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LXX.

Offizielle Note der Pforte an den Fürsten Menschikoff.

Bujukdere, den 7. Schabon 1269 (15. Mai 1853).

Die hohe Pforte hat die lehte Note Sr. Durchlaucht des Fürsten Menschikoff zur Einsicht genommen. Wie Fürst Menschikoff bereits persönlich und unmittelbar in Kenntniß gesezt worden, ist es wegen des im Ministerium eingetretenen Wechsels unmöglich, eine so peinliche Frage, wie die der religiösen Privilegien zu beantworten, bevor man sie nicht erschöpfend erwogen hat. Wie aber die Aufrechthaltung der freundschaftlichen Beziehungen mit dem erlauchten Hofe von Rußland der Gegenstand der höchsten Vorsorge Sr. Majestät des Sultans ist, so folgt daraus, daß die hohe Pforte aufrichtig eine Art von Bürgschaft ausfindig zu machen wünscht, welche beide Parteien zufriedenstellen könnte. Indem ich Sr. Durchlaucht den Fürsten Menschikoff benachrichtige, daß hiezu ein Zeitraum von 5 bis 6 Tagen erforderlich ist, und daß man sich bemühen wird diese Frage wo möglich noch früher zu erledigen, ergreife ich die Gelegenheit 2c.

LXXI.

Note des Fürsten Menschikoff an die Pforte.

Bujukdere, 6. (18.) Mai 1853.

Der Unterzeichnete, außerordentlicher Botschafter Sr. Maj. des Kaisers aller Reußen, hat die Ehre gehabt die Notification der hohen Pforte vom 3. (15.) Mai zu empfangen. Dieselbe ist weit entfernt denjenigen Hoffnnngen zu entsprechen, zu welchen ihn der wohlwollende Empfang und die huldreichen Worte Sr. Maj. des Sultans berechtigt hatten.

In Antwort auf unsere hintereinanderfolgenden Noten, welche der Unterzeichnete dem osmanischen Kabinet zuzustellen die Ehre gehabt hat und welche, unterstüßt durch seine, den Ministern der hohen Pforte gegebenen mündlichen Erklärungen, keinen Zweifel über die nneigennützigen Absichten seines erhabenen Gebieters bestehen lassen konnten, hat er nichts erhalten als ausweichende und illusorische Versicherungen.

Die beiden Fermans, welche bestimmt sein sollen, die Debatte über die heiligen Örter Jerusalems zu schließen, können Angesichts der Präcedenzfälle nicht die Bürgschaften bieten, welche der Kaiser wünscht. Das vereinzelte Versprechen, auf unsere Unterthanen die Privilegien auszudehnen, deren zu Jerusalem die Pilger und die Anstalten der anderen Nationen sich erfreuen, bekräftigt lediglich ein unanfechtbares Recht, dessen Ausübung allein die allerhöchste Sanction in Anspruch nahm.

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Die hohe Pforte hat, indem sie mißtrauisch die Wünsche des Kaisers zu Gunsten des orthodoren griechisch russischen Cultus zurückwies, die einem erhabenen und alten Bundesgenossen gebührenden Rücksichten außer Augen gesezt. Sie hat damit nur die Zahl derjenigen Beschwerdepunkte vermehrt, deren Abstellung der Unterzeichnete zu verlangen beauftragt war, und sie hat dadurch die ernstlichsten Befürchtungen der kaiserlichen Regierung für die Aufrechthaltung der alten Rechte der morgenländischen Kirche lediglich gerechtfertigt. Die Identität des Cultus, das uralte eben so sehr durch die Fürsorge und die wechselseiti= gen Intereffen der beiden Länder wie durch ihre geographische Lage befestigte Band werden auf diese Weise, anstatt Unterpfänder einer dauerhaften Freundschaft zu sein, durch einen beklagenswerthen Irrthum in dem Gedanken der otto

manischen Regierung die fortwährende Ursache einer für Rußland verleßenden Haltung.

Seine Durchlaucht der Minister der auswärtigen Angelegenheiten hat sich noch einmal bei dem Unterzeichneten zum Organ von Vorschlägen gemacht, welche unter den daran geknüpften Vorbehalten anzunehmen um so weniger in seiner Macht liegt, als sie nur eine Wiederholung derjenigen bilden, die er schon vorher hat verwerfen müssen, und als der Plan, die sie enthaltenden öffentlichen Urkunden in der Form zu trennen und abzustufen, augenscheinlich den Gedanken einschließen würde, obligatorisch nur diejenigen zu machen, welche die Errichtung eines russischen Hospizes zu Jerusalem betrifft. Da S. D. Reschid Pascha zu verstehen gegeben hat, daß eine Antwortnote auf Grundlage eben dieser Vorschläge noch erst im Ministerrathe discutirt werden müsse, er auch die Bestim mungen derselben nicht hat präcisiren wollen, so erblickt der Unterzeichnete darin lediglich ein neues Verzögerungsmittel, welches seine Entschließungen in keiner Weise verhindern kann.

Da die Mittheilungen der hohen Pforte in ihrer Gesammtheit somit den Unterzeichneten von der Nußlosigkeit seiner Bemühungen, über den Gegenstand jeiner Reclamationen ein befriedigendes und der Würde seines erhabenen Gebieters entsprechendes Einverständniß herbeizuführen, überzeugt hat, so sieht er sich verpflichtet zu erklären:

daß er seine Sendung als beendigt betrachtet;

daß der kaiserliche Hof, ohne eine Verleugnung seiner Würde und ohne sich neuen Beleidigungen auszuseßen, nicht ferner eine Gesandschaft zu Constantinopel beibehalten und seine politischen Beziehungen zu der osmanischen Regierung nicht auf dem alten Fuße fortseßen kann;

daß in Folge dessen und kraft der dem Unterzeichneten ertheilten Vollmacht er Constantinopel verlaffen und das gesammte Personal der kaiserlichen Gesandschaft mit sich nehmen wird, ausgenommen den Direktor der Handelskanzlei, welcher mit den ihm adjungirten Beamten fortfahren wird die Schifffahrts- und Handelsgeschäfte wahrzunehmen, die Interessen der russischen Unterthanen zu schüßen und die Expedition der Schiffe zu besorgen; daß er es tief bedauert diesen Entschluß fassen zu müssen, daß er aber, nachdem er getreulich die Befehle des Kaisers erfüllt, der Erwägung der hohen Pforte die versöhnlichsten, billigsten und den wahren Intereffen des osmanischen Reiches am meisten entsprechenden Vorschläge unterbreitet und darauf die schmerzliche Gewißheit gewonnen hat, daß das Kabinet Sr. Maj. des Sultans nicht geneigt sei, dieselben anzunehmen und ihnen Recht widerfahren zu lassen, sich einer lesten Pflicht entledigt, indem er die Verantwortlichkeit für alle Folgen, welche daraus entstehen könnten, auf das osmanische Kabinet wälzt, welches es sich zur Aufgabe gemacht zu haben scheint, ein ernsthaftes Zerwürfniß zwischen den beiden Reichen herbeizuführen; daß die Verweigerung von Bürgschaften für deu orthodoxen griechisch-russischen Kultus fortan der kaiserlichen Regierung die Nothwendigkeit auferlegen muß, solche Garantien in ihrer eigenen Macht zu suchen; daß somit jedwede Beeinträchtigung des Status quo der morgenländischen Kirche und ihrer Integrität von dem Kaiser betrachtet werden wird als gleichbedeutend mit einer Verlegung des Geistes und des Buchstabens der bestehenden Stipulationen und als ein Akt der Feindseligkeit gegen Ruß

land, welcher Seiner Majestät die Verpflichtung auferlegen würde zu Mitteln zu greifen, welche Sie, in Ihrer steten Fürsorge für die Dauerhaftigkeit des osmanischen Reichs und in Ihrer aufrichtigen Freundschaft für Se. Maj. den Sultan und für dessen erhabenen Vater, zu vermeiden immer bestrebt gewesen sind.

Der Unterzeichnete bittet u. s. w.

LXXII.

Officielle Note Reschid Pascha's an den Fürsten Menzikoff.

Bujukdere, den 19. Mai 1853.

Die kürkische Regierung hat in den sowohl schriftlichen als mündlichen Mittheilungen Sr. Durchlaucht des Fürsten Menschikoff mit tiefem Bedauern Ausdrücke bemerkt, die auf Zweifel und Vertrauensmangel anspielen, welche die hohe Pforte bezüglich der guten Absichten Sr. Majestät des Kaisers von Rußland voraussetzlich hegen soll. Da nun die Sicherheit und das Zutrauen, welches Se. Hoheit der Sultan in Se. Majestät den Kaiser, seinen erlauchten Berbündeten und Nachbarn, seßt, unbegrenzt ist, und da die ausgezeichneten Eigenschaften Sr. Maj. des Kaisers einen durch die Erfahrung so sehr gerechtfertigten Grad erreicht haben, daß es Gebrauch geworden ist, ihnen laute Würdigung wiederfahren zu laffen, so halte ich es für Ehrensache zu erklären, wie es die theuerste Hoffnung meines Herrn des Sultans ist, bei jedem Anlaffe die freundschaftlichen Beziehungen zu stärken und zu befestigen, welche glücklicherweise zwischen den beiden erlauchten Höfen bestehen.

Bezüglich der religiösen Privilegien der Mönche der griechischen Kirche ist es die Regierung der Pforte ihrer eigenen Ehre schuldig, ihnen immer Achtung zu verschaffen und sie gegen jeden Angriff in der Gegenwart und Zukunft in dem Besitze der religiösen Privilegien zu erhalten, welche von den erlauchten Vorfahren Sr. Majestät verliehen und vom Sultan bestätigt und fortgesetzt worden sind; was nun die geistlichen, wie immer gearteten Privilegien anbelangt, die noch weiters seinen andern christlichen Unterthanen verliehen werden können, so ergibt es sich nothwendig aus den fürsorgenden Gesinnungen der hohen Pforte für ihre Unterthanen, daß sie die griechischen Mönche zu denselben Immunitäten zulassen wird. Demnach hat die Regierung mit lebhaftem Bedauern gesehen, daß man Zweifel über diesen unwandelbaren Wunsch der Pforte hegen konnte. Da jedoch der kaiserliche, eben dem griechischen Patriarchen octroyirte Ferman, welcher die Bestätigung seiner religiösen Principien enthält, als ein neuer Beweis dieser edlen Gesinnung angesehen werden muß, da ferner die Proclamirung dieses Fermans, der an sich selbst eine umfassende Garantie ist, für immer jede Befürchtung bezüglich der Religionsgebräuche Sr. Majestät des Kaisers beseitigen muß, so schäße ich mich glücklich, Anlaß zur gegenwärtigen Notification an Sie zu haben.

Bezüglich der Zusicherung, daß künftighin keine Veränderung hinsichtlich der Wallfahrtsorte zu Jerusalem vorgenommen werden soll, verheißt die hohe Pforte in officieller Weise, keinerlei Veränderung vorzunehmen, ohne die Regierungen Frankreichs und Rußlands davon in Kenntniß zu sehen. Eine officielle Note ist zu diesem Behufe der französischen Gesandtschaft übermittelt worden.

Da Se. Majestät geruht hat, die Errichtung einer Kirche und eines Spitals in Jerusalem für die Ruffen zu gestatten, so ist die Regierung der hohen. Pforte geneigt und entschlossen, nach rechtserforderlicher Conferenz einen solen

nen Akt sowohl für diesen Gegenstand als bezüglich der besonderen Privilegien des russischen Clerus zu unterzeichnen.

Ich habe den Befehl von Sr. Hoheit erhalten, Sie von dieser Entscheidung in Kenntniß zu sehen.

Ich ergreife diesen Anlaß zur Erneuerung 2c.

LXXIII.

Note des Fürsten Menschikoff an Reschid Pascha.

Bujukdere, 21. Mai 1853.

Im Begriff, Constantinopel zu verlassen, erfährt der unterzeichnete außerordentliche Gesandte des Kaisers aller Reuffen, daß die hohe Pforte die Absicht kund gegeben hat, eine Bürgschaft für die Ausübung der geistlichen Rechte zu proklamiren, in deren Besiß sich der Clerus der morgenländischen Kirche befindet. Dadurch würde die Aufrechthaltung der übrigen Privilegien, deren sich der erwähnte Clerus erfreut, geradezu in Frage gestellt werden. Was auch immer der Beweggrund dieses Entschluffes der Pforte sein mag, der Unterzeichnete sieht sich genöthigt, Se. Excellenz den Minister des Auswärtigen davon in Kenntniß zu sehen, daß eine Erklärung oder irgend ein anderer Akt, welcher, während er die rein geistlichen Rechte der orthodoren morgenländischen Kirche aufrecht erhält, die übrigen der orthodoren Kirche in ihrer Geistlichkeit von den fernsten Zeiten her gewährten Rechte, Privilegien und Immunitäten zu entkräften geeignet wäre, von dem kaiserlichen Cabinet als eine gegen Rußland und die russische Religion feindselige Handlung betrachtet werden würde.

LXXIV.

Note der Gesandten der Großmächte an Reschid Pascha.

Pera, 21. Mai 1853.

Die Bevollmächtigten Englands, Frankreichs, Preußens und Oesterreichs, auf den Wunsch Sr. Excellenz Reschid Pascha's, ihre Ansichten über den Entwurf einer vom Fürsten Menschikoff auf Privatwege vermittelten Note im Entwurf kennen zu lernen, erklären hiemit: daß in einer Frage, welche die freien Entschlüsse und die Souveränetät Sr. Majestät des Sultans so nahe berührt, Se. Excellenz Reschid Pascha am besten beurtheilen wird, welche Schritte er zu thun habe, und daß sie sich unter gegenwärtigen Umständen nicht befugt halten eine Ansicht dieser Beziehung auszusprechen.

LXXV.

Note Reschid Paschas an die Gesandten der Großmächte.

Constantinopel, 12. Safer (26. Mai) 1853.

,,Die heilige Stättenfrage, welche einen der Hauptzwecke der Sendung des Fürsten Menschikoff, außerordentlichen Gesandten Rußlands ausmachte, war zur Zufriedenheit aller Partheien gelöst worden, als S. H. in Bezug auf den griechischen Kultus und die griechische Geistlichkeit mit Ansprüchen einer ganz anderen Art hervortrat. Es ist Ehrensache der hohen Pforte, unverlegt zu erhalten, sowohl in der Gegenwart wie in der Zukunft, die religiösen Freiheiten, so wie die Rechte und Privilegien, die durch die früheren Sultane und durch Se. Maj. den regierenden Sultan der Geistlichkeit, den Kirchen und den Klöstern derjenigen seiner Unterthanen bewilligt worden sind, welche die griechische Religion bekennen, wie man auch niemals daran gedacht hat, dieselben im geringsten zu be

schränken, so hat man ebensowenig jemals die wohlwollenden und loyalen Abfichten Sr. Maj. des Kaisers von Rußland gegen die hohe Pforte in Zweifel gezogen.

Aber mit einer fremden Regierung vermittelst eines ,,Sened" (Vertrages) unter Form einer Konvention, durch Note oder Deklaration, was dieselbe Kraft und Geltung hat, die Rechte, Privilegien und Freiheiten zu Gunsten einer zahlreichen der Pforte unterworfenen Glaubensgemeinschaft festseßen wollen, auch selbst wenn es sich nur um die Religion, den Kultus und die Kirche handelte: das greift in die Rechte der Unabhängigkeit und die gouvernementalen Grundlagen derjenigen Macht, die eine Verpflichtung eingeht, und ist keineswegs mit einigen durch alte Verträge gemachten Konzessionen zu vergleichen.

Die Thatsachen sind dem Fürsten Menschikoff mit aller Freimüthigkeit und Loyalität auseinandergefeßt worden, und ferner hat man sich durchaus geneigt gezeigt, die geeignetsten Versicherungen zu geben, um alle Besorgnisse zu zerstreuen, die man in Bezug auf die Freiheiten des Kultus hegen möchte, zu welchem Se. Majestät der Kaiser aller Reussen sich bekennt. Leider hat dies aber zu keinem Verständniß zwischen den beiden Parteien geführt, und die h. Pforte bedauert lebhaft, daß der Fürst es hat dahin kommen lassen, seine offiziellen Beziehungen abzubrechen und seinen Posten zu verlassen.

Kein feindseliger Gedanke gegen den erhabenen Hof Rußlands befeelt die hohe Pforte, ihr innigster Wunsch im Gegentheil ist, noch enger als bisher durch die Aufnahme des offiziellen Verkehrs die ihr so theuren Freundschaftsbande zu knüpfen. Auch hofft sie, daß Se. Majestät der Kaiser, deffen Gerechtigkeitssinn bekannt ist, nicht ohne Motiv den Weg der Feindseligkeiten wird betreten wollen, und daß die konservativen Prinzipien Sr. Maj., von denen der Erdkreis Zenge ist, ihn nicht Schritte thun laffen werden, die mit den von ihm den erhabenen Höfen Europas gegebenen positiven Erklärungen in Widerspruch stehen.

Aber da die Thatsache vorliegt, daß der Fürst Menschikoff den Verkehr abgebrochen und seinen Posten verlassen hat, und da inzwischen die hohe Pforte keine Versicherung von einem Nichtstattfinden des Krieges erhalten hat, während man im Gegentheil ungeheuere kriegerische Rüstungen zu Wasser und zu Lande sieht, die Rußland auf allen Grenzen des türkischen Reiches macht: so sieht sich die hohe Pforte, ohne jedoch eine feindselige Absicht zu haben, genöthigt, aus Vorsicht und Klugheit, ebenfalls auf gewisse Vorbereitungen zu denken, und es ist beschloffen worden, daß von diesem Tage an militärische und Vertheidigungsmaßregeln getroffen werden sollen.

Die hohe Pforte hofft, daß in dieser Beziehung die hohen Höfe als Mitunterzeichner des Vertrages von 1841 ihr Recht geben werden.

LXXVI.

Depesche Lord Stratford de Redcliffe's an Graf Clarendon.

Constantinopel, 22. Mai 1853.

Man kann schwerlich die Bedeutung der Abreise des Fürsten Menschikoff hoch genug anschlagen, wenn man sie in Verbindung mit den Umständen bringt, die diesem Ereigniß vorausgegangen und es begleitet haben. Die unmittelbare Gefahr, welche es für den Frieden der Türkei in sich schließt, sowohl nach Innen wie nach Außen, ist vielleicht der geringste Theil des zu fürchtenden Übels. Es bedarf nur einer weitern Fortdauer der Tendenz, welcher in den neuerlichen Verhandlungen russischerseits offenbart worden ist, um die Eristenz selbst des otto

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