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Aufsätze.

Die Privatwaldungen

und

deren Stellung zur forstlichen Gesetzgebung.

Die Privatwaldungen der Schweiz haben einen Flächeninhalt von ca. 230,000 ha und bilden nahezu 30 Prozent des Gesammtwaldareals oder ca. 8 Prozent des produktiven Bodens. Bei ganz mässiger Veranschlagung ihres Ertrages repräsentiren sie in ihrem jetzigen Zustande ein jährliches Einkommen von ca. 10 Millionen Franken, verdienen also schon vom finanziellen Gesichtspunkte aus die vollste Beachtung der Staatsbehörden und des Volks.

Die Privatwaldungen sind sehr ungleich über das Land vertheilt. In den Alpen und im Jura sind sie, einzelne Gegenden abgerechnet, nicht stark vertreten; auch in dem Theil der Ebene und des Hügellandes, welcher sich an den Jura anschliesst, ist der grösste Theil des Waldareals in den Händen der Gemeinden und Korporationen. In dem den Alpen zugekehrten Theil der hügeligen Hochebene zwischen dem Boden- und Genfersee und in den sich an die Alpen anlehnenden Vorbergen herrscht dagegen der Privatwaldbesitz stark vor. Vom Appenzellerland und den nordöstlichen Theilen des Kantons St. Gallen durch das Toggenburg, die südlichen - namentlich südöstlichen Theile des Kantons Zürich, den Kanton Luzern, das Entlebuch und Emmenthal, das bernische Mittelland, den Kanton Freiburg und theilweise auch Waadt bis nach Genf zieht sich eine breite Zone, in der die Privatwaldungen viel stärker vertreten sind als die Gemeindsund Genossenschaftswaldungen. Im Kanton Genf betragen die Privatwaldungen 87, im Kanton Luzern 81, im südöstlichen Theil des Kantons Zürich 84, in Appenzell A. Rh. 77 und im Thurgau 63% des Gesammtwaldareals.

Am stärksten sind die Privatwaldungen in den Gegenden vertreten, in denen die Ansiedelung mehr hof- als dorfweise stattfand und zwar um so mehr, als sich in diesen Gegenden im Anfang des laufenden Jahrhunderts die Lust zur Vertheilung der gemeinsamen Waldungen am stärksten geltend machte und in grösster Ausdehnung befriedigt wurde.

Der Zustand der Privatwaldungen ist kein erfreulicher. Selbst in den Gegenden, in denen man sich seit 50 und mehr Jahren Mühe gab, eine bessere Forstwirthschaft einzuführen und in den Gemeindsund Genossenschaftswaldungen ganz befriedigende Resultate erzielte, lässt die Privatforstwirthschaft noch viel zu wünschen übrig. Uebernutzung, Sorglosigkeit bei der Verjüngung und ungenügende Pflege sind Fehler, die noch weit verbreitet sind und Zustände herbeiführten, bei denen der Materialertrag der Privatwaldungen um ca. 30% hinter demjenigen gleich situirter, aber seit längerer Zeit befriedigend gepflegter Gemeindswaldungen zurückbleibt. Beim Geldertrag ist der Unterschied noch grösser, weil die werthvollen Sortimente in den Privatwaldungen schwach vertreten sind.

Der grösste Uebelstand liegt in der starken Parzellirung unserer Privatwaldungen. Die durchschnittliche Grösse der einzelnen Privatwaldparzellen beträgt im südöstlichen Theil des Kantons Zürich 0,50 ha, in Appenzell A. Rh. 0,55 ha, im Entlebuch, wo die Theilung erst in den Jahren 1811-1813 stattgefunden hat, 2 ha. Auf einen Besitzer fallen in Appenzell A. Rh. durchschnittlich 0,84 ha, im östlichen Theil des Kantons Zürich 1,29 ha und im Entlebuch 3,43 ha.

Dass bei einer derartigen Zerstückelung der Waldungen eine geordnete Wirthschaft nicht möglich sei, bedarf keines weiteren Nachweises. Gute Weganlagen und rationelle Entwässerungen sind unausführbar, weil, auch wenn die Mehrzahl der Besitzer gemeinschaftlich vorgehen wollte, immer Einzelne da sind, die nicht mitmachen wollen und selbst wenn man sie vom Mitzahlen befreien würde der Ausführung, soweit ihre Waldstücke in Mitleidenschaft gezogen werden müssten, widersetzen.

-

sich

In den Gegenden, in denen die Privatwaldungen nicht gepläntert, sondern durch Anlegung von Kahlschlägen benutzt werden, was in grosser Ausdehnung der Fall ist, machen sich die bösen Folgen starker Parzellirung in der verderblichsten Weise geltend. Der Eine betrachtet sein Holz schon im 50. Jahr als schlagreif, der Andere würde das seinige gerne 100 Jahr alt werden lassen, jeder schlägt seine Parzelle,

wenn es ihm konvenirt und öffnet damit dem Wind Angriffspunkte auf die Bestände seiner Nachbarn. Erfolgen bedeutende Schädigungen, so müssen auch letztere unreifes Holz schlagen, das Uebel pflanzt sich fort und beginnt immer wieder auf's Neue. Hat die abgeholzte Parzelle eine geschützte Lage, so dass die Bestände der Nachbarn, trotz der entstandenen Lücke, nicht geschädigt werden, so hat der, welcher sein Waldstück entholzte, den Schaden, weil der Nachwuchs auf demselben, der starken seitlichen Beschattung wegen, sich nur langsam entwickelt. Der Mangel an wirklich haubarem Holz in den Privatwaldungen hat seinen Grund nicht allein in der durch Holzoder Geldmangel veranlassten Uebernutzung, sondern zu einem nicht geringen Theil in den durch die Parzellirung bedingten unfreiwilligen Holzfällungen.

An den meisten Orten machen sich aber auch noch Uebelstände in der Privatforstwirthschaft geltend, deren Ursachen nicht in der Parzellirung liegen. Wie bereits erwähnt, bestehen dieselben in der Neigung zur Uebernutzung, in geringer Fürsorge für die Verjüngung und in der Vernachlässigung der Pflege der jungen und älteren Bestände. Ihre Ursache liegt in Unkenntniss, Gleichgültigkeit und Mangel an Zeit oder Geld zur Ausführung der Forstverbesserungsarbeiten. Die Folgen dieser Uebelstände machen sich auch da geltend, wo gleichartige Bestände in grösserer Ausdehnung beisammen liegen, sind also zu einem grossen Theil schuld am unbefriedigenden Zustand der Privatwaldungen.

Da der durch die unwirthschaftliche Behandlung der Privatwaldungen erwachsende Verlust am Jahresertrag, wie aus den oben angeführten Zahlen hervorgeht, mindestens 4 Millionen Franken beträgt, so darf man sich schon fragen, was kann der Staat zur Hebung der bestehenden Uebelstände thun?

Diese Frage ist leichter zu stellen als zu beantworten, weil der Staat unmöglich in gleicher Weise in die Privatforstwirthschaft eingreifen kann, wie in die Behandlung und Benutzung der Gemeindsund Genossenschaftswaldungen. Ueber die Verwaltung der Gemeindegüter steht dem Staat ein unbestrittenes Aufsichtsrecht zu, aus dem unbedenklich auch das Recht zur Beaufsichtigung der Bewirthschaftung und Benutzung der Waldungen, die in der Regel den Hauptbestandtheil des Vermögens, bilden, abgeleitet werden kann. In die Wirthschaft der Privaten soll sich der Staat möglichst wenig mischen und deren Verfügungsrecht über ihr Eigenthum nicht mehr beschränken,

als es zur Förderung des allgemeinen Besten absolut nothwendig ist, er darf daher den Privatwaldbesitzern gegenüber nicht in dem Mass verbietend und gebietend einschreiten, wie den öffentlichen Korporationen gegenüber.

Trotz der Rücksichten, die man unzweifelhaft dem freien Verfügungsrecht der Bürger über ihr Privateigenthum tragen muss, beschäftigen sich die neuen und alten Forstgesetze auch mit den Privatwaldungen und unterstellen dieselben der Forsthoheit. Die Gesetze, welche dem freien Verfügungsrecht am meisten Rechnung tragen, beschränken sich darauf, die Privatwaldungen der Aufsicht des Staates insoweit zu unterstellen, als es die Sicherung der übrigen Waldungen oder Rücksichten der Gemeingefährlichkeit nothwendig machen. Andere verbieten die Rodung ohne Bewilligung des Regierungsrathes unter allen Verhältnissen und noch andere auch den Holzbezug zum Verkauf. Für die Verjüngung und Pflege geben die älteren Gesetze nur ausnahmsweise bestimmte Vorschriften.

Für das eidgenössische Forstgebiet hat das Bundesgesetz vom 24. März 1876 neues Recht geschaffen und zwar in der Weise, dass die Privatwaldungen, welche nicht unter den Begriff der Schutzwaldungen fallen, nur insoweit beaufsichtigt werden sollen, als es nöthig ist, um:

a) Rodungen ohne Bewilligung der Kantonsregierungen zu verhindern;

b) die Aufforstung von Blössen und Schlägen zu sichern;

c) die Ablösung von Beholzungsrechten zu ermöglichen und die Belastung mit neuen derartigen Dienstbarkeiten zu verhindern; d) Rechtsgeschäfte, welche mit diesen Anordnungen im Widerspruch stehen, als ungültig zu erklären;

e) die Nebennutzungen, welche die Waldwirthschaft beeinträchtigen, auf bestimmte Flächen zu begrenzen, einstweilig einzustellen oder ganz aufzuheben und die ganz oder bedingt zulässigen dem Interesse einer guten Wirthschaft entsprechend zu regeln; f) Uebertretungen der gesetzlichen Bestimmungen zu bestrafen. Für die Privatwaldungen dagegen, welche als Schutzwaldungen erklärt wurden, wird über dieses :

a) die Vermarkung der äusseren Grenzlinien verlangt;

b) die Rodung untersagt, beziehungsweise von der Bewilligung des Bundesrathes abhängig gemacht;

c) die Ablösung der Dienstbarkeiten, welche mit deren Zwecke unvereinbar sind, geboten;

d) den Kantonen zur Pflicht gemacht, die Holznutzungen zu regeln und die zu deren Erhaltung und Sicherung ihres Zweckes erforderlichen wirthschaftlichen und Sicherheitsmassnahmen anzuordnen.

Diese Bestimmungen, die im Allgemeinen so weit gehen, als es nach den heutigen Begriffen betreffend die Beschränkung der freien Verfügung über das Privateigenthum zulässig erscheint, lassen in zwei Richtungen noch eine Ergänzung wünschen und zwar mit Rücksicht auf die Pflicht der Privatwaldbesitzer bei drohenden oder eingetretenen Schädigungen durch Naturereignisse, namentlich Insekten, und mit Beziehung auf den Bezug der Holznutzungen.

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Da den Behörden die Pflicht obliegt, über die Erhaltung der Wälder zu wachen, so werden sie wohl ohne durch das Gesetz hiezu ausdrücklich berechtigt zu sein in Fällen, wo es absolut nothwendig sein sollte, allseitig verbindliche Anordnungen zum Schutze des Waldes zu treffen, keine Bedenken tragen, auch die Privatwaldbesitzer zur Ausführung derselben anzuhalten, der diessfällige Mangel dürfte daher kaum böse Folgen haben. Das im eidgenössischen Forstgesetz Versäumte ist übrigens in der Mehrzahl der kantonalen Verordnungen nachgeholt.

Nicht so einfach sind die Verhältnisse rücksichtlich der Benutzung der Waldungen. Für die Nichtschutzwaldungen sind weder Vorschriften gegeben, noch ist die Erlassung solcher von den Kantonen gefordert, man darf daher annehmen, der Gesetzgeber sei von der Ansicht ausgegangen, eine Beschränkung des freien Willens der Eigenthümer beim Bezug des Holzes sei unnöthig. Die Holznutzungen in den Privatschutzwaldungen sollen durch die Kantone geregelt werden. Bei der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse, namentlich auch des Hypothekarwesens, hat die Uebertragung der Regulirung dieser Angelegenheit an die Kantone Vieles für sich, es wäre nur zu wünschen, dass für die Ausübung dieser Kompetenz eine allgemeine Wegleitung gegeben worden wäre. Der Beisatz: „innerhalb der Schranken dieses Gesetzes" hat desswegen keine grosse Bedeutung, weil die diessfalls in demselben enthaltenen Bestimmungen sich nach dem Wortlaut nur auf die Staats-, Gemeinds- und Korporationswaldungen beziehen. Die „Schranken“ können somit nur aus der

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