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Wenn also bei Aufnahme von Blei in den menschlichen Körper die Ausscheidung desselben nicht gleichen Schritt hält, so muss sich doch bei länger fortgesetzter Aufnahme allmälig ein toxisch wirkendes Quantum ansammeln, selbst wenn die von Graham und Calvert beliebte untere Grenze noch um eine ganze Decimalstelle vermindert würde. Es handelt sich in unserer Frage durchaus nicht darum, wie viel Blei geht aus den Bleiröhren auf das geführte Wasser über, sondern geht überhaupt solches über, und in letzterem Falle ist es Pflicht, die Consumenten auf die ihnen drohende Gefahr aufmerksam zu machen. Natürlich sehe ich dabei ab von einem Gehalte an Blei in jenen minimalen Spuren, wie sie Mayencon und Bergeret noch elektrolytisch nachzuweisen suchten, und der ihrer Erfahrung nach für die Consumenten irrelevant war, sonst müssten wir schliesslich auch noch das Kupfer in Betracht ziehen, das sich durch den Ausflusshahn dem Wasser mittheilt und auf demselben Wege noch nachweisbar ist. Wir capricirten uns desshalb auch bei unseren Versuchen nicht darauf nachzuweisen, wie viel Blei übergeht, sondern darauf, dass Blei übergeht in einem Quantum, wie es durch Schwefelwasserstoffgas leicht, gleichsam makroskopisch, nachweisbar ist; ein Quantum, dem wir eben toxische Wirkungen zutrauen müssen, so lange bis uns das Gegentheil bewiesen wird.

Dürfen wir nun das Ergebniss unserer Studie resumiren, so kommen wir zu folgenden Thesen:

1. Bleiröhren verhalten sich gegen verschiedene durch sie geleitete Wässer verschieden.

2. Geschwefelte und ungeschwefelte Röhren differiren nicht wesentlich in ihrem Verhalten gegen das eingeleitete Wasser.

3. Der Druck, unter dem das Wasser in der Leitung steht, beeinflusst nicht dessen Verhalten gegen Blei.

4. Hohe Härtegrade des Leitungswassers schützen das Bleirohr vor stärkeren Insulten.

5. Ein Gehalt an freier Kohlensäure, sowie niedriger Härtegrad (unter VIII.) des Wassers unterstützen dessen agressives Verhalten dem bleiernen Leitungsmaterial gegenüber.

6. Es sollte desshalb in allen Fällen von Installirung einer Leitung von Genusswasser dessen Verhalten zu den event. beliebten Bleiröhren geprüft und die daraus zu folgernden Schlüsse dem consumirenden Publicum bekannt gegeben werden.

7. Längere Benutzung (6 Monate) macht die Bleiröhren auch gegen weiches und kohlensäurehaltiges Wasser unempfindlich.

8. Durch einfaches, ununterbrochenes Passiren einer Bleiröhre erwirbt das Wasser keine toxischen Eigenschaften.

9. Bei den meist cumulativ sich äussernden Folgen von Bleiintoxication scheint es unstatthaft, für ein Trinkwasser einen unteren Grenzwerth zulässigen Bleigehaltes festzusetzen, vielmehr ist alles Wasser vom Genusse auszuschliessen, welches so viel Blei enthält, dass solches durch Schwefelwasserstoff nachweisbar wird.

Einige Versuche in Bezug auf Kälberimpfung

aus dem Königl. Impf-Institute zu Berlin.

Von Dr. M. Schulz.

Während in manchen anderen deutschen Städten die öffentlichen Impfungen in der Hauptsache mit animaler Lymphe ausgeführt werden, ist die Verwendung dieses Impfstoffes zu gleichem Zwecke in Berlin bisher immer nur eine vereinzelte gewesen. Eine tiefer gehende Abneigung gegen die Menschenlymphe besteht hier unter denjenigen Classen, welche von den öffentlichen Impfungen Gebrauch machen, nicht; das Verlangen nach animaler Vaccination ist mehr unter den besser Situirten verbreitet und deshalb waren es bisher auch hauptsächlich Privatärzte, welche sich derselben bedienten. Die öffentlichen Impfärzte finden im Allgemeinen bei der Lymphabnahme wenig Widerstand und sind somit in der Lage, sich ein präcise wirkendes Material ohne besondere Unbequemlichkeiten zu verschaffen. Auch bestand hier bisher kein öffentliches Institut, welches in der Lage gewesen wäre, ihnen ihren ganzen Bedarf an Thierlymphe zu liefern. Dem Königl. Impf-Institut hierselbst sind seit 1881 fortlaufend Gelder zur Erzeugung von solcher Lymphe gewährt worden, und es sind in dieser Beziehung auch zahlreiche Versuche angestellt, von welchen in den Generalberichten über das Sanitäts- und Medicinalwesen der Stadt Berlin aus den Jahren 1881 und 1882 ausführlichere Mittheilungen gemacht ist, die auch in den Uebersichten über die Thätigkeit der preussischen Impf-Institute in Eulenberg's Vierteljahrsschrift Nr. 42, Heft 1 u. Nr. 43, Heft 2 erwähnt sind.

Ein Versuch aber, die animale Impfung in den öffentlichen Terminen der Königl. Impfanstalt in weiterer Ausdehnung zur Ausführung zu bringen, ist in früherer Zeit nicht gemacht worden. Es geschah dies im Sommer 1885 zum ersten Male. Nachdem von Mitte Juni bis Ende Juli zum Zwecke der Information und der Erlernung der Technik die Vaccinationen der Erstimpflinge an einem Arme mit humanisirter, am anderen Arme mit animaler Lymphe vollzogen waren, wurden von August bis Ende des Jahres die sämmtlichen Impfungen und Wiederimpfungen mit animaler Lymphe ausgeführt. Es gelangten in dieser Zeit 959 Erstimpflinge mit 98 Proc. personellem und 68 Proc. Schnitterfolg zur Ausführung. Bei 738 Wiederimpfungen war der personelle Erfolg 82 Proc., Schnitterfolg 50 Proc. Es wurden 1885 450 Röhrchen zu je 7 Impfungen an andere Aerzte abgegeben, von denen diejenigen, welche über ihre Resultate einen übersichtlichen Bericht einschickten, 511 junge Kinder mit 99 Proc. personellem und 75 Proc. Schnitterfolg impften, und 337 Schulkinder mit 97 Proc. personellem und 70 Proc. Schnitterfolg revaccinirten.

Die Impfmethode, welche hier geübt und auch anderen Aerzten empfohlen wurde, besteht bei Erstimpfungen und bei Wiederimpfungen mit ganz frischer Lymphe in einfachen flachen Längsschnitten mit nachherigem Einstreichen des Impfstoffes in die Wunden, bei Wiederimpfungen und etwas älterer Lymphe in Kritzelschnitten.

Der verwendete Impfstoff war im Kuhstalle der Königl. Thierarzneischule gewonnen. Es ist dies ein grosser für das Mustervieh der Anstalt bestimmter Raum, der im Winter nicht geheizt wird, aber doch eine behagliche Temperatur zeigt, im Sommer hingegen sehr warm ist.

Die Kosten der Lympheerzeugung sind in Berlin ziemlich hoch. Das Leihgeld für das Thier, Ernähren, Abwarten und Rasiren beträgt jedesmal etwa 50 Mark. Dabei fällt der Umstand ins Gewicht, dass der Viehmarkt, auf welchem der Lieferant die Thiere allein beschaffen kann, sich auf dem von der Thierarzneischule fern gelegenen Viehhof befindet, dass also die Thiere zum Impfen nach der Stadt gebracht und zum Schlachten nach dem Viehhofe zurück transportirt werden müssen. Die Umständlichkeiten und höheren Kosten, welche mit diesen Verhältnissen verknüpft sind, lassen es in hohem Grade wünschenswerth erscheinen, dass ein in grösserer Ausdehnung einzurichtendes Impf-Institut auf dem Viehhofe oder in der Nähe desselben angelegt würde. Im Allgemeinen soll damit einer Verbindung zwischen Schlachthof und Kälberimpfanstalt nicht das Wort geredet werden. Die Frage muss eben für andere Orte in jedem einzelnen Falle nach den localen Verhältnissen und Einrichtungen entschieden werden.

Der hier erzeugte Impfstoff war vorwiegend Retrovaccine, welche durch Flächenculturen mittelst vieler sich nach allen Richtungen durchkreuzender Schnitte gewonnen wurde. Die einzelnen Impfwunden wurden ziemlich tief angelegt; die Abnahme erfolgte nach 5 × 24 Stunden mit dem Küchenmesser resp. Blechlöffel. Gereinigt wurde die Fläche sehr genau mit Wasser und Seife.

Bei den tieferen Impfschnitten, die hier im Allgemeinen gemacht wurden, liess sich die Lymphe nur in der oberen Schicht blutfrei abnehmen, der den tieferen Schichten entnommene Impfstoff enthielt aber Blut und auch einzelne kleine Gewebstheilchen der Lederhaut. Der Blutfarbstoff konnte unbeschadet der Wirksamkeit der Lymphe mit erkaltetem, vorher gekochtem, destillirtem Wasser ausgezogen werden. Es ist dies aber durchaus nicht nöthig und er wurde in der übergrossen Mehrzahl der Fälle in der Lymphe belassen. Von den gebräuchlichen Präparaten wurde ausschliesslich die Glycerinemulsion verwendet. Man hat nun gewisse Bedenken gegen den den Flächenculturen entstammenden Impfstoff geäussert, die namentlich darin bestehen, dass dem ausgeschabten Materiale eine grössere Menge von thierischen Substanzen beigemengt wäre, als bei der Impfung einzelner Pocken. Diese Substanz sollte nun die Fäulnissfähigkeit der Lymphe vermehren, andererseits aber durch ihre Anwesenheit die relative Menge des in einem Quantum enthaltenen wirksamen Stoffes vermindern und so die Wirksamkeit der Lymphe herabsetzen.

Diese Gefahren sind in der Praxis nicht vorhanden. Eine Fäulniss des mit Glycerin vermischten Impfstoffes tritt nicht ein. Es wurde hier ein Quantum präparirter bluthaltiger Emulsion während des Sommers vier

Wochen offen in eine Stube gestellt, ohne irgend welche Fäulnisserscheinungen zu zeigen. In Capillaren wurde bluthaltige Lymphe über ein Jahr aufgehoben, war nach dieser Zeit noch unzersetzt, hatte ihre Farbe bewahrt und zeigte noch eine wenn auch geringe Wirksamkeit. Manchmal trocknet der Stoff in den Capillaren etwas ein, behält aber seine Brauchbarkeit längere Zeit. Nur in einzelnen schlecht verschlossenen Röhrchen zeigt sich auf der offenen Seite beginnend eine grünliche Verfärbung der Flüssigkeit, die ins Braune übergeht und sich nach und nach auf den ganzen Inhalt verbreitet. Die so veränderte Lymphe zeigt zwar keinen Fäulnissgeruch, die Farbe entstammt somit wohl einer blossen chemischen Veränderung des Blutfarbstoffes; wir haben dieselbe aber nicht verwendet.

Was noch die Haltbarkeit der Lymphe Temperatureinflüssen gegenüber anbetrifft, so zeigt sich dieselbe, so lange sie nicht gerade der Sonne ausgesetzt wird, bei der hiesigen Sommerwärme wochenlang gut wirksam. Da bei der Versendung im Winter auch Kältetemperaturen auf den Stoff einwirken, so haben wir wiederholt Röhrchen während der kalten Zeit 24 Stunden ins Freie gelegt. Das Tagesminimum betrug bei dem Auslegen 7o C., doch hatte diese Temperatur keinen schädigenden Einfluss auf die Wirksamkeit der Lymphe.

Für Erstimpfungen ist also die Brauchbarkeit des Stoffes wochenlang die gleiche. Nur wurde hier bemerkt, dass die einfache Schnittmethode bei Wiederimpfungen nur bei ganz frischer Lymphe, bis etwa zu 10 Tagen, gute Resultate ergab; nach dieser Zeit musste der Kritzelschnitt eintreten, um den Erfolg auf gleicher Höhe zu erhalten. Derselbe dürfte aber kein besonderes Hinderniss für die öffentlichen Impfungen sein, da die Kritzelmethode für ein Kind bei einiger Uebung nur etwa 1/2 Minute in Anspruch nimmt; bei Erstimpflingen ist er freilich nicht in den öffentlichen Terminen verwendbar.

Das Aussehen der bluthaltigen dicken Emulsion findet bei einzelnen Aerzten, welche an die klare, durchsichtige Beschaffenheit der humanisirten Lymphe gewöhnt sind, noch Anstoss, doch ist das Aufhören dieser Abneigung nur eine Frage der Zeit.

Die Beimischung organischer Substanz ist auch bei der Flächencultur nur eine unerhebliche. Selbst der aus den tieferen Schichten herausgeschabte Theil des Impfstoffes zeigt eine weisslich rothe Färbung. Wird er aber nachher mit Glycerin verrieben, so tritt durch die stark röthende Wirkung des mit Glycerin vermischten Blutes eine Färbung ein, welche den wirklichen Gehalt an organischer Substanz stark überschätzen lässt.

Sind im Ganzen auch die Erfolge der animalen Impfungen als relativ günstig zu bezeichnen, so erschwert doch ihre Einführung die eigentliche Aufgabe des hiesigen Institutes nämlich die Production humanisirter Lymphe in hohem Grade. Am 7. Tage, an welchem hier die Abimpfungen erfolgen, sind die aus Kälberlymphe erzeugten Blattern oft unentwickelt und klein, sie ergeben daher nur einen geringen Ertrag. Hierzu kommt noch, dass der Schnitterfolg bei animaler Vaccination hinter demjenigen der Impfung mit Menschenlymphe, der fast unwandelbar 100 Proc. beträgt, zurückbleibt.

Ungeachtet dieser Schwierigkeiten gelang es während des Jahres 1885, das nöthige Lymphequantum trotz animaler Impfung zu beschaffen und ausserdem noch so viel Stoff zu gewinnen, wie er zu den unten zu erwähnenden Culturversuchen nöthig war.

Als aber zum Beginne der diesjährigen Impfperiode die Bundesrathsbeschlüsse vom 18. Juni 1885 Gültigkeit erlangt hatten, als mit diesen sämmtliche erstgeborenen Kinder von der Abimpfung ausgeschlossen wurden, als ferner die Bestimmung beachtet werden musste, nach der bei jedem Kinde zwei Blattern uneröffnet bleiben sollen, war es unmöglich, durch animale Impfung dasjenige Quantum an Menschenlymphe zu gewinnen, welches trotz der grösseren Verbreitung der Thierlymphe in der Provinz noch von dem hiesigen Institute beschafft werden muss. Auch bei einer grösseren Zahl von Impflingen kann man nicht mit Sicherheit mehr darauf rechnen, dass man in jedem Impftermine bei animaler Vaccination wirklich Lymphe gewinnt. Wenn der Zufall es mit sich bringt, dass bei den vereinzelten Kindern, die jetzt noch zur Lympheentnahme ausgewählt werden können, sich Blattern in geringerer Zahl und Ausdehnung entwickelt haben, so geschieht es, dass eine Ausbeute ganz ausbleibt. Auch ist es nicht leicht, namentlich bei unruhigen Kindern, den Impfstoff der kleinen Blattern ganz blutfrei zu entnehmen und, da in Preussen das Mischen der Menschenlymphe neuerdings verboten wurde, hatte man meist kleine Quantitäten derselben zu verarbeiten, aus denen das Blut nur schwierig zu entfernen ist. Wir haben uns unter diesen Umständen schliesslich immer so geholfen, dass wir die jedem einzelnen Kinde entnommene Vaccine mit Glycerin gründlich vermischten und sie in Capillaren füllten, welche dann verschlossen genau senkrecht aufgestellt wurden. Hierdurch sinkt das Blut in den unteren Theil des Röhrchens hinab, den man ganz einfach abbricht. Alsdann erhält die Capillare einen mikroskopisch vollkommen blutfreien Impfstoff, wie er den Beschlüssen der Impfcommission entspricht. Um nun das zur Ausgabe nöthige Quantum von Menschenlymphe zu erhalten, verfahren wir jetzt so, dass wir am Impftage schon diejenigen Kinder, welche sich zur Abnahme des Stoffes eignen, aussuchen und mit humanisirter Lymphe impfen, während bei den anderen Kindern animale Vaccination stattfindet. Aehnliche Schwierigkeiten werden aber auch für ein Thierlympheerzeugungs- Institut nicht ganz ausbleiben, wenn die Kälberimpfung allgemein eingeführt sein wird. Man wird, da die Fortpflanzung der animalen Lymphe von Thier zu Thier nicht in allen Fällen gelingt, nicht ohne Erzeugung von Retrovaccine, also auch nicht ohne die Gewinnung von Menschenlymphe, auskommen. Da im Durchschnitt auf 30 Impflinge ein Kind kommt, von welchem Lymphe abgenommen werden kann, andererseits aber die Lymphe von 3 bis 4 Kindern zu einem Kalbe gebraucht wird, so würde man, um Retrovaccine für 1000 bis 1500 Personen, welchen Ertrag man auf ein Kalb rechnen kann, zu erzeugen, etwa 100 Impflinge haben müssen. Es würden also der Stadt Berlin, in welcher ca. 50 000 Kinder jährlich zur Impfung gelangen, allein eine Auswahl unter 3000 Erstimpflingen zu Gebote stehen müssen, um die nöthige Menge von Retrovaccine zu gewinnen. Der Bedarf für die ganze Provinz ist aber ein noch ungleich grösserer und würde unter den gegenwärtigen Verhältnissen vom hiesigen Institute nicht beschafft werden können.

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