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einen etwas naiven Charakter an (was auch die Vorrede Esmarch's zugiebt, aber als eine Manier der englischen Lehrbücher erklärt), doch soll dies dem Buche durchaus nicht als Vorwurf angerrechnet werden. Die Zeichnungen sind meist nach concreten, theils vom Verfasser selbst beobachteten, theils ihm von Dritten mitgetheilten Fällen der Praxis entworfen. Die Strömung der Canalgase durch das Haus, wie sie sich bei undichten Leitungen gestaltet, ist überall durch farbige Pfeile kenntlich gemacht, doch scheint hierbei zuweilen die Phantasie den Griffel allzu kühn geführt zu haben. Das Nämliche dürfte von den (gleichfalls farbig markirten) Spuren gelten, welche der wässerige Inhalt durchlässiger Canäle, Senkgruben etc. im Erdreich und Grundwasser zurücklassen soll.

Ein Theil der Rathschläge mag ja allerdings mehr für englische als für deutsche Verhältnisse berechnet sein, weil, wie Referent auch durch einen mit den englischen Zuständen wohlbekannten deutschen Landsmann erfährt, in England Canalisationsarbeiten aus unredlicher Gewinnsucht oft sehr lüderlich ausgeführt werden. Dazu kommt, dass die Canalanlagen in England meist schon seit vielen Decennien bestehen, daher in der Construction veraltet und unvollkommen, überdies durch den Zahn der Zeit schadhaft geworden sind, während bei uns, selbst in den grossen Städten, Entwässerungsanlagen erst seit 1 bis 2 Jahrzehnten eingeführt und mit Benutzung aller technischen Verbesserungen, auf die man im Laufe der Zeit gekommen ist, hergestellt sind. Speciell dürften Blei- oder schadhafte Thonröhren kaum irgendwo zur Anwendung kommen, auch die Dichtung wird wohl durchweg mit der gehörigen Sorgfalt ausgeführt, ebenso wie die Nothwendigkeit der Wasserverschlüsse für alle Ableitungen anerkannt ist. Immerhin wird auch für uns das Buch vieles Beherzigenswerthe und Lehrreiche enthalten, namentlich in technischer Beziehung ein vorzüglicher, für den Arzt und Medicinalbeamten auf der Suche nach der Ursache eines Krankheitsfalles oder einer Epidemie geradezu unentbehrlicher Wegweiser sein, denn gerade durch seine zahlreichen instructiven Abbildungen füllt es jene bedauerliche Lücke, die die meisten deutschen Handbücher (übrigens nicht bloss die der Hygiene), indem sie auf das so wirksame Lehrmittel der bildlichen Anschauung verzichten, nach dieser Richtung so wenig vortheilhaft von den Erzeugnissen der englischen (und französischen) Literatur unterscheidet. Ob trotzdem der Arzt bei der hygienisch-ätiologischen Untersuchung eines Wohnhauses im gegebenen Falle der Mitwirkung des Architekten, bezw. Rohrlegers, immer wird entrathen können, scheint zweifelhaft, denn es ist ein anderes, in der Theorie die Erfordernisse einer guten Entwässerungsanlage zu kennen, und in praxi sich in dem Labyrinth einer solchen, mit allen sonst in Betracht kommenden Beziehungen, zurechtzufinden.

Die Uebersetzung des Buches ist vortrefflich, die Ausstattung äusserst
Die Abbildungen sind englischen Ursprungs und dem Original

opulent. entlehnt.

Dr. Lustig (Liegnitz).

Dr. Anton Heidenhain: Die Anwendung der Paragraphen 10 bis 14 des Nahrungsmittelgesetzes (Fleischverkehr) im praktischen Leben. Berlin, Hirschwald, 1887. 38 S. 0-80 M.

Dem Verfasser haben als Ausgangspunkt für seine Arbeit die mannigfachen Zweifel vor Augen gestanden, welche bei der Anwendung der den Fleischverkehr regelnden Strafparagraphen des Gesetzes vom 14. Mai 1879 sich in objectiver Richtung für die Feststellung des Thatbestandes geltend machen. An der Hand zutreffender Definitionen theilt er die vom Reichsgericht ausgesprochenen Entscheidungen gruppenweise ein und gelangt zu klaren praktischen Fingerzeigen für die Richter und Sachverständigen gegenüber den Begriffen des Gesetzes, wenn dasselbe nachgemachte und verfälschte von verdorbenen und gesundheitsgefährlichen Nahrungs- und Genussmitteln unterscheidet. Auch der Begriff „ekelerregend" mit seinen Beziehungen zur Strafbarkeit ist ausführlich erörtert.

Den Schluss der Arbeit bildet ein Abschnitt mit Betrachtungen über die sanitätspolizeilichen Gesichtspunkte, welche sich für den Sachverständigen aus den einzelnen Thierkrankheiten herleiten lassen.

Dr. Wernich (Cöslin).

Dr. med. Gustav Custer: Fort mit dem Gifte der Phosphorzündhölzchen! Zürich und Stuttgart, Druck und Verlag von Schröter & Meyer, 1887.

Custer, der unermüdliche schweizerische Kämpfer für die Gesundheitspflege namentlich seines engeren Vaterlandes, benutzt die Gelegenheit, welche der Auftrag des Nationalrathes an den Bundesrath bietet, um noch einmal energisch und mit Geschick für die vollständige Beseitigung der gewöhnlichen Phosphorzündholz-Industrie und Verbreitung der giftigen Phosphorzündhölzchen in der Schweiz ins Treffen zu gehen, namentlich gestützt auf die Berichte der eidgenössischen Fabrikinspectoren vom 17. Mai 1879.

Die Maassregeln vom Jahre 1882 erscheinen theoretisch genügend, bewähren sich aber in der Praxis nicht.

Von hohem Interesse ist der Abschnitt: „Die Phosphorzündholz-Industrie in der Schweiz." Möge sein Werk Frucht tragen und von Erfolg gekrönt werden! M. (Berlin).

Zur Tagesgeschichte.

Die hygienische Section

auf der 59. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte zu Berlin.

18. bis 24. September 1886.

Von Dr. A. Kalischer (Berlin).

Die wichtigen Errungenschaften der Hygiene in den letzten Jahren hat die Zahl derer, welche diesem Gebiete eine rege Beachtung zuwenden, rasch vermehrt, und wenn die hygienische Section der früheren Naturforscherversammlungen in der Regel nur einen kleinen Kreis von Fachmännern, die Pioniere dieser Wissenschaft, versammelte, sahen wir sie in Berlin, ihrer Bedeutung entsprechend, eine so grosse Anziehung ausüben, dass sie an Mitgliederzahl unter den 30 Sectionen nur von dreien übertroffen wurde, von denen für innere Medicin, Chirurgie und Chemie.

Die erste Sitzung fand am 18. September Nachmittags 3 Uhr statt und wurde vom Generalarzt Dr. Mehlhausen eröffnet, als dem Vorsitzenden eines Comités, welches von der Deutschen Gesellschaft für öffentliche Gesundheitspflege zur Vorbereitung der Verhandlungen der Section auf Antrag des Ministerialraths Dr. Wasserfuhr und des Regierungsraths Dr. Wolffhügel gewählt war und welchem ausser den genannten Herren noch Prof. R. Koch, Stadtrath Marggraff, Dr. A. Kalischer und Docent K. Hartmann angehörten. In der begrüssenden Ansprache erinnerte Herr Mehlhausen insbesondere daran, welchen Werth Berlin als Versammlungsort der Naturforscherversammlung, namentlich für die Hygieniker habe. Der raschen und grossartigen Entwickelung der Hauptstadt seien die sanitären Einrichtungen in gleichem Schritte gefolgt und vieles hier Geschaffene sei mustergültig für andere Communen geworden. Die Besichtigung dieser städtischen und staatlichen Einrichtungen, welche das Entgegenkommen der Behörden ermögliche, werde für die Mitglieder der Section von hervorragender Bedeutung sein.

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Wegen vorgerückter Zeit wird ein Vortrag nicht mehr gehalten. Für die Dauer der Verhandlungen werden Dr. A. Kalischer und Docent K. Hartmann, welche als Schriftführer des vorbereitenden Comités fungirt hatten, in gleicher Eigenschaft bestätigt.

die äussere Oberfläche des Körpers, in so weit etwa an derselben verletzte Stellen sich vorfinden, und die im Inneren gelegenen Oberflächen im Bereich der Athmungs- und der Verdauungs-Wege. Ein Missverständniss im Verfolg der Bemerkungen über die äussere Haut dürfte nicht ausgeschlossen erscheinen an der Stelle, an welcher es heisst, Seite 9 und 10: „Sie können ruhig und sorglos mit den Fingern, an denen keine Verletzung vorhanden ist, den Auswurf eines an Diphtherie Erkrankten anfassen oder die Wäsche eines Cholerakranken berühren ohne Gefahr einer Uebertragung in Ihren Körper. Nur dürfen Sie nicht kurz darauf die Finger mit irgend einer Nahrung in den Mund stecken, sondern müssen dieselben möglichst bald sorgfältig reinigen." Dass zu solcher Reinigung es der Anwendung desinficirender, die Bacillen tödtender Flüssigkeiten bedürfe, verfehlt Verfasser nicht, an anderen Stellen zu erwähnen; da jedoch die Schrift für Laien berechnet ist, dürfte immerhin es nicht unnöthig gewesen sein, auch sogleich an der angeführten Stelle vollständig die Art und Weise der Reinigung zu erläutern. Verfasser fährt fort, dass, wenn bereits es wichtig sei, den Schutz der äusseren Haut uns zu erhalten, noch bei Weitem mehr Veranlassung vorliege, in einem gesunden widerstandsfähigen Zustande auch die fraglichen Schleimhäute zu erhalten, Erkältungen zu vermeiden, im Essen und Trinken die geeignete Diät zu beobachten, grundsätzlich in Zeiten von Epidemieen mit Sorgfalt jede Schleimhauterkrankung zu behandeln, sowie auf Reinlichkeit der Mund- und der Rachenhöhle durch Ausspülungen oder Gurgeln - unter Umständen mit zusammenziehenden, desinficirenden Mitteln, z. B. wässeriger Boraxauflösung — Bedacht zu nehmen. Auch Inhalationen solcher Flüssigkeiten sind unter Umständen nach dem Ermessen des behandelnden Arztes am Platze. Wie weit in unserer Umgebung Organismen der fraglichen Art thatsächlich verbreitet und wie dieselben im Stande sind, an den verschiedensten Gegenständen zu haften, wird an der Hand der Lister'schen antiseptischen Methode den Lesern veranschaulicht. Der gleichen scrupulösen Reinlichkeit, wie sie die Lister'sche Methode gegenüber den Wundinfections-Keimen als erforderlich herausgebildet hat, bedarf es auch gegenüber den die Epidemieen erzeugenden Schädlichkeiten hinsichtlich einer Reinhaltung des Körpers, insbesondere der Hände, der Finger, der Nägel, der Haare, ferner der Bekleidungsgegenstände, der Wohnräume, der Möbel, der Küche, der Nahrungsmittel, der Aborte. Es wäre noch bei Besprechung der in Betracht gekommenen Maassnahmen nicht unwichtig gewesen, wenn erwähnt worden wäre, dass ausschliessliche Verwendung gekochten Wassers erforderlichen Falles nicht nur auf das zum Trinken bestimmte, sondern ebenso auf das Wasch-, Spülund sonstige Haushaltungswasser sich erstrecken soll und dass ferner es sich empfiehlt, in geeigneter Weise das gekochte Wasser, die gekochte. Nahrung, das mit dem gekochten Wasser gespülte Geschirr zu bedecken, beziehungsweise bedeckt zu halten, damit nicht neuerdings aus der Luft die zu vermeidenden Keime auffallen. Verfasser erörtert noch Regeln für den Fall einer bereits in der Familie eingetretenen Erkrankung. Mit Rathschlägen allgemeinerer Art schliesst das Schriftchen.

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Dr. Quittel (Berlin).

W. Koch: Milzbrand und Rauschbrand. Lieferung 9 der deutschen Chirurgie von Billroth und Luecke. Stuttgart, Enke, 1886. 8. 154 S., 2 Tafeln und 8 Holzschnitte.

Diese monographische Bearbeitung von zwei wichtigen Infectionskrankheiten der Thiere, welche für die experimentelle Bearbeitung wichtiger Abschnitte der Hygiene in den letzten Jahren eine grosse Bedeutung erlangt haben, dürfte Vielen willkommen sein, welche sich über diese wichtigen Fragen orientiren wollen. Verfasser war mit Glück bemüht, die überreiche Literatur zu sichten und das Wichtigste in ausreichender Weise darzulegen. Die Darstellung berücksichtigt die Morphologie und Biologie. der verursachenden Bakterien, bringt dann diese Ermittelungen in Verbindung mit den Erfahrungen über die anatomisch - klinischen und epidemiologischen Forschungen und gewinnt auf diese Weise eine gute Grundlage zur Besprechung der prophylactischen Maassnahmen und der Schutzimpfungen.

Bei der Aufzählung der empfänglicheren Thiere und der Verluste an Thieren macht er darauf aufmerksam, dass in den statistischen Mittheilungen der Schweinemilzbrand wohl mit zu grossen Zahlen auftrete, dass die Schweine für den Milzbrand viel weniger empfänglich sind als man es früher annahm. Dieser für die nationalöconomische Seite der Frage wichtige Punkt ist in der letzten Zeit noch wesentlich gestützt worden durch den Nachweis, dass Wildseuche und Schweineseuche, welche Referent als identische Krankheiten erweisen konnte, früher mit zum Milzbrande gerechnet wurden. In den Abschnitten über Differentialdiagnose nimmt Verfasser Rücksicht auf die neueren, meist der Bakteriologie verdankten Ermittelungen, welche es erst gestatten Milzbrand, Rauschbrand, malignes Oedem und, wie Referent noch hinzufügen muss, Wildseuche sicher als differente Infectionskrankheiten zu erweisen.

Dr. Hueppe (Wiesbaden).

Dr. M. B. Freund: Die animale Vaccination in ihrer technischen Entwickelung und die Antiseptik der Impfung. Im Anschluss an eigene Anstaltsversuche. Breslau, Morgenstern, 1887. 120 S. 2 M.

Der Verfasser hat im Jahre 1878 ein eigenes Kälber-Impfinstitut in Breslau angelegt und bringt seine Erfahrungen sowie seine Anschauungen zur Kenntniss, damit vielleicht einige Anhaltspunkte bei der weiteren Verallgemeinerung des thierischen Impfstoffes aus denselben entnommen werden können.

Die Anstalt hatte mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen, vorzugsweise war es der bemerkenswerthe Umstand, dass in Breslau Schlachtkälber nur im Alter bis zu zwei Wochen zu beschaffen und somit schwer

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