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1. Zur Kritik des Moniteur

mit besonderer Beziehung auf den 4. August 1789.

Eine Kritik des Moniteur zu schreiben, würde ein Unternehmen von gar nicht zu ermessendem Umfang sein, da der Moniteur selbst als die vornehmste Quelle für unsere Kunde der Er eignisse der Revolution zu betrachten ist. Schon früh hat man jedoch seine Zuverlässigkeit bezweifelt. Bei dem Jahre 1792 be= merkt der Amerikaner Morris (Life and correspondance II, 182), daß die Debatten der Versammlung im Journal Logographe zuverlässiger mitgetheilt seien, als in dem Moniteur.

Höchst merkwürdig ist der Inhalt eines Briefes, den der Redakteur des Artikels Convention nationale im Moniteur, Grandville, am 18. Juni 1793 an Robespierre gerichtet hat. Er rühmt darin die Dienste, welche der Moniteur der Revolution im Sinne Robespierres geleistet habe: schon am 10. August, hauptsächlich bei der Verdammung und Hinrichtung des Königs. Das Blatt habe alle Reden beinahe vollständig mitgetheilt, die für den Tod des Königs gehalten seien; von den übrigen nur einige Auszüge, soweit es unbedingt nothwendig gewesen wäre, um einen gewissen Charakter von Unparteilichkeit zu behaupten. Er bringt ferner in Erinnerung, daß er bei der ersten Anklage Louvets gegen Robespierre dieselbe nur in einem kurzen Auszug gegeben, dagegen dessen Antwort in voller Ausführlichkeit.

Man sieht aus dem Briefe, wie viel ein Wechsel in der Redaktion, Berücksichtigung der Abonnirten und besonders der Inten= tionen der höchsten Gewalt auf den Moniteur einwirkte 1).

1) Der Brief ist abgedruckt bei Wachsmuth II, 673, dann bei Mortimer-Ternaux I, VI.

Diese Seite der kritischen Erörterung ist es nun nicht, auf welche wir hier einzugehen gedenken, sondern eine ganz andere Wahrnehmung.

In dem Moniteur vom 5. Juli 1790 findet sich die An= zeige eines damals erschienenen Buches über die Geschichte der Revolution,,par deux amis de la liberté.“ Der Artikel ergeht sich in einer Erörterung über die Möglichkeit, gleichzeitige Geschichte zu schreiben, ihre Vortheile, und die dabei zu überwindenden Schwierigkeiten. Bei der Geschichte der Revolution habe man sich sehr vor Denen zu hüten, welche den Despotismus mit der Wuth der Anarchie angreifen; zu den Schriften solcher Art aber gehöre das angezeigte Buch nicht: es zeuge von Umsicht, Kunde, Unparteilichkeit und einer besonnenen, nicht fanatischen Liebe zur Freiheit. Der Autor des Artikels geht die früheren Abschnitte des Buches durch und billigt sie. Bei dem Ereigniß der Insurrection des 14. Juli spricht er jedoch eine von demselben sehr abweichende Meinung aus. Er verwirft die von den deux amis aufgenommene Erzählung von dem Complot 1), dessen Entdeckung die Insurrection veranlaßt haben solle, von welchem aber niemals ein hinreichender Beweis beigebracht worden sei, und das nicht vorausgesezt zu werden brauche, um die „Eroberung der Freiheit“ zu rechtfertigen. Er ist der Ansicht, daß die Insurrection fich erklären lasse durch die Annäherung der Truppen und die Entfernung Neckers, in welchem das Volk seinen einzigen Freund in cer Regierung gesehen habe.

Die entsprechende Stelle bei den deux amis findet sich I, 306; Ausg. v. 1790. Es ist nun höchst auffallend, daß in Nro. 20 des Moniteur von 1789 selbst die Annahme des Complots sich wiederfindet und zwar in denselben Ausdrücken wie in dem Buche der deux amis, nur mit wenigen geringfügigen Veränderungen. Wenn es z. B. bei den deux amis heißt le bon prince, so heißt es im Moniteur nur le prince. Alles Uebrige ist das Nämliche, ausgenommen an der Stelle der deux amis: le bon génie de la France sauva la nation et son roi, wo der Moniteur das et

1) Le complot formé par les ennemis de la patrie est de dissoudre l'Assemblée nationale, de massacrer ceux de ses membres qui n'étaient pas dévoués à la cause de la cour et de foudroyer la capitale pour en imposer aux provinces. Dies bezeichnet der Moniteur als die Ansicht der deux amis.

son roi wegläßt. Man erstaunt über diesen Widerspruch des Moniteur mit sich selbst; doch stellt sich bei weiterer Nachforschung eine sehr natürliche Erklärung desselben heraus.

Es wäre ein Irrthum, wenn man den Anfang des Moniteur mit dem Anfang der revolutionären Bewegung zusammenfallen ließe. Das Blatt originirte im November 1789, zu welcher Zeit die National-Assemblee bereits in Besitz der entscheidenden Gewalt in Frankreich gelangt war. Der Buchhändler Panckoucke hatte um die Ermächtigung gebeten, eine offizielle Zeitung unter den Auspicien der Nationalversammlung herauszugeben. Diese Erlaubniß war ihm verweigert werden. Er entschloß sich daher auf seine eigene Hand eine Gazette nationale zu begründen, die aber erst dadurch ihren Charakter empfing, daß am 3. Februar 1790 das Bulletin de l'Assemblée nationale, welches eines guten Rufes genoß, da= mit vereinigt wurde. Erst einige Jahre später, im Jahre IV der Republik, hielt man für angemessen, zur Vervollständigung der Sammlung, die zu großem Credit gelangt war, auch einen Bericht über die früheren Ereignisse nachzutragen. Diese Arbeit, die uns hier allein beschäftigt, enthält zwei verschiedene Bestandtheile: Be= richte über die Situngen der Assemblee und eine Relation über die wichtigsten Vorfälle. In dieser legten nun aber eigenthümliche Studien oder doch Mittheilungen zu suchen, würde vergebliche Mühe sein. Sie ist einfach eine Wiederholung der Erzählungen jenes Buches, dessen wir gedachten, der Histoire de la révolution par deux amis de la liberté.

Schon in der vierten Nummer des Moniteur liegt die Er= zählung dieses Buches zu Grunde. Wenn der Moniteur über die Vorschläge des Hofes weniger eingehend ist, so rührt das da= her, daß dieselben in einer späteren Nummer bei den Berichten über die Sigungen aufgenommen sind. Die erwähnten Vorschläge, die erst am 4. Juni gemacht sind, und die Antwort der Communen, die am 6 erfolgte, werden bereits in der Nummer vom 23/30. Mai mitgetheilt.

Die Verbindung beider Quellen konnte überhaupt nicht ohne eine gewisse Willkühr ausgeführt werden, z. B. wenn in Nr. 14 der ganze, sehr ausführliche Bericht über die Unterredung des Königs mit dem Herzog von Luxemburg den deux amis entlehnt wird (chap XIV) und nun der Brief des Königs fehlt, welcher in dem

Bericht über die Situng des Adels und der Geistlichkeit in einer früheren Nr. (12) mitgetheilt war.

Abgesehen davon - wie verhält es sich überhaupt mit jener von dem Moniteur aus den deux amis entnommenen Conversation des Königs mit dem Präsidenten der Adelskammer, dem Herzog von Luxemburg, die in dem Conseil vom 27. Juni, welchem auch die Brüder des Königs beiwohnten, stattgehabt haben soll? Luxemburg, heißt es, habe den König aufmerksam gemacht, daß der Adel der Reunion der drei Stände widerstrebe, aus Rücksicht auf die Krone; denn bei einer Reunion werde die öffentliche Meinung so stark werden, daß der König verstummen müsse. Der König sei dennoch bei seiner Meinung geblieben und habe in aller Form den Befehl zur Vereinigung der Stände ausgesprochen. Wenn man die Relation Moleville's mit dieser Darstellung vergleicht, so kann man sich der Voraussetzung nicht erwehren, daß auch er dieselbe vor Augen gehabt habe: die Worte des Königs Mes réflexions sont faites etc. sind ganz dieselben, welche bei den deux amis und in dem Moniteur vorkommen. Da er dabei dennoch jene Vorstellungen Luxemburgs nicht erwähnt, so dürfte man daraus schließen, daß er sie nicht gekannt habe oder selbst in Abrede stelle. Er läßt Luxemburg freiwillig erscheinen, um den Beschluß des Adels, daß er sich an die Deklaration vom 23. Juni halten werde, zu überbringen. Der Beschluß der Nobilität, sich zu reuniren, wird aber bei alle den verschiedenen Berichten mehr einer geheimen Ordre des Grafen v. Artois zugeschrieben. Barentin läßt feinen Zweifel übrig, daß zulezt noch ein Unterschied zwischen Monarchie und Monarch gemacht wurde. Die Besorgniß, daß der König in Gefahr sei, schreibt er hauptsächlich den Einflüsterungen Neckers zu, die aber ohne Grund gewesen seien. Indem man noch zweifelt, erscheint ein Brief von Artois, welcher den Adel in der Meinung bestärkt, daß es sich hier um eine wirkliche Gefahr des Königs handle. Die Thatsache selbst ist vollkommen richtig: der Brief des Grafen v. Artois, der als der vornehmste Vorfämpfer der alten Monarchie galt, machte in der That allem Bedenken des Adels ein Ente. Wenn nun aber Ba= rentin andeutet, daß Einfluß von Privaten auf den Grafen von Artois eingewirkt habe, so hat dieser, dem das Manuscript Barentins mitgetheilt worden ist, das entschieden geleugnet. Er hat den Brief geschrieben, aber nur die Autorität seines Bruders, des Königs,

hat ihn dazu bewogen 1). Die Versicherung Neckers, der König habe an die beiden höheren Stände nur eine Einladung gerichtet, nicht einen Befehl, steht im Widerspruch mit den Berichten über jene Conversation des Königs mit Luxemburg überhaupt, welche mit Bestimmtheit eines Befehles an die Stände erwähnen. Die Schwierigkeit ist nicht mit voller Bestimmtheit der Ueberzeugung zu heben, nur soviel steht fest, daß der König kein Bedenken trug, die Reunion durch den indirecten Einfluß seines Bruders hervorzurufen.

Nachdem die Erzählung der deux amis über die Vorgänge bei der Vereinigung der drei Stände, die anderswo den ProcèsVerbaux der National - Assemblee gemäß mitgetheilt werden, ausgeschieden ist, fährt der Moniteur fort, die deux amis zu wiederholen, nur, wie schon oben angedeutet, mit einigen Abweichungen, welche die veränderte Stimmung beweisen. Wenn z. B. die deux amis bei der populären Ovation, die darauf folgte, berichten, Ihre Majestäten seien am Fenster erschienen, so hat der Moniteur, die späteren Vorstellungen vorausnehmend: le prince et son épouse.

Bei der Erzählung über die Annäherung der Truppen bleiben die deux amis ziemlich ruhig. Der Moniteur fügt hinzu, man habe wahrgenommen, daß die heranziehenden Truppen größtentheils Deutsche, Schweizer, Irländer seien. Ungefähr so, wie man bei der Annäherung der Truppen Jakobs II. in London verbreitete, es seien vornehmlich Irländer, von Nationalhaß gegen England durchdrungen. In Frankreich bemerkte man, daß der militärische Eid ebensowohl für die Nation als für den König verpflichte. Der Moniteur wiederholt diese Worte aus den deux amis, so wie die dann folgende Erzählung vom Abfall der Gardes françaises. Man sieht, daß sie bei den deux amis besser paßt, als beim Moniteur, denn der Abfall, der sich in den Truppen zeigt, ist ledig= lich nationalfranzösischer Natur: er entsprang nicht allein aus der Sympathie für die Nation, sondern zugleich aus dem Wunsch, sich der Unterordnung unter die Aristokratie zu entledigen. Die Ereig= nisse werden mit denselben Worten berichtet, nur daß der Moniteur die Scene, in welcher die heranrückenden Dragoner den populären Wünschen folgen und Frieden annehmen, mehr zur Ehre des Volkes erzählt: le peuple sans s'émouvoir etc.

1) Brief Artois' an Barentin, bei Barentin 282 ff.

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