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1853.

Dez. 12. u. 13.

sein müßte, daß ihre Operationen nicht der Art wären, die Hoff-
nungen auf das baldige Zustandekommen eines friedlichen Arrange-
ments zu zerstören; die Pforte aber müsse ihrerseits auf diese In-
tentionen der Schußmächte Rücksicht nehmen, die nicht geneigt sein
könnten, sich ohne Weiteres durch die einseitig vorgenommenen
Maßregeln der Pforte in den Krieg fortreißen zu lassen.

Reschid Pascha wird von Lord Stratford einem friedlichen Arrange-
ment geneigt gemacht.

Conferenzen der vier Gesandten in Constantinopel. Die vier Ge- Attenstück
sandten vereinigen sich über den Entwurf einer gleichlautenden Mit-Nr. 159,
theilung an die Pforte nach den von der engl. und franz. Regierung
ihren Gesandten unter dem 28. 29. Novbr. mitgetheilten Grund-
zügen. Reschid Pascha giebt denselben bereits vertraulich seine Zu-
stimmung.

13. Die französ. Regierung sieht in dem Ereigniß von Sinope einen Nr. 157.
Schlag, der nicht allein habe die Türkei treffen sollen. Admiral
Hamelin solle sofort die Bewegungen seines Geschwaders der Art
einrichten, daß die Wiederkehr eines solchen Ereignisses verhindert
und der moralische Eindruck desselben verwischt wird. Die Flotte
soll ins schwarze Meer unverzüglich einlaufen.

15. Die franz. Regierung fordert die engl. zu gemeinsamen neuen Maß- Nr. 158.
nahmen in Folge des Ereignisses von Sinope auf. Man habe sich
nach den russischen Erklärungen eines solchen Ereignisses nicht ver-
sehen dürfen; um die Wiederkehr desselben zu verhüten, sollten die
Admirale dem Commandanten von Sebastopol erklären, daß jedes
ruff. Kriegsfahrzeug nach den ruff. Häfen zurückzufahren genöthigt
werden und jeder Angriff auf türk. Gebiet oder Truppen mit Ge-
walt zurückgewiesen werden würde. Europa müsse energisch gegen
Rußland auftreten.

15. Die vier Gesandten in Constantinopel stellen Reschid Pascha ihren Nr. 159.

vereinbarten Plan zu.

16. Die Aktenstücke des 5. Dezember treffen in Constantinopel ein; die
Gesandten beschließen, um ihr begonnenes Werk nicht zu stören,
diese Aktenstücke nicht Reschid Pascha mitzutheilen.

18. Der große Rath der Pforte beschließt, daß Friedensunterhandlungen
eröffnet werden sollen auf der Grundlage der von den Gesandten
proponirten Bedingungen.

20.-23. In Folge des friedlichen Beschlusses des Raths erhebt sich eine revo-
lutionäre Bewegung der Softas. Lord Stratford verlangt vom
Sultan entschiedenes Auftreten gegen dieselben. Der Sultan er-
klärt, daß er die Beschlüsse des Raths gutheiße und befiehlt, daß
die nöthigen kräftigen Maßregeln zur Herstellung der Ruhe und
Ordnung getroffen werden sollen.

20. Die engl. Regierung billigt das Einlaufen der Flotten ins schwarze
Meer, da allein durch vollständige Beherrschung des schwarzen
Meeres die Politik der Westmächte sichern Erfolg verspreche; im
Übrigen hält sie die früher gegebenen Instructionen für ausreichend;
wenn die Flotten aber ins schwarze Meer einliefen, müsse die engl.

Aktenstück

Nr. 164.

Nr. 162. 163.

Nr. 165.

Nr. 166.

Nr. 167.

1853.

Regierung verlangen, daß die Türken für sich keine Seeoperationen ohne Bewilligung der engl.-franz. Admirale vornähmen.

Dec. 22. Die engl. Regierung entschließt sich auf die Aufforderung der franz. Regierung vom 15., um die Gemeinsamkeit der Action beider Mächte zu sichern, Instructionen der Art, wie sie die franz. Regierung vorschlägt, dem Gesandten in Constantinopel und dem Admiral der Flotte zugehen zu lassen; sie verlangt aber dagegen die gemeinsame Forderung an die Türkei, daß diese nunmehr, wo die westmächtl. Flotten in dieser Weise den Schuß der Türkei übernähmen, ohne im Krieg mit Rußland zu sein, keinen Angriff auf ruff. Gebiet oder Flagge vornehmen laffen dürfte. Zugleich soll gefordert werden, daß wenn die leßten Wiener Vorschläge von der Pforte verworfen würden, diese England und Frankreich überlasse, die Grundlagen des Friedens festzustellen, mit der Bedingung, daß von der Pforte nichts gefordert wird, was sie bereits abgelehnt hat. 24. Die franz. Regierung erklärt sich mit den Vorschlägen der engl. Regierung vom 22ten einverstanden.

26. Sehr gereizte Unterhaltung des Grafen Neffelrode und des engl. Gesandten über das Ereigniß v. Sinope. Graf Neffelrode: dies sei ein Kriegsact, wie sie immer vorkommen. Die türk. Schiffe seien mit Kriegsbedarf für die Stämme bestimmt gewesen, welche an den russischen Grenzen Krieg führten. Eine Beleidigung der Westmächte sei dabei in keiner Weise beabsichtigt gewesen.

27. Die engl. Regierung theilt den Gesandten in Constantinopel und St.
Petersburg ihre gemeinsam mit der franz. Regierung gefaßten Be-
schlüsse über das Auftreten der Flotte im schwarzen Meer mit. Der
engl. Gesandte erhält Befehl, diese Beschlüsse zur Kenntniß der
russischen Regierung zu bringen.

28. Die franz. Regierung sendet eine analoge Instruction wie die engl.
Regierung an ihre Gesandten in Constantinopel; die der Pforte
aufzuerlegenden Beschränkungen ihrer freien Entschließung sind aber
nicht so bestimmt formulirt, wie in der engl. Instruction.
30. Die franz. Regierung giebt in einer Circulardepesche eine Darlegung
ihrer im Verlauf der ganzen Verhandlungen befolgten Politik.
31. Die Pforte giebt ihre Erwiderung auf die Note der Repräsentanten

der Großmächte vom 15. Dezember. Aus derselben ergebe sich, daß
Rußland friedliche Absichten hege, und sie enthalte Friedensvor-
schläge, die die Pforte annehme, da sie nicht die Rechte des Sultans
beeinträchtigten. Folgende Punkte sollen demnach als die Grund-
lagen der Verhandlung dienen: baldigste Räumung der Fürsten-
thümer, Erneuerung der Verträge, Bestätigung der religiösen Pri-
vilegien der christl. Genossenschaften durch Firmane, die zur Kennt-
niß der Mächte gebracht werden sollen; Definitis - Annahme der
Arrangements über die h. Orte. Die Verhandlungen sollen in einer
neutralen Stadt gepflogen werden: die Pforte soll in die europäische
Conföderation aufgenommen und soll der Vertrag v. 1841 bestä-
tigt und vervollständigt werden. Vierzig Tage Frist gesezt, um die
Entscheidung des ruff. Hofes einzuholen. Das Tansimat soll kräftig
und wirksam durchgeführt werden.

1854.

Jan. 4. Die vereinigte engl.-franz. Flotte läuft ins schwarze Meer ein.
Der engl. und franz. Gesandte indem sie dies zur Kenntniß Reschid
Paschas bringen, verlangen von ihm, daß ohne vorgängiges Be-
nehmen mit den Gesandten und Admiralen die türk. Flotte nicht die
Offensive ergreife. Reschid Pascha sagt dies zu.

Die österreich. Regierung macht der preuß. den Vorschlag zu einem
Neutralitäts-Bündniß. Der Antrag wird abgelehnt.

5. Die franz. Regierung legt der engl. den Entwurf zu einem Conferenz- Aftenstück
protokoll vor, bezüglich auf die mit Constantinopel zu erwartende Nr. 163.
Antwort der Pforte auf die Vorschläge der Gesandten; das Proto-
koll soll bescheinigen: Empfang der Antwort; Übereinstimmung der-
selben mit den Ansichten der Mächte, Nothwendigkeit sie als Grund-
lage des Friedens nach Petersburg zu senden.

General Fischbach hat den Auftrag, die Stellung der Türken bei
Kalafat anzugreifen und die Türken auf das rechte Donauufer hin-
überzuwerfen; die russischen Truppen cerniren Kalafat.

4. 5. General Fischbach setzt sich bei Cetate fest; erwartet noch Verstärkun-
gen um am 13 ten den Sturm auf Kalafat auszuführen.

6. Die Türken (unter Ismail und Achmet Pascha) sehen sich gegen Ce-
tate in Bewegung und greifen die dort stehenden und verschanzten
Ruffen an, Die Russen können ihre Position nicht halten und müssen
fich mit großem Verluste zurückziehen.

Die Versuche der Ruffen, Cetate in den nächsten Tagen wieder zu
nehmen, bleiben erfolglos. Die Ruffen gehen auf Slatina zurück.
7. Die franz. Regierung erläßt eine Circulardepesche an die Gesandten Nr. 169,
in Deutschland, in welcher versichert wird, daß die franz. Regierung
in Freundschaft mit Deutschland bleiben und handeln wolle und nur
die Interessen Europas im Auge habe. Hätte sie andere Gesinnun-
gen gehabt, so würde sie auf Kosten Deutschlands einen Ersaß er-
langen können, für das was sie im Orient aufgegeben haben
würde.

12. Der engl. und franz. Gesandte theilen nach den von ihren Regierungen erhaltenen Instructionen dem Grafen Neffelrode die den Befehlshabern der Flotten unter dem 27. Okt. gegebenen Ordres mit. Die engl. Instruction für den Gesandten enthält, daß auch die Türken keine Angriffe zur See würden machen dürfen; die franz. Justruktion enthält von dieser Garantie für Rußland nichts.

12. Die Antwort der Pforte vom 31. Dez. v. J. wird von Graf Buol der Conferenz in Wien mitgetheilt, von derselben geprüft und befriedigend befunden.

13. Die Conferenz unterzeichnet ein Protokoll nach dem Entwurf der frz. Regierung vom 5. Januar. Das Protokoll spricht aus, daß die Erklärung und die Bedingungen der Pforte mit den in den im Protokolle v. 5. Dez. niedergelegten Ansichten übereinstimmt, daß sie den Wünschen der resp. Regierungen entsprechen und geeignet sind, nach Petersburg gesandt zu werden, daß die Conferenz die feste Hoffnung hat, die Vorschläge in Petersburg angenommen zu sehen, da dieselben Erfolg versprechende Grundlagen der Unterhandlung

Aktenstück

Nr. 171.

Nr. 173. 174.

Nr. 182.

Nr. 189.

1854.

und beiden kriegführenden Mächten die Gelegenheit biete, sich auf würdige und ehrenvolle Weise zu nähern.

Jan. 14. Graf Buol sendet die Vorschläge der Note nebst dem Conferenzprotokolle nach Petersburg, indem er aufs dringendste mahnt, dem von den vier Mächten gebilligten Arrangement beizutreten.

14. Der engl. Regierung wird eine österr. Depesche mitgetheilt, in welcher
Graf Buol sich beklagt, daß die Westmächte von ihren Entschlüssen
in Betreff der Haltung der Flotten im schwarzen Meere nicht vor-
gängige Mittheilung gemacht hätten, da dieselbe möglicherweise die
Einheit der vier Mächte stören und den schwebenden Unterhandlun-
gen nachtheilig werden könnten. Die engl. Regierung erwidert, daß
England und Frankreich, wenn auch in der Unterhandlung mit
Österreich verbunden, doch was den Schuß der Türkei betreffe un-
abhängig handelten. Nach dem ehrverleßenden Ereigniß von Sinope
hätten die Flotten nicht länger unthätig bleiben können; über Fra-
gen ihrer Ehre könnten die Mächte aber keinen Rath von einer
andern Macht nehmen.

15. Die franz. Regierung erklärt dem Berliner (Wiener) Cabinet, daß
es nothwendig sei die practischen Consequenzen des Protocolls vom
13. Febr. zu ziehen. Wenn Rußland die unterbreiteten Vorschläge
nicht annähme, so käme es darauf an, daß die vier Mächte Ruß-
land zwängen, sich dem europäischen Rechtsspruch zu fügen.
16. Graf Neffelrode beauftragt die Gesandten in London und Paris über
die für die Flotten bestimmten Instructionen der beiden Cabinete
Erklärungen zu fordern; es käme darauf an zu constatiren, ob wirk-
lich die Flotten einen für beide Theile billigen Waffenstillstand zur
See aufrechthalten sollten, oder sie den Befehl hätten einseitig die
russische Flotte in ihren Bewegungen zu beschränken.

25. 26. Gemäß der Instruction des Grafen Neffelrøde vom 16. Jan. fordern
die Gesandten in Paris und London Erklärung. Rußland würde
ein Auftreten der Flotten nicht als feindseligen Act betrachten, das
vollkommene Gegenseitigkeit gewähre dahin 1. daß Türken ebenso-
wenig wie Ruffen angreifen dürften; 2. daß, wenn den Türken der
Verkehr zur See zwischen ihren Küsten gestattet wäre, dies auch
für die Russen gelten müßte.

26. General Schilder trifft in Krajova ein, um die oberste Leitung der
Belagerungsoperationen der russ. Armee zu übernehmen.
29. Kaiser Napoleon richtet einen Brief an Kaiser Nicolaus, um bei der

kritischen Lage der Verhältnisse den Versuch zu machen, eine gütliche
Lösung herbeizuführen. Indem der Kaiser Napoleon die Verant-
wortlichkeit für den Ernst der Situation durch eine Zusammen-
stellung der Thatsachen von sich abweist, schlägt er folgendes Ar-
rangement vor: Es soll Waffenstillstand eintreten; die Russen gehen
aus den Fürstenthümern, die Flotten aus dem schwarzen Meere.
Ein ruff. und ein türk. Bevollmächtigter sollen direct verhandeln,
und das Resultat der Conferenz den vier Mächten zur Bestätigung
unterbreitet werden.

29. Graf Orloff, Generaladjutant des Kaiser Nicolaus, trifft in Specialmission in Wien ein.

1854.

Graf Orloff in Wien, Baron Budberg in Berlin machen den Vor- Aftenstück
schlag eines zwischen Rußland, Österreich und Preußen abzuschließen- Nr. 189.
den Neutralitätsbündnisses, unter besonderer Garantie von Rußland
und unter der Verpflichtung, daß Rußland ohne Verständigung mit
den Alliirten keinen Entschluß bei den event. Vereinbarungen mit
den Westmächten fassen werde. Der Vorschlag wird in einer aus-
führlichen Depesche des Grafen Nesselrode den beiden Cabineten
dringend empfohlen.

Jan. 31. Die preuß. Regierung lehnt das vorgeschlagene Bündniß ab. Preußen Nr. 190.
habe mit den Protocollen Verpflichtungen übernommen, von denen
es sich nicht einseitig lösen könne, und werde nicht auf das gemein-
sam begonnene Werk verzichten. Die Regier. wolle sich nicht unge-
wissen Eventualitäten gegenüber die Hände binden. Die defensive
Tripelallianz sei unausgesprochen eine Hülfeleistung für Rußland.
31. Auf die Note des ruff. Gesandten vom 26. Februar erwiedert Graf Nr. 175.
Clarendon, daß die engl. Regierung ihre Instructionen v. 27. De-
cember, wie sie seien, aufrechthalte.

31. Die engl. Regierung richtet eine Depesche an ihren Gesandten in Nr. 176.
Petersburg zur Mittheilung an Graf Nesselrode, in welcher sie dem
ruff. Cabinet die alleinige Verantwortlichkeit für die drohende Lage
des Augenblicks und die trüben Aussichten der Zukunft aufbürdet.

Febr. 1. Der franz. Minister geben auf die Anfrage des ruff. Gesandten vom Nr. 177. 26ten eine analoge Antwort wie die engl.

Die franz. Regierung lehnt wie die engl. dem ruff. Cabinet gegen Nr. 184. über völlig die Verantwortlichkeit für die bedrohliche Situation ab,

welche ihr dieses zuzuschieben gesucht hat.

2. Die Conferenz erklärt, daß die (von Graf Orloff überbrachten) Gegen- \ Nr. 192.
vorschläge der russ. Regierung auf die Vorschläge vom 13. Jan. fo
wesentlich von den gemeinsam festgestellten Grundlagen abweichen,

daß sie nicht für geeignet halte, dieselben nach Constantinopel
zu senden.

Rußlands Gegenvorschläge: die endgültige Verhandlung _ist_direct Nr. 193.
zwischen rnss. und türk. Bevollmächtigten zu führen; die Gesandten
der vier Mächte könnten in nicht officieller Weise an den Unter-
handlungen sich betheiligen. Grundlagen des Friedens sollen sein:
Bestätigung der Verträge, Unterzeichnung eines besondern Proto-
colls mit Vertragskraft über die Rechte der griech. Kirche und ihre
Gleichstellung mit den andern Riten; Räumung der Fürstenthümer,
sobald das Arrangement zu Stande gekommen. Wiederherstellung
der früheren Ordnung der Dinge in den Fürstenthümern. Regelung
des Asylrechts zur Vermeidung von Differenzen zwischen den po-
litischen Flüchtlingen und Revolutionären. Da der Vertrag von
1841 für Krieg und Frieden geschloffen ist, thut eine Erneuerung
oder Vervollständigung nicht Noth. — In dem Protocoll, welches
dem Vertrag beigefügt werden soll, ist der Anspruch auf Gleich-
stellung der griech. Kirche mit den andern christlichen Genossen- nr. 194.
schaften, auch wenn sie Fremde sind, nicht bestimmt und klar auf- \
gegeben.

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Da Graf Orloff seinerseits keine Garantien für das künftige Verhal- Nr. 191.

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