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er consequent denkt, so geht er darin bis zu den äußersten Folgerungen fort. Er nimmt die Formel, welche Frankreich adoptirt, als die allgemeingiltige an; ihm zufolge ist die Delegation der Souveränetät jeden Augenblick zurücknehmbar; eigentlich kann es also keine erbliche Gewalt geben, die fremden Fürsten vergehen sich an der Menschheit und ihren Rechten, wenn sie eine solche den Franzosen zumuthen. Aus diesem Gesichtspunkte betrachtet er auch die anderen Forderungen, welche Colloredo ausgesprochen hatte. Er leugnet nicht, daß die im Elsaß possessionirten Fürsten ein Recht auf Entschädigung haben. Aber nur eine pecuniäre, ihrem Eigenthum entsprechende, dürfe diese sein. Einen Theil des Territoriums dürfe ihnen Frankreich nicht abtreten. Eine freie Nation verkaufe die Menschen nicht, sie überlasse die, welche an der Freiheit Theil genommen, niemals wieder der Sklaverei eines Herren. So seien auch die Bewohner des Comtat von Avignon vollkommen in ihrem Rechte. Was der Papst in demselben besessen, sei nichts, als eine Besoldung für die Mühewaltung der Regierung gewesen. Er habe keinen Anspruch auf die alten Bezüge weiter, nachdem ihm die Regierung kraft eines unveräußerlichen Rechtes der Nation entrissen worden sei. Es sind nicht mehr die Grundsäge der Monarchie, auch nicht der constitutionellen, welche hier proclamirt werden, sondern die der Republik, und zwar in ihrer allgemeinen Giltigkeit für alle Nationen. Condorcet meint, jezt wolle man die in Irrthum befangenen Völker nöthigen, gegen Rechte anzugehen, die auch die ihren seien, und in den Trümmern der französischen Constitution den Keim ihres eigenen Glückes und der Wohlfahrt des Menschengeschlechts begraben.

Achtes Capitel.

Ausbruch des Krieges.

Den revolutionären Bestrebungen allein dürfte man die Kriegserklärung nicht zuschreiben. Allezeit waltete bei den Franzosen der Gedanke vor, das beinahe verlorene Uebergewicht in Europa wieder zu erlangen, und besonders die Niederlande dem Hause Desterreich zu entreißen. Dahin waren die Blicke unaufhörlich gerichtet. Man glaubte, bei dem Eintritt einer neuen Regierung würden sich daselbst die Schwierigkeiten wiederholen, welche die alte gefunden hatte. Franz II. werde wahr scheinlich auch in Ungarn, seinen Erblanden überhaupt Widerstand finden, auf jeden Fall in den Niederlanden. Die Franzosen hatten Grund, auf den Beistand der kaum niedergekämpften niederländischen Faction zu rechnen; überdies aber zweifelten sie nicht, daß die patriotische Partei in Holland sich zu ihren Gunsten erheben werde. Durch die Sympathie verstärkt, welche sie erwarteten, glaubten sie in Kurzem eine den Continent dominirende Stellung einnehmen zu können.

Dieser zwiefachen Richtung entsprach nun auch die Gegenwirkung, welche Desterreich vorbereitete. Vor Allem darauf war das Bündniß mit Preußen berechnet. Es war, wie wir oben ausführten, der vornehmste Artikel des Vertrages vom

7. Februar, daß Preußen die Besißungen von Desterreich, also auch die Niederlande, gegen jeden auswärtigen Angriff_garantirte, sehr überzeugt, daß es nur eben ein französischer sei, der besorgt werden könne. In diesem Punkte coincidirten die antirevolutionären Tendenzen mit der Absicht, den Besißstand der europäischen Mächte unverändert zu behaupten; vollständig aber waren schon damals Desterreich und Preußen nicht einverstanden.

Wie wir bemerkten, daß das preußische Ministerium Bedenken trug, von der Annäherung des französischen Hofes dem österreichischen Kunde zu geben, so wurde nun auch in den Ministerial - Conferenzen zu Wien der Beschluß gefaßt, von gewissen Anträgen des Grafen Merch, die sich auf La Marc bezogen, welcher noch immer die Verbindung mit der Königin von Frankreich unterhielt, dem preußischen Hofe keine Mittheilung zu machen. Sehr bedeutend in ihrem Inhalt find die Communicationen des Fürsten Kaunig mit dem russischen Hofe, dem noch immer das größte Vertrauen Oesterreichs zugewendet war; aber in alledem, was sie über Preußen enthalten, dürfte man doch den lezten Gedanken des österreichischen Hofes nicht unbedingt kennen zu lernen meinen: denn sie waren immer dazu bestimmt dem preußischen Gesandten mitgetheilt werden zu können. Man begreift es, wenn die österreichische Politik sich vor Allem bemühte, das europäische Concert, gegen welches sich das Selbstgefühl von Frankreich erhob, zu Stande zu bringen; denn darin lag der ursprüngliche Gedanke des Fürsten Kaunig, gleichsam sein diplomatischer Ehrgeiz. Allein daß er damit zum Ziel kommen werde, ließ sich doch kaum erwarten. Indem man in Preußen auf die Idee des Congresses einging, wie er von Leopold gefaßt und unter der neuen

Regierung von dem Staatskanzler festgehalten wurde, machte man sich doch keine Illusion darüber, wie schwer es sein werde, denselben zu Stande zu bringen und die Mächte Eines Sinnes zu machen und in Activität zu sehen. Schweden, sagt der preußische Minister Schulenburg, sei nicht im Stande, etwas zu unternehmen; Spanien habe keine Neigung dazu; von England wisse man in Berlin gewiß, daß es höchstens zur Neutralität zu bewegen sei; dann bleibe nur Sardinien und Rußland übrig; aber das erste werde nicht viel leisten. Von Rußland müsse man fürchten, es wolle sich der allgemeinen Verwirrung bedienen, um freie Hand in Polen zu behalten. Unter diesen Umständen müsse sich denn auch Preußen sehr in Acht nehmen, sich nicht in eine Sache verwickeln zu lassen, die zu einem ganz anderen Erfolge als dem beabsichtigten führen werde. Denn das war das Eigenthümliche der österreichischen Vorschläge, daß sie, indem sie ein allgemeines Verständniß herbeizuführen bestimmt waren und den Frieden sichern sollten, doch in der That die Franzosen zum Kriege reizten. Die preußischen Minister drangen in Wien auf die Festsehung eines bestimmten Planes für jeden der beiden nunmehr möglichen Fälle: den einen, daß Frankreich zum Angriff schreite, und den anderen, daß die Beschlüsse des Congresses zurückgewiesen würden und ihnen durch Gewalt der Waffen Geltung verschafft werden müsse 1).

1) Schreiben Schulenburgs an den Herzog von Braunschweig. Berlin, den 14. März 1792. Le plan de campagne soit au moins reglé entre la cour de Vienne et le Roi, soit pour le cas d'une irruption des troupes françoises à repousser, soit pour celui des opérations offensives destinées à soutenir, s'il le faut, l'intervention des Puissances combinées. Berliner Staatsarchiv.

Aber es war kaum möglich, einen Schritt vorwärts zu kommen. Das hohe Alter des Fürsten Kauniß, der dadurch nicht gehindert wurde, jene weltumfassenden Pläne zu nähren, veranlaßte doch wieder Verzögerungen der zu ihrer Ausführung erforderlichen Maßregeln. Jedermann erstaunte, daß Oesterreich nach so umfassenden und drohenden Erklärungen, die den Krieg aller Wahrscheinlichkeit nach zur Folge haben mußten, doch nichts dazu that, um sich auf denselben vorzubereiten. Wohl war man am kaiserlichen Hofe bereit, auf den Antrag von Preußen dem Herzoge von Braunschweig den Oberbefehl über die preußisch-österreichischen Truppen anzuvertrauen. Nicht Allen war das recht: der alte Marschall Lasch fürchtete, daß damit ein allgemeines Uebergewicht Preußens in den continentalen Angelegenheiten begründet werden könne. Aber der Beschluß entsprach der Lage der Umstände. Der Fürst von Hohenlohe - Kirchberg, dem das Commando sonst zugefallen wäre, war sehr bereit, sich unter den kriegsberühmten Herzog zu stellen. Schulenburg säumte nicht, diesem im Voraus zu den neuen Lorbeeren, die er sammeln werde, Glück zu wünschen. Gleich bei den ersten Besprechungen stellten sich aber noch andere Differenzen heraus. Desterreich schien seine im Breisgau und in den Niederlanden aufgestellten Truppen bei der stipulirten Heeresmacht von 50,000 Mann, die sich mit eben soviel Preußen vereinigen sollte, in Anrechnung bringen zu wollen 1); oder es machte Anspruch auf besondere Unterstügungen von preußischer Seite sowohl am Oberrhein als in den Niederlanden, worauf man in Berlin einzugehen nicht geneigt war. Friedrich Wilhelm II. war sehr bereitwillig, dem König Franz

1) Note Schulenburgs vom 25. März 1792. Berliner Staatsarchiv.

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