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jandschaft und eine neue griechische Kirche beschränkt, welche der russische Hof in Galata bauen wollte.

X.

Vertrag von Kutschuk - Kainardji.

1774.

Art. VII. Die hohe Pforte verspricht fortdauernd die christliche Religion zu schüßen; und sie erlaubt auch den Ministern des kaiserl. russisch. Hofes bei allen Gelegenheiten Vorstellungen zu machen sowohl zu Gunsten der neuen Kirche in Conftantinopel, von der in Art. XIV die Rede sein wird, als derer welche sie bedienen, indem sie verspricht dieselben in Erwägung zu ziehen, als die einer Vertrauensperson einer innig befreundeten Nachbarmacht.

Art. VIII. Den Unterthanen des russischen Reiches, Geistlichen wie Laien, joll es frei und erlaubt sein, die h. Stadt Jerusalem und die übrigen der Verehrung würdigen Orte zu besuchen. Es wird von diesen Pilgern und Reisenden von niemand, weder zu Jerusalem, noch sonst wo, noch auf der Reise Haretsch, Steuer, Zoll oder andere Abgabe gefordert werden; sie werden mit Pässen und Firmanen versehen werden, der Art wie man sie den Unterthanen anderer befreundeten Mächte giebt. Während ihres Aufenthaltes im türkischen Reich, soll ihnen nicht Leid oder Ungemach zugefügt werden, sondern im Gegentheil sollen sie unter dem strengsten Schuß der Geseze stehen.

Art. XIV. Nach dem Vorgang anderer Mächte erlaubt man dem hohen russischen Hof, außer der Kapelle im Hause des Ministers, in dem Quartier Galata in der Straße genannt Bey-Oglu eine öffentliche Kirche des griechischen Ri tus zu bauen, welche immer unter dem Schuße der Minister dieses Reiches stehen und gegen jede Beeinträchtigung und Beleidigung geschüßt werden soll.

XI.

Auszug aus einer Depesche des Oberst Rose an Graf Malmesbury. Pera, den 5. Dezember 1852.

Ich habe immer den türkischen Ministern gesagt, daß meine Instructionen mir nicht erlaubten mich in die Frage einzumischen, und daß selbst, wenn sie es thäten, ich nicht gut ein Urtheil über Entscheidungen von heut geben könnte, denen andere von morgen widersprächen, indem ich nicht einmal wüßte, ob andere Gegenversprechungen im Geheimen oder ohne mein Wissen gemacht worden wären.

Andrerseits erklärte ich Fuad Effendi daß es meine Pflicht sein würde den. Sultan zu unterstüßen, wenn Sr. Majestät das Recht in Anspruch nehme, kraft seiner Unabhängigkeit und der Freiheit seines Handelns, ein gewissenhaftes Urtheil in einer Angelegenheit auszusprechen, welche er zu untersuchen und zu entscheiden berufen wäre.

Fuad Effendi hat mir nun in drei verschiedenen Unterredungen aus eignem Antrieb gesagt, daß nachdem er mit mehreren seiner Collegen die Documente und Verträge bezüglich der heiligen Stätten noch einmal durchgegangen habe, er zu der Überzeugung gelangt wäre, daß Frankreichs Anspruch auf den Schlüs sel zur großen Thür der Kirche von Bethlehem gerecht sei und daß, wenn sein Vertrag von 1740 streng nach Rechtsgrundsäßen untersucht würde, Frankreich noch verschiedene Heiligthümer mehr als die beiden fordern könnte, welche ihm durch die Note vom 9. Februar gegeben sind.

Der Groß- Vezier den ich heute jah, gab mir eine ähnliche Erklärung. Beide Sr. Hoheit und Fuad Effendi sprachen sich dahin aus, daß sie entschlossen seien, die Pforte aus der kritischen Lage zu reißen, in welche sie durch die widersprechenden Zusagen des leßten Ministeriums rücksichtlich der Frage von Jerusalem gerathen sei; daß je länger die Frage sich hinziehe, desto krititischer und verwickelter die Lage der Pforte werde und daß in diesem Sinne der Sultan beabsichtige ohne allen weitern Aufschub, die Frage der heiligen Stätten endgültig zu entscheiden, welche nach den strengsten Regeln der Gerechtigkeit und Unpartheilichkeit, aufs Genaueste erörtert und untersucht worden sei; und daß wenn eine der Parteien über die Entscheidung sich beklagen sollte, so würde die Pforte erwiedern, daß sie nach besten Kräften und nach gewissenhafter Überzeugung entschieden habe.

Man ist dem Großzvezier schuldig zu sagen, daß er mit soviel Klugheit und Consequenz gehandelt hat, als bei den schwierigen Verhältnissen möglich war, in welchen er sich befand.

XII.

Depesche des Oberst Rose an Graf Malmesbury.

Constantinopel, den 16. December 1852. Die Pforte hat ihre Entscheidung gefällt, dieselbe wie die ven 20. Januar v. J. was die heiligen Stätten betrifft, und sie den Vertretern Frankreichs und Rußlands mitgetheilt. Beiliegend Herrn Stephan Pijanis Bericht über den Gegenstand.

Um Ew. Lordschaft eine richtige Anschauung von dieser Entscheidung und den Gründen, auf welche die Pforte sich stüßt, zu geben, lasse ich eine kurze Recapitulation der darauf bezüglichen Umstände folgen.

Im Jahre 1850 richtete General Aurick zuerst eine Nete an die Pforte, worin er die Erfüllung der Forderung Frankreichs hinsichtlich der Heiligthümer kraft Vertrages verlangte.

Im Jahre 1851 ernannte die Pforte eine gemischte Commission, bestehend aus französischen und griechischtürkischen Mitgliedern, unter dem Vorsiß Emir Effendis, um die französischen Ansprüche zu prüfen.

Diese Commission zeigte zu viel Hinneigung zu Frankreich, indem sie,,den Vertrag des Kalifen Omar“, die Grundlage der griechischen Ansprüche auf die Heiligthümer, als Beweisstück verwarf. Sie hatte mehrere Sigungen gehalten, als der Brief des Kaisers von Rußland ankam und ihre Auflösung bewirkte.

Die Pforte ernannte darauf, gegen den Wunsch Frankreichs, eine ausschließlich türkische Untersuchungs- Commission. Diese Commission gab, nachdem sie ,,den Vertrag des Kalifen Omar", die beiden französischen Verträge und alle auf die heiligen Stätten bezüglichen Firmane und Documente geprüft hatte, ihr Urtheil über dieselben ab, auf welches sich die Entscheidung der Pforte vom 25. Januar gründet, die als ,,billig" bezeichnet ist durch das werthvolle Zeugniß von Ihrer Majestät Ambassadeur, wie sich aus Sr. Ercellenz Depesche vom 18. Februar d. I. ergiebt. Die jetzt von der Pforte gefällte Entscheidung ist dieselbe.

Hr. v. Titoff, die Abänderung des status quo mißbilligend, welche aus der Entscheidung vom 25. Januar v. J. und der Note der Pforte an den französischen Gesandten vom 9. Februar sich ergiebt, säumte nicht mit Versuchen, den

status quo wieder herzustellen, indem er die Pforte überredete, den Griechen den vielbesprochenen Firman zu verleihen. So sehr war Hr. v. Titoff bei der Abfaffung desselben betheiligt, daß ihm wie Hr. Pijani mir mittheilt, Aali Pascha zugestand, alle Änderungen in dem Entwurfe vorzunehmen, die er für nöthig hielte.

Die Beschwerden der russischen Gesandschaft hier gegen die Pforte in der Jerusalem-Frage sind zwei, eine ostensible und eine sehr unklare.

Die erste ist, daß der Firman für die Griechen noch nicht zu Jerusalem im versammelten Rath und in Gegenwart der Patriarchen und der Geistlichkeit der griechischen Kirche vorgelesen ist. Die zweite bezieht sich auf die Aushändigung des Schlüffels zur großen Thür der Kirche von Bethlehem an die Lateiner.

Was die erste Beschwerde betrifft, so hat die Pforte befohlen daß der Firman in Gegenwart des Pascha, Mufti, Cadi und des griechischen Patriarchen son Jerusalem verlesen und dann registrirt werden soll. Damit hat die Pforte ein großes Zugeständniß an Rußland gemacht und dem französischen Ambassadeur stark beleidigt, welcher darauf bestanden hatte, daß der Firman überhaupt gar nicht verlesen sondern nur registrirt werden sollte. Inzwischen versichert mich Fuad Effendi, daß Hr. v. Lavalette im versöhulichen Sinne zu der Vorlesung der Firmans wie sie stattfinden soll, ein Auge zudrücken und daraus keinen Gegenstand des Streits mit der Pforte machen will.

Der Firman soll verlesen werden, obwohl der Firman selbst nur vorschreibt daß er registrirt werden muß: indem die Registrirung alles ist was zu seiner Legalisation noth thut. Unter diesen Verhältnissen war die Entscheidung der Pforte, daß der Firman verlesen werden sollte, mehr als von Rechtswegen von ihr verlangt werden konnte.

Was den zweiten Grund der russischen Beschwerde betrifft, den Schlüffel zur großen Thür der Kirche von Bethlehem, so ist dieser so unmotivirt und unbestimmt, daß weder die Pforte noch irgend ein Gesandter hier denselben verstehen.

Die Note der Pforte vom 9. Februar und selbst der Firman seht fest, daß die Lateiner drei Schlüffel haben sollen, zwei für die Thüre zur Kirche, von denen die eine die große Thür ist, und einen Schlüssel zur Grotte. Es ist klar, daß der russische Gesandte wußte, daß der Firman seinem wahren Sinn nach den fraglichen Schlüssel den Lateinern verlieh, da er später einen VizirialBrief an Arif Effendi zu erlangen wußte, worin dieser angewiesen wird, alles mögliche zu thun, um den Schlüssel den Lateinern vorzuenthalten, und wenn ihm dies nicht gelänge, sich nach Constantinopel zu wenden. Demnach, da die Note vom 9. Februar an den französischen Gesandten und der vom russischen Gesandten durchgesezte und veränderte Firman, den Schlüssel zur großen Thür der Kirche von Bethlehem den Lateinern verleiht, hat die Pforte weise und recht daran gethan diese Verleihung zu bestätigen.

XIII.

Depesche Sir G. H. Seymours an Graf Malmesbury.

St. Petersburg, 31. Dezember 1852.

Ich habe eine Unterredung mit dem Kanzler gehabt, die ich mit der Bemerkung begann, daß ich nicht anders könnte als große Besorgniß über die Fortdauer der Streitigkeiten zu hegen, betreffend die Rechte der griechischen und

lateinischen Kirche in der Türkei. „Und Sie haben sehr Recht, erwiederte Graf Neffelrode, darüber beunruhigt zu sein, denn ich kann Ihnen nicht verhehlen, daß dieß eine sehr üble Angelegenheit ist." Seine Excellenz sagte weiter, daß die Lage der russischen Regierung einfach diese sei: Nach zwei Jahren mühseliger Verhandlung wäre ein Arrangement zu Stande gekommen, für alle Parteien billig, und durch welches den Lateinern einige Zugeständnisse gemacht worden seien; dieses Arrangement wäre nicht nur durch einen im vergangenen Februar erlassenen Firman, sondern durch einen offiziellen Brief des Sultans an den Kaiser notificirt worden; plötzlich wäre die Angelegenheit durch den französischen Ambassadeur wieder verwirrt worden, der durch Drohungen mit Gewaltmaßregeln die Vorlesung des Firmans verhindert hätte; dies wäre ein Stand der Dinge, den Se. Kaiserliche Majestät nicht dulden könnte, um so weniger als sowohl die Interessen der Pforte wie die Rußlands dabei benachtheiligt würden, denn der Sultan habe ein sehr bestimmtes Interesse, auf die Gefühle der großen Massen von Unterthanen Acht zu haben, welche zur griechischen Kirche sich bekennen, während er nichts dabei gewinnen könnte, den Wünschen einer gelegentlichen römisch-katholischen Touristen zu willfahren.

Ich bat Se. Excellenz überzeugt zu sein, daß Ihrer Majestät Regierung kein weiteres Interesse an der Frage habe, als das, Mißverständnissen zwischen zwei befreundeten Mächten und Verlegungen eines alten Alliirten vorzubeugen, da sie selbst bei den fraglichen Gegenständen durchaus nicht betheiligt sei.

Als ich später bemerkte, daß ich es für sehr wünschenswerth hielte, daß die Frage im versöhnlichsten Geiste behandelt und die peinliche Lage der Pforte nicht noch durch Differenzen erschwert werden möchte, welche wie Graf Neffelrode erklärte, aus dem Verhalten des französischen Ambassadeurs erwachsen wären, erwiederte Se. Excellenz, daß er in der That nicht sähe, welcher Mittelweg eingeschlagen werden könnte, aber bereit wäre, sich bei der Prüfung der Angelegenheit von solchen versönlichen Gefühlen leiten zu lassen.

Ich las dem Grafen Neffelrode Ew. Lordschaft Depesche an Oberst Rose vom 14ten d. M. vor, die ihn durch die unpartheiliche Gesinnung befriedigte, welche in dieser Angelegenheit von Ihrer Majestät Regierung an den Tag gelegt sei.

XIV.

Depesche des Lord Cowley an Lord John Russell.

Paris, 6. Januar 1853.

Hr. Drouin de l'Huys hat bereits Hrn. v. Kisseleff seinen Wunsch ausgesprochen, die Frage der heiligen Stätten zu Jerusalem in einer Weise erledigt zu sehen, die für beide Regierungen befriedigend und ehrenvoll wäre. Die französische Regierung hat, wie er sagt, durchaus nicht den Wunsch, auf dem strengsten Rechte zu bestehen; und wenn die russische Regierung ihr in demselben versöhnlichen Sinne begegnen will, so sieht er keinen Grund, warum die Angelegenheit nicht freundschaftlich zwischen ihnen beigelegt werden könnte.

XV.

Auszug einer Depesche Sir G. H. Seymours an Lord John Russell.
St. Petersburg, 8. Januar 1853.

so bin ich in der Lage, Ew. Lordschaft in wenigen Zeilen den Inhalt einer langen Unterredung mitzutheilen, welche ich diesen Nachmittag mit dem Kanzler über die Rüstungen Rußlands hatte.

Über die Ausdehnung dieser Rüstungen war Se. Excellenz nicht im Stande, mit Sicherheit zu sprechen; er glaubt, daß Marschordres allein dem 5ten Corps gegeben sind, und weiß nicht, daß das 4te Corps Befehle erhalten hat, sich bereit zu halten.

Graf Neffelrode behandelt die Befürchtungen als übertrieben, von denen ich eben sagte, daß sie wahrscheinlich in der Türkei und sonst sich an das Erscheinen einer russischen Armee an den Grenzen der Besißungen des Sultans knüpfen würden. Die Natur dieser Befürchtungen war ausführlich in einer Art Memorandum dargelegt, welches ich in Eile aufgesezt hatte und dem Kanzler vorlas. Mehrere der Ausdrücke dieses Schriftstücks, wovon ich Ew. Lordschaft natürlich eine Abschrift übersenden werde, hielt Graf Neffelrode für zu stark für die Veranlassung. Se. Excellenz ging auf lange Ausführungen und Erklärungen ein, um zu beweisen, daß der Kaiser den Fall der Türkei nicht wünsche, und unter kritischen Verhältnissen der Pforte solche Dienste geleistet habe, daß allein dadurch eine derartige Catastrophe hätte abgewendet werden können.

Was die gegenwärtige Krisis betraf, so sprach Se. Excellenz die Hoffnung und den Glauben aus, daß sie durch Verhandlung zum Austrag gebracht werden würde, bemerkte aber, daß es nothwendig wäre, daß die Diplomatie Rußlands durch eine Demonstration der bewaffneten Macht unterstüßt würde. Es würde verlangt werden, daß die Pforte streng ihre Verpflichtungen gegen die griechische Kirche und den Kaiser erfülle; ferner würde gefordert werden, daß den Griechen eine entsprechende Entschädigung für jedes der lateinischen Kirche gewährte Zugeständniß (ich glaube, Se. Excellenz sagte, auf Kosten der Religionsgenossen des Kaisers) gegeben werde. Endlich sprach Se. Excellenz die feste Überzeugung aus, daß diese beunruhigende Frage zu einem befriedigenden Abschluß gebracht werden würde, wenn von Seiten Ihrer Majestät Gouvernement zu Paris und Constantinopel ernste Bemühungen darauf gerichtet würden, die Rechte zu vertheidigen, welche die russische Regierung zu fordern befugt ist, und den unberechtigten Ansprüchen des französischen Cabinets entgegen zu treten. 2c. 2c.

XVI.

Depesche des Grafen Nesselrode an Baron Brunnow.

(Lord John Russell von Baron Brunnow mitgetheilt, 24. Januar.)

St. Petersburg, den 14. Januar 1853.

Ich benutze den Courier, welchen ich heute an Ew. Excellenz abgehen lasse, um Ihnen den Empfang Ihrer Sendung vom 17. (29.) Dezember anzuzeigen, und Sie des lebhaften Intereffes zu versichern, mit welchem wir dieselbe gelesen haben. Der Kaiser ist besonders mit den ersten Erklärungen befriedigt gewesen, welche sie mit dem Führer der neuen britischen Regierung ausgetauscht haben, und mit Ihren Bemühungen, um bei ihm wie bei Lord John Russell, mit dem wir fünftig näher zu verhandeln haben werden, die Punkte ins rechte Licht zu sehen, welche zuvörderst die Gegenstände unserer Beziehungen mit dem neuen Ministerium bilden werden. Unter denen, welche Sie berührt haben, haben wir besonders das bemerkt, was unsere gegenwärtige Lage in der Türkei betrifft und wie Sie Lord Aberdeen und Lord John Ruffell Aufschluß über den wahren Charakter der gewichtigen Frage der heiligen Stätten gegeben haben. Sie hatten diesen Gegenstand bereits mit Lord Malmesbury aufgenommen, eben als dieser die Geschäfte verließ, und Ihre Anstrengungen, um ihm denselben von der

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