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sten revolutionären Sinnesweise, wie jener Maillard, der einst den Commandanten der Bastille gefangen genommen hatte, fungirten als Richter. Das Entseßliche ist, daß die Procedur immer einen Schein von Legalität an sich trug, so daß man wohl gesagt hat, das Ereigniß vom September sei eine administrative Maßregel gewesen. Die legislative Versammlung war durch Schrecken gefesselt: sie that nichts Entscheidendes dagegen. Besonders unglücklich war es, daß die Minister die Initiative der Commune, an der sie keinen Theil hatten, nachgehends durch ihre Verfügungen doch gewissermaßen legalisirten. Namentlich hat sich der Gegner der unabhängigen Executive, Roland, als er diese selbst zu verwalten bekam, durch widerwärtige Nachgiebigkeit einen bösen Ruf gemacht. Welche Scenen erlebte man in Orleans, wo noch die Gefangenen des Hohen Gerichtshofes in den Gefängnissen lagen. Eine bewaffnete Bande aus den Sectionen der Hauptstadt zusammengesezt, gelangte dort in den Besiz der Autorität; Roland erkannte sie an; die legislative Versammlung hatte nur die Transportation der Gefangenen nach Saumur gefordert; der Zug, mit dem sie abgeführt wurden, schlug dennoch den Weg nach Paris und dann nach Versailles ein. Hier war der Widerstand der legalen Autorität vergeblich; die armen Gefangenen, unter ihnen Delessart, fielen der Wuth der Menge zum Opfer. Unter diesen tumultarischen Greueln wurden die Wahlen zum National-Convent vollzogen. Es war nochmals die Fortseßung des 10. August. Wir werden darauf zurückkommen, daß in der Hauptstadt, von der Alles abhing, die Gironde vollständig unterlag. Hier bemerken wir nur, daß die öffentliche Gewalt in Frankreich eine neue Gestalt von verschiedenstem Gepräge annahm.

Bwölftes Capitel.

Feldzug in der Champagne.

Das Charakteristische in dem revolutionären Ereigniß ist das stete Zusammengreifen der inneren Bewegung und der äußeren Beziehungen. Mit Unrecht würde man die Excesse der Revolution von dem Angriff, der ihr drohte, herleiten: dieser selbst war in allen seinen Stadien eine Folge der revolutionären Handlungen. Aber das Eine rief das Andere gleichsam mit Nothwendigkeit hervor. So war nun einmal das Schicksal. Das französische Ereigniß gewann dadurch ein europäisches Gepräge. Alles Folgende hing von dem Ausschlag des großen Unternehmens ab, zu dem sich der Herzog von Braunschweig und der König von Preußen so eben anschickten, nach dem Heerde der Revolution, der Hauptstadt von Frankreich, vorzudringen. Es war, wie wir wissen, nicht die ursprüngliche Idee des Feldzuges, aber wie die Besißnahme der Grenzlande die revolutionären Leidenschaften in der Hauptstadt erweckte, so riefen diese nun wieder, durch welche der König, den man zu retten dachte, in die imminenteste Gefahr gerieth, die militärische Action hervor. Der Charakter derselben wurde dadurch bestimmt, daß die Franzosen den Beschluß faßten, sich den heranrückenden Preußen und Desterreichern in den Argonnen entgegenzustellen.

v. Ranke, Revolutionskriege.

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Der Gedanke des vielgewandten Dumouriez ging, wie berührt, nochmals dahin: indem die Verbündeten französische Territorien occupierten, sich auf die österreichischen Niederlande zu werfen; er zweifelte nicht, daß diese in Folge der mannichfachen Verbindungen, die er daselbst unterhielt, in seine Hände fallen würden. Durch seinen Einfall dachte er die Streitkräfte der Verbündeten zu trennen und zu paralysiren, durch eine auswärtige Eroberung glaubte er Frankreich am besten zu vertheidigen: denn die eben zusammengerafften Truppen seien dazu, nicht aber zu einem Vertheidigungskrieg fähig. Er hatte so viel Ansehen bei seinen Generalen, daß sie diesem Entwurf in einem großen Kriegsrath beistimmten; aber der Kriegsminister, dem derselbe erst vorgelegt werden mußte, seßte seine Autorität dagegen ein. Servan meinte, in den Argonnen besiße Frankreich ein unüberwindliches Bollwerk: da würden die französischen Kriegsschaaren den deutschen Widerstand leisten, wie die amerikanischen den englischen bei Saratoga: die Kraft eines freien Volkes werde erwachen. Joseph Servan hat sich durch zwei bedeutende Acte unvergeßlich gemacht: er hatte die Berufung der Föderirten eingeleitet und durchgesezt; jezt bestimmte er den Kampfplay mit den Verbündeten. Auf seine Anweisung 1), wohl auch durch eigene Ueberlegung bewogen, stellte sich Dumouriez in dem Passe von Grandpré, den er einmal für die Thermopylen Frankreichs erklärt hat, den verbündeten Armeen entgegen. Aber noch war die preußische Strategie der französischen überlegen. Der Herzog von Braunschweig gab den Commandeurs der Truppen seinem wohldurchdachten Plan entsprechende Instructionen. Alle seine Anweisungen wurden ausgeführt. Das Glück wollte den Ver

1) Sybel 13, 511.

bündeten so wohl, daß sie die Position bei St. Croir au bois, welche die Franzosen nicht gehörig gewürdigt hatten, ohne Mühe nahmen und dann gegen einen Anlauf derselben glücklich vertheidigten. Hauptsächlich dadurch sah sich Dumouriez veranlaßt, seine Stellung bei Grandpré eiligst zu verlassen. Man hat vielleicht nicht ohne Grund gesagt, daß es dem Herzog möglich gewesen wäre, die davonziehenden Franzosen einzuholen und zu zerstreuen. Aber auch die deutschen Truppen waren durch den langen, angestrengten Marsch auf grundlosen Wegen erschöpft. Und schon machte sich ein Mangel an Lebensmitteln bemerklich. Nur die leichte Cavallerie erreichte, durch eine Furth segend, die Feinde: 12,000 Franzosen floten vor 1200 preußischen Husaren. Ein Sieg ward nicht erfochten. Dumouriez nahm eine feste Position zu St. Vienehould, in der er die Preußen erwarten zu können glaubte. Und soeben kam von Meg her eine ansehnliche Truppenschaar unter Kellermann, um ihn zu unterstüßen. Gerade diese sollte den ersten Stoß erfahren: denn noch lebte in der preußischen Armee der wiederholt angefachte Wunsch, es zu einer Schlacht zu bringen. Man meinte wohl, die ungeschulten Feinde würden bei einem ernstlichen Angriff nach Paris oder nach Chalons zu entrinnen suchen, worauf dann ein Unternehmen gegen die Hauptstadt ausgeführt werden könne. Sobald als`möglich, abermals in einem angestrengten. Marsch, rückte nun die preußische Armee auf die Region an, in der sich die feindlichen Streitkräfte vereinigen sollten. Ihre vornehmste Position bildeten die Höhen von Valmy, wo Kellermann sein Geschüß aufgefahren hatte. Er begrüßte die Ankunft der Preußen mit Kanonenschüssen. Aber die Preußen rückten. dennoch in der besten Ordnung vor, wie die Anwesenden sagten, als vollzögen sie nur ein Manöver bei Tempelhof oder

Potsdam. Niemand zweifelte daran, daß man den Feind aus dem Felde schlagen werde, wenn man nur muthig auf ihn losgehe. Der Herzog von Braunschweig war jedoch nicht dieser Ansicht, da die Franzosen eine unerwartet gute Haltung zeigten; wie denn eine preußische Brigade, die dem Feinde zu nahe gekommen, sich bereits zurückgezogen hatte. Der Herzog meinte die Stellung des Feindes erst erschüttern zu müssen, ehe er zu wirklichem Angriff schreite Er hat dem Prinzen von NassauSiegen die Stelle bezeichnet, an der er das ins Werk zu sehen gedachte. Auch er gebot über treffliches Geschüß, das an einer von den Franzosen früher beseßten Stelle, la Lune, aufgefahren war: es brachte jedoch nicht die erwartete Wirkung hervor. Der Herzog scheint mehr von der Aufstellung einer anderen Batterie erwartet zu haben, die nicht zu Stande kam 1): er hat immer angegeben, es habe ihm an Munition gefehlt. Unter solchen Umständen aber glaubte er - vielleicht mit Recht die Franzosen in der vortheilhaften Stellung, die sie eingenommen hatten und behaupteten, nicht angreifen zu können2). Er rechnete darauf, daß sie des

1) Extrait des Mémoires inédits du prince de Nassau - Siegen, bei Feuillet VI. 355: le duc fit faire halte et me dit un instant après: Je veux les ébranler par le feu de notre canon." Mais on ne plaça pas la batterie qui les eût enfilés et foudroyés. Die Authenticität dieses Extrait wird durch das Schreiben des Prinzen an die Kaiserin Katharina vom 15./26. October 1792 (Feuillet VI, 389), in welchem dieselben Thatsachen in wenig abweichender Fassung mitgetheilt werden, außer Zweifel gesetzt.

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2) Fürst Neuß schreibt am 26. September an Cobenzl. Seit meinem letzten Bericht aus Landres liegt mir ob anzuzeigen, daß die königl. Preußische Armee in anhaltendem Regen und durch fast impracticable gewordene Wege, mittelst eines den 19. gemachten forcirten Marsches den 20. früh den Feind erreicht hat, unter der feindlichen Canonade aufmarschiert ist und nach etablirten Batterien lebhaft geantwortet hat. Diese Canonade dauerte von halb ein Uhr bis halb fünf Uhr, dasjenige Feuer abgerechnet,

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