Allgemeinen bekannt und von Kaunig niemals verheimlicht worden.

Mit dem Sturze der Feuillans war die Meinung zur Herrschaft gelangt, daß die Souveränetät und Selbstbestimmung der Nation durch dies Vorhaben verlegt werde. Kaunig stellte das nicht eigentlich in Abrede, aber er hielt den vorliegenden Fall für einen solchen, in welchem eine Intervention von Europa in dem Völkerrecht begründet sei. Man ermißt die Tragweite dieser Frage.

Denn wiewohl das Gemeinwesen von Europa auf Grundsähen basirt ist, wie sie der Staatskanzler systematisch aussprach, so find doch die nationalen Berechtigungen jedes Volkes, jedes Staates noch deutlicher und unleugbarer. Die europäische Republik ist nun einmal nicht zur Erscheinung gekommen. Es ist sehr wahr, daß in diesem Augenblicke eine Gestaltung der Dinge in Frankreich zur Herrschaft gelangte, welche den Principien, die in Europa obwalteten, schärfer widersprach, als jemals eine andere; und kein Mensch könnte leugnen, daß die französischen Doktrinen eine Gefährdung für andere Regierungen enthielten, die auf ähnlicher Grundlage beruhten, wie die, welche man dort umstürzte. Der Congreß, wie ihn Kaunig im Sinne hatte, würde einen europäischen Areopag constituirt haben, der denn doch eine Verfassungsform hätte vorschreiben oder durch seine Anerkennung sanctioniren müssen, welche Frankreich anzunehmen genöthigt sein würde: der Staatskanzler hoffte noch, ohne Anwendung von Gewalt. Seßen wir den Fall, daß es möglich gewesen wäre, wohin hätte es geführt? Alle spontanen Bewegungen der Nationen hätten reprimirt werden müssen, wie das in der Epoche der Restauration in der That versucht worden ist. Aber das lag nun nicht in dem Sinne und der Natur des europäischen Gemeinwesens. Wenn es unleugbar ist, daß die Revolution sich mit der histo

rischen Gestaltung von Europa in Widerspruch sezte; so ist doch auch ebenso wahr, daß die Errichtung gleichsam eines obersten Tribunals über die französischen Angelegenheiten dem ganzen Laufe der europäischen Geschichte in den lezten Jahrhunderten widersprochen haben würde. Die Frage über die Zulässigkeit der revolutionären Ideen, wie sie in Frankreich zur Geltung gekommen waren, hat doch in diesem Stadium erst eine sekundäre Bedeutung: die vornehmste über allen schwebende ist die, ob das Selbstbestimmungsrecht einer Nation ohne alle Rücksicht behauptet oder durch das übrige Europa eingeschränkt werden darf. Erwägungen können darüber nicht entscheiden, sondern nur die Kraft der Gegensäße, welche mit einander ringen.

Damals nun geschah, daß die revolutionären Impulse auch dadurch anstiegen, daß sie mit dem nationalen Selbstgefühl verschmolzen; auf der Stelle wurde klar, daß die Franzosen eine Einmischung sich nie gefallen lassen würden. Selbst die Feuillans hatten sich dagegengeseßt, namentlich eben Delessart, wiewohl mit großer Mäßigung. Ihm ist noch eine Note zuzuschreiben, welche der französische Gesandte am 11. März dem Staatskanzler überreichte 1). Darin wurde jede Discussion über die inneren Zustände mit einer fremden Macht von vornherein abgelehnt. Mit Freuden wird die Versicherung der kaiserlichen Regierung begrüßt, daß sie die Unabhängigkeit der französischen Nation nicht im Mindesten zu verlegen gesonnen sei. Um aber alle Unruhe zu beseitigen, wird der Wiener Hof aufgefordert, dem europäischen Concert, von dem man spreche, ein Ende zu machen, denn dasselbe würde bei dem

1) Note des französischen Gesandten vom 11. März 1792 bei Reuß Staatskanzlei 36, 217.

zutrauensvollen Verhältniß des Königs zu der Nation keinen Zweck mehr haben: alles Ausdrücke, wie sie in dem der legislativen Versammlung vorgelegten Entwurf Delessarts vorgekommen waren. Sobald Desterreich sich verpflichte, seine Militärmacht, namentlich in den Niederlanden, auf den Fuß zurückzubringen, auf welchem sie am 1. April 1791 gewesen sei, so werde auch der König zur Auflösung der in Frankreich zusammengezogenen Truppenkörper schreiten. Der Gesandte fühlte sich glücklich, daß er mit diesen friedlichen Erklärungen die Mittheilungen eröffnen könne, die er der neuen Regierung zu machen habe. Sie waren in der That noch frei von dem Geist eigentlicher Feindseligkeit und darauf berechnet, den gegen= seitigen Kriegsrüstungen ein Ende zu machen. Daß nun aber Fürst Kauniz darauf eingehen würde, war dennoch nicht zu erwarten denn seine Idee blieb es immer, durch das Gewicht der europäischen Mächte eine der königlichen Autorität in Frankreich günstige Modification der Verfassung hervorzurufen.

Aber diese Haltung hätte nicht behauptet werden können ohne die Verbindung mit Preußen. Der Referendar Spielmann versicherte, diese neue Allianz sei ein universales Heilmittel. Damit war auch der neue König Franz, der eben in diesen Tagen dem Fürsten Kauniß seinen ersten Besuch machte

denn so war es bereits herkömmlich einverstanden. In der ersten Audienz, die Bischoffwerder erhielt, erklärte sich Franz II. mit lebhaftestem Eifer für dieses Bündniß; nicht durch Worte, sondern durch Thaten solle der König von Preußen erfahren, wie sehr er dessen Freund sei. Auf die Anfrage über seine Intentionen in Bezug auf Frankreich gab er seine Verwunderung zu erkennen, daß man darüber Zweifel hegen fönne.

Der Beistimmung seines Fürsten und des Rückhaltes von Preußen gewiß, ertheilte nun Fürst Kaunig am 18. März auf die französische Note eine vollkommen zurückweisende Antwort. Was in der Note von den Rüstungen in den Niederlanden vorkam, war leicht zu widerlegen. Denn diese waren in der That durch innere Bewegungen in diesen Provinzen gerechtfertigt. In Bezug auf die europäische Vereinigung sagte er, man könne sie nicht aufgeben, ehe Frankreich nicht die wichtigen und legitimen Beweggründe, durch welche die Einladung zu derselben veranlaßt worden sei, hinweg geräumt habe 1).

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Noch war man in Wien nicht der Meinung, ohne eine allgemeine Theilnahme der übrigen Mächte etwas Ernstliches zu unternehmen. Gegen das einseitige Vorschreiten von Preußen und Desterreich machte man die Einwendung, daß, wenn nach glücklich beendigtem Kriege von Entschädigungen die Rede sei, eine unangenehme Dazwischenkunft - Kauniß meinte besonders von Seiten Englands, welches auf die Behauptung des status quo dringen würde zu erwarten sei. Den in Frankreich möglichen Explosionen gegenüber würden Preußen und Desterreich sich begnügen, einen Cordon in der Art zu ziehen, daß sie, wenn es nothwendig sei, sofort zur Offensive schreiten könnten. Eine Eröffnung der Königin Marie Antoinette, welche auf eine rasche und unmittelbare Einwirkung drang, fand keinen Anklang in Wien. Man sagte, für sie seien alle Herzen frostig.

Es war also nicht ein unmittelbarer Angriff auf Frankreich, woran man dachte, sondern nur eben jene Einwirkung

1) Avant que la France ne fasse cesser les motifs graves et légitimes, qui en ont provoqué et nécessité l'ouverture. (Note vom 18. März 1792.) Reuß. Bd 36, S. 222.

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