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den Vertrag hätte abschließen wollen. Nur das interfantonale Comité tritt der Verklagten die erlangte Eisenbahnconzession ab und übernimmt die im Vertrage stipulirten Verpflichtungen, von den ihm vorhergehenden Vereinigungen ist nirgends die Rede. Und dem entspricht auch die thatsächliche Stellung desselben zu lezteren. Von Anfang an hat sich das gegenwärtige Comité als eine selbständige Vereinigung gerirt. Es hat sich gebildet ohne Auftrag der beiden vorhergehenden Vereinigungen, es hat die Conzessionen bei der Staatsbehörde nachgesucht, sich mit der Verklagten in Verhandlung eingelassen, einen Vertrag mit ihr abgeschlossen, ohne daß von einer Genehmigung jener beiden Vereine die Rede gewesen wäre. Der Vorwurf der Eigenmächtigkeit“, den die Beklagte erhebt, beweist gerade das, was er nicht soll: nämlich die Thatsache des durchaus selbständigen Handelns und Vorgehens des Comités ohne alle Beziehung auf die ihm vorausgegangenen Vereinigungen.

Ist nun im Obigen (§. 7) der Beweis erbracht, daß ein Comité in dem dort von uns entwickelten Sinn (d. h. die einzelnen Mitglieder) contrahiren kann, sei es im eigenen Namen oder in dem seiner Committenten, und ergeben die Umstände des vorliegenden Falls, daß das Gäubahncomité nicht im Namen der Initiativgesellschaft oder des Initiativcomités, sondern im eigenen Namen den obigen Vertrag abgeschlossen hat, so bedarf es feines weitern Wortes, daß demselben wie jedem andern Comité auch die Klage auf Ausführung des Vertrages zuzugestehen ist, ohne daß dabei sein Verhältniß zu den ihm vorangegangenen Vereinigungen in Betracht käme.

Dem Bisherigen nach trage ich daher keinen Anstand, die mir vorgelegte erste Frage:

Muß nicht erklärt werden, daß das Gäubahncomité

rechtlich fähig war, den Vertrag abzuschließen, und deßhalb auch legitimirt ist, denselben klagend geltend zu machen? als eine meines Erachtens völlig zweifellose zu bejahen.

Wäre diese Frage zu verneinen, statt zu bejahen gewesen, so hätte die mir für diesen Fall vorgelegte eventuelle Frage:

Ist die Centralbahngesellschaft als Gegencontrahentin, welche beim Vertragsabschluß die rechtliche Stellung des Comités so gut kannte, wie sie dieselbe jezt kennt . . . . zur Erhebung des Einwandes der mangelnden Vertrags- und Gerichtsstandsfähigkeit befugt?

bejaht werden müssen, denn ein absoluter Mangel in der Person des einen Contrahenten kann durch Anerkennung von der andern Seite nicht gehoben werden; die Geltendmachung desselben fällt nicht unter den Gesichtspunkt einer Einrede, die der Kläger durch die Replik des Verzichtes zurückschlagen kann. Die Berufung auf Anerkennung der Handlungsfähigkeit der Klägerin von Seiten der Beklagten ist daher ohne allen Werth --existirt die Handlungsfähigkeit, so bedarf es der Anerkennung nicht, existirt sie nicht, so kann die Anerkennung sie nicht schaffen.

Dagegen ist diese Anerkennung in einer andern Richtung allerdings von Werth, nämlich in Bezug auf die Qualität, in der die Klägerin den Vertrag mit der Beklagten abgeschlossen, daß se es nämlich nicht gethan hat in Vertretung der Initiativgesellschaft oder des Initiativcomités, sondern im eigenen Namen. Indem die Beklagte die Ratifikationsclausel auf die Klägerin und nicht auf jene beiden Vereinigungen stellte, hat sie jeden Zweifel darüber, welche der drei Vereinigungen sie sich als diejenige dachte, welche durch den Vertrag berechtigt und verpflichtet werden sollte, unmöglich gemacht, sie hat gewußt und gewollt, daß das interfantonale Comité im eigenen Namen contrahire.

XVIII. N. F. VI.

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II.

Die Interessenfrage.

A. Die gegnerische Deduction.

§. 9.

Eine wesentliche nicht bloß durch das römische Recht, sondern durch den Zweck der Obligation selbst geforderte Voraussegung der Obligation, sagt Heusler in seinem Gutachten, ist das pecuniäre Interesse des Gläubigers. Daran aber fehlt es im vorliegenden Fall, denn das Gäubahncomité (interfantonales Vorbereitungscomité der Gäubahn) als solches kann kein Interesse haben, weil es juristisch als Einheit d. h. als juristische Person nicht existirt. Es ist eine lose zusammengebrachte Vereinigung, eine Societas zum Zweck der Erreichung eines bestimmten Projects hier des Projectes, gewissen Landesgegenden Eisenbahnen zu verschaffen. Für dieses Project haben sich die betreffenden, im Gäubahncomité zusammengetretenen Männer persönlich interessirt und sich zu demselben vereinigt, um diesen persönlichen Interessen durch das Gewicht des Zusammenwirkens mehr Nachdruck zu geben. Dadurch aber ist die rechtliche Gestaltung der Dinge nicht verändert worden, nach wie vor sind es die persönlichen Interessen der einzelnen Mitglieder, welche allein in Betracht kommen, und zwar müssen dieselben, um rechtlichen Schuß beanspruchen zu können, ökonomische Bedeutung haben.

Ein solches pecuniäres Interesse des Gäubahncomités würde vorhanden sein, wenn das Comité selbst Dritten gegenüber die Verpflichtung zur Erbauung der beiden Bahnlinien (Wasserfallenbahn und Bahn von Solothurn nach Schönbühl) unter einer Conventionalstrafe übernommen und dann mit der Gentralbahn einen auf Ausführung des Baus gerichteten Vertrag

abgeschlossen hätte. Hier würde lestere im Fall der Nichterfüllung des Vertrages zweifellos die von dem Comité verwirkte Conventionalpön zu erseßen haben. Die Berufung auf die Interessen der an dem Bau der Eisenbahn betheiligten Gegenden reicht nicht aus, diesen Mangel eines eigenen Interesses des Comités zu ersehen, denn das sind eben fremde Interessen und als solche nicht geeignet in Form Rechtens durch das Comité verfolgt zu werden, ja man kann die Frage aufwerfen, ob sie nicht durch andere entgegengesezte Interessen derselben Art aufgewogen werden. Das Bestreben, gewissen Landestheilen Eisenbahnen zu verschaffen, so lobenswerth es im Uebrigen sein mag, hat für das Gäubahncomité keinen ökonomischen Zweck, und somit ein bezüglicher Vertrag keinen ökonomischen Zweck.

Heusler verhehlt sich den Einwand nicht, den man gegen seine Deduction erheben kann. „Also fragt er, soll das gegebene Wort, der förmlich geschlossene Vertrag, die förmlich übernommene Verpflichtung keinen rechtlichen Werth mehr haben?" Er antwortet: gewiß soll sie das, aber nicht weiter, als ein im Recht schugwürdiges und schußbedürftiges Interesse zu wahren ist1). Es werden unzählige Vereinbarungen getroffen und Versprechen gegeben, deren sich das Recht nicht annimmt. Das Gäubahncomité kann sich nicht beklagen, daß es um ein ihm gebührendes Recht gebracht werde, weil es von Anfang an fein Recht hatte. Das Gäubahncomité hätte ein sicheres Mittel zur Verfügung gehabt, sich die Centralbahn rechtlich zu verpflichten; es hätte sich für den Fall des Rücktritts der Gentralbahn von der Erbauung jener Bahnen eine Conventionalstrafe können versprechen lassen; Conventionalstrafen sind ja gerade das geeignete Mittel, um auf den andern Contrahenten einen Druck zu üben, wenn die ursprüngliche Verpflichtung 1) Es ist dies die Fassung, die ich in meinem Geist des römischen Rechts (Theil III Abth. 1 §. 61) dem Recht gegeben habe.

nicht flagbar ist. Daß es auf keine Conventionalstrafe drängte, läßt daher geradezu darauf schließen, wie wenig es seine prefäre Stellung als Rechtspartei in dieser Sache verkannte; es mußte sich selbst sagen, daß es ihm nicht wohl anstehe, eine Conventionalstrafe für sich zu bedingen, da es selber nicht aus Sackpatriotismus, sondern zum Nugen weiterer Kreise handelte und somit auch nicht einen möglichen Gewinn für sich selbst von Anfang an in Aussicht nehmen konnte."

Nachdem Heusler die rechtliche Möglichkeit einer Vertretung der allgemeinen oder öffentlichen Interessen an dem Bau der beiden Eisenbahnlinien durch das Comité in dieser Weise zurückgewiesen hat, wirft er eine Frage auf, die für den gegenwärtigen Prozeß kein Interesse hat, nämlich ob nicht die einzelnen Mitglieder des Comités ihr privates, persönliches Interesse an dem Zustandekommen der Eisenbahn geltend machen könnten. Wir sind ganz mit ihm darüber einverstanden, daß diese Frage zu verneinen ist, da, wie er richtig bemerkt, diese Interessen bei Abschluß des Vertrags nicht in Betracht standen, das Gäubahncomité vielmehr nicht eigennügige sondern gemeinnüßige Zwecke verfolgte. Da die von Seiten des Comités erhobene Klage diese individuellen Interessen der einzelnen Mitglieder gar nicht zum Gegenstande der Verfolgung gemacht hat, so scheidet dieser Punkt für unsere rechtliche Beurtheilung völlig aus.

Das Bedenken, welches Heusler der Klage entgegenseßt, besteht mithin kurz zusammengefaßt darin: die Interessen, für welche das Comité den Schuß des Gerichts anruft, sind keine eigenen, sondern fremde und zwar allgemeine, öffentliche Interessen, die sich ins Unbestimmte verlieren. Für Heusler würde mithin die Sache nicht anders liegen, wenn statt des Comités eine einzelne physische Person den Vertrag abgeschlossen hätte.

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