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Desinfectionen in den Laboratorien seit Langem vorgenommen werden, nur in grösseren Dimensionen angefertigt.

Herr Oberbürgermeister Merkel spreche sich nun direct dagegen aus, dass man in öffentlichen Desinfectionsanstalten die Desinfection principiell unentgeltlich gestatte. Er weise darauf hin, dass z. B. einzelne Familien, die ein oder mehrere Familienmitglieder an Infectionskrankheiten, Diphtherie u. s. w. verloren haben, gerne bereit seien, 10 oder 20 Mark für die Vornahme der Desinfection zu bezahlen. Das werde gewiss in Göttingen wie in jeder Stadt vorkommen, aber der Zweck der öffentlichen und städtischen Desinfectionsanstalten liege doch nicht darin, der Gemeinde Einnahme zu schaffen, sondern eine möglichst allgemeine und vielseitige Verwendung und Benutzung zu finden. Der Herr Oberbürgermeister gebe selbst zu, dass die Anschaffungs- wie Verzinsungskosten der Apparate relativ unerheblich seien, auch die Anforderungen bezüglich des Bedienungspersonales seien nicht grosse. In Leipzig reiche man in den beiden öffentlichen Anstalten mit je einem Manne aus, welcher ausserdem anderweitig beschäftigt werde, da die Apparate in dem Hospitale und in der Gefangenenanstalt aufgestellt worden seien. Aber das vom hygienischen Interesse getragene Bestreben, wie auch das Bestreben jeder Verwaltung müsse dahin gehen, dass die Bevölkerung eines Ortes nicht etwa aus financiellen Bedenken, aus erschwerenden, umständlichen Benutzungsformalitäten, aus Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit abgehalten werde, die zu desinficirenden Objecte in die einmal errichteten Anstalten zu senden. Nicht etwa nur die wirklich Armen, denen vielfach freie ärztliche Behandlung, Medicamente und Unterstützung zu Gebote stehe, sondern viel weitere Bevölkerungskreise seien in Zeiten der Krankheit auf Sparsamkeit angewiesen. Desinfectionseinrichtungen und Apparate, welche aus den Mitteln der Gemeinden angekauft worden seien, welche einem öffentlichen Zwecke dienen sollen, nämlich der Verbreitung von Krankheiten in der Bevölkerung entgegenzuwirken, seien. entschieden als gemeinnützige Unternehmen aufzufassen, ebenso wie die Gasbeleuchtung auf den Strassen, an deren Kosten sich jeder nach seiner Steuerkraft betheilige, gleichviel, ob er Abends auf die Strasse gehe oder nicht. Eine Gemeinde, die so arm sei oder zu sein glaube, dass sie die Betriebskosten der aus den öffentlichen Mitteln errichteten Desinfectionseinrichtung nicht mehr zu bestreiten vermöge, solle dann in anderer Weise sparen, z. B. die Gaslaternen eine Stunde früher auslöschen oder bei anderen minder wichtigen Gelegenheiten eine Mehrausgabe vermeiden. Die Einrichtung von Desinfectionsanstalten könne nur dann einem öffentlichen Interesse dienen, wenn sie möglichst allgemein benutzt werde und wer sich daran betheilige, durch Vernichtung des Contagiums die Verbreitung der Krankheiten auf weitere Kreise zu verhüten, verdiene hierfür eher noch eine Prämie.

Krankenhausdirector Merke 1) (Berlin). Meine Herren. Es ist nicht meine Absicht, mich für oder wider die Zweckmässigkeit der hier

1) Herr Director Merke hat auf Wunsch der Versammlung die Güte gehabt seine wegen Kürze der Zeit wesentlich beschränkten Mittheilungen ausführlich für den Bericht auszuarbeiten.

bekannt gewordenen Desinfectionsapparate auszulassen; ich will Ihnen nur meine Ansichten mittheilen über die Anforderungen, welche man an die Leistungsfähigkeit eines Desinfectionsapparates oder vielmehr einer Desinfectionsanstalt stellen soll und welche Bedingungen man den Lieferanten von Desinfectionsapparaten zu stellen hat.

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Bevor ich hierauf näher eingehe, wende ich mich gegen eine Ausführung des Herrn Freymuth, nach welcher, wenn ich ihn recht verstanden habe, es ihm nicht möglich erscheint, dass bei den von Guttmann und mir in der Berliner Desinfectionsanstalt vorgenommenen Desinfectionsversuchen die neben dem elektrischen Thermometer liegenden Maximalthermometer erst 90° zeigten, während das erstere, das auf 100° eingestellt Ich beziehe mich dem war, bereits diesen Temperaturgrad erreicht hatte. gegenüber auf die bezüglichen ausführlichen Mittheilungen in meiner Publication über,Die erste öffentliche Desinfectionsanstalt der Stadt Berlin' und halte an dem darin ausgesprochenen Satze fest: dass bei der Prüfung eines Desinfectionsapparates das Läuten eines elektrischen Thermometers nicht immer ein sicherer Beweis dafür ist, dass auch in der unmittelbaren Umgebung des Thermometers der gemeldete Temperaturgrad schon erreicht ist.

„Herrn Professor Hoffmann, welcher für die unentgeltliche Benutzung der öffentlichen Desinfectionsanstalten plaidirt hat, will ich entgegenhalten, dass mit der Errichtung von Desinfectionsanstalten, deren unentgeltliche Benutzung im Belieben des Publicums steht, allein nicht alles das erreicht werden kann, was Herr Professor Hoffmann, wie ich glaube, dabei verlangt: nämlich dass das betheiligte Publicum auch wirklich die Gelegenheit zu der Desinfection von inficirten Sachen in jedem Falle benutzen wird. Soll der Verschleppung von ansteckenden Krankheiten und namentlich in Epidemiezeiten durch Desinfection erfolgreich entgegengetreten werden, dann giebt es nur einen Weg: das ist der Zwang zur Benutzung der Desinfectionsgelegenheit. So hart eine solche Maassregel auch erscheinen mag, ebenso nützlich würde sie in ihrer Wirkung sein.

"Was nun die Anforderungen, welche man an die Leistungsfähigkeit einer öffentlichen Desinfectionsanstalt stellen soll, anbetrifft, so möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die Leistungen einer solchen Anstalt abhängig sind von der Zahl der Einwohner, für welche die Desinfectionsgelegenheit geschaffen werden soll, vor Allem aber von der Anzahl derjenigen Erkrankungsfälle, bei denen die Desinfectionsanstalt in Benutzung gezogen werden muss; z. B. bei einer Choleraepidemie. Die Zahl der Erkrankten gewährt den Anhaltepunkt für eine Berechnung über die Grösse etc. der einzurichtenden Anstalt. Nach den Beobachtungen, welche ich in meiner Stellung vielfach zu machen Gelegenheit hatte, kommen auf den einzelnen Erkrankungsfall im Durchschnitt etwa 3 cbm Raumbedarf für zu desinficirende Gegenstände auf dem platten Lande wird es wohl weniger, etwa zwei Raummeter sein. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die überwiegende Zahl der zur Desinfection gelangenden Gegenstände entweder cubisch geformt ist, oder, wie Federbetten z. B., eine horizontale Lagerung in der Desinfectionskammer bedingen; hieraus ergiebt sich die Forderung, dass Apparate für öffentliche Desinfectionsanstalten eine cubische Form

haben müssen.

Wenn nun in einer Stadt, z. B. Berlin, öffentliche Desinfectionsanstalten errichtet werden sollen, deren Thätigkeit nicht bloss für gewöhnliche, sondern auch für Epidemiezeiten in Betracht gezogen werden soll, so würde sich eine ungefähre Berechnung für die Grösse und Zahl der Desinfectionsapparate wie folgt stellen:

Berlin zählte im Jahre 1866 658 071 Einwohner. Die damals in den Monaten Juni bis November herrschende Choleraepidemie wüthete am heftigsten im Juli. Es erkrankten in diesem einen Monat 4819 Personen, durchschnittlich täglich also 160. Die höchste Zahl der an einem Tage Erkrankten schwankte zwischen 190 und 219. Da man der Vorsicht wegen stets die höchste Zahl für Berechnungen wie die folgende anzunehmen hat, so würde sich das Exempel wie folgt stellen:

219 Erkrankungsfälle × 3 cbm

= 654 cbm Desinfectionsraum.

„Da Berlin inzwischen um das Doppelte an Einwohnerzahl zugenommen hat, so würden die an einem Tage zu desinficirenden Gegenstände einen Raum von rund 1300 cbm beanspruchen, das sind, wenn ich Ihnen diese Zahl in Möbelfuhren umrechne ich habe dabei die wohl überall bekannten grossen Möbelwagen im Auge 50 Fuhren Sachen!

„Hieraus wollen Sie entnehmen, dass eine Anstalt gar nicht ausreichen würde, solchen Anforderungen zu genügen, man wird deren mehrere etabliren müssen. Nun folgt die Frage: wie viel Apparate beziehungsweise in welcher Grösse sind erforderlich, um ein solches Quantum Sachen an einem Tage reinigen zu können. Da die Stadt Berlin bereits eine grosse öffentliche Desinfectionsanstalt errichtet hat, so fällt es mir nicht schwer, das Exempel zu Ende zu führen. 1300 cbm Raumbedarf auf 24 Stunden vertheilt, ergiebt pro Stunde rot. 55 cbm. Die Berliner Apparate haben ein jeder 45 cbm benutzbaren Raum. Die Desinfection ist einschliesslich Einund Ausladen der Effecten in 50 Minuten bewirkt. Da ein Apparat in der angegebenen Zeit 4.5 cbm Raum gewährt, so würden bei 55 cbm pro Stunde zwölf solcher Apparate in Betrieb zu halten sein.

„Man wird, meine ich, nicht fehl greifen, wenn man die vorstehende Berechnung bei etwaiger Einrichtung von öffentlichen Desinfectionsanstalten für Landgemeinden in Betracht zieht. Nehmen wir an, es handelt sich um die Errichtung einer öffentlichen Desinfectionsanstalt für einen Kreis mit 100 000 Einwohnern. Für diese Zahl würde ein Desinfectionsapparat von drei Raummetern schon genügen; freilich müsste, meiner Meinung nach, dieser Apparat ein transportabler und die Leistungsfähigkeit desselben mit einer Stunde pro Charge Bedingung sein. Eine solche Leistungsfähigkeit ist aber, wie ich glaube, nur zu erzielen, wenn, bei gehöriger Vorwärmung des Apparates, als Desinficiens gespannte strömende Wasserdämpfe zur Anwendung kommen, welche vermöge ihrer ausserordentlichen Geschwindigkeit, mit der sie den Apparat durchströmen, sowie der verhältnissmässig hohen Temperatur, mit der sie einströmen, die eintretenden grossen Wärmeverluste in ausserordentlich kurzer Zeit zu decken vermögen.

„Bei einer solchen Einrichtung würden auch die Kosten für öffentliche Desinfectionsanstalten relativ geringe werden. Ich nehme an, dass eine Einrichtung, wie die vorher genannte, für einen Kreis, der bei 100 000 Ein

wohnern etwa 60 Dörfer und kleine Städte hat, 12 000 Mark kosten wird. Dies macht bei 60 Gemeinden, auf die einzelne Gemeinde 200 Mark, 120 Mark pro tausend Einwohner.

„Solche Einrichtungen würden, wie ich glaube und wie ich dies schon an anderer Stelle ausgesprochen habe, über das ganze Land verbreitet, nicht bloss in Epidemiezeiten, sondern zu allen Zeiten ihre segensreichen Früchte tragen.

„Es würde zu weit führen, wenn ich mich über Einrichtung, Organisation und Verwaltung solcher Anstalten ausliesse, ich bemerke nur, dass ich an anderer Stelle mich darüber einmal äussern werde.

„Ich komme nun zu den Bedingungen, welche man den Lieferanten von Desinfectionsapparaten auferlegen sollte. Ich würde dieselben so formuliren:

„Jeder Apparat muss einen verfügbaren Raum von mindestens 3 cbm haben und muss, sofern es sich um eine stationäre Einrichtung handelt, von einer Seite be- von der anderen entladen werden können.

„Das erste Anheizen des Apparates (Vorwärmung bis zu 60° C.) dart nicht länger als eine halbe Stunde Zeit beanspruchen.

„Der Desinfectionsprocess, einschliesslich Anheizen, Be- und Entladen. der Desinfectionsobjecte, muss jedesmal binnen einer Stunde bewirkt werden und die Desinfection a tempo fortgesetzt werden können.

„Der vollbeladene Apparat beziehungsweise die in ihm untergebrachten Effecten müssen bei der Desinfection in allen ihren Theilen auf eine Temperatur von mindestens 100°, nicht über 110° C. gebracht worden sein. Die höchste Temperatur im Apparate selbst darf 120°C. (diejenige höchste Temperatur, welcher Stoffe, Wäsche etc., ohne Werthbeschädigung zu verursachen, ausgesetzt werden können) nicht übersteigen.

„Der Apparat muss mit einem Manometer versehen sein, welcher den Druck bis zu 10 Atmosphäre anzeigt. Der höchste Druck im Apparate darf während des Betriebes nicht unter 120 und nicht über 1/10 Atmosphäre 100 beziehungsweise 200 g Belastung für den Quadratcentimeter betragen.

„Für Erfüllung dieser Vorschriften ist Caution zu stellen und Garantie für die Leistungsfähigkeit des Apparates auf zwei Jahre zu übernehmen. Ueber die Bedeutung des Manometers für Apparate mit gespannten strömenden Dämpfen theile ich noch Folgendes mit:

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„Das Manometer hat den Zweck, anzuzeigen, dass im Apparate eine gleichmässige Dampfvertheilung stattgefunden hat; bei gleichmässiger Dampfvertheilung ist, wenn das Manometer einen Druck von 1/20 Atmosphäre zeigt, die Sicherheit gegeben, dass im Apparate überall eine Temperatur von mehr als 100° C. vorhanden ist.

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Durch die Anwendung des Manometers wird ferner der Dampfverschwendung vorgebeugt; die letztere kann eintreten, wenn die Abzugsklappe des Apparates zu weit geöffnet bleibt, wodurch nicht nur ein ungehindertes Ausströmen des Dampfes zu Stande kommt, sondern auch die Dampfvertheilung im Apparate auf einzelne Theile beschränkt bleibt, so dass an verschiedenen Stellen die erforderlichen Temperaturgrade nicht erreicht werden. Sind aber die erforderlichen Temperaturgrade im Apparate nicht überall

vorhanden, so steht der Zeiger des Manometers auf Null; ein Blick auf den letzteren genügt also, um zu erkennen, ob der Gang der Desinfection ein vorschriftsmässiger ist oder nicht."

Regierungsrath Dr. Wolffhügel (Berlin) ist der Ansicht, dass der Begriff gespannter" und nicht gespannter" Wasserdampf noch nicht übereinstimmend klar gestellt sei und dass bloss ein Theil der Herren, welche an der speciellen Bezeichnung, gespannter strömender Wasserdampf“ Anstand nehmen, die Auffassung habe, dass damit nur die mit Spannung im Apparate, d. h. im Desinfectionsraume befindlichen Dämpfe, gemeint sein sollten. Aber es sei eben so gut möglich, dass man darunter Wasserdämpfe verstehe, welche mit Spannung aus einer Rohrleitung, von einem isolirt stehenden Dampfentwickler kommend, ausströmen, die also in einem geschlossenen Dampfentwickler in Spannung gehalten seien. In der Desinfectionstechnik dürfte man aber überhaupt seit den im Jahre 1881 veröffentlichten Arbeiten aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamte vollständig davon abgekommen sein, es als eine unerlässliche Bedingung zu erachten, in dem Apparate, im Desinfectionsraume selbst, eine Dampfspannung und eine höhere Temperatur als die Siedewärme des Wassers zu verlangen. Desshalb sei es wohl besser, in den Thesen von der näheren Bezeichnung gespannte" ganz abzusehen, weil man eben an diesen Begriff „gespannte Wasserdämpfe die Idee zu knüpfen leicht geneigt sei, dass im Apparat, in der Desinfectionskammer selbst, eine Spannung sein müsse. Es solle also nur von den strömenden Dampf benutzenden Apparaten die Rede sein, gleichgültig ob dieselben einen isolirten oder mit dem Apparat ein Ganzes bildenden geschlossenen Dampfentwickler haben, beziehungsweise im Anschluss an eine vorhandene Centraldampf heizanlage aufgestellt seien, oder ob in denselben der Dampf in einem Kessel von einer frei siedenden Wasserfläche aus entwickelt werde, welcher Kessel in unmittelbarem Zusammenhange mit der Desinfectionskammer stehe. Mit Apparaten der letzteren Art könne man eben so gut desinficiren, ja man könne sich ein zur Desinfection geeignetes Geräthe in der mannigfachsten Manier aus den geringsten Mitteln improvisiren und damit einen guten Erfolg erzielen, wenn man nur mit Geduld die Beendigung des Desinfectionsprocesses abwarte und überhaupt in Hinsicht der Anordnung und Ausführung des Versuches richtig und mit Verständniss für die Sache verfahre.

Es sei ihm wiederholt in seiner Praxis vorgekommen, dass über Apparate, deren Construction anerkannt gut sei, geklagt worden sei, dass sie nichts taugen, indem nach einer längeren Desinfectionsdauer selbst grösseres Ungeziefer (Flöhe und Läuse) der Dampfeinwirkung nicht erlegen, vielmehr in gewohnter Munterkeit und Fröhlichkeit mit den Desinfectionsgegenständen wieder aus den Desinfectionskammern hervorgegangen sei. Bei näherer Prüfung der Frage sei er, wie auch die beiden Herren Referenten, zu der Ueberzeugung gekommen, dass jeder Apparat seine Besonderheiten habe, und dass es eben so wenig möglich sei, einen Desinfectionsapparat nach bekanntem Modell mit bekannter Leistungsgeschwindigkeit zu bauen, d. h. einen Apparat, der genau in der gleichen Zeit das Nämliche leiste. Es sei ähnlich wie beim Schiffsbau. Man sei beim Schiffsbau nicht gut im Stande,

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