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Sendung, mit der er im Mai 1792 den Genfer Mallet du Pan betraute Mallet, der immer zur gemäßigten Partei gehalten und in ihrem Sinne geschrieben hatte, damals aber, weil sein Journal eingegangen war, nach seiner Vaterstadt zurückgehen wollte, wurde mit einer geheimen Mission an den österreichischen und den preußischen Hof betraut und dazu mit einer Instruction versehen, aus der man die Idee abnimmt, die Ludwig XVI. damals noch hegte. Er hatte seine Sache so wenig aufgegeben wie Marie Antoinette. Mallet soll sich zuerst an die Emigranten wenden und sie ersuchen, ihre Interessen ihm, dem König, und den Mächten anzuvertrauen, also sie nicht selbst und auf eigene Hand zu verfechten; denn vor Allem müsse eine Vermischung der inneren und der äußeren Verhältnisse vermieden werden. Bei dem unternommenen Krieg müsse man sich lediglich auf dem Standpunkt der äußeren Politik halten; wohl verstanden jedoch, daß dabei jede Schmälerung des französischen Gebietes ausgeschlossen bleibe. Uebrigens aber solle sich das Manifest der Verbündeten nur gegen die Faction richten, welche jezt in Frankreich dominire, eine antisociale Faction, welche alle Bande der Gesellschaft auflöse: Recht und Gesez, Pflichten und jede Uebereinkunft, auf der die allgemeine Sicherheit beruhe. Noch hielt Ludwig XVI. an der Meinung fest, daß sich die Mehrheit der Franzosen von dieser Anarchie zu befreien trachte. Er rechnet auf den Beifall aller derer, die sich durch den revolutionären Schwindel und die trunkene Aufwallung der ersten Zeit haben fortreißen lassen und nur einen Ausgang aus der Verwirrung zu finden wünschen, ohne Schimpf und ohne persönliche Gefahr. Deren Verlangen gehe nicht sowohl auf die gegenwärtige Constitution, wie sie vorliege, als auf Sicherheit gegen die Rückkehr der früheren Mißbräuche.

Als der vornehmste Gedanke tritt immer hervor, daß die fremden Mächte mit Niemand unterhandeln sollen, als mit ihm, dem König. Zu diesem Zweck sollen sie seine Freiheit herstellen, selbst in Bezug auf die Wahl seines Aufenthaltes. Zwischen dem König und den Mächten soll dann eine Negociation eröffnet werden, bei welcher die Emigranten, insofern sie nicht ihre Sache dem König überlassen, als die verlegte Partei gehört werden können; man wird gemeinschaftlich einen Plan der Restauration festseßen. Worin aber sollte dieser bestehen? Es war doch immer der alte Gedanke, zu welchem Mirabeau den Anstoß gegeben, der zu dem Fluchtversuch des Königs geführt hatte, dann einige Monate in den Hintergrund getreten war, aber seitdem die Jakobiner die Oberhand in der legislativen Versammlung erlangt hatten, aufs Neue ergriffen wurde und nun ausgeführt werden sollte. Die Auflösung des alten Regime, die Abschaffung der Privilegien der bevorrechteten Classen, ein constitutionelles System blieb dabei vorbehalten. An der Constitution festhaltend fordert doch der Hof eine Ausbildung derselben zu Gunsten der Prärogative, sodaß sie mit den gewohnten europäischen Zuständen überhaupt vereinbar würde. Es war die Tendenz, die bei der Annahme der Constitution von 1791 vorgewaltet hatte, von den Feuillans repräsentirt wurde, bei allen Verbindungen des Hofes mit den deutschen Mächten zu Grunde lag, für welche deren Armeen soeben ins Feld rückten. Der Zweck der Verbündeten war auch in diesem Stadium noch immer, die Ausführung der alten auf die Herstellung eines haltbaren constitutionellen Königthums gerichteten Entwürfe. Der Gegensaß der Legitimität und Revolution erschien noch nicht in seiner vollen Stärke. Eben in diesem Moment aber sollte das geschehen.

Neuntes Capitel.

Constitutionelle und Jakobiner im Juni und Juli 1792. Manifest des Herzogs von Braunschweig.

Der Ausbruch des Krieges und die ersten für die Franzosen ungünstigen Waffenerfolge hatten die innere Gährung verdoppelt. Man knüpfte in Paris eine Betrachtung daran, welche zugleich Sinn und Ziel der Revolution überhaupt berührte. Sei nicht der Krieg, den man beginne, zuletzt gegen das Uebergewicht des Adels in Europa, die alten Grafen und Barone gerichtet? An der Spiße der französischen Armee aber sähe man Grafen, Barone und Edelleute, und deren Haltung werde von dem Hofe hervorgerufen oder beeinflußt. Mit dem Heranrücken der deutschen Truppen wuchs die Aufregung noch unter einem anderen Gesichtspunkt an. Man begann ein Comité autrichien vorauszusehen, das nur im Sinne der Jnvasion handle und mit den wildesten Absichten umgehe. Man gab demselben ein Complot Schuld, um den König wegzuführen und in der Hauptstadt eine Bartholomäus-Nacht gegen die Patrioten zu veranstalten. Man trug das unselige Andenken der Katharina Medici auf Marie Antoinette über; und wenn dann wegen der Falschheit dieser Anschuldigungen gegen einige Mitglieder der Nationalversammlung, von denen sie herzurühren schienen, ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wurde, so machte

das keinen beruhigenden Eindruck: man wollte darin nur die Absicht sehen, diese Versammlung herabzuwürdigen, um sie zur Annahme der Mediation zu vermögen. Denn nur vergeblich war das Bemühen, dies Vorhaben zu verheimlichen. Man konnte nicht zweifeln, daß eine siegreiche Entwickelung der deutschen Streitkräfte die Vernichtung der Jakobiner und die Modification der Verfassung zur Folge haben werde.

Es waren zwei die Welt umfassende Tendenzen, die einander entgegentraten: sie erscheinen in der Polemik des Hofes gegen die destructive Richtung der Jakobiner, welche alle Welt bedrohe, und in der Polemik der Jakobiner gegen das Uebergewicht der Aristokratie, welche alle Welt beherrsche. Doch würde das Alles noch zu keiner Explosion geführt haben, wären nicht in dem Conseil des Königs selbst Männer aufgetreten, welche die populären jakobinischen Tendenzen zu den ihren machten. Eine Zeit lang hatte auch das neue Ministerium die Absicht verfolgt, der executiven Gewalt inmitten der Parteien eine gewisse Unabhängigkeit von denselben zu erhalten. Allein durch neue Ergänzungen kam es so weit, daß drei Mitglieder des Ministeriums sich mit der Gironde vereinigten; sie ergriffen die Wahrscheinlichkeit der Verbindung der Intentionen des Hofes mit den Absichten der auswärtigen Mächte, um sich dem ersten, den sie nach dem bisherigen Begriff von dem ministeriellen Beruf hätten unterstüßen sollen, unumwunden entgegenzuseßen.

Ohne dem König Mittheilung gemacht, oder auch das Einverständniß seiner Collegen formell gesichert zu haben, brachte der Kriegsminister Servan in der legislativen Versammlung eine Maßregel in Antrag, die darauf berechnet war, der jakobinischen Partei in dem Gegensaß gegen den Hof und die heranziehenden deutschen Mächte eine neue Verstärkung ihrer

Stellung zu verschaffen; die Jakobiner sollten zugleich als die Vertheidiger des Vaterlandes und der Constitution erscheinen. Es war der Vorschlag, für das nahe bevorstehende Fest der Föderation zur Erinnerung an den 14. Juli 1789 Abgeordnete, welche aus allen Cantons, aus jedem fünf, gewählt werden sollten, nach Paris zu bescheiden und im Norden der Hauptstadt in einem befestigten Lager zu vereinen. Bei der allgemeinen Agitation im Reiche konnte man nicht anders erwarten, als daß nur die ausgesprochensten Revolutionäre, die eifrigsten Mitglieder der jakobinischen Gesellschaften erwählt werden und eine bewaffnete Macht bilden würden, mehr zur Herrschaft über die Hauptstadt und den König, als zum Schuße derselben. Man erstaunt, daß in der legislativen Versammlung, deren Mehrheit diesen Tendenzen nicht anhing, dennoch kein nachhaltiger Widerspruch dagegen hervortrat. Aber so wird es immer gehen, wenn einer unentschiedenen Mehrheit gegenüber eine entschlossene Faction eine große Idee zu ergreifen weiß, die dem Momente entspricht. Den Gemäßigten fehlte es an dem Muthe ihrer Meinung. Sie fürchteten, wenn wir so sagen dürfen, selbst den Succeß ihrer Intentionen. Denn wer konnte gut dafür sagen, daß es bei einem Umschlag nur zu solchen Festseßungen kommen würde, wie sie wünschten, den vorangegangenen revolutionären Bewegungen gemäß. Genug, obwohl der Antrag des Kriegsministers den constitutionellen Formen nicht entsprach, denn welches Recht hatte er dazu, wenn er nicht mit dem Träger der executiven Gewalt einverstanden war? so ward, derselbe doch in ein ausführliches Dekret verwandelt angenommen. Der Streit über das Veto flammte dann von Neuem auf. Wie sollte der König sich entschließen, ein Dekret zu sanctioniren, das seinen Absichten geradezu

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