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unterziehen, und diese Hoffnung hat wesentlich mitgewirkt, mich zur Uebernahme des Gutachtens zu bestimmen. Das Gutachten ist im vorigen Jahre in Olten gedruckt 1), aber von mir nicht in den Buchhandel gegeben worden, da ich schon bei Abfassung desselben die demnächstige Veröffentlichung durch die Jahrbücher in Aussicht genommen hatte, die ich, obschon ich bisher sonst keins der von mir verfaßten Gutachten in ihnen habe abdrucken lassen, doch bei dem wesentlich theoretischen Charakter des vorliegenden glaubte verantworten zu können.

Bei dem gegenwärtigen Wiederabdruck desselben habe ich einige Auslassungen vorgenommen, welche sich lediglich auf die Rechtsausführungen der Gegenpartei beziehen, die ich in dem ursprünglichen Gutachten in ihrer ganzen Ausführlichkeit glaubte mittheilen zu müssen, da ich in diesem Punkt lieber zu viel als zu wenig thun wollte, während ich dies für den gegenwärtigen Zweck nicht für erforderlich hielt. Ich bemerke dies nur mit Rücksicht auf die Besizer des von mir in einer ziemlich großen Zahl von Exemplaren versandten Originalgutachtens, für den Fall, daß sie dasselbe nach der dort zu Grunde gelegten Paragraphirung sollten citiren wollen; die Paragraphirung stimmt nicht mehr, indem ich mehrere der der Wiedergabe der gegnerischen Rechtsdeductionen gewidmeten Paragraphen theils gestrichen, theils in einen einzigen zusammengeworfen habe; dadurch ist aus §. 3-5 jest §. 3, aus §. 11-14 jezt §. 9 geworden.

1) Rechtsgutachten in Sachen des Interkantonalen VorbereitungsComités der Gäubahn gegen die Gesellschaft der Schweizerischen Centralbahn, betreffend die Vollendung und den Betrieb der Wasserfallenbahn und ihrer Fortsetzung von Solothurn nach Schönbühl, erstattet auf Ansuchen des klägerischen Comité's von Dr. Rudolf von Ihering, Geheimem Justizrath und Professor der Rechte an der Universität zu Göttingen. Olten, 1878. Buchdruckerei des „Volksblatt vom Jura“.

Stand der Streitsache.

§. 1.

Von dem interfantonalen Gäubahncomité in Solothurn habe ich die Aufforderung erhalten, über einen Rechtsstreit, der zwischen ihm und der schweizerischen Centralbahn-Gesellschaft in Basel in Bezug auf die Ausführung eines zwischen beiden unter dem 16./18. Februar 1873 abgeschlossenen Vertrages, welcher den Bau und Betrieb zweier Eisenbahnlinien zum Gegenstand hatte, mein rechtliches Gutachten abzugeben. Der Rechtsstreit spielt vor einem auf Grund dieses Vertrages gebildeten Schiedsgericht in Solothurn. Er ward vor demselben anhängig gemacht durch die Klage des Gäubahncomités vom 1. Dezember 1876, worauf unter dem 31. Juli 1877 die Antwort“ der Beklagten erfolgte, der sie drei Gutachten hinzugefügt hat, welche sich zu ihren Gunsten aussprechen, das erste bereits vor Beginn des Rechtsstreits ausgestellte von Hrn. Professor Andreas Heusler in Basel, das zweite von Hrn. Geheimenrath und Professor Renaud in Heidelberg, das dritte, in französischer Sprache, von Hm. Professor Brocher in Genf, beide nach Erhebung der Klage ausgestellt. Alle genannten Schriftstücke sind gedruckt und mir von der Klägerin nebst einigen andern, unter denen sich auch der zwischen beiden Theilen abgeschlossene Vertrag befindet, zum Zweck meiner Information mitgetheilt worden.

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Die thatsächliche Unterlage des gegenwärtigen Prozesses bildet keinen Gegenstand des Streites unter den Parteien, und ich könnte mich daher gänzlich auf die Darstellung derselben in der Klage beziehen, wenn dieses Gutachten lediglich auf die an diesem Prozeß unmittelbar betheiligten Personen: die Richter, die Parteien und ihre Rechtsbeistände berechnet wäre. Da der beabsichtigte Druck und die von mir bei dem hohen theoretischen Interesse der darin behandelten Fragen in Aussicht genommene

Verbreitung desselben dasselbe auch zur Kunde von Personen bringen wird, denen das thatsächliche Material fremd ist, so sehe ich mich im Interesse der lezteren, um ihnen das Verständniß und die Beurtheilung des Falles zu ermöglichen, genöthigt, das Wesentliche des faktischen Thatbestandes mitzutheilen.

Im Jahre 1870 bildete sich im Kanton Solothurn unter dem Namen einer: „Initiativ-Gesellschaft der Gäubahn“ eine Gesellschaft, welche sich nach dem Art. 1 ihrer Statuten die Vornahme der technischen, commerziellen und finanziellen Vorarbeiten für den Bau einer Eisenbahn von Solothurn nach Olten durch das Gäu und nach Art. 7 die Gründung einer definitiven Baugesellschaft für die Vollführung des betreffenden Eisenbahnbaues zum Zweck sezte. Nach Annahme der Statuten und erfolgter Constituirung erwählte diese Initiativgesellschaft in Gemäßheit des Artikels 4 der Statuten ein aus 21 Mitgliedern bestehendes Initiativcomité, welches die erforderlichen Vorarbeiten, insbesondere die Ausarbeitung der Pläne und Kostenberechnungen vornehmen sollte. Dasselbe unterzog sich dieser Aufgabe, ohne sich darauf zu beschränken, es knüpfte vielmehr Unterhandlungen mit einer andern Gesellschaft, der für die Broyethalbahn zum Zweck der Fortsetzung der Bahn an. In einer Sigung des Initiativcomités vom 20. März 1871 wurde ein daraus hervorgegangener Vertragsentwurf mitgetheilt und der Beschluß gefaßt: für diese neue, resp. ausgedehntere Eisenbahnbestrebung ein interkantonales Comité zu bilden, zusammengesezt aus dem gegenwärtigen Initiativcomité für eine Gäubahn, Abgeordneten der interessirten Gemeinden von Solothurn bis Lyß, Abgeordneten der Regierung und der Stadt Solothurn, sowie der Stadt Olten, ohne daß jedoch das bisherige Gäubahncomité darin aufgehen solle.

Das hier in Aussicht genommene interfantonale Comité constituirte sich am 15. August 1871 in Solothurn als

interkantonales Vorbereitungscomité für die Gäubahn resp. für den Bau einer Eisenbahnlinie Lyß-Büren-Solothurn-Olten und bestellte später aus seiner Mitte zum Zweck der Geschäftsleitung einen „Executiv - Ausschuß“. Das ursprüngliche Gäubahnproject war nunmehr durch Hinzukommen des Stückes Solothurn-Büren-Lyß erweitert, und von jezt an umfaßte die Bezeichnung „,Gäubahn" die ganze Linie von Olten über Solothurn nach Lyß.

Das interfantonale Vorbereitungscomité der Gäubahn erlangte verschiedene Eisenbahnconzessionen, insbesondere vom Solothurnischen Kantonsrath eine Conzession für eine Eisenbahn Aarau-Solothurn-Lyß, soweit sie auf Solothurnischem Gebiete gelegen war; vom Aargauischen Großen Rath: von der Solothurnischen Kantonsgrenze bis Aarau; vom Bernischen Großen Rath: für die das Gebiet von Bern berührenden Theile der Gäubahn. Der Executiv-Ausschuß sicherte sich die finanziellen Mittel zur Ausführung der Bahn theils durch Zeichnungen der betheiligten Gemeinden von Lyß bis Olten im Betrage von Fr. 2,268,000, theils durch Vertrag mit einem Finanzconsortium, und der darauf basirte Finanzausweis ward am 14. September 1872 vom Regierungsrath des Kantons Solothurn genehmigt.

Es erfolgten jezt von zwei verschiedenen Seiten Bauofferten an das Comité, und insbesondere wurden auch von dem Directorium der Schweizerischen Centralbahn in Basel Verhandlungen eingeleitet wegen Ueberlassung der Conzessionen und Uebernahme des Baues und Betriebs der intendirten Bahnstrecke unter Verzicht auf irgendwelche von den Gemeinden der betreffenden Gegenden zu leistenden Subventionen. Die Verhandlungen, anfänglich ohne Erfolg, führten schließlich zum Abschluß eines Vertrages, dessen Ausführung Seitens der Beklagten den Gegenstand des gegenwärtigen Prozesses bildet. In der Ueberschrift werden als Vertragschließende genannt das Directorium der

schweizerischen Centralbahngesellschaft, vertreten durch Hrn. Sulger, Präsident und Hrn. Sailer, Director", und „das interkantonale Vorbereitungscomité der Gäubahn, vertreten durch die Herren Landammann Vigier und Baumgartner." Die Unterschrift trägt die Namen der beiden legtgenannten (de dato Solothurn 16. Februar 1873) und der beiden erstgenannten (de dato Basel 18. Febr. 1873). Der Vertrag erhielt später die in dem legten Artikel vorbehaltenen Ratifikationen des Verwaltungsrathes und der Aktionäre der schweizerischen Centralbahngesellschaft einerseits, sowie des interkantonalen Vorbereitungscomités für die Gäubahn andererseits.

Der Vertrag hat den Bau zweier Bahnen zum Gegenstande, in erster Linie den derjenigen, deren bisher allein gedacht ist, und welche ursprünglich das alleinige Absehen des gedachten Comités bildete: der Gäubahn (Art. 1-15). In zweiter Linie den einer andern Bahn (Art. 16, 17), für deren Zustandekommen bis dahin ein zweites in Solothurn bestehendes Comité thätig gewesen war, nämlich der Wasserfallenbahn und ihrer Fortsetzung von Solothurn nach Schönbühl. Die Verhandlungen zwischen beiden Comités führten dahin, daß das interfantonale Comité für die Gäubahn die Verhandlungen mit dem Directorium der schweizerischen Tentralbahngesellschaft benugte, um auch dies zweite Projekt zu realisiren. Diesem Zwecke waren die beiden genannten Art. 16 und 17 gewidmet. Der erste legt der Centralbahngesellschaft die Verpflichtung zum Bau und Betrieb der sog. Wasserfallenbahn von der solothurnischen-basellandschaftlichen Grenze bis zum Anschluß an die Gäubahn auf, der zweite lautet:

„Die schweizerische Centralbahngesellschaft übernimmt damit auch die Verbindlichkeit, ihrerseits das Nöthige zu thun, damit ihr die Conzessionen für die Wasserfallenbahn von der Basellandschaftlichen Grenze bis zum Anschluß an die Gäubahn

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