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kantonale Vorbereitungscomité bis zur vollständigen Erfüllung des Vertrages im Amte" - von einer Gesellschaft könne man nicht sagen, sie bleibe „im Amte“.

Sonach habe das interkantonale Comité nicht, wie es bei der vorliegenden Klage geschehen sei, als Klägerin auftreten, als solches nicht seinem Executivausschuß Prozeßautorisation ertheilen, und dieser nicht die erlangte Vollmacht auf einen Anwalt übertragen können. Weder der Wille der Mitglieder einer Verbindung, noch die Anerkennung von Seiten anderer Personen sei im Stande, den Mangel der selbständigen Persönlichkeit und der dadurch bedingten Gerichtsstandsfähigkeit zu heben, Klägerin könne sich mithin auch nicht darauf berufen, daß sie in dem Bertrage mit der Gentralbahn von ihr als Mitpaciscentin“ anerkannt worden sei.

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Das Gutachten wirst dann die Frage auf, ob die Mitglieder des Comités nicht als Einzelne, als Mitkläger oder active Streitgenossen" flagen könnten, und verneint dieselbe aus dem Grunde, weil die einzelnen Mitglieder als solche im Gegensaz zu ihrer Eigenschaft als Vertreter der Gesellschaft, deren Organ sie bildeten, weder Interessen hätten, noch verfolgt hätten, da die Klage im Namen des interkantonalen Comités als einer Einheit angestellt worden sei, deren einzelne Mitglieder dabei in feiner Weise hervortreten.

B. Beurtheilung.

§. 4.

Praktische Consequenz der gegnerischen Theorie. Kann ein Comité aus einem von ihm abgeschlossenen Vertrage flagen? Darauf antwortet die gegnerische Theorie mit Nein, denn ein Comité ist keine juristische Person - was vollkommen richtig ist — sondern nur eine Mehrheit von physischen Personen, welche sich die Vertretung und Verfolgung der InterXVIII. N. F. VI.

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essen anderer hinter ihnen stehender Personen zur Aufgabe gestellt hat; nur leztere sind flagberechtigt, nicht das Comité, denn die Interessen, welche dasselbe mittelst der Klage verfolgen würde, sind nicht die eigenen, sondern fremde.

Versuchen wir, wohin wir mit einer solchen Theorie gelangen würden. Ich greife einen Fall aus den Erinnerungen meines eigenen akademischen Lebens heraus. Im Jahre 1837 wurden die bekannten sieben Göttinger Professoren, welche gegen Aufhebung des hannoverschen Staatsgrundgeseßes durch König Ernst August protestirt hatten, ihres Amtes enthoben und des Landes verwiesen. Dasselbe geschah im Jahre 1852 durch die dänische Regierung verschiedenen Professoren der Universität Kiel. Zur Unterstügung derselben bildete sich in beiden Fällen ein Centralcomité, welches zur Errichtung von Spezialcomités und zur Einsendung von Beiträgen aufforderte. Die eingegangenen Gelder wurden von dem Centralcomité, soweit sie den augenblicklichen Bedarf überstiegen, bei einem Banquier verzinslich angelegt. Angenommen, das Comité hätte sich genöthigt gefunden, leßteren zu verklagen, wie hätte der Richter zu erkennen. gehabt? Ich bediene mich der Worte des Renaud’schen Gutachtens: die Klage hätte von Amtswegen abgewiesen werden müssen, da Verhandlung und Urtheil auf eine solche Klage an einer unheilbaren Nichtigkeit leiden würden. Renaud, Civilprozeß (2. Aufl.) Seite 119 zu Note 22 und 23′′. Ein Comité, würde der Richter mit diesem Gelehrten gesagt haben, kann als solches keine Klage erheben, denn es ist keine juristische Person, ein Comité ist nichts als eine Collectivbezeichnung für die einzelnen Comitémitglieder was beides vollkommen richtig ist hat es einen Vertrag abgeschlossen, so hat es dies nicht für sich, sondern für seine Committenten gethan; mögen lettere selber klagen oder dem Comité Vollmacht geben, ohne diese Vollmacht ist lezteres nicht klagberechtigt.

Also alle die vielen Zeichner von Beiträgen aus allen Theilen Deutschlands hätten in jenem Fall selber Klage erheben oder erst Vollmacht ertheilen sollen, und die Beiträge aller derjenigen, welche sich dieser zeit- und kostspieligen Weitläufigkeit nicht hätten unterziehen wollen, hätte der Banquier einfach einstreichen können? Und das sollte Rechtens sein? Ein solches Urtheil würde einen Schrei der Entrüstung in ganz Deutschland hervorgerufen haben, und meines Erachtens mit vollem Recht! Dem Juristen, der dasselbe mit Berufung auf die Grundsäge der Jurisprudenz hätte vertheidigen wollen, würde das einfache natürliche Gefühl des Volkes entgegengesezt haben: wenn Eure Jurisprudenz zu so haarsträubenden Resultaten führt, so ist sie im innersten Grunde faul und verderbt, und es wird Zeit, daß derselben ein Ende gemacht, und die angebliche Wissenschaft ihrer angemaßten Autorität entsegt wird.

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Aber die Sache steht gottlob anders! Es bedarf nicht einer Aenderung der Grundsäge der Jurisprudenz, sondern nur einer richtigen Anwendung derselben Jurisprudenz stimmt in diesem Punkt mit dem natürlichen Rechtsgefühl und den Anforderungen des Lebens vollständig überein.

Es soll meine Aufgabe sein, die in diesem Prozeß von der gegnerischen Seite bestrittene Handlungs- und Gerichtsstandsfähigkeit eines Comités theoretisch zu begründen. Ueber die praktische Unentbehrlichkeit derselben werde ich nach der Exemplificirung, an dem obigen Fall kaum noch nöthig haben ein Wort hinzuzufügen. Sie bildet in der That ein unerläßliches Postulat unseres heutigen Lebens. Ohne sie würde der Gemeinsinn und die Humanität nach einer ihrer wirksamsten Seiten zur Unthätigkeit verdammt sein, und der Staat würde sich selber in unverantwortlicher Weise des mächtigsten Bundesgenossen in der Berfolgung gemeinnüßiger Zwecke berauben; und wäre es

wahr, daß das bisherige Recht daran die Schuld trüge, so würde darin für ihn der dringendste Anlaß liegen, dieser Unvollkommenheit des Rechts durch einen Akt der Geseßgebung sofortige Abhülfe zu gewähren. Er hat es, wie jezt gezeigt werden soll, nicht nöthig!

II.

Theoretische Begründung der Handlungs- und Prozeßfähigkeit eines Comités.

a) Begriffsbestimmung eines Comités.

§. 5.

Was ist ein Comité? Der Sprachgebrauch versteht unter diesem Ausdruck eine Mehrheit von Personen, welche sich die Vertretung und Ausführung von Bestrebungen einer andern größern Mehrheit von Personen zur Aufgabe gesezt hat. Hinter dem Comité stehen also stets andere Personen, denen dasselbe sich zur Verfügung stellt, der juristische Charakter desselben besteht in der Stellvertretung einer größeren Zahl denselben Zweck verfolgender Personen durch eine kleinere Zahl, immer aber mehrere Personen. Wie aber die Stellvertretung im Verhältniß des Einzelnen zum Einzelnen doppelter Art sein fann eine beauftragte (mandatum) und eine unbeauftragte (negotiorum gestio), so auch in diesem Verhältniß. Hat sich eine Mehrheit von Personen vereinigt zur Verfolgung eines bestimmten, sei es privaten oder öffentlichen, egoistischen oder gemeinnüßigen Zwecks, so pflegt dieselbe aus ihrer Mitte zur Erleichterung und Vereinfachung der Geschäftsführung einen Ausschuß, ein Comité zu bestellen (Wahlcomité), das also zu ihnen in juristischer Sprache ausgedrückt im Mandat 3 ver

hältniß steht. So wie aber ein Einzelner auch ohne Auftrag (ale negotiorum gestor) die Geschäfte eines Anderen führen fann, so auch ein Comité (Initiativcomité). Der erste Anstoß und die erste Anregung zur öffentlichen Verfolgung gewisser gemeinnüßiger Zwecke, z. B. für die Unterstüßung einer durch Unglücksfälle betroffenen Gegend oder von durch Willküracte der Regierung entlassenen Beamten, für Anlegung einer Eisenbahn u. a. m. geht in der Regel von einem derartigen aus eigener Initiative ins Leben tretenden Comité aus. Indem dasselbe den Namen eines Comités annimmt, erklärt es damit, daß es den persönlichen Mittelpunkt abgeben will für alle auf denselben Zweck gerichteten Bestrebungen. Der nothwendig damit verbundene Schritt ist die öffentliche Aufforderung zur Betheiligung an dem Unternehmen.

Wenn wir diese Art der Bildung eines Comités unter den Gesichtspunkt der negotiorum gestio bringen, so geschieht es nur im Sinne einer bloß factischen Parallele, denn von einem Rechtsverhältniß zwischen dem Comité und den zur Zeit noch gar nicht existirenden, völlig unbestimmten Mitgliedern des künftigen Vereins kann selbstverständlich nicht die Rede sein. Ein Rechtsverhältniß zwischen beiden Theilen bildet sich erst durch Beitritt der Mitglieder, und zwar ist dasselbe, wie unten (§. 6) gezeigt werden soll, unter den Gesichtspunkt des Mandats zu bringen.

In welcher Art nun auch das Comité sich bilden möge, ob aus eigener Initiative oder durch Wahl von Seiten einer bereits vorhandenen Vereinigung, der rechtliche Charakter ist in beiden Fällen ganz der gleiche: ein Comité ist nichts als eine Collectivbezeichnung für die einzelnen Mitglieder desselben. Anstatt jedes Mal die einzelnen Personen, welche dasselbe bilden, aufzuführen, bezeichnet man sie kurzweg als Comité. Wer einem Comité eine Zusendung macht, macht sie den einzelnen

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