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Conseils, Sonntag 21. Juni, nahmen die beiden Brüder des Königs, der Graf von Provence und der Graf von Artois, persönlich Antheil 1). Artois sprach sich für die Aufrechthaltung der alten Verfassung aus. Durch die Beschlüsse des 17. Juni war die Lage insoweit geändert, daß die Regierung eine Beeinträchtigung ihrer Autorität durch den dritten Stand fürchten konnte und einen Rückhalt an den beiden ersten Ständen zu finden meinte. Necker hatte davor gewarnt, den Beschluß des 17. Juni zu annulliren; es schien ihm gefährlich, dieser durch selbständigen Impuls emporkommenden Bewegung gradehin entgegenzutreten und sie dadurch zur Feindseligkeit zu reizen. Aber in dem Conseil wurde dennoch dieser Beschluß gefaßt. Man wollte dem Vorgehen des dritten Standes gleich bei seiner ersten Manifestation Schranken ziehen. Der König hielt für rathsam, seine Entscheidung in einer königlichen Sizung, deren Vorbereitung wir erwähnten, auf das feierlichste zu verkündigen. Am 23. Juni erschien Ludwig XVI. noch einmal in dem ganzen Apparat des alten Königthums in der Versammlung der drei von einander geschiedenen Stände. Zur rechten und linken des Thrones saßen der Clerus und die Edelleute, vor ihm die Mitglieder des dritten Standes, zwischen ihnen Herold und Wappenkönig. Ludwig XVI. verlas nun eine Deklaration, in der er einige populäre Wünsche gewährte; aber in der Hauptsache seßte er sich ihnen entgegen; er sprach aus, daß die alte Unterscheidung der drei Stände des Reiches vollständig aufrecht erhalten werden müsse; die Deputirten der drei Stände, deliberirend nach Ständen, könnten allein als die Corporation betrachtet werden, in welcher die Nation

1) Barentin, Mémoire authographe S. 197.

repräsentirt sei; aus diesem Grunde wurden die von dem dritten Stande am 17. Juni gefaßten Beschlüsse und Alles, was danach gefolgt sei, für nichtig erklärt. Eine Erklärung, die vielleicht unvermeidlich war; aber in der man einen der großen Wendepunkte der Ereignisse erkennen muß. Die französische Regierung hatte die nationale Bewegung guten Theils selbst hervorgerufen, und ihr Einfluß auf das Staatsleben verschafft; nachdem die Bewegung hiedurch erstarkt, sich selbst zum Bewußtsein gekommen war und jezt eine selbständige Haltung angenommen hatte, unternahm die Regierung, ihr entgegenzutreten und ihr Schranken zu ziehen, die den Impulsen, die sie in fich trug, widersprachen. Der König erklärte sich für die Verfassung der drei Stände, mit der seine lezten Vorfahren zu regieren nicht vermocht hatten. Nicht aus einer Empörung der Nation gegen die königliche Autorität ist die Bewegung der Revolution hervorgegangen, sondern aus diesem Zwiespalt über die Verfassung, der freilich sehr in den Dingen lag. Der König konnte sich nicht unbedingt der Anforderung der Privilegierten, welche die Beibehaltung der Drei-Ständeverfassung forderten, unterwerfen; er würde dadurch seine Autorität der Aristokratie preisgegeben haben. Aber indem er sich, um sich davor zu schüßen, an den dritten Stand wandte, gewann dieser das Bewußtsein seiner Kraft: mit einer theilweisen Verstärkung seines Antheils an die öffentliche Gewalt war er nicht zufrieden. Er ergriff die Theorie von dem unbedingten Recht der Nation, sich eine Verfassung nach ihrem eignen Gutdünken und Bedürfniß zu geben; in Vorausseßung des Einverständnisses mit dem Königthum in der Hauptsache; in vollster Entschiedenheit gegen die Vorrechte der beiden höheren Stände und ihre althergebrachte, dominirende Autorität. Eben in diesem Augenblick, in welchem

der König seine Entscheidung im Ganzen doch zu Gunsten der Drei-Ständeverfassung aussprach, trug der bisherige dritte Stand, der sich zur National - Assemblée erklärt hatte, kein Bedenken der Krone selbst Widerstand zu leisten. Der Zwiespalt, der damit ausbrach, bewegte sich noch in den Vorfragen; aber er war doch von Anfang an ein in der Sache entscheidender. Denn, ob die drei Stände bestehen, oder die reunirte Versammlung über die Verfassung entscheiden sollte, war eigentlich ein und dasselbe. Und so stark war die Bewegung der Meinung in sich selbst, daß sie dort in Versailles und überall in Frankreich die Oberhand behielt. In Kurzem wurde auch der König zu allgemeinem Erstaunen davon ergriffen und fortgerissen. Er scheint gemeint zu haben, die Theilnahme des Adels und des Klerus an den allgemeinen Deliberationen werde dazu dienen, der Heftigkeit der Communen ein Gegengewicht zu verschaffen. Er hat den beiden höheren Ständen die Reunion mit dem dritten nicht zwar geboten, denn dazu hielt er sich nicht für ermächtigt, aber auf das Dringendste anempfohlen. Er vermochte seinen Bruder, den Grafen von Artois, dafür sein Wort einzusehen. Die Reunion geschah also; in der Versammlung der vereinigten Stände selber sollte, wie die Forderung der Communen und auch der Gedanke Neckers gewesen war, die künftige Verfassung festgesetzt werden. Es war keinen Augenblick zweifelhaft, wie die Beschlüsse der Majorität ausfallen würden. Ein republikanischer Gedanke waltete in derselben nicht vor. Wie von dem Königthum Alles ausgegangen war, so blieb es auch die Vorausseßung dessen, was sich eben hervorbildete 1). Der dritte Stand zögerte nicht kraft des Rechtes,

1) Rede Mouniers 9. Juli. Nous n'oublierons pas que nous devons un respect et une fidélité inviolables à l'autorité royale

das er in Anspruch genommen und in dessen Besiß er gekommen war, an eine neue, von der bisherigen von Grund aus abweichende Organisation des Staates Hand anzulegen. Gewiß war es eine Wirkung der philosophischen Doctrin des Jahrhunderts und eine Nachahmung des in Amerika gegebenen Beispiels, wenn man die allgemeinen Grundsäße über die Menschenrechte in den Vordergrund stellte. Eine republikanische Tendenz lag dabei jedoch nicht zu Grunde. Es hatte eine unmittelbare Beziehung zu der in Frankreich vorliegenden, auf die Entwickelung der Monarchie bezüglichen Frage; die Grundidee war, das Königthum von seiner bisherigen Verbindung mit den höhern Ständen loszureißen und ganz zu dem dritten herüberzuziehen. Es waltet dabei ein ausgesprochener Gegensatz gegen die früheren Generalstände vor, welche doch nur immer partikulare Interessen verfochten, die Willkür gefördert und niemals etwas gedeihliches ausgerichtet hätten. Um diesen Zuständen ihre theoretische Grundlage zu nehmen, ging man auf die Gleichberechtigung der Menschen überhaupt zurück. Der Gedanke der Constitution ist insofern sehr monarchisch, als alle Corporationen und untergeordnete Gewalten verhindert werden sollen, dem König zu widerstreben, der doch nur dahin trachte, sein Volk glücklich zu machen. Das Königthum wird als seinem Wesen nach mit der Nation verbunden erachtet.

Wenn nun aber das Königthum, wie es bestand, doch auch der alten Ordnung der Dinge angehörte; wenn diese um den Thron her in voller Wirksamkeit war, die beiden höheren Stände sich offenbar mit der Vernichtung ihrer poli

et que nous sommes chargés de la maintenir en opposant des obstacles invincibles au pouvoir arbitraire.

tischen Rechte bedroht sahen, wie wäre es denkbar gewesen, daß sie nicht den constitutionellen Tendenzen, wie sie sich nunmehr ankündigten, Widerstand zu leisten und die Krone dazu fortzureißen versucht hätten? Besonders in der Armee berührten sich diese Gegensäße. Bei den Berathungen, die der Declaration vom 23. Juni vorangingen, hatte man auch das Verhältniß des Königs zur Armee in Betracht gezogen. Ludwig XVI. hatte Anstoß daran genommen, daß er den Generalständen gegenüber die bisherigen Vorrechte des Adels in der Armee aufheben sollte, nicht als ob er an diesen hätte festhalten wollen, wofür selbst die hartnäckigsten Verfechter der bisherigen Zustände nicht waren, sondern weil er die Armee als unmittelbar dem Königthum angehörig betrachtete, und ihre Verfassung mit den ständischen Deliberationen in Verbindung zu bringen Bedenken trug. Indem Alles erschüttert wurde und der dritte Stand die Civil-Gewalt sich zu unterwerfen oder anzueignen den Anlauf nahm, gab es hier noch ein Element, das von den Einflüssen desselben frei blieb. Wenn nun der Hof für rathsam hielt, Truppen in der Nähe von Versailles und Paris zusammenzuziehen, so lag darin an und für sich ein Gegensaß gegen die Intentionen der Versammlung; es war eine von ihr unabhängige, der alten Ordnung der Dinge angehörige Macht, die sich um den König concentrirte. Am Hofe bemerkte man, daß es bei den stets anwachsenden unruhigen Bewegungen der Hauptstadt eine Nothwendigkeit werde, eine bewaffnete Macht zu besigen, welche dieselben zu reprimieren im Stande sei: man zog Truppen heran. Ob und welche weitere Pläne hiebei obwalteten, ist nicht mit Sicherheit abzunehmen; zunächst könnte es nur eine Veränderung des Ministeriums gewesen sein. Namentlich sollte Necker, dem man

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